Schwierige Kameraden

Begonnen von Claus, 21.Okt.08 um 14:33 Uhr

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Claus

Hallo Säleute,
ihr kennt mich ja inzwischen als erfolgreichen Aussäer, weniger als erfolgreichen Auspikierer.  :rot
Worüber ich zur Zeit grüble ist die Tatsache, dass sich manche Arten Erdorchideen praktisch nicht aussäen lassen bzw. nicht keimen. Ich will das eigentlich nicht hinnehmen; denn immer wieder haben bei mir vereinzelte Exemplare auch gekeimt.

Als besonders hartnäckige Kameraden zähle ich hier mal auf:

Epipactis helleborine, Epipactis atrorubens, Epipactis mairei, Cephalanthera longifolia, Spiranthes romanzoffiana, Corallorhiza maculata, Corallorhiza trifida, Neottia nidus-avis. Auch Goodyera oblongifolia war nicht besonders willig, aber zwei Exemplare habe ich schon auspikiert.

Die meisten davon sind ja Rhizomorchideen, die ohnehin nicht so ganz leicht zu vermehren sind. Das gilt ja auch für Cypripedien, die auch als schwierig vermehrbar gelten. Aber da braucht man nur den richtigen Nährboden mit Aminosäuren und Nitraten.

Was mir auffällt: Die Embryos sterben nach 3-4 Tagen zu 100% ab, erkennbar an der Verfärbung in Richtung rotbraun oder gleich braun. Danach passiert natürlich nichts mehr.

Ich würde gern mit euch Versuche diskutieren, die ich dann durchführen möchte. Was können Ursachen und Maßnahmen sein?
- Zu hoher Zuckergehalt im Medium (bei mir 15 oder 20 g/l)?
- Müsste ich doch besser nach der Bleiche mit dest. Wasser nachwaschen? Aber bei der Grünaussat, die ich bei einigen auch schon probiert hatte, ist ja ohnehin kein Bleichmittel auf den Samen vorhanden.
- Höherer Hormongehalt nötig?
- Mit dem Stickstoffgehalt "spielen"?
- Alternative Bleichmittel? Ich denke dabei an den Erfolg von Volzotan bei Eltroplectris mit H2O2 statt Hypochlorit.

Mit den üblichen Pilzen passiert auch nichts, damit fange ich nicht wieder an.

Gibt es weitere Ideen? Ich meine, das Problem müssen wir lösen (alternativer Nobelpreis und so ... :-p, den teile ich natürlich!)

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Volzotan

Hi Claus,
wenn mir sowas bei Epiphyten passiert ist, hab ich sie auf Magerkost umgestellt. Das heißt einen Malmgren mit halbem Zuckergehalt und weniger Nitrat (organ. und anorgan. halbiert). Zumindest bei Restrepia und Appendicula buxifolia verhindet das das weitere Absterben der Sämlinge, sie treiben dann auch teilweise aus braunen Protokormen wieder aus. Das Wachstum ist danach extrem langsam.

Sicher ist das mit den Erdorchideen nicht unbedingt vergleichbar, aber probieren kann man ja Vieles.
Könnte ja mit der Gesamtkonzentration der Ionen im Nährboden zusammenhängen und die Protokorme werden auf normalem Nährboden schleichend plasmolysiert.

Gruß Volzotan

Claus

Hallo Volzotan,
ja, so ähnlich habe ich auch gedacht. Zucker ist ja wegen seiner Osmolarität auch nicht so ganz ohne, bei höheren Konzentrationen (Marmelade) ist er sogar keimhemmend. Ich werde mal beim nächsten Kochen von Nährboden gestaffelte Mengen nehmen (5 und 10 g/l) und auch die Düngesalze reduzieren. BAP ist ein ganz starkes Mittel zur Keimanregung, und vielleicht hilft ja auch hier die Kokosnuss.

Viele Grüße
Claus
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Niko

Hallo Claus,
Lösungen kann ich keine anbieten - aber die Liste verlängern: Platanthera ciliaris.
Svante benutzt bei hartnäckigen Kandidaten - er erwähnt zum Beispiel O. purpurea - Schwefelsäure (2% ???). Hat in diesem Fall allerdings auch nicht geholfen.
Gelegenheit zu einer Grünaussaat hatte ich bei P.c. leider noch nie...

