Orchideenkultur

Fachbereich => Terrestrische Orchideen => Cypripedium => Thema gestartet von: Berthold am 04.Feb.11 um 11:39 Uhr

Titel: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 11:39 Uhr
Kein Cypripedium lebt ewig, weder in der Natur noch im Garten oder im Topf. Deshalb interessiert die Frage, mit welcher Lebenserwartung kann man rechnen, wenn man sich Cypripedien zulegt und immer welche in Blüte haben möchte. Man muss rechtzeitig Ersatz beschaffen, bevor die alte Pflanze abstirbt.

Die mittlere Lebenserwartung einer Pflanze hängt von Art und den Kulturbedingungen ab und ist sehr unterschiedlich.
Meine persönlichen Erfahrungen zeigen bisher Folgendes:
Relativ kurzlebig haben sich bei mir gezeigt:

flavum 3x geblüht, 5x geblüht
segawai 3x geblüht
henryi 4x geblüht

Anschliessend wurden die Pflanzen immer kleiner und sind letztendlich verschwunden. Weiterhin scheinen mir kurzlebig zu sein:

farreri
margaritaceum


Langlebig erscheinen mir:

calceolus
macranthos
guttatum (mit dem kriechenden Rhizom)


Ich kann schlecht abschätzen, ob meine Erfahrung über die Lebensdauer an ungünstigen Kulturbedingungen bei mir liegen oder ob es an der Art liegt.

Wie sind da Eure Erfahrungen? 
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Claus am 04.Feb.11 um 11:47 Uhr
Am Naturstandort im Lechtal bei Marinau wandern die Cyp. calceolus im Laufe der Jahrzehnte über Kilometer. Dies hat mir ein 80-jähriger Bergwachtmann erzählt, der die Pflanzen während der Blüte bewachte. Das hänge mit der Veränderung der Bewaldung zusammen (Kiefern im Überschwemmungsgebiet des Lech.)

Die Konsequenz ist natürlich, dass dann die alten Pflanzen absterben und sich vorher auf neuem Glände vermehren.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: orchitim am 04.Feb.11 um 11:55 Uhr
Zitat von: Berthold am 04.Feb.11 um 11:39 Uhr
Kein Cypripedium lebt ewig, weder in der Natur noch im Garten oder im Topf.

Waaaaaas das erfahre ich erst jetzt, wo ich mir gerade eine Latte Pflanzen zugelegt habe. :heul
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 12:16 Uhr
Zitat von: orchitim am 04.Feb.11 um 11:55 Uhr
Zitat von: Berthold am 04.Feb.11 um 11:39 Uhr
Kein Cypripedium lebt ewig, weder in der Natur noch im Garten oder im Topf.

Waaaaaas das erfahre ich erst jetzt, wo ich mir gerade eine Latte Pflanzen zugelegt habe. :heul

Lohnt sich das für Dich denn überhaupt noch? :ka
Auch bei der Anschaffung von Haustieren sollte man sich fragen, eine Schildkröte oder lieber einen Goldhamster?
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Belo144 am 04.Feb.11 um 13:22 Uhr
ich denke, daß dies mit den allgemeinen Bedingungen am Wuchsort zusammenhängt. Ich kenne Bilder von Privatpersonen, die in China Cyp.flavum-Horste fotografiert haben mitmehr als 20 Trieben, also schon ganz schön alt. Auch gibt es Standortaufnahmen vom segawei mit duzenden blühenden Trieben. Ob wir den in Kultur eher kurzlebigen Pflanzen immer so das richtige bieten bin ich sehr am bezweifeln, das ist eher so ein duchmogeln nach bestem Wissen ????? und Gewissen.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 13:44 Uhr
Zitat von: Belo144 am 04.Feb.11 um 13:22 Uhr
Auch gibt es Standortaufnahmen vom segawei mit duzenden blühenden Trieben.

Lothar, die kenne ich auch, aber das scheinen mir mehrere Einzelpflanzen zu sein, die sich vielleicht an einem günstigen Standort ausgesät haben.

Wir sollten möglichst viel Informationen und Erfahrungen zusammentragen. Dann gibt es vielleicht ein klareres Bild.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Ricarda am 04.Feb.11 um 13:56 Uhr
Ich habe keine Erfahrung mit Cypripedium, aber genau deshalb zu diesem Thema eine Frage. Weil ich auch gern mal Cypripeien im Garten hätte, eiheimische, am besten nichts kompliziertes.

Gibt es für dekorative Gartenzwecke besondere Züchtungen, die eine längere Lebensdauer haben - oder gilt das gleiche, was Ihr hier über z.B. calceolus zusammentragt?
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 13:59 Uhr
Der heimische calceolus ist an sich sehr langlebig und es gibt inzwischen auch ganz gut wachsende Klone, die in ihrer Robustheit fast an die Hybriden  ran reichen.

Timm Willem ist der richtige Ansprechpartner.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Ricarda am 04.Feb.11 um 14:04 Uhr
Danke  :thumb
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Uhu am 04.Feb.11 um 17:39 Uhr
Sicherlich gibt es in einer Art interindivduelle Unterschiede. Ich habe mal den Sämlinge einer Laelia tenebrosa hochgepäppelt; nach der 2.Blüte ist die Pflanze ohne Kulturänderung einfach komplett gelb geworden und abbgestorben, die hatte weder Schädlinge, noch eine Pilz- oder Viruserkrankung. Andere aus der Aussaat sind normal weitergewachsen. Mein Sämling war eher ein Nachzögling.

Cyp.caleolus ist hier heimisch und dürfte daher bei uns eine der robustesten Arten sein. Bei vielen anderen Arten wird die Kultur schon aus klimatischen Gründen kritischer sein. Wechselhaftes Einfrieren und Auftauen haben die eben nicht in ihrem Programm.

Ich selbst hab noch keine längere Erfahrung mit Cypris. Bei mir scheint C.pubescens ähnlich vital wie calceolus - beide 3x geblüht. Calceolus hat sich in der Zeit von 1 auf 7 Triebe (4 blühende) verzweigt. Pubescens vital, aber leider weiterhin nur 1-triebig.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 19:21 Uhr
Zitat von: Uhu am 04.Feb.11 um 17:39 Uhr
Pubescens vital, aber leider weiterhin nur 1-triebig.

in der Natur unter guten Bedingungen sind die meisten Arten eintriebig und bleiben auch so.
Die werden nur mehrtriebig, wenn im Wurzelwerk irgendeine Störung auftritt.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Jürgen a.d.E. am 04.Feb.11 um 19:36 Uhr
Ich habe mal gelesen, eine Orchidee lebt so lang wie der Samen bis zur ersten Blüte braucht.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 04.Feb.11 um 22:37 Uhr
Zitat von: Jürgen a.d.E. am 04.Feb.11 um 19:36 Uhr
Ich habe mal gelesen, eine Orchidee lebt so lang wie der Samen bis zur ersten Blüte braucht.

aber es kommt auch drauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Samen zur Blüte kommt.

Theoretisches Beispiel:
Eine Orchidee produziert 10000 Samen pro Jahr. Die Wahrscheinlichkeit der Keimung und des Überlebens bis zur Blüte ist 1:100000.
Dann müsste die Pflanze 10 Jahre lang hintereinander blühen, um einen Samen zur Blüte zu bringen.

Man muss dann zu der Zeit von Keimung bis zur Blüte noch 10 Jahre drauf addieren, damit der Bestand stabil bleibt.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Wolfgang am 05.Feb.11 um 07:49 Uhr
Die reginae gehört unbedingt noch zu den "langlebigen".
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 05.Feb.11 um 10:23 Uhr
Zitat von: Wolfgang am 05.Feb.11 um 07:49 Uhr
Die reginae gehört unbedingt noch zu den "langlebigen".


