Die Wahl des richtigen Substrats oder: Was sind aktive Wurzeln?

Begonnen von Jensli, 16.Nov.11 um 13:53 Uhr

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Jensli

Im Ostforum berichtet die Userin Sonja in ihrem Thread über ihre Substraterfahrungen:

,,Meine Strümpelchen und ich: Erfahrungen mit reiner Rinde und Sphagnum

Ich möchte hier einmal von meinen Kulturbedingungen und den Erfahrungen berichten, die ich aktuell mit reiner Rinde und vor allem Sphagnum bei der Bewurzelung gemacht habe. "Ernsthaft" sammel und kultiviere ich Phalaenopsis Orchideen erst seit Anfang 2007. Das ist also der Bericht einer absoluten Anfängerin für andere Anfänger:
"

Soweit so interessant. Da ich im Ostforum nicht schreiben kann, möchte ich Sonjas Thread an dieser Stelle einmal genauer unter die Lupe nehmen, kommentieren und mit meinen Erfahrungen vergleichen. Vielleicht kann der eine oder andere Nopsenkultivateur einen Nutzen daraus ziehen, oder es entspinnt sich eine interessante Diskussion.

Vorab: was ,,Strümpelchen" im Zusammenhang mit Orchideen zu bedeuten haben, entzieht sich leider meiner Kenntnis und soll uns auch nicht weiter beschäftigen, denn es soll ja auch Leute geben, die ihre Klorollen in selbstgehäkelten Hülsen im Auto spazieren fahren.
Sich nach nunmehr vier Jahren Nopsenkultur als absoluten Anfänger zu bezeichnen, empfinde ich allerdings als etwas zuviel der Selbsterniedrigung, nach vier Jahren ist man vielleicht noch kein alter Hase, aber sicherlich kein absoluter Anfänger mehr.

Zunächst weiter in Sonjas Text:


,,Bis ca. Mitte 2009 habe ich meine Pflanzen bei Bedarf in das Fertigsubstrat eines Orchideenhändlers umgetopft. Mit der recht grobem Mischung war ich sehr zufrieden und hatte auch keine Probleme mit meinen Pflanzen. Leider änderte sich dann die Mischung und ich kam mit dem erheblich feineren Substrat nicht mehr zurecht. Auf der Suche nach einer Alternative bin ich auf das Orchideensubstrat von Seramis gestoßen und habe es ausprobiert. Die Anfangserfolge waren so überwältigend, dass ich meine gesammte Sammlung auf das Seramis-Substrat umgestellt und auch jeglichen Neuerwerb darin getopft habe.

Nach etwas über einem Jahr musste ich dann allerdings doch feststellen, dass sich nicht alle Phalaenopsis in diesem Substrat wohl fühlen, sich für einige wohl auch das Substrat ad hoc zu sehr verdichtet hatte und die Wurzeln regelrecht "erstickt" sind. Das muss recht schnell passiert sein, denn in einigen Töpfen hatte ich oberhalb vermeintlich schöne große Pflanzen und im Topf war keine einzige gesunde Wurzel mehr! Ich habe auf Empfehlung hin dann angefangen, die Pflanzen in grobe Rinde umzusetzen.
"

Auch ich habe diese Erfahrung machen müssen. Allerdings habe ich nicht gleich die Flinte ins Korn geschmissen und sofort nach neuen Wegen gesucht, sondern mich erst einmal über das SERAMIS-Substrat schlau gemacht und meine Kulturmethode überprüft. Und siehe da: ich stellte fest, dass ich während kühler Perioden zu oft getaucht habe und dass man das SERAMIS-Substrat regelmäßig austauschen soll. Desweiteren siebe ich inzwischen das Substrat vor der Verwendung und erziele damit eine prolongierte Standzeit, da die Verdichtung ohne Feinanteile wesentlich langsamer vonstatten geht.

,,Mit als eine der ersten umgesetzt habe ich eine Phal. Kenanga (amboinensis x javanica), die keine gesunde, aktive Wurzel mehr hatte. Die Umstellung war eine sichtbare Erleichterung für die Pflanze, die sofort angefangen hat, neue Wurzeln zu schieben!"

Schöner Zufall! Auch meine Pflanze, die inzwischen einen regelrechten Umtopfmarathon hinter sich hat, ist eine Phal. Kenanga und somit kann ich Sonjas Erfahrungen ziemlich genau mit meinen vergleichen.
Als erstes ist festzustellen, dass die meisten Kenangas, die ich kenne, Probleme mit den Wurzeln haben. Wobei, was heißt Probleme? Meine Kenanga schiebt einige dicke Wurzeln, die recht bald ihr Wachstum einstellen und dann als braune Stummel (ca. 5-7cm) im Substrat stecken bleiben und gar nichts mehr machen. Anfangs empfand ich das als Kulturfehler (oder eben ,,Problem"), inzwischen muss ich beobachten, dass ich auch einige andere Pflanzen (insbesondere gigantea-Hybriden) besitze, die ein ähnliches Phänomen aufweisen, jedoch normal wachsen und blühen, also keinerlei Anzeichen von Wurzelproblemen zeigen. Die kurzen, dicken, braunen und unansehnlichen Wurzeln dieser Pflanzen erfüllen also offensichtlich ebenso ihren Zweck, was mich zu dem Schluss bewegt, dass eine Phalaenopsis  nicht permanent grüne Wurzelspitzen und exorbitantes Wurzelwachstum vorweisen muss, um als gesund zu gelten!
Zurück zu Sonjas Rückschluss: Als erstes müsste man natürlich erfahren, wie denn ihre Kenanga ,,oben rum" aussah? Machte sich die Tatsache, dass ihre Pflanze keine aktiven Wurzeln mehr hatte, auch sonst irgendwie bemerkbar?
Und: das neue Wurzelwachstum im neuen Substrat als ,,sichtbare Erleichterung" zu interpretieren, halte ich für einen Trugschluss, denn beinahe jede halbwegs lebendige Phalaenopsis reagiert auf Umtopfen mit Wurzelbildung. Hätte Sonja eine Vergleichs-Kenanga in neues SERAMIS-Substrat gesetzt, sie wäre wahrscheinlich erstaunt gewesen...
Auch meine Kenanga hat nach jedem Umtopfen neue Wurzelspitzen gezeigt.


,,Die meisten Pflanzen habe die Umstellung sehr gut verkraftet:"

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass einige Pflanzen die Umtopfaktion nicht überlebt/überstanden haben? Auch und gerade für die Orchideenkultur gilt: Never touch a running system!
Womit wir wieder am Anfang wären. Auch ich habe früher den Fehler gemacht, Kulturmethoden, die vielleicht nur zu 95% funktionierten, völlig auf den Kopf zu stellen und mit neuen Substraten, etc. herum experimentiert, anstatt die fehlenden 5% durch Feinjustierung der bisherigen Methoden zu erreichen. Wobei 100% Erfolgsquote utopisch sind, es wird immer Pflanzen geben, die woanders als Unkraut bezeichnet werden, sich im eigenen Wohnzimmer dann aber als Super-Diva entpuppen.

Aber kommen wir nun zu einem weiteren Trugschluss:


,,So besitze ich seit Oktober 2009 eine Phal. Guadalupe Pineda (amboinensis 'Pisang Ambon' x bellina 'Whitney') von Orchids Ltd., die ich schon als schöne große Pflanze erworben habe. Orchids Ltd. kultiviert die Phalaenopsis in getrocknetem Sphagnum. Das funktioniert im Gewächshaus mit der entsprechenden Luftfeuchtigkeit gut, auf der Fensterbank lässt es sich schwer umsetzen, weil das Sphagnum dann zu schnell austrocknet. Die riesige Pflanze mit den vielen, vielen dünnen Wurzeln habe ich in das Seramis-Substrat getopft und in eine Hängeampel gesetzt. Die Ampeltöpfe sind nicht durchsichtig, so dass ich die Entwicklung der Wurzeln nicht kontrollieren konnte. Die Pflanze hat aber regelmäßig neue Blätter geschoben und üppig geblüht. Besorgt über die allgemeine Entwicklung nach einem Jahr mit dem Seramis-Substrat habe ich sie dann ausgetopft und war relativ erleichtert. Die dünnen, im Sphagnum gebildeten Wurzeln waren noch vorhanden, hatten allerdings keine grünen Spitzen mehr. Sie waren also nicht tot, aber inaktiv. Ich habe es gewagt, sie in reine Rinde umzusetzen. Daraufhin hat sie fast alle Blütentriebe eintrocknen lassen und das neu geschobene Blatt ist dünner und kürzer. Aber ich konnte erkennen, dass die inaktiven Wurzeln neue Spitzen getrieben haben und mittlerweile die erste, "vernünftige" dicke Wurzel im Topf wächst!


Gute Güte! Diese Vorgehensweise ist nun wirklich alles andere als nachahmenswert! Eine Pflanze, die üppig blüht und auch sonst gedeiht, wird auf Verdacht umgetopft und erleidet einen gewaltigen Rückschritt. Die vorhandenen Wurzeln werden, obwohl nicht braun oder matschig, als ,,inaktiv" bezeichnet, nur weil sie keine grüne Spitzen aufweisen.
Nach der brutalen Umtopfaktion, die einer supervitalen Pflanze einiges an Lebenskraft für die nächste Zeit geraubt hat, bilden sich (natürlich! Was soll die arme Pflanze denn sonst tun, wenn sie aus ihrem gewohnten Substrat gerissen und in gröbere, trockenere Rinde gesteckt wird?) neue Wurzeln, die als ,,vernünftig" bezeichnet werden. Ich denke, diese Sichtweise bedarf keines weiteren Kommentars...


,,Leider waren nicht alle meiner Pflanzen in einem so guten Zustand, dass ich sie in reine Rinde hätte umsetzten können. Andere wiederum haben die Umstellung nicht verkraftet und die vorhandenen Wurzeln eintrocknen lassen."


So weit, so schlecht. Abschließend kann man Folgendes konstatieren:
In ihrem Thread beschreibt die Userin Sonja, wie sie aufgrund falscher Einschätzungen und einem offensichtlich nicht geringen Grad an Unkenntnis, was die Beurteilung aktiver Wurzeln betrifft, ihre Kulturmethode umkrempelt und dabei einige Verluste und Beinahetodesfälle vitaler Pflanzen hinnehmen muss. Dies wird  von weniger fachkundigen Lesern vermutlich als nachahmenswert aufgefasst.

Dabei wäre es so einfach gewesen:
1. Die Verwendung von durchsichtigen Töpfen. Denn wie schreibt Sonja: ,,Die Ampeltöpfe sind nicht durchsichtig, so dass ich die Entwicklung der Wurzeln nicht kontrollieren konnte."
2. Normales Umtopfen, wie es ohnehin (und bei SERAMIS ausdrücklich empfohlen) aus den hinlänglich bekannten Gründen regelmäßig nötig ist, hätte genügt. Stattdessen wird ein Substrat verteufelt, nachdem es unsachgemäß verwendet wurde.
3. Überprüfung des Gießverhaltens.

Ich werde nicht von SERAMIS bezahlt, sondern habe es nach dem großen Bohei, das um dieses ,,Wundersubstrat" in diversen Foren gemacht wurde, selbst ausprobiert und bin letztendlich dabei geblieben, da ich alle Pflanzen mit gutem Erfolg darin kultiviere und meine Pflanzen gemäß dem oben bereits genannten Zitat pflege: Never touch a running system.
Auch ich habe die beschriebenen Probleme erleben müssen. Jedoch habe ich einen anderen Weg gewählt (wie anfangs dargelegt) und keine Pflanze ist dabei eingegangen oder musste Rückschritte verkraften.
Was mich an Sonjas Thread stört und was ich aufzeigen wollte, ist, dass Anfängern falsche Rückschlüsse und Fakten in Bezug auf Wurzelwachstum vermittelt werden und dass man diese falschen Rückschlüsse dem Substrat anlastet, anstatt die eigene Handlungsweise und den eigenen Kenntnisstand einmal genauer zu überprüfen.
Leider ist zu befürchten, dass Sonja nur Jubel und Zustimmung für ihren Thread ernten wird (was die Mühe betrifft, sicher zu Recht), die verdrehten Fakten jedoch unbemerkt bleiben werden. Dies hat mich so geärgert, dass ich mir nun selbst die Mühe für einen ,,Gegenthread" gemacht habe (außerdem bin ich krankgeschrieben und habe gerade nichts Besseres zu tun).


Phil

Hallo Jensli,

ich benutze auch das Seramis-Substrat. Habe aber noch keine längeren Erfahrungen damit.
Man darf nicht vergessen, dass dieses Substrat, im Gegensatz zu Substraten von manchem Züchter, ordentlich aufgedüngt ist. Das erklärt vielleicht auch so manchen Wachstumsschub nach Umtopfen in neues Substrat.

Was ich noch wissen will, wie siebst du das Substrat bevor du es einsetzt? Hast du da spezielle Siebe mit entsprechenden Maschengrößen o.ä.?
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Jensli

Zitat von: Phil am 16.Nov.11 um 14:40 Uhr


Was ich noch wissen will, wie siebst du das Substrat bevor du es einsetzt? Hast du da spezielle Siebe mit entsprechenden Maschengrößen o.ä.?

Ja, sehr speziell: Ich verwende einen 9er Topf dazu...  :-D

Damals, beim Umtopfen, rieselten unten Feinteile heraus, also schüttelte ich den Topf wie einen Würfelbecher und zurück blieb wunderbares Substrat ohne lästigen Kleinkram. Und diesen Topf verwende ich der Einfachheit halber noch heute.

Phil

OK. Ich hatte letztens auch kleine Stöckchen u. Ä. drin.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Berthold

Zitat von: Jensli am 16.Nov.11 um 14:54 Uhr
Zitat von: Phil am 16.Nov.11 um 14:40 Uhr


Was ich noch wissen will, wie siebst du das Substrat bevor du es einsetzt? Hast du da spezielle Siebe mit entsprechenden Maschengrößen o.ä.?

Ja, sehr speziell: Ich verwende einen 9er Topf dazu...  :-D

Damals, beim Umtopfen, rieselten unten Feinteile heraus, also schüttelte ich den Topf wie einen Würfelbecher und zurück blieb wunderbares Substrat ohne lästigen Kleinkram. Und diesen Topf verwende ich der Einfachheit halber noch heute.

Aber der Abrieb in dem Substrat ist doch so gering, dass er fast vollstänig beim ersten Durchspülen verschwindet. Ich hatte da in den ersten 18 Monaten mit Substratverstopfung keine Probleme.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Alexa

Meine Erfahrung mit SERAMIS-Substrat ist eigentlich auch gut. Weiß nicht mehr, wie lange ich es schon verwende, bestimmt schon ca 18-24 Monate.

Allerdings ist die Qualität des Substrats nicht immer gleich.
Mal beinhaltet es mehr Feinteile und Staub, in einem andern Beutel können es weniger sein.

Peter

Zitat von: Jensli am 16.Nov.11 um 13:53 Uhr
Im Ostforum berichtet die Userin Sonja in ihrem Thread über ihre Substraterfahrungen:

,,Meine Strümpelchen und ich: Erfahrungen mit reiner Rinde und Sphagnum

Ich möchte hier einmal von meinen Kulturbedingungen und den Erfahrungen berichten, die ich aktuell mit reiner Rinde und vor allem Sphagnum bei der Bewurzelung gemacht habe. "Ernsthaft" sammel und kultiviere ich Phalaenopsis Orchideen erst seit Anfang 2007. Das ist also der Bericht einer absoluten Anfängerin für andere Anfänger:
"

Soweit so interessant. Da ich im Ostforum nicht schreiben kann, möchte ich Sonjas Thread an dieser Stelle einmal genauer unter die Lupe nehmen, kommentieren und mit meinen Erfahrungen vergleichen. Vielleicht kann der eine oder andere Nopsenkultivateur einen Nutzen daraus ziehen, oder es entspinnt sich eine interessante Diskussion.

Vorab: was ,,Strümpelchen" im Zusammenhang mit Orchideen zu bedeuten haben, entzieht sich leider meiner Kenntnis und soll uns auch nicht weiter beschäftigen, denn es soll ja auch Leute geben, die ihre Klorollen in selbstgehäkelten Hülsen im Auto spazieren fahren.
Sich nach nunmehr vier Jahren Nopsenkultur als absoluten Anfänger zu bezeichnen, empfinde ich allerdings als etwas zuviel der Selbsterniedrigung, nach vier Jahren ist man vielleicht noch kein alter Hase, aber sicherlich kein absoluter Anfänger mehr.

Zunächst weiter in Sonjas Text:


,,Bis ca. Mitte 2009 habe ich meine Pflanzen bei Bedarf in das Fertigsubstrat eines Orchideenhändlers umgetopft. Mit der recht grobem Mischung war ich sehr zufrieden und hatte auch keine Probleme mit meinen Pflanzen. Leider änderte sich dann die Mischung und ich kam mit dem erheblich feineren Substrat nicht mehr zurecht. Auf der Suche nach einer Alternative bin ich auf das Orchideensubstrat von Seramis gestoßen und habe es ausprobiert. Die Anfangserfolge waren so überwältigend, dass ich meine gesammte Sammlung auf das Seramis-Substrat umgestellt und auch jeglichen Neuerwerb darin getopft habe.

Nach etwas über einem Jahr musste ich dann allerdings doch feststellen, dass sich nicht alle Phalaenopsis in diesem Substrat wohl fühlen, sich für einige wohl auch das Substrat ad hoc zu sehr verdichtet hatte und die Wurzeln regelrecht "erstickt" sind. Das muss recht schnell passiert sein, denn in einigen Töpfen hatte ich oberhalb vermeintlich schöne große Pflanzen und im Topf war keine einzige gesunde Wurzel mehr! Ich habe auf Empfehlung hin dann angefangen, die Pflanzen in grobe Rinde umzusetzen.
"

Auch ich habe diese Erfahrung machen müssen. Allerdings habe ich nicht gleich die Flinte ins Korn geschmissen und sofort nach neuen Wegen gesucht, sondern mich erst einmal über das SERAMIS-Substrat schlau gemacht und meine Kulturmethode überprüft. Und siehe da: ich stellte fest, dass ich während kühler Perioden zu oft getaucht habe und dass man das SERAMIS-Substrat regelmäßig austauschen soll. Desweiteren siebe ich inzwischen das Substrat vor der Verwendung und erziele damit eine prolongierte Standzeit, da die Verdichtung ohne Feinanteile wesentlich langsamer vonstatten geht.

,,Mit als eine der ersten umgesetzt habe ich eine Phal. Kenanga (amboinensis x javanica), die keine gesunde, aktive Wurzel mehr hatte. Die Umstellung war eine sichtbare Erleichterung für die Pflanze, die sofort angefangen hat, neue Wurzeln zu schieben!"

Schöner Zufall! Auch meine Pflanze, die inzwischen einen regelrechten Umtopfmarathon hinter sich hat, ist eine Phal. Kenanga und somit kann ich Sonjas Erfahrungen ziemlich genau mit meinen vergleichen.
Als erstes ist festzustellen, dass die meisten Kenangas, die ich kenne, Probleme mit den Wurzeln haben. Wobei, was heißt Probleme? Meine Kenanga schiebt einige dicke Wurzeln, die recht bald ihr Wachstum einstellen und dann als braune Stummel (ca. 5-7cm) im Substrat stecken bleiben und gar nichts mehr machen. Anfangs empfand ich das als Kulturfehler (oder eben ,,Problem"), inzwischen muss ich beobachten, dass ich auch einige andere Pflanzen (insbesondere gigantea-Hybriden) besitze, die ein ähnliches Phänomen aufweisen, jedoch normal wachsen und blühen, also keinerlei Anzeichen von Wurzelproblemen zeigen. Die kurzen, dicken, braunen und unansehnlichen Wurzeln dieser Pflanzen erfüllen also offensichtlich ebenso ihren Zweck, was mich zu dem Schluss bewegt, dass eine Phalaenopsis  nicht permanent grüne Wurzelspitzen und exorbitantes Wurzelwachstum vorweisen muss, um als gesund zu gelten!
Zurück zu Sonjas Rückschluss: Als erstes müsste man natürlich erfahren, wie denn ihre Kenanga ,,oben rum" aussah? Machte sich die Tatsache, dass ihre Pflanze keine aktiven Wurzeln mehr hatte, auch sonst irgendwie bemerkbar?
Und: das neue Wurzelwachstum im neuen Substrat als ,,sichtbare Erleichterung" zu interpretieren, halte ich für einen Trugschluss, denn beinahe jede halbwegs lebendige Phalaenopsis reagiert auf Umtopfen mit Wurzelbildung. Hätte Sonja eine Vergleichs-Kenanga in neues SERAMIS-Substrat gesetzt, sie wäre wahrscheinlich erstaunt gewesen...
Auch meine Kenanga hat nach jedem Umtopfen neue Wurzelspitzen gezeigt.


