Mykorrhiza-Pilz B1, was kann er?

Begonnen von Berthold, 04.Okt.08 um 16:31 Uhr

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Berthold

Orchis elegans, robusta und palustris sind etwa alle gleich sehr gut in der Keimung und im Wuchs.

Bei mir gab es in einigen Gläsern Probleme mit der Keimung oder dem Wuchs, das lag aber an Pilzverunreinigungen. Manche Protokorme wurden dick mit kurzen Trieben, andere blieben dünn mit sehr langen grünen Trieben.

Spiranthes spiralis keimt auf reinem B1-Haferflockenagar zufriedenstellend, die Protokorme werden aber kaum grösser als 1 mm.

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Bei Anacamptis palustris hatte ich Massenkeimungen von 2 verschiedenen Herkünften; habe wegen der guten ergebnisse kaum noch Platz für andere Arten

Asymbiontische robusta, die sich eine Infektion eingefangen hatten, sind dann nach 2xigem Umlegen auf B1 gut gewachsen; werden auspikiert wenn die Sone höher steht und es wieder etwas wärmer wird.
Grüße Jürgen

Uhu

Bei Durchsicht der Gläser ist mir eine Besonderheit aufgefallen;

Ich kennzeichne die Aussaatgläser mit der Herkunft der B1 Infektion; es ist alles gekeimt bei Infektionen mit A.morio, palustris, majalis und maculata. Wenn ich aus D.marcusii-Gläsern infiziert habe hat es in KEINEM Fall auch nur eine Keimung gegeben; das auch bei Arten die ansonsten gut gekeimt sind. Leider hatte ich alles Sp.spiralis Gläser damit infiziert. Ich versuche nun teile der Aussaat auf frischen Haferagar umzulegen. In ein paar Wochen weiß ich ob´s klappt.
Grüße Jürgen

Berthold

Jürgen, Du nimmst symbiotisch gekeimte Protokorme der verschiedenen Orchideenarten zur Infizierung der neuen noch sterilen Haferagarböden. Die symbiotisch gekeimten Dact. markusii Sämlinge konnten nicht infizieren.
Habe ich das so richtig verstanden?

Wenn eine Infizierung nicht geklappt hat, waren meistens Bakterien mit im Spiel, die nach einigen Tagen eine Schleimschicht auf dem Agar erzeugt haben. Konntest Du etwas ähnliches bei den markusii beobachten?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Zitat von: Berthold am 04.Jan.10 um 21:48 Uhr
Du nimmst symbiotisch gekeimte Protokorme der verschiedenen Orchideenarten zur Infizierung der neuen noch sterilen Haferagarböden. Die symbiotisch gekeimten Dact. markusii Sämlinge konnten nicht infizieren.

genau so mache ich es

Die Nährböden waren sauber, kein Fremdinfektionen.

Habe vor Jahren mal was über Keimhemmungen von mediteranen Erikaceen in ihrem Wurzelbereich gelesen; möglicherweise eine Methode sich Fremdkonkurrenz an geeigneten Standorten vom Leibe zu halten
Grüße Jürgen

Claus

Die einzigen, die sich auf dem B1 nach dem Umlegen nicht so gut entwickeln, sind die D. romana. Sie haben zwar ebenfalls neue Rhizoide gebildet, aber diese sind nicht völlig straff und gerade sondern etwas im Zickzack, und sie haben winzige Tröpfchen auf der Oberfläche. Das ist immer ein Zeichen von nicht vollkommener Kompatibilität. Nun ist die D. romana ja ohnehin nicht einfach. Die D. markusii entwickeln sich gut.

Alle Protokorme wurden auf einen nicht infizierten Haferagar gelegt, d.h. sie bringen ihren Pilz selbst mit. Die Infektion der Oberfläche erfolgt bei Belegung mit ca. 30 Protokormen innerhalb von 2 Tagen, dann sind die Hyphen am Glasrand.

Diese vielen B1-Gläser sind, was den Pilz betrifft, alle einwandfrei. Ich hatte wieder einmal meinen Ur-B1 von 2005 als primäre Infektionsquelle genommen. Er ist völlig hell und hat keine Suppe auf der Oberfläche gebildet.

