Symbiotische Aussaat

Begonnen von Berthold, 13.Sep.08 um 12:57 Uhr

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Claus

Hallo Erwin,
ja, du unterliegst einem Irrtum. Literatur dazu: Hanne N. Rassmussen "Terrestrial ochids from seed to mycotrophic plant". Die Pilze müssen in der Lage sein, mit ihren Hyphen in die äußeren Zellen des Embryos einzudringen, dort sog. Pelotons zu bilden und sich verdauen zu lassen, ohne dass sie alle Zellen des Embryos infizieren und diese dann selbst verdauen = parasitieren. Da gibt es ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Pilz und Orchidee, das sehr leicht zugunsten des Pilzes gestört werden kann.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 19.Feb.09 um 10:38 Uhr
Da gibt es ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Pilz und Orchidee, das sehr leicht zugunsten des Pilzes gestört werden kann.

Viele Grüße
Claus

Claus, dieses Gleichgewicht scheint mir sogar extrem empfindlich.
Genau das macht doch die symbiotische invitro-Keimung zu einer echten kleinen Herausforderung.
Ich denke, das Gleichgewicht scheint mir noch leichter "zugunsten" der Orchideensamen verschoben zu werden. Der Samen wehrt sich erfolgreich gegen das Hineinwachsen der Pilzhyphen. Was er dabei vergisst ist, dass er nicht keimen kann.

Es scheint so zu sein dass unterschiedliche Individuen ein und derselben Pilzart aufgrund kleinster genetischer Unterschiede bereits sehr unterschiedliche Eindringfähigkeiten in Orchideensamen besitzen.


Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Zitat von: Claus am 19.Feb.09 um 10:38 Uhr
Hallo Erwin,
ja, du unterliegst einem Irrtum. Literatur dazu: Hanne N. Rassmussen "Terrestrial ochids from seed to mycotrophic plant". Die Pilze müssen in der Lage sein, mit ihren Hyphen in die äußeren Zellen des Embryos einzudringen, dort sog. Pelotons zu bilden und sich verdauen zu lassen, ohne dass sie alle Zellen des Embryos infizieren und diese dann selbst verdauen = parasitieren. Da gibt es ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Pilz und Orchidee, das sehr leicht zugunsten des Pilzes gestört werden kann.

Viele Grüße
Claus
Ja, schon klar, aber so habe ich das nicht gemeint.
Meine Frage zielte darauf ab, dass die Tatsache, dass der B1 auf toten Haferflocken+diversen Blättern, Wedeln, etc. kultivierbar ist alleine noch nicht impliziert, dass er in der Natur auch saprophytisch leben kann, zumal ich glaube, dass sich auch Pilze, die in der Natur rein als Ekto-/Endo-Mykorrhizapilze leben, auf irgendeinem "toten" Nährstoffgemisch im Labor kultivieren lassen. Oder ist das ein Irrglaube?

Berthold

Zitat von: winwen am 19.Feb.09 um 12:58 Uhr
zumal ich glaube, dass sich auch Pilze, die in der Natur rein als Ekto-/Endo-Mykorrhizapilze leben, auf irgendeinem "toten" Nährstoffgemisch im Labor kultivieren lassen. Oder ist das ein Irrglaube?


bei Trüffeln ist das soweit ich weiss bisher nicht gelungen. Mir ist allerdings nicht bekannt wie intensiv an dem Problem gearbeitet wird. Es steckt eine enormes wirtschaftliches Potenzial da hinter.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Zitat von: Berthold am 19.Feb.09 um 13:04 Uhr
Zitat von: winwen am 19.Feb.09 um 12:58 Uhr
zumal ich glaube, dass sich auch Pilze, die in der Natur rein als Ekto-/Endo-Mykorrhizapilze leben, auf irgendeinem "toten" Nährstoffgemisch im Labor kultivieren lassen. Oder ist das ein Irrglaube?


bei Trüffeln ist das soweit ich weiss bisher nicht gelungen. Mir ist allerdings nicht bekannt wie intensiv an dem Problem gearbeitet wird. Es steckt eine enormes wirtschaftliches Potenzial da hinter.

Perigord-Trüffeln gehen mittlerweile (das ist einem Bio-Studenten in Wien gelungen), weiße noch nicht.
http://www.trueffelgarten.at/


Claus

Zitat von: winwen am 19.Feb.09 um 12:58 Uhr
Meine Frage zielte darauf ab, dass die Tatsache, dass der B1 auf toten Haferflocken+diversen Blättern, Wedeln, etc. kultivierbar ist alleine noch nicht impliziert, dass er in der Natur auch saprophytisch leben kann, zumal ich glaube, dass sich auch Pilze, die in der Natur rein als Ekto-/Endo-Mykorrhizapilze leben, auf irgendeinem "toten" Nährstoffgemisch im Labor kultivieren lassen. Oder ist das ein Irrglaube?
Die Pilze leben ja wohl in der Hauptsache von Zuckern. Dazu haben sie Enzyme, die sowohl aus Stärke als auch Cellulose und sicher auch aus Hemicellulosen durch Hydrolyse Zucker herstellen können. Lignin können nur einige verarbeiten, Lignin ist ja neben Cellulose der Hauptbestandteil des Holzes.