,,Die meisten Pflanzen habe die Umstellung sehr gut verkraftet:"

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass einige Pflanzen die Umtopfaktion nicht überlebt/überstanden haben? Auch und gerade für die Orchideenkultur gilt: Never touch a running system!
Womit wir wieder am Anfang wären. Auch ich habe früher den Fehler gemacht, Kulturmethoden, die vielleicht nur zu 95% funktionierten, völlig auf den Kopf zu stellen und mit neuen Substraten, etc. herum experimentiert, anstatt die fehlenden 5% durch Feinjustierung der bisherigen Methoden zu erreichen. Wobei 100% Erfolgsquote utopisch sind, es wird immer Pflanzen geben, die woanders als Unkraut bezeichnet werden, sich im eigenen Wohnzimmer dann aber als Super-Diva entpuppen.

Aber kommen wir nun zu einem weiteren Trugschluss:


,,So besitze ich seit Oktober 2009 eine Phal. Guadalupe Pineda (amboinensis 'Pisang Ambon' x bellina 'Whitney') von Orchids Ltd., die ich schon als schöne große Pflanze erworben habe. Orchids Ltd. kultiviert die Phalaenopsis in getrocknetem Sphagnum. Das funktioniert im Gewächshaus mit der entsprechenden Luftfeuchtigkeit gut, auf der Fensterbank lässt es sich schwer umsetzen, weil das Sphagnum dann zu schnell austrocknet. Die riesige Pflanze mit den vielen, vielen dünnen Wurzeln habe ich in das Seramis-Substrat getopft und in eine Hängeampel gesetzt. Die Ampeltöpfe sind nicht durchsichtig, so dass ich die Entwicklung der Wurzeln nicht kontrollieren konnte. Die Pflanze hat aber regelmäßig neue Blätter geschoben und üppig geblüht. Besorgt über die allgemeine Entwicklung nach einem Jahr mit dem Seramis-Substrat habe ich sie dann ausgetopft und war relativ erleichtert. Die dünnen, im Sphagnum gebildeten Wurzeln waren noch vorhanden, hatten allerdings keine grünen Spitzen mehr. Sie waren also nicht tot, aber inaktiv. Ich habe es gewagt, sie in reine Rinde umzusetzen. Daraufhin hat sie fast alle Blütentriebe eintrocknen lassen und das neu geschobene Blatt ist dünner und kürzer. Aber ich konnte erkennen, dass die inaktiven Wurzeln neue Spitzen getrieben haben und mittlerweile die erste, "vernünftige" dicke Wurzel im Topf wächst!


Gute Güte! Diese Vorgehensweise ist nun wirklich alles andere als nachahmenswert! Eine Pflanze, die üppig blüht und auch sonst gedeiht, wird auf Verdacht umgetopft und erleidet einen gewaltigen Rückschritt. Die vorhandenen Wurzeln werden, obwohl nicht braun oder matschig, als ,,inaktiv" bezeichnet, nur weil sie keine grüne Spitzen aufweisen.
Nach der brutalen Umtopfaktion, die einer supervitalen Pflanze einiges an Lebenskraft für die nächste Zeit geraubt hat, bilden sich (natürlich! Was soll die arme Pflanze denn sonst tun, wenn sie aus ihrem gewohnten Substrat gerissen und in gröbere, trockenere Rinde gesteckt wird?) neue Wurzeln, die als ,,vernünftig" bezeichnet werden. Ich denke, diese Sichtweise bedarf keines weiteren Kommentars...