Die O. laxiflora, die am 14.12.09 umgelegt wurden, haben jetzt schon grüne Blätter. Die O. elegans stoßen schon oben am Deckel an und bilden Wurzeln.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 04.Jan.10 um 22:16 Uhr
Die O. elegans stoßen schon oben am Deckel an und bilden Wurzeln.
sind die elegans von 2008, also schon in der 2. Vegetationperiode (so wie meine pikierten)? Wie hoch ist der Deckel?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Berthold,
das sind die am 27.10.09 ausgesäten. Der Abstand Agar - Deckel sind 4,5 cm.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Uhu

Zitat von: Uhu am 04.Jan.10 um 21:38 Uhr
Bei Durchsicht der Gläser ist mir eine Besonderheit aufgefallen;

Ich kennzeichne die Aussaatgläser mit der Herkunft der B1 Infektion; es ist alles gekeimt bei Infektionen mit A.morio, palustris, majalis und maculata. Wenn ich aus D.marcusii-Gläsern infiziert habe hat es in KEINEM Fall auch nur eine Keimung gegeben; das auch bei Arten die ansonsten gut gekeimt sind. Leider hatte ich alles Sp.spiralis Gläser damit infiziert. Ich versuche nun teile der Aussaat auf frischen Haferagar umzulegen. In ein paar Wochen weiß ich ob´s klappt.

Inzwischen sind die auf frischen Haferagar umgesetzten A.palustrissamen gekeimt.
Leider hat das bisher bei den Spiranthes nicht geklappt.
Grüße Jürgen

winwen

Nachdem ich nun auch ein modifiziertes B1-Medium ausprobiert habe, möchte ich hier ebenfalls meinen Senf dazugeben:
Mein Medium war: 7g Agar, 3g Hafer (instant), je 150mg Calciumnitrat-Tetrahydrat, Magnesiumsulfat-Heptahydrat und Kaliumdihydrogenphosphat und zusätzlich 2g Stärke pro Liter Wasser.

Ich habe auf dieses Medium keine Samen, sondern 10-12 symbiotische Dactylorhiza maculata Protokorme von etwa 2-3mm Größe pro Flasche umgelegt. Die Motivation dazu war eigentlich die, dass ich das Standardmedium von 3g Hafer/l für Umlage etwas "ergiebiger" gestalten wollte, zumal dort bei den von mir eingesetzten Mengen (120ml pro Flasche) nur etwa 6-8 Protokorme wirklich bis zur maximal möglichen Größe vor der Winterruhe kommen.

Nach 5 Wochen bei 15-17°C zeigte sich in den 8 betroffenen Flaschen folgendes Bild:
3 von 8 Flaschen waren kontaminiert und unbrauchbar (obgleich eine Kontamination der Mutterflasche nicht offen sichtbar war). In den 5 anderen Flaschen jedoch wurde nicht ein einziges Protokorm vom Pilz verspeist. Alle diese zeigten das bekannte gute symbiotische Wachstum und erreichten auch die angestrebte Größe.

Claus, Du hat seinerzeit ja mit Kohlehydrat-Zusätzen zum Hafer experimentiert und kamst zum Schluss, dass derartige Zusätz kontraproduktiv sind. Leider ist mir entgangen, ob das damals Samen oder Protokorme waren bzw. von welchen Arten und bei welchen Temperaturen. Tsutsui und Tomita haben darüber geschrieben, dass die Verträglichkeit bezüglich der Futterkonzentration im Pilzmedium AUCH von der Orchideenart abhängt. Insoferne denke ich mir, könnte die robuste D.m. durchaus dazu geeignet sein auch höhere Konzentrationen gut zu vertragen.
Was meinst Du?

Noch was: Die Kontaminationen scheinen bei fetteren Medien stärker von der Auffettung zu profitieren als der B1. Weitere Experimente haben gezeigt, dass bei Umlage kontaminierter Protokorme das übliche 3g Hafermedium mit B1 vorinfiziert besser geeignet ist, die Kontamination weiterhin im "Zaum" zu halten (was von manchen Züchtern auch praktiziert wird um Teile kontaminierter asymbiotischer Kulturen zu retten). Sollte also jemand (so wie ich manchmal) unsteril aussäen oder umlegen, so täte er gut daran alle Nährböden mit dem B1 rechtzeitig vorzuinfizieren und generell nur das übliche 3g Hafer-Medium zu verwenden. Die Vermehrung des Pilzes für die Flaschen aus denen infiziert wird, muss m.E. unbedingt steril erfolgen. Der Rest scheint "verhandelbar".

Claus

Erwin, meine frühen Experimente bezogen sich vor allem auf die Zugabe von Zucker, Nitraten oder Aminosäuren zum Haferagar. Da fand ich, dass der Pilz darauf in sehr vielen Fällen wuchert und Aussaaten parasitiert. Auch mit dem Auflegen von symbiotischen Protokormen auf solche Böden war ich nicht zufrieden.

Ich gebe jetzt zu 2,5 g/l Hafermehl noch 250 mg KH2PO4, 150 mg tert. Ca-Phosphat, 100 mg MgSO4, 20 mg NaCl, 20 mg EDTA-Eisen(III)-Na-Salz, 15 mg MnSO4 sowie Spurenelemente und B-Vitamine und bin mit dem Ergebnis recht zufrieden.

Meinst du mit Kontamination eine Fremdinfektion oder Parasitieren?

Mit falschen Pilzen fremdinfizierte Sämlinge konnte ich auch wieder auf den richtigen Weg bringen, wenn ich sie - zum Teil mehrmals - auf frische mit B1 infizierte Oberflächen legte. Sonst lege ich aber grundsätzlich auf nichtinfizierte Böden um, die Protokorme bringen ja die richtigen Pilze mit.
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winwen

Ja, Claus, ich meine Fremdinfektionen. Die waren bei mir gut als solche erkennbar nach dem Umlegen (Sporenbildner). Von Parasitieren kein Anzeichen! Mein Medium ist ein bißchen dem von Rassmussens Buch nachempfunden (ich glaube es heißt dort H1 oder so). Dort jedoch verwenden sie Sucrose bzw. Glukose. Ich dachte mir, Maisstärke müsste es auch tun. Außerdem wollte ich höhere Mengen an Makronährstoffen drinhaben.
Ehrlich wollte ich mal wissen, ob das Medium aus dem Buch überhaupt funktionieren könnte -Deine Ergebnisse sprachen ja dagegen. Und außerdem fand ich die Performance der Endflaschen gegebnüber der asymbiotischen Aussaat unbefriedigend.
10-12 Pflänzchen pro Falsche (120ml Medium) geht aber nun recht gut!

Welche Temperaturen/Orchideenarten hattest Du damals?

Claus

#87
Zitat von: winwen am 09.Feb.10 um 11:06 Uhr
Welche Temperaturen/Orchideenarten hattest Du damals?

Da habe ich sie ja noch durchgehend bei Raumtemperatur gehalten.

Ich muss jetzt mal etwas abschwenken. Von Berthold hatte ich mal die Kopie des Buches von Otto Schwantes "Biologie der Pilze" leihweise bekommen (Berthold, du kriegst sie zurück!!!). Darin steht eindeutig, dass unsere Symbiosepilze - als fungi imperfecti oder allgemein als Deuteromycetes bezeichnet - keine Fruchtkörper bilden können sondern sich nur über sog. Sklerotien vermehren, das sind beim B1 diese gelblichen Verdickungen.

Nun bekam ich von Roman die Kopie einer umfangreichen Veröffentlichung aus 1991 "Identification of Rhizoctonia species", in der die Orchideenpilze allerdings nur eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Darin gibt es ein ganzes Kapitel, in dem beschrieben wird, unter welchen Bedingungen aus dem ungeschlechtlichen Anamorph das geschlechtliche Teleomorph wird, das sich dann über Sporen vermehrt. Also z.B. aus einem Rhizoctonia ein Tulasnella, Sebacina etc.

Ich bin irritiert. Kann mir das jemand erklären? Es kann ja nur eine Wahrheit geben.

Christian versucht ja seit längerer Zeit den B1 mittels DNA-Analyse einem Teleomorph zuzuordnen. Ich habe immer gedacht, wenn man das kann, dann muss es doch auch das Teleomorph in physischer Form geben. Hätten denn die Teleomorphe als Symbiosepilze andere Eigenschaften? 
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Claus

Na, ich sehe schon, Teleomorphe reißen euch nicht vom Hocker.  :whistle :whistle

Hier mal ein Foto, das zum Titel passt. Es sind an der Wand hängende D. maculata, die nur durch die Hyphen ernährt wurden, welche an der Glaswand hochliefen. Substrat sind Buchen-Sägespäne imprägniert. Da habe ich die Samen mit einer Spritze auf das Substrat gegeben, und dabei sind auch Samen an die Wand gekommen.

Diese unregelmäßigen Brocken sind an der Wand haftende Sägespäne.

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Berthold

Zitat von: Claus am 11.Feb.10 um 16:56 Uhr
Da habe ich die Samen mit einer Spritze auf das Substrat gegeben, und dabei sind auch Samen an die Wand gekommen.

Claus, das ist ja wie bei der Entdeckung des Penicillins. Durch unsauberes Arbeiten gewinnt man die wertvollsten Erkenntnisse.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)