Viele Grüße
Niko

Berthold

Zitat von: Niko am 21.Okt.08 um 19:55 Uhr
Lösungen kann ich keine anbieten - aber die Liste verlängern: Platanthera ciliaris.
Viele Grüße
Niko

dem muss ich mich leider anschliessen:
Platanthera flava
Platanthera intergrilabia
Diese amerikanischen Waldhyazinthen scheinen eine besondere Herausforderung zu sein.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Volzotan

Versuchts mal mit sanfter Bleiche, vieleicht klappt es.
Sollte es mal wieder Samen von Calypso bulbosa geben würde ich die auch gern mal mit H2O2 bleichen und aussäen. Ich hab das Gefühl man muss auch die nicht so quälen.

Gruß Volzotan

Claus

Zitat von: Volzotan am 21.Okt.08 um 21:31 Uhr
Sollte es mal wieder Samen von Calypso bulbosa geben würde ich die auch gern mal mit H2O2 bleichen und aussäen.

Hab ich versucht, 2%, verpilzte leider.
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Volzotan am 21.Okt.08 um 21:31 Uhr

Sollte es mal wieder Samen von Calypso bulbosa geben würde ich die auch gern mal mit H2O2 bleichen und aussäen.
Gruß Volzotan

Das Bleichverfahren mit Hypochlorit für Calypso war völlig in Ordnung. Aber der Boden muss stimmen. Auf dem richtigen Boden keimen fast 100% der 20% Samen mit Embryonen.

Dazu kommt, dass der Samen meist weit gereist ist und eine hohes Risiko der Verpilzung besitzt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Volzotan

Zitat von: Berthold am 21.Okt.08 um 22:21 Uhr

Dazu kommt, dass der Samen meist weit gereist ist und eine hohes Risiko der Verpilzung besitzt.

Tja der Punkt allein reicht leider schon aus, das das Ganze mit H2O2 aussichtslos ist.

Gruß Volzotan

Berthold

Zitat von: Claus am 21.Okt.08 um 16:00 Uhr
Hallo Volzotan,
ja, so ähnlich habe ich auch gedacht. Zucker ist ja wegen seiner Osmolarität auch nicht so ganz ohne, bei höheren Konzentrationen (Marmelade) ist er sogar keimhemmend. Ich werde mal beim nächsten Kochen von Nährboden gestaffelte Mengen nehmen (5 und 10 g/l) und auch die Düngesalze reduzieren.
Viele Grüße
Claus

Claus, aber der Zucker ist ja eigentlich nicht "giftig". Er beeinflusst nur den osmotischen Druck, sodass bei zu hohen Zuckerkonzentrationen Wasser aus den Zellen nach draussen transportiert wird und die Zellen einen "Trockenschaden" erleiden. So, wie der Mensch verdurstet, wenn er zu viel Salzwasser trinkt. 
Ich schätze ganz grob, dass man bei 20g/l Zucker noch etwas entfernt ist von der kritischen Konzentration. Allerdings bei über 9g/l Kochsalzlösung (physiologische Kochsalzlösung) wird es für den Menschen schon kritisch. 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 22.Okt.08 um 12:31 Uhr
Ich schätze ganz grob, dass man bei 20g/l Zucker noch etwas entfernt ist von der kritischen Konzentration.

Berthold, an irgendwas muss es ja liegen. Von daher ist es ja recht einfach, einmal die Zuckermenge zu reduzieren und die Wirkung zu beurteilen.

Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Zitat von: Claus am 22.Okt.08 um 14:17 Uhr
Zitat von: Berthold am 22.Okt.08 um 12:31 Uhr
Ich schätze ganz grob, dass man bei 20g/l Zucker noch etwas entfernt ist von der kritischen Konzentration.

Berthold, an irgendwas muss es ja liegen. Von daher ist es ja recht einfach, einmal die Zuckermenge zu reduzieren und die Wirkung zu beurteilen.

