Umsiedlung von Anacamptis pyramidalis

Begonnen von Uhu, 19.Jun.10 um 07:43 Uhr

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Uhu

Vor einigen Jahren hat ein Schmetterlingsfreund in einer mittelhessischen Kiesgruße eine Anacamptis pyramidalis entdeckt. Ich hört vor 5 Jahren davon. Die Art ist, wie ich inzwischen aus anderen Quellen mitgeteil bekam, auf dem Vormarsch nach Norden. Sie taucht, manchmal wohl nur für kurze Zeit, in Nordhessen auf und kann dort häufig keine stabilen Populationen bilden. Sie kommt aber auch weiter nördlich bis zum Harz und im Osnabrücker Raum vor.

In der genannten Kiesgrube hat sich die Pflanze gut entwickelt. Ich habe Bilder mit bis zu 4 Blütentrieben gesehen. In diesem feuchten Jahr haben die fleißigen Schnecken :motz schon 2 von 3 Knospentrieben geholt. Das Laub sieht recht zerfressen aus.

Nicht zu retten ist der Standort jedoch nicht wegen der Schnecken, sondern durch die Tatsache, dass eine Rekultivierung und Verfüllung der Kiesgrube geplant ist. Seit Ende des Abbaus wird kein Grundwasser mehr abgepumpt, und der Standort liegt derzeit nur noch 2,5 Meter über dem Wasserspiegel. Aus diesem Grund wollen die Naturschutzbehörden eine Umsiedlung an einen anderen geeigneten Standort versuchen.

Hat jemand Erfahrungen mit Umsiedlungen an andere Naturstandorte? Genannt, und auch in diesem Falle empfohlen, wird immer wieder die Entnahme und Umsiedlung mit einem möglichst großen Substratballen vom Standort. Das deckt sich überhaupt nicht mit meinen Kuturerfahrungen (die bei A.pyramidalis leider frustran verlaufen sind). Ich habe vorgeschlagen die Knollen nach Einziehen und Fruchtreife zu entnehmen.

Der nächste Punkt trifft die Auswahl des neuen Standortes. Die Art habe ich zuletzt im Taubertal auf einem sehr trockenen Südhang gesehen. Ich kenne aber auch eine Feuchtwiese in der Pfalz, wo diese auf einer Fläche mit A.palustris udn Dact.incarnata vorkommt. Sie steht dort elicht erhöht an einem Damm - zusammen mit Orchis militaris. Das Standortspektrum ist also recht weit. Aus meiner Erfahrung mit anderen Knollenorchideen heraus würde ich den neune Standort mit etwas Grobsand, Perlite oder Seramis anreichern um ein Vrebacken im Lehm zu verhindern.

Eigentlich halte ich eine Ansiedlung an einem anderen Naturstandort für zu riskant und fürchte, dass die Pflanzen dadurch zugrunde gehen. Eine Überführung in den botanischen Garten (auch wenn der gerade auf der Abschussliste der Politik steht) halte ich für die sinnvollste Lösung. Den Naturschutzbehörden wird mein Bauchgefühl möglicherweise nicht ausreichen. Daher meine Frage nach Erfahrungen zu Umsiedlungen - auch bei anderen Arten. Darüber ist bisher wohl nicht sehr viel veröffentlicht worden. Insbesondere misslungen Versuche dürften dem Vergessen anheim fallen.

Ich bitte um Meinungen, Erfahrungen und ggf auch Literaturhinweise, da bald eine Entscheidung getroffen werden muss.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen

Claus

Die Umsiedlung von Erdorchideen gelingt ja sehr oft, wie man an den gekauften Exemplaren sieht. Andererseits müssten ja nun die meisten Wünsche inzwischen befriedigt sein; denn die Zahl der Hobbyisten ist ja so groß nun auch wieder nicht. Aber die Orchideenzüchter und Händler leben immer noch von diesem Geschäft mit Erdorchideen.

Daraus ist zu schließen, dass sich Erdorchideen zwar umsiedeln lassen, aber die Lebenszeit ist begrenzt, immer abhängig vom Können und von den örtlichen Gegebenheiten. Von den von mir 2004 gekauften 5 oder 6 Arten in je einem Exemplar existiert nur noch die D. fuchsii, die anderen sind meinen noch nicht ausreichenden Künsten zum Opfer gefallen.

Mir sagte mal ein 80-jähriger Bergwachtmann, der im Lechtal die Frauenschuhe bewachte: "Die meisten Pflanzen werden von Einheimischen ausgegraben, und die wachsen auch ein paar Jahre lang. Aber sie vermehren sich dort nicht, weil der Pilz fehlt".

Und das ist es auch. Wenn bei einer solchen Umsiedlung der Pilz nicht mit transferiert wird, werden die Pflanzen einige Jahre leben, sich aber nicht vermehren.