,,Leider waren nicht alle meiner Pflanzen in einem so guten Zustand, dass ich sie in reine Rinde hätte umsetzten können. Andere wiederum haben die Umstellung nicht verkraftet und die vorhandenen Wurzeln eintrocknen lassen."


So weit, so schlecht. Abschließend kann man Folgendes konstatieren:
In ihrem Thread beschreibt die Userin Sonja, wie sie aufgrund falscher Einschätzungen und einem offensichtlich nicht geringen Grad an Unkenntnis, was die Beurteilung aktiver Wurzeln betrifft, ihre Kulturmethode umkrempelt und dabei einige Verluste und Beinahetodesfälle vitaler Pflanzen hinnehmen muss. Dies wird  von weniger fachkundigen Lesern vermutlich als nachahmenswert aufgefasst.

Dabei wäre es so einfach gewesen:
1. Die Verwendung von durchsichtigen Töpfen. Denn wie schreibt Sonja: ,,Die Ampeltöpfe sind nicht durchsichtig, so dass ich die Entwicklung der Wurzeln nicht kontrollieren konnte."
2. Normales Umtopfen, wie es ohnehin (und bei SERAMIS ausdrücklich empfohlen) aus den hinlänglich bekannten Gründen regelmäßig nötig ist, hätte genügt. Stattdessen wird ein Substrat verteufelt, nachdem es unsachgemäß verwendet wurde.
3. Überprüfung des Gießverhaltens.

Ich werde nicht von SERAMIS bezahlt, sondern habe es nach dem großen Bohei, das um dieses ,,Wundersubstrat" in diversen Foren gemacht wurde, selbst ausprobiert und bin letztendlich dabei geblieben, da ich alle Pflanzen mit gutem Erfolg darin kultiviere und meine Pflanzen gemäß dem oben bereits genannten Zitat pflege: Never touch a running system.
Auch ich habe die beschriebenen Probleme erleben müssen. Jedoch habe ich einen anderen Weg gewählt (wie anfangs dargelegt) und keine Pflanze ist dabei eingegangen oder musste Rückschritte verkraften.
Was mich an Sonjas Thread stört und was ich aufzeigen wollte, ist, dass Anfängern falsche Rückschlüsse und Fakten in Bezug auf Wurzelwachstum vermittelt werden und dass man diese falschen Rückschlüsse dem Substrat anlastet, anstatt die eigene Handlungsweise und den eigenen Kenntnisstand einmal genauer zu überprüfen.
Leider ist zu befürchten, dass Sonja nur Jubel und Zustimmung für ihren Thread ernten wird (was die Mühe betrifft, sicher zu Recht), die verdrehten Fakten jedoch unbemerkt bleiben werden. Dies hat mich so geärgert, dass ich mir nun selbst die Mühe für einen ,,Gegenthread" gemacht habe (außerdem bin ich krankgeschrieben und habe gerade nichts Besseres zu tun).



Hast du das auch in Ingrid´s Forum geschrieben?
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Berthold

Zitat von: sahara111 am 16.Nov.11 um 19:26 Uhr
In Prinzip geht es darum, dass Epiphyten auch als Epiphyten kultiviert werden und das Substrat stellt lediglich eine passende Umgebung dar.

Wie meinst Du das?

Die Wurzeln wachsen aber auch noch etwas weiter, wenn man sie von der Pflanze abschneidet. Da darf man sich von eine gesunden Wurzelspitze nicht täuschen lassen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

ja, einverstanden, aber ein gepufferter pH-Wet bei ca. 6 wäre besser als neutral und eine gleichmässige Nährstoffzuführ über das Substrat wäre für den Nicht-Profi bequemer als immer über das Giessen zu düngen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Jensli

Zitat von: sahara111 am 16.Nov.11 um 19:26 Uhr
Deswegen bin ich ein entscheidender Gegner der Kultur in der Rinde und entwickle eigene Gemische, die einfach viel schneller als Sphagnum abtrocknen und  langsamer zersetzen.  In Prinzip geht es darum, dass Epiphyten auch als Epiphyten kultiviert werden und das Substrat stellt lediglich eine passende Umgebung dar.