Grüße
Claus
Was Cephalanthera longifolia angeht, so würde ich die größten Chancen dem Versuch geben, Samen unterschiedlicher Reifestadien auszusäen. Je nach Klima und Standort sollte die Wahrheit irgendwo zwischen 7 und 10 Wochen nach Befruchtung liegen. Gemäß J. Böhm, der dies für C. rubra befand und einem Japaner (dessen Namen ich mir nicht merken kann), der auf gleiches bei C. falcata stieß. Die Medienzusammensetzung sollte da weniger Effekt haben, wenngleich J. Böhm deutlich macht: ohne Hormone geht es besser!

Bei Calypso bulbosa hängt offenbar viel von der Temperaturführung ab, die sich gemäß einem recht bekannten Paper in sehr engen Bahnen bewegen muss. Außerdem könnte es varietäten-abhängige Bedürfnisse bezüglich der Medienbeschaffenheit geben (var. americana/var. occidentalis/var. bulbosa/var. speciosa). Occidentalis wächst eher sauer, Americana mag offenbar basenreichen Untergrund. In einem Forum wurde über gute Erfolge im Zusammenhang mit der Keimung von var. americana auf einem Nährmedium für Paphiopedilen berichtet (G&B Mother Flask Medium V - www.orchidsource.com)

BA sollte bei Epipactis erfolgreich sein (frei nach Rasmussen)

Leider konnte ich das selbst noch nicht testen (Savnte schrieb mir, dass auch er denkt, C. longifolia funktioniert nur in einem bestimmten Reifestadium gut), da gerade bei diesen Spezies und Varietäten die Samenverfügbarkeit i.d.R. sehr schlecht ist. Bei Aaron Hicks gab es heuer Samen von Calypso bulbosa var. americana - leider zu kurz! War alles weg binnen 3 oder 4 Tagen  :heul

Claus

Also, Calypso bulbosa können wir jetzt recht gut keimen lassen auf meinem Spezialnährboden (Kombination von Malmgren, van Waes und mir) mit Kokoswasser und BAP. Da haben wir auch nach dem Umlegen keine Probleme mehr, ich habe mehrere Gläser, bei denen die Sämlinge schon Blätter haben, Berthold hat schon auspikiert.

Cepahanthera-Grünaussaat, ja ok, das Problem ist dann die Möglichkeit, Samen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu ernten. Das ist ähnlich zu O. purpurea und C. calceolus, da muss der Termin auch gut passen, dann bekommt man sogar Massenkeimung.

Da in der Natur die reifen Samen aus den Kapseln herausfallen und zumindest einige mit Hilfe von Pilzen keimen können, müsste es grundsätzlich auch mit reifen Samen und asymbiotischer Technik gelingen. Ebenso für Epipactis, Corallorhiza und Neottia.

In den nächsten Wochen werde ich dazu einige Versuche machen.

Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Da hat sich ja lange Zeit nichts mehr getan. Aber in der heutigen "Orchidee" hat Ehrenfried Lucke über seine Keimversuche bei Cephalanthera rubra berichtet und hat auch gleich das Nährbodenrezept veröffentlicht - keine Besonderheiten, er entspricht i.w. dem was wir so zusammenkochen. Das Hengduvit ist ein Vitamin B Cocktail.

So ganz habe ich seinen Artikel nicht verstanden, es geht da etwas durcheinander. Und mich würde natürlich auch interessieren, was denn nun aus den gekeimten Protokormen geworden ist. Kann man bei den Fotos Nr. 6-8 von Keimung sprechen? Für mich sind das gequollene Embryonen.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Mich wundert, dass der von Lucke erwähnte Nährboden keinen Zucker enthält. Ich kenne nur Nährböden mit 1 bis 2% Zucker. Ich habe da etwas übersehen?

Die gekeimten Protokorme werden sich weiterhin in der Flasche unter Sterilbedingungen befinden. Von erfolgreichem Pikieren ist nirgendwo die Rede und gerade das wird bei Cephalthera rubra nicht so leicht gelingen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)