Leider haben wir keinen wirklich geeigneten Pilz für A. pyramidalis. Der B1 jedenfalls ist es nicht. Also bleibt dann nur das Verfahren, die Knollen zwar nach dem Einziehen zu entnehmen, so wie du das vorgeschlagen hast, aber dann auch eine größere Menge Boden zu entnehmen, um nach Möglichkeit auch den Pilz zu erfassen. Am Zielort sollte dann dieser Boden in das geplante Substrat mit eingearbeitet werden und noch etwas Holzfaser als Futter mit untergemischt werden.

Falls es funktioniert würde man nach ein paar Jahren auch Sämlinge vorfinden.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Manne

Wir haben hier in den 1980ern eine Reihe Ansamungsversuche mit A. pyramidalis durchgeführt. Hier haben wir als Zeigerpflanze Op. apifera gewählt. Es hat an mehreren Stellen funktioniert. Zwei Populationen haben heute sogar über 50 Pflanzen.
Wenn die Ophrys da sind, ist ein Pilz auch da. Zusätzlich zeigt dier Ophrys auch eine ausreichende Versorgung mit den nötigen Nährstoffen an.
Ihr habe doch in Nordhessen ausreichend Op. apifera Standorte (Diemeltal usw.).
Eine Umsetzung sollte immer ohne jede Ballen gemacht werden. Mit Ballen hat man schnell Fäulnis. Man sticht ja beim Ausheben viele Wurzel von Kräutern und Gras durch. Die faulen dann im Ballen.

Alexa

Für mich klingt es auch am plausibelsten, die Pflanzen an einen Ort zu überführen, an dem schon Orchideen stehen.
Hier steht die A. pyramidalis zusammen mit Ophrys holoserica, Gymnadenia conopsea, Orchis militaris und purpurea auf einem Magerrasen.
Wenn man die Pflanzen an einen Standort übersiedelt, auf dem sowieso schon die selbe Art wächst, würde vielleicht der Genpool etwas aufgefrischt.
In diesem Fall wäre die Wahrscheinlichkeit auch am höchsten, dass euer Vorhaben von Erfolg gekrönt ist. Sollten die Pflanzen nicht durchkommen, so habt ihr zumindest alles Wissen berücksichtigt.

Hoffe, du berichtest hier weiter!

Viel Erfolg!

purpurea †

#4
Zitat von: Manne am 19.Jun.10 um 10:00 Uhr
Wir haben hier in den 1980ern eine Reihe Ansamungsversuche mit A. pyramidalis durchgeführt. Hier haben wir als Zeigerpflanze Op. apifera gewählt. Es hat an mehreren Stellen funktioniert. Zwei Populationen haben heute sogar über 50 Pflanzen.
Wenn die Ophrys da sind, ist ein Pilz auch da. Zusätzlich zeigt dier Ophrys auch eine ausreichende Versorgung mit den nötigen Nährstoffen an.
Ihr habe doch in Nordhessen ausreichend Op. apifera Standorte (Diemeltal usw.).
Eine Umsetzung sollte immer ohne jede Ballen gemacht werden. Mit Ballen hat man schnell Fäulnis. Man sticht ja beim Ausheben viele Wurzel von Kräutern und Gras durch. Die faulen dann im Ballen.

Hier muss ich Manne leider beipflichten.
Mann sollte die Knollen immer säubern bevor man sie woanders hin pflanzt.
Mit der Kultur von pyramidalis habe ich selber keine Schwierigkeiten.
Sie wächst bei mir sowohl in meinem Substrat als auch in dem komischen Sand-Lehmgemisch.( ja, ich habe es ausprobiert).
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
Du darfst nicht alles glauben was Du weisst!
Lieber zuviel essen als zu wenig trinken!

Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du es hinter Dir.

Uhu

Danke für Eure Antworten. Das hilft mir schon ganz gut weiter. Claus, bei meinen bisherigen Überlegungen hatte ich die Pilze wohl doch zu wenig berücksichtigt. In Mittelhessen ist die Gattung Ophrys so selten wie Muschelkalk. Wahrscheinlich haben die Magerrasen über Kalk tatsächlich andere Symbionten als unsere hiesiegen Dactylorhiza-und Moriowiesen. Der einzige Fliegenstandort in einiger Entfernung liegt bei dem Ort Winterscheid - solche Namen wurden nicht ohne Sinn vergeben.

Die Idee das Diemeltal bei der ONB ins Spiel zu bringen finde ich gut - bin ich selbst nicht drauf gekommen, obwohl ich doch erst vor kurzem dort die erfolgreiche neu angesiedelten Ophrys angeschaut habe. :rot Das Biotop heißt Warmberg - bedeutend sympatischer für pyramidalis als Winterscheid. Leider liegt das in einem anderen Regierungsbezirk. Ich hoffe das dies kein Hinderungsgrund für die Behörden sein wird. Ich werde das auf jeden Fall vorschlagen.