Reginae hat sich bei mir im Garten an 2 unterschiedlichen Standorten und auch im BG Berlin etwa 5 Jahre lang zu einem riesigen blühenden Horst entwickelt und ist dann innerhalb von 2 Jahren abgestorben.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Ute Rabe am 05.Feb.11 um 10:57 Uhr
Was passiert wenn man die Horste teilt? Wirkt das verjüngend , wie bei den "normalen" Gartenstauden?
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Wolfgang am 05.Feb.11 um 10:58 Uhr
Also ich finde, reginae ist mit calceolus eine der am einfachsten zu kultivierenden Naturarten. Bei mir steht der eine Horst jetzt 10 Jahre ohne besondere Pflege- bzw. Erhaltungsmaßnahmen, ein weiterer im dritten oder vierten Jahr.

Letztlich dürfte es doch tatsächlich so sein, dass die Lebenserwartung der Cyps in unseren Gärten weit überproportional von örtlichen und persönlichen Kulturbedingungen (ungünstige klimatische Bedingungen, Pflegefehler) bestimmt wird als von einer genetischen Veranlagung der Pflanze zur generellen Kurzlebigkeit, gleichgültig wie optimal die Rahmenbedingungen auch sein mögen.

Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Manne am 05.Feb.11 um 23:35 Uhr
C. calceolus Horste können über 100 Jahre alt werden. Längere Beobachtungen liegen noch nicht vor, weil es noch niemand länger beobachtet hat.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 06.Feb.11 um 01:51 Uhr
Zitat von: Wendelin am 05.Feb.11 um 10:57 Uhr
Was passiert wenn man die Horste teilt? Wirkt das verjüngend , wie bei den "normalen" Gartenstauden?

ja, auf jeden Fall, insbesondere auch durch den Substratwechsel, der damit verbunden ist.

An einigen Naturstandorten erneuert sich das Substrat auch selbständig stärker als an anderen. Dort wird man dann langlebigere Pflanzen finden.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 15.Jun.13 um 00:32 Uhr
Zitat von: Jürgen a.d.E. am 04.Feb.11 um 19:36 Uhr
Ich habe mal gelesen, eine Orchidee lebt so lang wie der Samen bis zur ersten Blüte braucht.

Und umso leichter der Samen keimt, desto kürzer muss die Lebenserwartung der Mutterpflanze sein, denn anderenfalls müsste bald alles voll von dieser Art sein und sie stände sich selber im Wege.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 04:08 Uhr
Zitat von: Jürgen a.d.E. am 04.Feb.11 um 19:36 Uhr
Ich habe mal gelesen, eine Orchidee lebt so lang wie der Samen bis zur ersten Blüte braucht.
Ich bin sicher, dass viele Stöcke von Cypripedium calceolus mit mehr als 50 Sprossen in der Natur mehrere hundert Jahre erreicht haben.

Da dürften schon mehrere Generation parallel existieren.

Langlebigkeit ist nicht zwangsläufig ein Kriterium dem die Evolution einen bedingungslos hohen Rang einräumt(z.B. Sonnenblume), die Lebensdauer ist aber bei den meisten Orchideen nicht durch ein genetisch festgelegtes Ereignis begrenzt, also rein zufällig oder durch genetische Degeneration(z.B. zu Tode blühen) bestimmt.

Diese Annahme kann man leider nicht beweisen, da die Kultur unter künstlichen Bedingungen offensichtlich einen sehr großen Einfluss auf die Lebenserwartung einer Pflanze hat. Für Orchideen bedeutet dies unnatürliche Lebensbedingungen und erheblicher Stress durch eine unangepasste Nährstoffversorgung. Untersucht werden könnte diese Frage lediglich an absolut ungestörten Primärstandorten.

Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Charlemann am 15.Jun.13 um 11:09 Uhr
Ich bin ja nicht der ganz große Ekschpärte auf dem Gebiet, aber bei regelmässigen Substratwechsel zusammen mit Teilung der Pflanze kann ich mir schon vorstellen, das so eine Pflanze praktisch ewig leben könnte.
Hängt natürlich auch von anderen äußerlichen Einflüssen ab, Witterung, strenge Winter, Schneckenfraß etc.
Aber sicher bin ich mir da als Laie natürlich nicht.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 14:45 Uhr
Zitat von: Charlemann am 15.Jun.13 um 11:09 Uhr
Ich bin ja nicht der ganz große Ekschpärte auf dem Gebiet, aber bei regelmässigen Substratwechsel zusammen mit Teilung der Pflanze kann ich mir schon vorstellen, das so eine Pflanze praktisch ewig leben könnte.
Hängt natürlich auch von anderen äußerlichen Einflüssen ab, Witterung, strenge Winter, Schneckenfraß etc.
Aber sicher bin ich mir da als Laie natürlich nicht.
Kann man so sagen, da es Dir bei durchschnittlicher Lebenserwartung schwer fallen dürfte, mit einem calceolus mitzuhalten.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 15.Jun.13 um 14:59 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 04:08 Uhr
Langlebigkeit ist nicht zwangsläufig ein Kriterium dem die Evolution einen bedingungslos hohen Rang einräumt(z.B. Sonnenblume), die Lebensdauer ist aber bei den meisten Orchideen nicht durch ein genetisch festgelegtes Ereignis begrenzt, also rein zufällig oder durch genetische Degeneration(z.B. zu Tode blühen) bestimmt.

Die Lebenserwartung muss aber von der Evolution durch eine gewisse genetische Stabilität geregelt sein. Diese darf nicht zu gross und nicht zu gering sein.
Wenn sie zu gross ist, kann sich die Pflanze nicht an veränderte Umweltbedingungen anpassen, nimmt Platz für ihre Nachkommen weg und endet irgendwann in der Sackgasse. Wenn sie zu niedrig ist, gehen bereits entwickelte erfolgreiche Eigenschaften der Art wieder verloren.

Man sollte bei den Orchideen folgende Faktoren unterscheiden, die allein oder in Kombination die Lebenserwartung der Pflanze festlegt:

- genetisch bedingte artspezifische mittlere Lebensdauer
- Sensibilität der Art gegenüber Umwelteinflüssen und insbesondere Infektionsresistenz
- Lebensdauer von Symbiose-Partnern, insbesondere bei Orchideen, die stark von Schutzpilzen abhängen

Der Einfluss dieser Faktoren in ihrer Kombination macht es unübersichtlich, die genetisch bedingte Lebenserwartung einer Art zu ermitteln.
Aber sie existiert sicherlich, denn kein Pflanze darf unendlich lange Leben, auch wenn die übrigen Randbedingungen optimal sind.

Damit die Lebensdauer beim Menschen nicht von Zufall abhängt und er definiert ablebt, hat sich die Evolution für ihn ein definiertes Verfahren überlegt, nach dem die Zellteilung auf eine bestimmte Anzahl begrenzt ist.
Nach meiner Kenntnis existiert eine solche Technik bei Pflanzen nicht, oder?
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 15:53 Uhr
Ich denke, das ist eine Frage der Perspektive.
Alles was nicht der Erhaltung(Verbreitung) eigener Chromosomen nützt ist unökonomisch.
Danach macht es keinen Sinn vor der optimalen Umsetzung aller erreichbaren Ressourcen in Nachkommen und eigenen Erhalt eine komplexere Strategie zu verfolgen.
Eine Pflanze produziert entweder so viele langlebige Samen wie möglich, z.B. Melde oder erzeugt Samen über einen möglichst langen Zeitraum und bleibt dabei für den Preis geringerer Samenmasse länger am Leben, z.B. Eiche.
Die Pflanze hat auch aus Sicht der "Art" kein Interesse an einer Begrenzung der Nachkommenanzahl, was eine Begrenzung der Lebenserwartung immer bedeuten würde.

Ich bin etwas skeptisch, ob es überhaupt Schutzpilze mit den hier angedachten so fest formulierten Funktionen bei sehr vielen Orchideen gibt. Zumindest erkenne ich eine direkte Verknüpfung der Frage einer allgemeinen Lebenserwartung bei Pflanzen mit den Eigenschaften der Schutzpilze nicht direkt.

Was die Lebenserwartung beim Menschen betrifft, so scheint es eine ganze Reihe von "Uhren" zu geben, keine von denen korreliert exakt mit dem zeitlichen Alter. Es gibt wohl verschiedene Uhren, bei denen irgendwann der Wert "Verbraucht" auftreten kann. Die meisten Menschen sterben aber an anderen Ursachen.
Was die genaue Bedeutung einer begrenzten Lebenserwartung ist, steht dabei aber noch außen vor. Möglicherweise ist es nur ein Abbild erreichbarer Ressourcen. Es macht aus Sicht der Chromosomen keinen Unterschied wie alt ein Mensch wird, seine Fähigkeit zur Reproduktion hat engere Grenzen(sollte sie zumindest).
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 15.Jun.13 um 16:16 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 15:53 Uhr
Ich bin etwas skeptisch, ob es überhaupt Schutzpilze mit den hier angedachten so fest formulierten Funktionen bei sehr vielen Orchideen gibt. Zumindest erkenne ich eine direkte Verknüpfung der Frage einer allgemeinen Lebenserwartung bei Pflanzen mit den Eigenschaften der Schutzpilze nicht direkt.


Es gibt sicherlich eine ganze Reihe solcher Orchideen, z. B. alle Arten mit Blattgrün, die sich selber ernähren können und trotzdem kaum umpflanzbar sind.
Dazu gehören z. B. Cephalanthera damasonium, wie andere Cephalanthera aus Kleinasien und dem fernen Osten, aber auch Knollenorchideen wie Chamorchis oder Pseudorchis albida.

Dann gibt es natürlich all die chlorophyllfreien oder -armen Arten, die zu 100% vom Wohlergehen ihrer Pilzpartner abhängen.

Wenn man Ophrys langfristig im Garten ansiedeln will, muss ein entsprechender Pilz vorhanden sein, der die Keimung sicherstellt, sonst bricht jeder Ophrys bestand nach einigen Jahren zusammen, weil die alten Mutterpflanzen absterben.
Ophrys apifera sät sich leicht selber aus, aber die neue Pflanze verschwindet schnell wieder. Man kann fast vermuten, dass sie monocarp ist.

Dr. Beyrle sollte mal ein in einem Gebiet in Süddeutschland ein Dactylorhiza-Biotop anlegen. Er hatte zu diesem Zweck zunächst passende Mykorhizza-Pilze aus der Orchideen-Art isoliert, die Pilze dann vermehrt und im grossen Stil in dem Gelände ausgebracht. Die Population soll anfänglich erfolgreich gewesen sein, dann sei sie aber zusammengebrochen, weil sich die Pilze nicht langfristig etablieren konnten
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 18:37 Uhr
Zitat von: Berthold am 15.Jun.13 um 16:16 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 15:53 Uhr
Ich bin etwas skeptisch, ob es überhaupt Schutzpilze mit den hier angedachten so fest formulierten Funktionen bei sehr vielen Orchideen gibt. Zumindest erkenne ich eine direkte Verknüpfung der Frage einer allgemeinen Lebenserwartung bei Pflanzen mit den Eigenschaften der Schutzpilze nicht direkt.


Es gibt sicherlich eine ganze Reihe solcher Orchideen, z. B. alle Arten mit Blattgrün, die sich selber ernähren können und trotzdem kaum umpflanzbar sind.
Dazu gehören z. B. Cephalanthera damasonium, wie andere Cephalanthera aus Kleinasien und dem fernen Osten, aber auch Knollenorchideen wie Chamorchis oder Pseudorchis albida.

Dann gibt es natürlich all die chlorophyllfreien oder -armen Arten, die zu 100% vom Wohlergehen ihrer Pilzpartner abhängen.

Wenn man Ophrys langfristig im Garten ansiedeln will, muss ein entsprechender Pilz vorhanden sein, der die Keimung sicherstellt, sonst bricht jeder Ophrys bestand nach einigen Jahren zusammen, weil die alten Mutterpflanzen absterben.
Ophrys apifera sät sich leicht selber aus, aber die neue Pflanze verschwindet schnell wieder. Man kann fast vermuten, dass sie monocarp ist.