Wenn ich Pilzen also direkt Zucker anbiete, so können sie davon leben. Das kommt in der Natur auch vor, z.B. als Honigtau abtropfender Zucker von Blättern bestimmter Pflanzen. Wenn ich ihnen tote Materie mit Stärke oder Cellulose als Inhaltsstoffe anbiete, so können sie das auch. Da hat z.B. der Rhizoctonia solanii über die Infektion der Kartoffeln dafür gesorgt, dass die Bevölkerung der USA eine ganze Menge Iren als Ahnen hat.

Bei der Ektomykorrhiza ist es nach meinem Verständnis so, dass diese Pilze über ein Geflecht um die Wurzeln von lebenden Pflanzen mit diesen in engem Kontakt stehen, wobei die Pflanze den Pilz mit Zucker versorgt, der Pilz umgekehrt die Pflanze mit anorganischen Nährstoffen.

Welche Pilze nun im einzelnen Symbiosepilze von Orchideen sind, ist offenbar nicht so genau bekannt. In der Literatur steht dazu nur, dass der Rhizoctonia in sehr vielen Fällen dazu zählt. Und neuerdings gibt es Meldungen, dass man den Übergang von Nährstoffen eines Baumes über eine Ektomykorrhiza bis zu einer Orchidee nachgewiesen hat.

Erwin, ich weiß nun auch nicht so genau, was dich da so quält. Der B1 dürfte ein Rhizoctonia sein, im Orchideenforum haben wir mal gesammelt, für welche Arten er gut ist, auf Hafer funktioniert er - jedenfalls eine gewisse Zeit - und dass er holzabbauend ist, was wir immer vermutet hatten, haben wir ja mit der Anzucht auf Toresa (Dieter) und ich jetzt mit den Holzgemischen nachgewiesen.

Was jetzt erarbeitet werden sollte, ist die Breite dieser Anwendung bezüglich Holzarten, zugesetzten Nährstoffen und passenden Arten zu testen. Es gibt Hinweise durch Dieters Versuche, dass sich so eventuell weitere Arten symbiotisch aufziehen lassen könnten.

Viele Grüße
Claus
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winwen

Zitat von: Claus am 19.Feb.09 um 14:31 Uhr
Erwin, ich weiß nun auch nicht so genau, was dich da so quält.
Auf den Punkt gebracht: Lässt sich der B1 auch ohne Hafer UND ohne Imprägnierung, also rein auf abgestorbenen Pflanzenteilen welcher Art auch immer langfristig in Symbiose mit Orchideen (zumindest eine Art) halten - also zumindest so lange, bis diese eigenständig lebensfähig sind?

Volzotan

Es wächst zumindest auch auf unimprägniertem Neudohum.

Gruß Volzotan

Dieter

Zitat von: winwen am 19.Feb.09 um 15:13 Uhr

Auf den Punkt gebracht: Lässt sich der B1 auch ohne Hafer UND ohne Imprägnierung, also rein auf abgestorbenen Pflanzenteilen welcher Art auch immer langfristig in Symbiose mit Orchideen (zumindest eine Art) halten - also zumindest so lange, bis diese eigenständig lebensfähig sind?


der pilz lebt auf dem toten "holz"
auch wenn da keine orchideen drauf wachsen,
so lange bis das "holz" alle ist.
dann stirbt der pilz, mit oder ohne orchidee.

die orchideen überleben,
wenn der pilz sie nicht auch mit auffrisst.

Claus

Zitat von: winwen am 19.Feb.09 um 15:13 Uhr
Auf den Punkt gebracht: Lässt sich der B1 auch ohne Hafer UND ohne Imprägnierung, also rein auf abgestorbenen Pflanzenteilen welcher Art auch immer langfristig in Symbiose mit Orchideen (zumindest eine Art) halten - also zumindest so lange, bis diese eigenständig lebensfähig sind?

Erwin,
diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ich hatte Dieters Pilz mal nur auf Toresa - also Holz -  plus Imprägnierung, aber ohne jeden Stickstoff, weder anorganisch noch organisch. Darauf wuchsen Sämlinge von D. fuchsii nicht.

Das muss aber nichts heißen. In der freien Natur liegt immer eine gewisse Menge an für Pflanzen nutzbarem Stickstoff vor, so dass der Pilz, falls er den zum Wachsen selbst braucht, auch findet. Und da kann er dann auch mit Orchideen in "Symbiose" gehen, was ja keine richtige Symbiose ist; denn die Orchidee parasitiert ja auf dem Pilz.

Der B1 ist sehr lebenstüchtig. Ich hatte ihn 2005 von Frank bekommen, und habe ihn immer noch als Rückstellprobe im Kühlschrank. Vor kurzem habe ich wieder eine Probe davon auf Haferagar gelegt, und er ging los, wie ganz zu Beginn. Also vermute ich, dass er auch im Boden ohne Zufuhr von Nährstoffen recht lange überleben kann. Die fungi imperfecti bilden ja keine Sporen sondern Konidien als Dauerformen, und die könnten diese Überlebensfähigkeit haben. Man muss sich das ja vielleicht so vorstellen, dass er im Boden von abgestorbenen Wurzeln lebt, dann kommt der Winter, er geht in eine Ruhephase, und im Frühjahr geht es wieder los. Inzwischen gibt es sicher wieder neues Futter für ihn.

Zurück zu deiner Frage: Auf reinem Holz ohne Stickstoffzufuhr wird der B1 Orchideen kaum unterstützen können. Beschreibe doch einmal, was du für Versuche planst, abhängig von diesen Antworten.

Viele Grüße
Claus
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Dieter

Zitat von: Claus am 19.Feb.09 um 17:30 Uhr
Ich hatte Dieters Pilz mal nur auf Toresa - also Holz -  plus Imprägnierung, aber ohne jeden Stickstoff, weder anorganisch noch organisch. Darauf wuchsen Sämlinge von D. fuchsii nicht.


ich hatte Toresa 24h in 2ml Wuxal/l leitungswasser eingeweicht.
dann ausgequetscht und nochmal 24 open getrocknet.

und darauf den pilz und später die fuchsii, andere hatte ich für das erste experiment nicht.

Volzotan

Ich glaube die Gruppe der Fungii imperfecti ist für die Mykologen eher so eine Art Mülleimer wo sie alles reinstecken von dem Sie die Fruchtkörper nicht kennen.

Weil der B1 gerade in dieser Gruppe verweilt muss nicht unbedingt heißen, das er keine Fruchtkörper bilden kann, er tut es nur unter den Bedingungen, die wir ihm bieten nicht, soviel ist sicher... grins

Möglicherweise ist auch der B1 eigentlich einer der gern mal eine Ektomykorrhiza mit einem Baum ausbildet und dann erst Fruchtkörper bildet, aber wie will man das in Nachhinein noch herausfinden.

Nur so ein paar Gedanken...

Gruß Volzotan

Claus

Hallo Volzotan,

du bist doch jetzt eigentlich an der Quelle. Ich habe bisher im Internet auch bei intensiver Suche keine wirklich verständliche Darstellung über das Leben der Pilze gefunden. Es wird immer so drum herum geschrieben, und die Herren Professoren werfen in übler Weise mit Fachausdrücken um sich. In meiner Studienzeit stellte sich dann immer heraus, dass sie das selbst nicht so ganz verstanden hatten, deshalb mussten sie sich so sibyllinisch ausdrücken. :bag Kannst du das nicht mal mit einfachen Worten darstellen? Oder eine ordentliche Literaturstelle empfehlen?

Es geht doch darum, dass diese sogenannte "anamorphe" Form eines Pilzes, wie der B1 eine ist, nur die Bezeichnung eines Entwicklungsstadiums ist. In dem folgenden Entwicklungsstadium spricht man dann von der "teleomorphen" Form. Die kann dann offenbar z.B. Fruchtkörper bilden. Und grundsätzlich könnte es ja wohl sein, dass der B1 irgendwo auf der Welt auch als teleomorphe Form vorhanden ist, nur weiß das dann keiner, dass es der B1 ist.

Daraus entsprang dann ja auch der Wunsch, durch Sequenzierung herauszufinden, welches Teleomorph der B1 sein könnte. Da kommen dann diese schönen Namen auf wie Sebacina, Tulasnella, Ceratobasidium und Thanatephorus; es gibt noch mehr. Wie sehen denn diese teleomorphen Formen eigentlich physisch aus.

Was passiert denn auf dem Übergang von der anamorphen in die teleomorphe Form und wodurch wird das ausgelöst?

In diesem Zusammenhang spricht man beim Teleomorph auch von der sexuellen oder geschlechtlichen Phase. Wie treiben es denn die Pilze miteinander? Sind die homosexuell ("der" Pilz) oder lesbisch ("die Stinkmorchel") oder Heteros?  :rot

Ach, wäre das schön, wenn man da mal etwas Basis bekäme!

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Mr. Kaizer

Ich habe Cheffe mal ein Buch geschickt:

Biologie der Pilze, eine Einführung in die angewandte Mykologie, Hans Otto Schwantes, 1996.

Ich weiß nicht, ob das Buch eure Fragen zu einem gewissen Grad beantworten kann. Ich habe das nur teilweise gelesen, fand es aber immer recht hilfreich, wenn es um die Fortpflanzungsgeschichten bei den Pilzen ging.

Berthold, war das hilfreich? Oder zu allgemein?

Gruß
Robert

Berthold

Zitat von: Mr. Kaizer am 19.Feb.09 um 19:05 Uhr
Berthold, war das hilfreich? Oder zu allgemein?

Gruß
Robert

Robert, ich sitze noch dran, Du und Deine KommilitonInnen braucht doch auch 2 Semester dafür. Leider gibt es auch keine Kurzfassung in Form einer Management-Information dazu.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)