Das klingt sehr interessant und hoffentlich wirst du uns eines Tages in einem schönen, fetten Thread mit reichlich Fotos und Vergleichspflanzen von deinen Erfahrungen berichten.   :thumb  :-D 

Jensli

Zitat von: Peter am 16.Nov.11 um 18:01 Uhr
Zitat von: Jensli am 16.Nov.11 um 13:53 Uhr
Soweit so interessant. Da ich im Ostforum nicht schreiben kann, möchte ich Sonjas Thread an dieser Stelle einmal genauer unter die Lupe nehmen, kommentieren und mit meinen Erfahrungen vergleichen.

Hast du das auch in Ingrid´s Forum geschrieben?

Frage soweit beantwortet? O-)

Aber du darfst Sonja gerne darauf hinweisen, bzw. meinen Thread in irgendeiner Form dem Ostforum zugänglich machen.  :-D

Jensli

Aber Yarek, Nopsen werden schon seit über 60, 70 Jahren (oder noh länger) in Rinde kultiviert und nicht umsonst hat sich das als Kulturform 1. Wahl etabliert, solange
man seine Tauchintervalle dem Klima anpasst und regelmäßig das Substrat wechselt. Warum muss man denn das Rad neu erfinden? Alle anderen Kulturformen (Steinwolle, Kokoschips, etc) waren doch nur Verschlimmbesserungen und konnten langfristig nicht überzeugen. Und Sphagnum wird von GWH-Besitzern gerne genommen, muss aber auch regelmäßig getauscht werden (totes). Oder bist du im Besitz einer neuen Wundersubstanz, die alle Substratprobleme für immer löst?  :-D

kete

Zitat von: Jensli am 17.Nov.11 um 09:22 UhrOder bist du im Besitz einer neuen Wundersubstanz, die alle Substratprobleme für immer löst?  :-D

Alte geschredderte Socken vielleicht...?  :whistle
Hybriden !!!

Jensli

Zitat von: sahara111 am 17.Nov.11 um 10:25 Uhr
Wenn man sich das noch mal veranschaulichen möchte, kauft man einfach ein Paar Elsners Pflanzen, bei denen das Laub immer viel besser als die Wurzeln aussieht. Dann vergleicht man sie mit den asiatischen in Sphagnum kultivierten Pflanzen, das mal zu Qualitätsunterschieden.
Deswegen halte ich für eine bessere Lösung, nicht die Rinde-Kultur anzupassen (was eigentlich mit Seramis Substrat gemacht  wurde) sondern Moos-Kultur anzupassen bzw. ihr analoge Kulturen zu entwickeln. Übrigens was ich bischer zur Steinwolle gesehen  habe, hat mich auch überzeugt, demnächst werde ich wahrscheinlich in diese Richtung gehen und das Sphagnum Moos (das einzige instabile Element in meinem experimentalen Gemisch) durch Steinwolle ersetzen.



Aber Importpflanzen wachsen ja auch unter ihren natürlichen Bedingungen, die kannst du in Taiwan auch auf die Wäscheleine hängen, das hat mit dem Substrat wenig zu tun. Ich habe schon Importpflanzen bekommen, da war vom Moos nix mehr zu erkennen, das war nur noch ein brauner, trockener und undefinierbarer Klumpen, die Wurzeln kaum zu erkennen, die Pflanze war trotzdem topfit.

In den anderen Foren lese ich, dass sie alle ihre Pflanzen wieder aus der Steinwolle herausnehmen, weil sie die Probleme mit der Steuerbarkeit der Feuchtigkeit und die Versalzungsprobleme nicht in den Griff bekommen und jetzt willst du dir das auch antun?  :weird
Glaub mir, Steinwolle ist ein Irrweg.

Edit: Sorry, ich habe überlesen, dass Steinwolle nur ein Bestandteil deines Gemischs ist, das ist natürlich etwas anderes. Ich rate von Kultur in reiner Steinwolle ab.

Daz

Zitat von: Peter am 16.Nov.11 um 18:01 Uhr
Hast du das auch in Ingrid´s Forum geschrieben?

Hat er sicher nicht. Denn hättest Du nicht nur auf "Zitieren" geklickt, sondern auch gelesen, was Jens schrieb, wäre Dir aufgefallen, dass er dort nicht schreiben kann :nee