Naturstandorte Österreich

Begonnen von juergen, 02.Okt.15 um 20:15 Uhr

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juergen

Liebes Forum

Da die Gartenarbeit bei mir weitestgehend ruht, habe ich etwas Zeit, Ordnung ins Chaos meiner Fotosammlung zu bringen. Auf diversen Wanderungen nehme ich gerne meine Kamera mit, und so hat sich einiges an Orchideenfotos mit dem Schwerpunkt Österreich angesammelt. Zu vielen dieser Standorte habe ich hier im Forum nichts gefunden, deshalb starte ich diesen Thread. Vielleicht gefällt Euch ja das eine oder andere Foto. Starten möchte ich mit der Lobau in Wien, die trotz ihrer Nähe zur Großstadt ein üppiger Orchideen-Hotspot ist.

Die Lobau ist Teil des Nationalparks Donauauen und liegt am östlichen Stadtrand von Wien im Bezirk Donaustadt, einem von Wiens bevölkerungsreichsten Bezirken. Da die Lobau ursprünglich kaiserliches Jagdrevier und später Naturschutzgebiet war, blieb sie eine unberührte Naturlandschaft inmitten von Agrar-, Wohn- und Industriegebieten. Im Zuge der Stadterweiterung in der Donaustadt wurde auch die U-Bahn ausgebaut, und der Eingang des Nationalparks ist ca. 2km von der neuen U-Bahn entfernt. Die Lobau ist somit weltweit wahrscheinlich der einzige Nationalpark mit U-Bahnanschluss!

Auf dem ersten Bild seht Ihr besagtes Stadterweiterungsgebiet (Aspern) mit der U-Bahn. Auf dem zweiten Bild einen Teil der unteren Lobau mit den Altarmen der Donau. Direkt im Anschluss an den Nationalpark befindet sich Österreichs einzige Raffinerie mit einem riesigen Öllager, dessen Ausläufer man am Bild erkennen kann. Der Donaustrom ist im oberen Bilddrittel erkennbar.


juergen

Neben ausgedehnten Auwäldern befinden sich in der Lobau zahlreiche Magerwiesen, auf denen sich über 20 Orchideenarten finden lassen. Eine Besonderheit sind sogenannte Heißländen, die sich auf ehemaligen Schotterbänken im Überschwemmungsgebiet der Donau ausgebildet haben. Durch den schottrigen Untergrund sind diese Standorte im Sommer extrem trocken, sodass sich dort kein Wald etablieren konnte. in diesem savannen-artigen Ambiente fühlen sich Orchideen teilweise sehr wohl. Neben den Heißländen finden sich auch umfangreiche Bestände an extensiv genutzen Magerwiesen. Auch das sind ergiebige Orchideenstandorte. Im ersten Bild sieht man beide Arten von Wiesen aus der Luft (die Einflugschneise des Wiener Flughafens verläuft praktischerweise über der Lobau).

In der Bildmitte ist eine typische Heißlände (Kreuzgrund) erkennbar, am rechten Bildrand (grüner Fleck) eine extensiv genutzte Wiese. Beides sind kleine Orchideenparadiese. Im zweiten Bild derselbe Standort von unten : Kreuzgrund im Frühjahr.

juergen

#2
In der Lobau wachsen alle vier in Österreich vorkommenden Ragwurzarten (Spinnen-, Hummel-, Bienen- und Fliegenragwurz). Die letztere ist in Österreich eigentlich die häufigste Art, in der Lobau habe ich sie allerdings noch nicht selbst gefunden. Die ersten drei kann ich hier zeigen.

Zuerst eine prächtige Hummelragwurz (Ophrys holoserica).

Berthold

Dieses Biotop in Grossstadtnähe finde ich erstaunlich. In der Türkei wäre es mit Sicherheit ein Milli Park, in Deutschland ein Spazier- und Mountainbike-Gelände geworden, das im Winter wegen Schneeglättegefahr geschlossen ist.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

juergen

Zitat von: Berthold am 02.Okt.15 um 20:58 Uhr
Dieses Biotop in Grossstadtnähe finde ich erstaunlich. In der Türkei wäre es mit Sicherheit ein Milli Park, in Deutschland ein Spazier- und Mountainbike-Gelände geworden, das im Winter wegen Schneeglättegefahr geschlossen ist.
Hallo Berthold

Dass die Lobau so ursprünglich erhalten geblieben ist, ist sicher einigen historischen Zufälle zu verdanken, aber auch der einen oder anderen politischen Auseinandersetzung (z.B. Proteste in der Hainburger Au). Mit einer Größe von knapp 100km² ist der gesamte Nationalpark sehr weitläufig. Es gibt eine Vielzahl von Wander- und Radwegen. Wegen der Weitläufigkeit ist man mit dem Fahrrad am besten dran, eine Bootsfahrt auf der Donau ist aber auch sehr zu empfehlen.

Zurück zu den Orchideen: Die Spinnenragwurz (Ophrys sphegodes) mag es in der Lobau besonders gern, teilweise wuchert sie fast wie Unkraut entlang der Wege.

Ralla

Ich hoffe, du musst noch länger an deinen Fotos herumsortieren.  :lupe
Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

Jill

Schöne Fotos, velen Dank, gerne mehr  :classic
Winterhärtezone tF

juergen

Zitat von: Ralla am 03.Okt.15 um 09:18 Uhr
Ich hoffe, du musst noch länger an deinen Fotos herumsortieren.  :lupe
Zitat von: Jill am 03.Okt.15 um 16:45 Uhr
Schöne Fotos, velen Dank, gerne mehr  :classic
Freut mich, wenn Euch die Bilder gefallen. Hier ist noch eine Bienenragwurz (Ophrys apifera).

juergen

Eine weitere Besonderheit ist das Wanzenknabenkraut (Anacamptis coriophora), das in Österreich leider schon sehr selten geworden ist. In der Lobau befindet sich angeblich das größte mitteleuropäische Vorkommen dieser Orchidee. Der Standort ist schon recht nahe an der Stadt (siehe drittes Bild), und am Wochenende tummeln sich Scharen von Spaziergängern mit Hunden und Kindern, die recht ungeniert über die Wiesen rennen. Schon erstaunlich, dass diese anspruchsvolle Pflanze gerade an einem solchen Ort bestens gedeiht.

werner

toller Beitrag Jürgen !
als Ex-Wiener kenn ich das alles und erfreut mich immer wieder
Grüße, Werner

Berthold

Für mich als gelegentlichen Wiener ein interessantes Ziel für das kommende Frühjahr.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

juergen

Zitat von: Berthold am 05.Okt.15 um 10:46 Uhr
Für mich als gelegentlichen Wiener ein interessantes Ziel für das kommende Frühjahr.
Zitat von: werner am 05.Okt.15 um 10:41 Uhr
toller Beitrag Jürgen !
als Ex-Wiener kenn ich das alles und erfreut mich immer wieder
Danke für Eure Rückmeldung. Bei der üppigen Fauna und Flora bleibt für mich auch noch viel zu entdecken. Das Frühjahr in der Lobau ist jedenfalls empfehlenswert. Besonders bunt ist es am Saisonanfang, wenn das Kleine Knabenkraut (Anacamptis morio) blüht, gemeinsam mit den Wolfsmilchgewächsen. Die Gelb- und Lilatöne sind farblich perfekt aufeinander abgestimmt. Für Ausflüge wichtig: Insektenspray nicht vergessen, vor allem wegen der Stechmücken. Wer abseits der Wege in den Wiesen unterwegs ist, sollte einen zeckentauglichen Spray nehmen, eine FSME-Impfung ist auch empfehlenswert. Die kleinen Biester lauern leider recht häufig im hohen Gras.

Ralla

Ui, Felder mit lila Blümchen. Das erinnert mich doch an was......
Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

Carsten

#13
Zitat von: Ralla am 05.Okt.15 um 21:09 Uhr
Ui, Felder mit lila Blümchen. Das erinnert mich doch an was......

:-D


Mach bitte weiter so, Jürgen.

juergen

Zitat von: Ralla am 05.Okt.15 um 21:09 Uhr
Ui, Felder mit lila Blümchen. Das erinnert mich doch an was......
An was? Mir fällt dazu spontan nur die mediterrane Provence ein, die jedoch sehr wenig mit der ruppigen Gegend gemeinsam hat, aus der die nächsten Bilder kommen. Es geht in Österreichs südlichste Gemeinde, Bad Eisenkappel, die vom touristischen Mainstream komplett vergessen wurde, obwohl sie mit den südlichen Kalkalpen (Karawanken, Steiner Alpen) eine teilweise spektakuläre Umgebung bietet. Das erste Bild stammt von der slowenisch-österreichischen Grenze. Der abweisende Felsgipfel in der Bildmitte ist Österreichs südlichster Punkt. Ein paar Kilometer weiter nördlich liegt der Hochobir, der im zweiten Bild vom Drautal aus aufgenommen wurde. Der kalkige Untergrund ist natürlich perfekt für eine Vielzahl von Orchideen. Unter anderem wächst hier das Steineralpen-Kohlröchen (Nigritella lithopolitanica), ein Endemit der südlichen Kalkalpen. Im dritten Bild seht Ihr ein Foto dieser hübschen Pflanze.