Manne, möglicherweise ist es wirklich die Fäulnis durch verrottende Wurzeln, die so manche Ansiedlung oder Umsetzung zunichte macht. Mitte der 80er Jahre habe ich hier aus einer Sumpfwiese eine größere Zahl der einfach zu kultivierenden Dactylorhiza majalis entnommen. Die Planierraupe und der Erdaushub lagen schon auf der Fläche. Im Folgejahr ist bei mir nur noch die Hälfte der Pflanzen erschienen, obwohl ich sie mit wirklich großem Ballen ausgestochen habe.

Alexa, frisches Blut in einen Bestand zu bringen - ich glaub damit bekommen die Naturschutzbehörden stärkere Bauchschmerzen. Das könnte man aber mit Hilfe von Pollen sowieso recht einfach hin kriegen.

Rudolf, meine pyramidalis stammte nach meiner Erinnerung aus Deiner Nachzucht. Sie ist im Herbst sehr schön ausgetrieben. Ich hatte sie an eine geschützte Stelle in den Garten gesetzt und im Winter etwas abgedeckt. Entweder hat ihr der Standort nicht gefallen oder der Winter hier ist doch etwas zu hart gewesen. Mir sind diesen Winter auch 3 Weinstöcke eingegangen. Du vemehrst, wenn ich mich richtig erinnere, vegetativ. Hast Du in Deinem Garten auch gelegentlich Sämlinge?
Sehr schönes Bild.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen

purpurea †

Hallo Jürgen
Es tauchen gelegentlich Sämlinge auf, weiss aber nicht welche es sind.Da ich mehrere Arten kultiviere ist es mir an und für sich auch egal was hoch kommt.
Viele sind es nicht da ich nur wenige Pflanzen bis zur vollständigen Blüte kommen lasse. Die Kraft soll in die neu gebildeten Knollen gehen. Ich lasse nur Pflanzen zur Blüte kommen von denen ich sicher weiss das sie sich von den anderen in irgendeinerweisse abheben.Sei es durch Wuchshöhe oder besondere Blütenfarbe.
Gruss Rudolf.V
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
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Uhu

also bevor du die Kleinen in den Kompost schmeißt hätte ich Verwendung :whistle. Mir geht es vor allem dabei darum einen Pilz in meinen Garten zu bekommen, der A.pyramidlais (und möglicherweise auch andere Arten) keimen kann.
Grüße Jürgen

Manne

Wegen des Keimpilzes muss man sich keine Gedanken machen. Vor vielen Jahren bekam ich mal eine kleine A. pyramidalis geschenkt. Ich habe sie in meine schnöde Gartenerde gepflanzt. Dort haben schon viele Jungpflanzen gekeimt, viele habe ich auch schon weiter gegeben.
Auf dem Bild unten kann man sie sehen. Die vorderste ist die Mutterpflanze. Die größte Pflanze hat über 70 cm, solche Brocken findet man in der Natur nicht. Die Dritte von rechts, die Kleine, hat ein ganz dunkles rot.
Den Rest sagt das Bild.

purpurea †

Du hast es gut mit Deinen 70 Zentimeter( Ist alles bei Dir 70 Zentimeter???) :whistle
Meine sind nur 60 Zentimeter hoch. Allerdings habe ich ja auch das falsche Substrat. :thumb
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
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Manne

Na wenn sie richtig aufgeblüht ist halte ich mal nen Zollstock ran und mache ein Bild.

Uhu

Zitat von: Manne am 19.Jun.10 um 20:13 Uhr
.. Ich habe sie in meine schnöde Gartenerde gepflanzt. Dort haben schon viele Jungpflanzen gekeimt...

Ein Samenpröbchen für den Garten nehm ich gern grins

Heut wollte ich am Standort beim Bestäuben etwas nachhelfen und hab bis auf einen blanken grünen Stiel nix mehr gefunden :heul :wacko :weird

der schlappe Blütenstand lag daneben; die Schnecken haben also ganze Arbeit geleistet. Ich werde die Überführung in den Bestand des botanischen Gartens empfehlen. Dann können ab nächstem Jahr Ansaaten an möglicherweise geeigneten Stellen versucht werden.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen

Uhu

Hallo,

die Naturschutzbehörden haben die Entnahme der Knollen und die Kultivierung im botanischen Garten genehmigt. Gestern haben wir insgesamt 4 Knöllchen mit jeweils intakter neuer Triebspitze aus einem sehr kiesigen Substrat entnommen.
An geeigneten Standorten sollen später Samen ausgebracht werden. Ein Standort-Kandidat liegt weiter unten im Lahntal; dieser ist mit Puppenorchis und Bocksriemenzunge gut besetzt.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen