Symbiotische Aussaat

Begonnen von Berthold, 13.Sep.08 um 12:57 Uhr

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Berthold

Zitat von: winwen am 09.Jun.09 um 11:42 Uhr
Ich glaube, Berthold war gerade Urlauben als ich die letzte Frage stellte, daher speziell an Ihn gerichtet: Wie geht es Deinen Eichenblatt auf Haferagar-Kulturen? Haben sich die so schön weiterentwickelt, wie sie begonnen haben?


Die Protokorme wachsen auf den Eichblatt-Haferflocken-Agar-Mischungen 4 bis 6 Wochen länger als auf reinem Haferflockenagar, also ein ähnlicher Effekt wie das Nachfüttern mit sterilen Haferfflocken.

Ich benutze aber z. Zt. reines Haferflocken-Agar, da sich 80% meines Kampfes auf die Reinhaltung des Pilzes konzentriert. Auf der Haferflocken-Agar-Oberfläche kann ich die Pilzhyphen besser bewerten als wenn sie auf Eichenblättern auf der Geloberfläche wachsenwachsen.

Ich gelange langsam zu der ernüchternden Erkenntnis, dass man bei der symbiotischen Aussaat die selben Anforderungen an die Sterilität stellen muss wie bei der asymbiotischen Aussaat.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 09.Jun.09 um 12:07 Uhr
Ich gelange langsam zu der ernüchternden Erkenntnis, dass man bei der symbiotischen Aussaat die selben Anforderungen an die Sterilität stellen muss wie bei der asymbiotischen Aussaat.

Dem stimme ich voll zu. Meine letzten 16 Gläser mit Haferagar und B1 entwickelten sich etwas merkwürdig. Zunächst war die Oberfläche deutlich dunkler als normal, und jetzt sprießen zwischen dem B1 wundervolle grüne Schimmelinseln vor sich hin. Dabei hatte ich die Entnahme des Impfagars und das Animpfen in der Sterilbank gemacht. Wahrscheinlich habe ich bei der Entnahme den unsauberen Rand des Glases berührt.

Interessant ist aber, dass die Sämlinge auf diesem Boden i.w. mit dem Schimmel in Koexistenz leben - vorläufig. Ich weiß, dass man sie nicht auf Haferagar umlegen kann, weil dann der Schimmel sofort dominiert, und langfristig überwuchert der Schimmel den B1.

In diesem Zusammenhang mal eine andere Diskussion. Ich habe ja im Frühjahr neben einer Epipactispflanze etliche Beutel mit Samen eingegraben. Bisher habe ich noch nicht nach Protokormen nachgeschaut. Aber die Frage ist ja, was tun, falls welche gebildet wurden.

Die sind dann zwar mit dem Symbiosepilz infiziert, aber auch mit Schimmel. Ich würde sie auf imprägniertes Holzsubstrat legen, weil ich dort bisher die besten Ergebnisse bei gemischten Pilzen hatte, z.B. bei Dieters Pilz. Das werde ich jetzt schon einmal mit den Sämlingen aus meinen akut gemischten Gläsern versuchen.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Volzotan

Theoretisch sollte der Schimmel bei den Sämlingen nicht ins Gewebe gehen, der Symbiosepilz aber schon. Ich würde die Sämlinge also mit H2O2 desinfizieren und dann hoffen, dass der Symbiosepilz wieder aus den Interzellularen kriecht. So könnte das auch mit Haferagar klappen, Claus versuch das doch mal mit deinen jetzt eh schon verseuchten Protokormen.

Gruß Volzotan

Berthold

Zitat von: Volzotan am 09.Jun.09 um 12:30 Uhr
Theoretisch sollte der Schimmel bei den Sämlingen nicht ins Gewebe gehen, der Symbiosepilz aber schon.
Gruß Volzotan

Roman aber der Schimmel kann den Symbiosepilz wahrscheinlich verdrängen oder stark behindern und dann verhungern die Protokorme.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Volzotan

Zitat von: Berthold am 09.Jun.09 um 13:27 Uhr
Roman aber der Schimmel kann den Symbiosepilz wahrscheinlich verdrängen oder stark behindern und dann verhungern die Protokorme.

Sicher, aber soweit muss es ja noch nicht sein, Claus schreibt ja, dass die Sämlinge noch nicht mickern.
Und verpilzte Sämlinge lassen sich auch desinfizieren, ich hab das mit asymbiotischen Epiphyten vor ein paar Jahren gemacht, in etwa 50% der Fälle hat es funktioniert, allerdings gehen danach auch nochmal mindestens 50% der Sämlinge ein.

Gruß Volzotan


winwen

Ich bräuchte noch "auf den Punkt" gebrachte Antworten auf folgende fundamentale Fragen, die mir bei einem Review aller "Symbiotischer Threads" aufgefallen sind und bei denen ich keine wirklich zusammenhängend lesbar komprimierte Antwort finden konnte. Ich würde es sehr wertschätzen, diese Infos an einem Punkt in diesem thread dargestellt zu erhalten:

1.) Richtet sich die Frequenz nötiger (sinnvoller) Umlagen (Nachfütterungen) von symbiotischen Sämlingen in vitro nach dem Verhältnis von vorhandener Nährstoffmenge (bei definierter Konzentration von z.B. 2,5g Hafer/l) pro Sämling (soferne man jeweils Sämlinge gleichen Alters vergleicht), oder fördert man bei größerer Nährstoffmenge hauptsächlich das Wachstum des Pilzes und die Nachfütterungsfrequenz bleibt im Wesentlichen gleich?

2.) Wann und unter welchen Umständen profitiert ein symbiotischer Sämling in vitro von einem besser wachsenden/genährten Pilz?

3.) In einem früheren Posting sprach weiland Claus von einem Wachstumsstopp symbiotischer in vitro-Hafer-Kulturen der nach einiger Zeit unabhängig davon eintritt, ob regelmäßig und rechtzeitig umgelegt wurde oder nicht. Besteht dieses Problem noch und wenn ja, unter welchen Umständen tritt es ein bzw. ist dies artabhängig?


Dank allen Antwortenden!

Claus

Hallo Erwin,

obwohl ich inzwischen Hunderte von Gläsern mit Pilzkulturen hinter mir habe, kann ich dir deine Fragen so nicht beantworten.

Ich antworte mal mit ein paar mehr oder minder provozierenden oder auch trivialen Aussagen:

1. Weniger Pflanzen auf derselben Haferagarmenge werden größer als viele.

2. Es gibt Gläser, in denen alle Parameter gleich waren. In einigen wachsen die Sämlinge hervorragend, in anderen gehen alle ein. Und dazwischen alle Varianten.

3. Aussaat im Spätsommer - ab 2. Augusthälfte - ist besser als zu allen anderen Zeiten. Sie sollten die kühle Jahreszeit mitmachen und wachsen bei ca. 12-15 Grad viel besser als bei 20-25 Grad.

4. Es empfiehlt sich, die Sämlinge bei geeigneter Größe spätestens im März - April auszupikieren, danach wachsen sie kaum noch bzw. viele gehen ein.

5. Die Sämlinge machen den typischen Zyklus aller Erdorchideen durch, d.h. sie möchten nach der Hauptblütezeit einziehen. Die feuchte Umgebung des Haferagars führt dann in vielen Fällen zur Fäulnis.

6. Während ab ca. 5 g/l Hafer der Pilz zu parasitieren beginnt, tut er das beim Nachfüttern mit Hafermehl trotz der dann viel höheren örtlichen Konzentration überhaupt nicht.

7. Man kann, falls der erste Jahreszyklus überlebt wurde, die Pflanzen weiterhin im Glas kultivieren. Sie werden dann von Jahr zu Jahr größer und bilden auch Speicherorgane. Sie sollten dann zweimal im Jahr nachgefüttert werden. Der Pilz bleibt am Leben!!!

8. Holz ist viel besser geeignet als Hafer, schon wegen der viel höheren Nährstoffmenge. Dennoch parasitiert der Pilz praktisch nie.

9. Auch auf Holz gibt es diese typischen Fälle, dass es in einem Glas zu wunderbarem Wachstum kommt, im andern Glas bei gleichen Parametern alle absterben.

10. auf Holz können die Pflanzen viele Monate im selben Glas bleiben, das liegt wohl an der viel größeren Nährstoffmenge.

11. bei einigen Arten zeigt der Sämling, dass er dringend umgelegt werden will: Er bildet eine scharze Spitze aus. Nach dem Umlegen wächst der Sämling nicht unbedingt an dieser Spitze weiter, sondern es bildet sich mehr seitlich eine neue Spitze.

12. Oft stibt ein großer Teil des Sämlingskörpers nach dem Umlegen ab. Aber aus diesem absterbenden Protokorm kommt ein neues Protokorm heraus, das offensichtlich den Großteil des Nährstoffgehalts des alten Sämlings übernimmt. Manchmal vervielfältigt sich das Protokorm dort auch.

13. Der optimale Zeitpunkt ztum Auspikieren hängt von der Art ab, weniger von dem Aussaatzeitpunkt. So sind A. morio immer sehr früh dran und können oft schon im Februar auspikiert werden.

14. Es empfiehlt sich, infizierte Sämlinge nicht auf bereits infizierte Böden umzulegen. Die Pilze machen offenbar viele Variationen durch, und das Ergebnis ist viel besser, wenn man infizierte Sämlinge auf nicht infizierte Böden legt. Die Sämlinge bringen ja den Pilz mit, und schon am zweiten Tag kann man die davon ausgehenden Hyphen beobachten.

Erwin, wir stochern da noch erheblich im Nebel herum, und es wäre gut, wenn du ebenfalls deine Erfahrungen hier niederschreibst. Vor allem haben wir einen noch viel zu geringen Überblick über die einzelnen Arten auf dem Pilz.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

#202
Zitat von: winwen am 16.Jun.09 um 14:09 Uhr
1.) Richtet sich die Frequenz nötiger (sinnvoller) Umlagen (Nachfütterungen) von symbiotischen Sämlingen in vitro nach dem Verhältnis von vorhandener Nährstoffmenge (bei definierter Konzentration von z.B. 2,5g Hafer/l) pro Sämling (soferne man jeweils Sämlinge gleichen Alters vergleicht), oder fördert man bei größerer Nährstoffmenge hauptsächlich das Wachstum des Pilzes und die Nachfütterungsfrequenz bleibt im Wesentlichen gleich?

2.) Wann und unter welchen Umständen profitiert ein symbiotischer Sämling in vitro von einem besser wachsenden/genährten Pilz?

3.) In einem früheren Posting sprach weiland Claus von einem Wachstumsstopp symbiotischer in vitro-Hafer-Kulturen der nach einiger Zeit unabhängig davon eintritt, ob regelmäßig und rechtzeitig umgelegt wurde oder nicht. Besteht dieses Problem noch und wenn ja, unter welchen Umständen tritt es ein bzw. ist dies artabhängig?


Dank allen Antwortenden!


Deine Fragen sind schwer eindeutig zu beantworten, weil es alle Zwischenstufen gibt abhängig von Pilz-Individuum, Sämlingsidividuum und Nährstoffgehalt und Nährstoffaufnahmegeschwindigkeit durch den Pilz.

Meine Modellvorstellung ist folgende:

Der Pilz wächst in das Protokorm hinein, um es zu vertsoffwechseln. Das Protokorm wehrt sich gegen das Einwachsen durch enzymatisches Auflösen der Pilzhyphe. Dabei fallen zufällig Nährungstoffe für die Orchidee an.

Viele Orchideenarten lassen das Einwachsen der Pilzhyhen überhaupt nicht zu (die keimen nicht mit unseren Pilzen), andere lassen das Einwachsen nur bis zu einer betimmten Grösse zu, dann produzieren sie so viele "Abwehrstoffe", dass das Einwachsen verhindert wird und die Ernährung damit auch zum Stoppen kommt. Dann kann man durch kräftige Versorgung des Pilzes die Protokormentwicklung etwas verlängern..
Wiederum ander Orchideen lassen sich von dem Pilz so stark ernähren, dass sie extrem schnell wachsen (Orchis elegans, Habenaria tridactylites). Wenn man diese Protokorme umlegt, reissen die Pilzhyphen ab und es kommt zu einer Unterbrechung der Protokormversorgung bis der Pilz im neuen Medium angewachsen ist und neue Hyphen in das Protokorm wachsen lässt. Diese Unterbrechngszeit ist zu lang für das Protokorm und es sirbt beim Umsetzen ab.

Jenachdem wie die Vorgänge quantitativ ablaufen ergibt sich manchmal ein Wachstumsstillstand, ein Absterben oder ein spontanes oder verzögertes Weiterwachsen der Protokorme.
Dazu kommt, dass sich die Pilzindividuen ein und derselben Pilzart noch unterschiedlich verhalten, von gutem Keimer bis hin zum Nullkeimer. Deshalb hat man in manchen Gläsern gute Keimung , in anderen gar keine. In den Pilzgläsern finden sich meist Mischkulturen, nicht nur von unterschiedlichen Pilzarten sondern auch von mehren Pilzindividuen der selben Art. Welcher der Pilze sich im Glas durchsetzt und die Keimung fördert oder auch verhindert, ist von aussen schwer zu erkennen.
 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Dieter

#203
hey,
hier mal eine liste, was ICH symbiotisch (B1) gekeimt habe.
viele noch im glas, "viele" auch schon in Neudo.

Dactylorhiza incarnata, coccinea, ochroleuca, okellyi,
fuchsii alba, fuchsii, maculata, majalis, majalis alba, elata,
transsilvanica, sambucina gelb, sambucina rot, foliosa,
kerryensis, aristata, unbek. weisse Dact. Hybride (selfing)

Hybride Pl. bifolia X Dact. fuchsii

Gymnadenia conopsea

Ponerorchis graminifolia

Pterostylis X ingens (selfing)

Spiranthes cernua, ochroleuca

Orchis morio

Platanthera dilatata

ausaat erfolgt auf hafer agar 3 g/L und B1
pikiert *) wird auf hafer (w.o) / eichenlaub/ 2g wuchsal/L.
ich verwende kein dest. wasser,
sondern berliner leitungswasser!

*) auf geimpfte oder ungeimpfte gläser.
unterschiede habe ich nicht festgestellt.

in der tat sind die erfolge unterschiedlich,
obwohl der gleiche agaransatz,
am gleichen tag geimpft,
(schon der pilz wächst unterschiedlich)

gleichtägige aussaat der gleichen samen.
manche gläser keimen toll, andere weniger, z.t. gar nicht,
wie von Claus beschrieben.

keine erfolge
Orchis mascula, pallens, purpurea,
div. Ophrys.

winwen

Also ersteinmal Danke an alle, die geschrieben haben!
Zuerst möchte ich Claus' Aufforderung nachkommen und meine Erfahrungen beschreiben:

1.) Aufbewahrung des Pilzes:
Ich halte den Pilz (B1) in Reinkultur auf Haferagar im Kühlschrank, wobei ich - da ich annehme, dass der Pilz mutieren kann bzw. es möglich ist, dass er seine Keimfähigkeit mit der Zeit verliert, regelmäßig (1-2x pro Jahr) neue Ansätze mache undzwar aus einer gekeimten und sauber gebliebenen Aussaat heraus. Wenn man das steril sauber macht, so sollte dies hinreichend sein, immer einen sauberen keimungsfähigen Pilz zur Verfügung zu haben.
Das funktioniert bis jetzt gut, jedoch ist es nicht lange her, dass ich begonnen habe mit Pilz zu arbeiten (etwa 1/2 Jahr). Insoferne ist da auch viel Vorsatz dabei.

2.) Keimung:
Bisher habe ich nur Dactylorhiza maculata versucht, welche bereitwillig sowohl auf Haferagar (2,5g/l) als auch auf meinem nicht Agar-basierten Medium keimte (auf letzterem Massenkeimung in allen 3 Gefäßen, die zum gleichen Zeitpunkt angesetzt wurden - netterweise gab es da keine Abweichung). Meiner Beobachtung nach verläuft die Keimung auf Hafer etwas träger als auf dem anderen Medium, obgleich es am agarfreien Medium m.E. länger dauert, bis sich der Pilz entsprechend ausgebreitet hat.

3.) Medium:
2 Medien bisher (Hafer und haferfrei). Zumal mir daran liegt auch eine nachvollziehbare Beschreibung des haferfreien Mediums zu haben mache ich das etwas exakter und messe auf Gramm genau (bzw. ml) ab. Beim ersten mal habe ich das mehr nach Gefühl getan und es passte traumhaft. beim 2. mal war es exakt gemessen, aber der Pilz wollte nicht so recht loslegen darin.
Das Medium besteht aus Cocosfaser, unbehandeltem Kleintierstreu, getrocknetem zerriebenem Eichenlaub und einer Imprägnierung aus Wasser, 2ml Flüssigdünger (Compo Complete), Vitamin-B-Komplex (Ratiopharm) und Caseinhydrolysat. Meine Zielvorstellung beim Medium ist: 0.) erfolgreich 1.) nachvollziehbar definiert 2.) homogen (keine groben Teile sodaß unterschiedliche Portionen der gleichen Zubereitung unterschiedlich funktionieren 3.) einfach nachmachbar.
0.) sollte sich von selbst verstehen, deswegen machen wir's ja überhaupt
1.) mangelnde Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen könnte hier eine Ursache haben, deswegen sollte es ein definiertes Medium nicht exakt definierter jedoch überall erhältlicher wohlbekannter Bestandteile sein. 2.) Deshalb Cocosfaser, die ich in der Imprägnierlösung schön gleichmäßig aufquellen lassen kann. Ich bin unabhängig von mehr oder weniger saugfähigen Bestandteilen. 3.) Deswegen Flüssigdünger statt selbstgebastelter Nährlösung. Dzt. beschäftigt mich die Frage ob Caseinhydrolysat überhaupt nötig ist. Die Antwort auf die Frage ist sicher pilzabhängig: Tulasnella calospora z.B. benötigt sowas, es geht aber auch fast so gut Harnstoff, was wesentlich billiger kommt. Ebenso braucht T. calosora Thiamin und PABA. Ceratobasidium cornigerum wiederum schafft es ohne organisches Eiweiß und PABA. Ich möchte hier so weit sinnvoll machbar vereinfachen.

4.) Kultur:
In einem eMail-Wechsel mit Dr. Beyerle schrieb mir selbiger, dass unsterile Kultur möglich wäre, falls Zucker und Stärke keine Verwendung finden (was in meinem Medium ja der Fall ist). Deshalb möchte ich versuchen in möglichst großen Gefäßen (das Medium wird wohl sterilisert)-dzt. 3l- möglichst ohne Umlegen zu pikierfähigen Pflanzen zu kommen, wobei das Beimpfen und die Aussaat (von gewaschenen, getrockneten Samen) unsteril erfolgen können sollte. Claus hat recht, wenn er schreibt dass im Hafer die Schadpilze schneller virulent werden als der Symbiosepilz (wie ich durch eine Umlage von agarfreiem Medium auf Haferagar-Medium erfahren musste). Im zucker-/stärkefreien Medium jedoch hat der B1 aufgrund seiner Genügsamkeit einen Wettbewerbsvorteil, weshalb ich denke, dass das funktionieren könnte.

5.) sonst noch:
In letzter Zeit zweifle ich immer mehr an der Eignung von agarbasierten Medien für die symbiotische Vermehrung. Der Pilz braucht ja Sauerstoff zum Stoffwechseln - ist also eine aerobes Wesen. Er tut sich sicher schwer tiefer als 1cm in den Haferagar einzudringen um ihn zu verstoffwechseln. Von daher bedeutet mehr Haferagar nicht unbedingt, dass dieses auch erschlossen werden kann - es hängt auch von der Oberfläche (der Zugänglichkeit für den Pilz) ab. In diesem Punkt wäre es nun interessant auch mal Cocosfaser als Träger für Haferwasser fungieren zu lassen. Auf einem solchen saugfähigen Medium kann man sicher auch problemlos mit Haferwasser nachfüttern (mit Spritze und Sonde). Wäre jedenfalls eine einfache Sache, wenn's funktioniert!

Ich hoffe, ich bin nicht allzusehr daneben mit meinem Outing und Ihr denkt nicht so :pill über mich  :rot.