Dr. Beyrle sollte mal ein in einem Gebiet in Süddeutschland ein Dactylorhiza-Biotop anlegen. Er hatte zu diesem Zweck zunächst passende Mykorhizza-Pilze aus der Orchideen-Art isoliert, die Pilze dann vermehrt und im grossen Stil in dem Gelände ausgebracht. Die Population soll anfänglich erfolgreich gewesen sein, dann sei sie aber zusammengebrochen, weil sich die Pilze nicht langfristig etablieren konnten
Für mich schmarotzt die Orchideen aber in diesen Fällen lediglich an den klassischen Mykorrhiza anderer Pflanzen. Da ist weder eine Schutzfunktion noch eine direkte Abhängigkeit als allgemeine Regel erkennbar, für mich.

Sicher gibt es Arten die auf eine andere, wesentlich belebtere Bodenflora und leichte Verletzungen mit schnellem Ableben reagieren, das gilt aber nicht für alle Arten, und für die Beispielarten sind die genauen Gründe auch noch nicht abschließend untersucht.

Das Ophrys unter Umständen relativ aggressive(stark schmarotzend) und kurzlebige Arten hervor bringt, stimmt wohl, ob dies für alle Arten gleichermaßen gilt, denke ich nicht. An extremeren Trockenstandorten werden Arten existieren, die mehr eine langfristige Strategie verfolgen.

Was die Geschichte mit den Dactylorhiza betrifft, da gibt es wohl tausende mögliche Ursachen.

Es ist erst seit kurzer Zeit möglich ein quantitatives und qualitatives Gesamtbild des Bodenlebens zu erstellen.
Aus den mir bekannten unveröffentlichten Untersuchungen zu diesem Thema lässt sich aber erkennen, dass die Veränderungen in der qualitativen MO-Zusammensetzung eines Bodens eine sehr zähe Angelegenheit darstellt. Um einen Pilz oder ein Bakterium nicht mehr nachweisen zu können, muss man wohl mehr von Jahrzehnten als von Jahren sprechen.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Volzotan am 15.Jun.13 um 18:49 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 18:37 Uhr

Es ist erst seit kurzer Zeit möglich ein quantitatives und qualitatives Gesamtbild des Bodenlebens zu erstellen.

Das klingt nach micro-arrays, kannst du das noch etwas detaillierter ausführen?

Gruß Volzotan
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Berthold am 15.Jun.13 um 20:23 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 18:37 Uhr
Zitat von: Berthold am 15.Jun.13 um 16:16 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 15:53 Uhr
Ich bin etwas skeptisch, ob es überhaupt Schutzpilze mit den hier angedachten so fest formulierten Funktionen bei sehr vielen Orchideen gibt. Zumindest erkenne ich eine direkte Verknüpfung der Frage einer allgemeinen Lebenserwartung bei Pflanzen mit den Eigenschaften der Schutzpilze nicht direkt.


Es gibt sicherlich eine ganze Reihe solcher Orchideen, z. B. alle Arten mit Blattgrün, die sich selber ernähren können und trotzdem kaum umpflanzbar sind.
Dazu gehören z. B. Cephalanthera damasonium, wie andere Cephalanthera aus Kleinasien und dem fernen Osten, aber auch Knollenorchideen wie Chamorchis oder Pseudorchis albida.

Dann gibt es natürlich all die chlorophyllfreien oder -armen Arten, die zu 100% vom Wohlergehen ihrer Pilzpartner abhängen.

Wenn man Ophrys langfristig im Garten ansiedeln will, muss ein entsprechender Pilz vorhanden sein, der die Keimung sicherstellt, sonst bricht jeder Ophrys bestand nach einigen Jahren zusammen, weil die alten Mutterpflanzen absterben.
Ophrys apifera sät sich leicht selber aus, aber die neue Pflanze verschwindet schnell wieder. Man kann fast vermuten, dass sie monocarp ist.

Dr. Beyrle sollte mal ein in einem Gebiet in Süddeutschland ein Dactylorhiza-Biotop anlegen. Er hatte zu diesem Zweck zunächst passende Mykorhizza-Pilze aus der Orchideen-Art isoliert, die Pilze dann vermehrt und im grossen Stil in dem Gelände ausgebracht. Die Population soll anfänglich erfolgreich gewesen sein, dann sei sie aber zusammengebrochen, weil sich die Pilze nicht langfristig etablieren konnten
Für mich schmarotzt die Orchideen aber in diesen Fällen lediglich an den klassischen Mykorrhiza anderer Pflanzen. Da ist weder eine Schutzfunktion noch eine direkte Abhängigkeit als allgemeine Regel erkennbar, für mich.


Ja, das sehe ich auch so. Ich denke, die Orchidee wird durch die Nähe des Pilzes, der antibiotische Stoffe ausstösst geschützt. Manchmal bewächst ein Pilz auch die Wurzeln der Orchideen, was zum Erwürgen der Orchidee führen kann, aber abfaulen tut die Orchideen nicht dabei.

Die Nährstoffaufnahme durch den Pilz im Keimvorgang ist eine andere Geschichte.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 20:26 Uhr
Zitat von: Volzotan am 15.Jun.13 um 18:49 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 15.Jun.13 um 18:37 Uhr

Es ist erst seit kurzer Zeit möglich ein quantitatives und qualitatives Gesamtbild des Bodenlebens zu erstellen.

Das klingt nach micro-arrays, kannst du das noch etwas detaillierter ausführen?

Gruß Volzotan
Wir machen das nicht selber, ich sehe das nur bei Ergebnispräsentationen anderer Arbeitsgruppen.
Ich würde das auch als Bombenteppich-Methode bezeichnen.
Es werden dabei sehr lange Spuren erzeugt. Alles ist zunächst unspezifisch.
Im Gegensatz zu DNA aus einem einzigen Lebewesens bei der ich etwas bestimmtes suche und alles daran anpassen kann und so schnipsele wie ich es brauche, kann man bei DNA aus Boden immer nur das finden, was auch quantitativ hervorgehoben ist. Die erzeugten Spuren werden dann mit bekannten Bandenmustern verglichen und als Nachweis werden die Spuren einzelner Arten noch direkt gegen die Bodenmischung gezeigt.
Ich denke, es geht mehr darum, dass die Methoden sehr weit optimiert sind und ansonsten altbekannte Techniken verwendet werden, RAPDs etc.
Titel: Re: Lebenserwartung von Cypripedium
Beitrag von: Uhu am 16.Jun.13 um 21:36 Uhr
Zitat von: Berthold am 15.Jun.13 um 14:59 Uhr
Damit die Lebensdauer beim Menschen nicht von Zufall abhängt und er definiert ablebt, hat sich die Evolution für ihn ein definiertes Verfahren überlegt, nach dem die Zellteilung auf eine bestimmte Anzahl begrenzt ist.
Nach meiner Kenntnis existiert eine solche Technik bei Pflanzen nicht, oder?

Berthold, den Vergleich mit der natürlichen Lebenserwartung von Menschen und Tieren kann man hier nicht ziehen. Wenn wir regelmäßig im Herbst in tiefen Winterschlaf fallen würden und vorbereitend aus undifferenzierten Stammzellen ein Knospengewebe, von mir aus aus dem Solar plexus, entstehen würde, könnten wir frisch und jung im Frühling erwachen. Die alte Hülle würde einfach zurückgelassen und wir brauchten uns gar keine Gedanken um Alterserscheinungen wie Gefäßverkalungen, Nachlassen der Elastizität unserer Arterien etc zu machen. Leider würden wir mit der Reifung des Gehirnes bis zum Herbst nicht weit kommen. Viele unserer Alterungserscheinungen sind doch weniger vorgesehene, zelluläre Programmierung als Versagen von Reparaturmechanismen im Laufe von Jahrzehnten.