Claus

Hallo Erwin,
danke für deine Erfahrungen. Ich schreibe mal nach deinen Punkten geordnet:

Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 13:59 Uhr
1.) Aufbewahrung des Pilzes:

Von dem B1, den mir Frank im April 2005 in einem Röhrchen gab, habe ich immer wieder einmal, auch in den letzten Tagen, Proben entnommen, und er startete sofort und hat seine alten Eigenschaften. Man kann also den Pilz im Kühlschrank jahrelang aufbewahren.

Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 13:59 Uhr
2.) Keimung:

Anhand von Dieters Liste kann man sehen, dass die Anwendungsbreite doch recht groß ist. Ich habe diese Arten bei weitem noch nicht alle ausprobiert.

Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 13:59 Uhr
3.) Medium:

Interessant für mich die Information über p-Aminobenzoesäure, hast du dazu eine Literaturstelle?

Ob eine Eiweißquelle notwendig ist weiß ich nicht, man kann es ja mal ohne, mit Harnstoff bzw. mit Pepton versuchen. Ich habe auch noch diesen hydrolysierten Schweinedarm aus Ungarn, der allerdings gottserbärmlich stinkt. Aber in den geschlossenen Gläsern geht es vielleicht. Ich denke aber, dass die Kombination von Nitrat und ggf. Ammonium mit Aminosäuren nicht ganz schlecht ist. Aber der Pilz baut natürlich letztlich alles Organische ab. Nur kann er vielleicht in den Zwischenstadien auch die Aminosäuren weiterreichen.

So wie meine damalige Vermutung richtig war, dass der Pilz Holz abbauen müsste, nehme ich auch an, dass er auch Eiweiß abbauen kann. So könnte man Fleischmehl oder andere Eiweiß enthaltende Abfälle einsetzen. Auch die Aminosäure-Getränke aus den Muckibuden werden gehen. Fleischextrakt oder Hefeextrakt  wären möglich, enthalten aber von der Herstellung viel Kochsalz.

Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 13:59 Uhr
4.) Kultur:

Auch Berthold brachte jetzt seine Erfahrung ein, dass die symbiotische Kultur steril geführt werden sollte. Es ist ja umso ärgerlicher, wenn nach Wochen oder Monaten die Sämlinge dann absterben, weil sich ein anderer Pilz breit macht. Dennoch kenne ich inzwischen Fälle, in denen sich anfänglich ein anderer Pilz breit machte, schließlich aber der Symbiosepilz gewann – allerdings nicht beim B1 beobachtet.

Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 13:59 Uhr
5.) sonst noch:

Am Brechungsindex kann man erkennen wie sich der Pilz im Glas so langsam von oben nach unten durchfrisst. Hyphen sind ja Schläuche und können sicherlich auch sauerstoffhaltiges Wasser nach unten leiten. Andererseits können die Hyphen sich in holzhaltigen Substraten in wenigen Tagen durch die gesamte Schicht von ca. 15 cm fressen. Die Frage bleibt für mich allerdings offen: Wann hört das Wachstum des Pilzes auf, und ist das der Grund für den Wachstumsstopp der Sämlinge? Dagegen spricht, dass dann auch das Umlegen auf frischen Boden nicht hilft. Ich vermute, dass da der Wachstumszyklus der Orchideenart eine wichtige Rolle spielt. Da würde nur ein Temperatur-Regiment helfen, das durch Kühlung eine andere Jahreszeit vorgaukelt. Ich fand immer, dass das Wachstum in der kalten  Jahreszeit wesentlich besser verläuft und die Sämlinge auch gesünder aussehen. 12-15 Grad scheinen optimal zu sein.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Lieber Claus,

Danke für Dein Feedback!
Zur Literaturstelle (wg PABA): Nutritional Requirements of Orchid Endophytes by Hadley/Ong April 1978, Dept. of Botany, University og Aberdeen. Bezieht sich allerdings fast nur auf Tulasnella calospora und ist gratis downloadbar bei http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/119615296/PDFSTART

Dieters Liste ist super beeindruckend -in der Tat. Die Zusatzinfos, welche Arten es bis zum Pikieren geschafft haben wäre natülich noch superer  ;-).

Du hast natürlich recht mit dem Schweinedarm etc. aber da ich etwas homogenes basteln möchte müsste man den trocknen und fein malen - das will ich doch niemandem antun! Alles hat seine Grenzen. Harnstoff nahm ich, da er als gute Stickstoffquelle für Tulasnella gilt (neben Caseinhydrolysat und Asparagin pur - siehe Artikel) und Ceratobasidium keine derartige (außer Nitrate) braucht - da schadet es aber auch nicht. Außerdem ist er wasserlöslich und damit leicht gleichmäßig verteilbar.
Auch Deine Vermutung bezüglich Eiweißabbau ist sicher richtig (sonst würde ja Hafer nicht funktionieren)

Bei 4 ist die Frage: wie weit muss man gehen, um dem B1 den entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu sichern. Auch in der Natur muss sich der B1 ja irgendwo durchgesetzt haben. Umgekehrt wieder: je näher wir der Natur kommen, desto ineffizienter werden wir. Ansonsten stünden Orchideen bei DER Samenmenge sicher nicht allesamt im CITES. Insoferne könntest Du recht haben, obwohl der Ursprungsgedanke schon wahnsinnig verlockend ist.

ad 5) Das über die Morphologie der Hyphen wusste ich nicht - das würde eher dafür sprechen weiterhin agarbasierte Medien im Zusammenhang mit Hafer zu verwenden, mit Temperaturregime UND evt. größeren Stoffmengen (da sollte der im Agar physikalisch gebundene Hafer wie ein Depot wirken, wenn das Agar nur langsam durchdrungen werden kann). Möglicherweise hängt das Parasitierproblem auch davon ab, wieviel Nährstoffe der Pilz in welcher Zeit erschließen kann in Abhängigkeit von Mediumskonsistenz, Pilzgröße, Nährstoffkonzentration und Nährstoffart.
Das würde auch erklären, warum beim Nachfüttern lokal höhere Nährstoffkonzentrationen wenig ausmachen: Weil sich der Pilz eben auch nur sehr lokal darüber hermachen kann. Wäre das Zeug gut verteilt sähe die Sache wahrscheinlich anders aus. Es würde rascher resorbiert werden mit allen grausamen Konsequenzen.

Ehrlich gesagt (Berthold wird jetzt jubeln) erinnert mich das etwas an ein Atomkraftwerk, in dem ja durch kontrollierte Kernspaltung die nötige Energie gewonnen wird. Je mehr Energie man braucht, desto weniger darf man den Prozess bremsen, jedoch entarten darf er auch nicht - immer kontrolliert: sowohl bei der Energiegewinnung als auch bei der benötigten Strommenge UND hie und da wird wieder Uran nachgefüttert  :-D
So gesehen wäre Hafer in luftigem Medium für den Pilz super, aber für jeden Sämling darin fatal. Und noch was: Durch Umlage sticht man je eigentlich den Pozess des Pilzwachstums jäh ab. Der Pilz muss sich erst wieder neu aufbauen um Nährstoffe zu erschließen - vielleicht ist es das: großer Sämling braucht viel Energie -> braucht daher großen und mächtigen Pilz.

Wir sollten wahrscheinlich eher Haferagar steril nehmen und nachfüttern resp. in voluminöseren Flaschen kultivieren oder aber das ganze ohne Nachfüttern jedoch steril in großen Gefäßen mit agarfreien, zellulosebasierten (bitte möglichst homogenen!) Medien machen. Kommt das hin?


Dieter

#207
Zitat von: winwen am 17.Jun.09 um 16:45 Uhr
..........welche Arten es bis zum Pikieren geschafft haben wäre natülich noch superer  ;-).


hey,
man kann nicht alles haben  :-D

(aber Spiranthes, morio, majalis alba, okellyi, fuchsii, Ponerorchis,
maculata(Strolzine) sowie Pl. dilatata haben es bisher geschafft)  :thumb   

winwen

Ponerorchis? Mit B1 bis zum Pikieren? Ehrlich???

Berthold

Orchis elegans entwickelt schon nach 6 Wochen eine grüne Spitze (einige Gläser, nicht alle), dass ich sie pikieren konnte. Viel Dactylorhiza-Arten sind nach 12 Wochen noch nicht gross genug zum Pikieren, nur bei solchen Arten tritt das Problem mit dem Nachfüttern oder umsetzen auf.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)