Orchideenkultur

Fachbereich => Naturstandorte und Reiseberichte => Thema gestartet von: Muralis am 11.Aug.14 um 16:47 Uhr

Titel: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 11.Aug.14 um 16:47 Uhr
Die letzten Tage war ich viel unterwegs und nehme nun einfach ein paar Bilder vom vorgestrigen Tag heraus.

Nach einer Leuchtnacht im Gebirge und ganzen 3 Stunden Schlaf im Biwakzelt nahm ich mir vor, ein kleines aber feines niederösterreichisches Hochmoor im Bergland zu besuchen.

Dieses liegt weglos erreichbar im Bergfichtenwald auf ca. 1100m Seehöhe. Man findet es also eher nur durch Zufall oder es wurde einem - so wie mir - gezeigt. Auf dem Anmarsch durch den Bergwald konnte ich das erste Ziel verwirklichen: Einiges an Pilzen!

Schon einige Meter weiter das 2. Ziel erreicht! Am Tag zuvor hatte ich an einem bekannten Standort versucht, den Widerbart Epipogium aphyllum wiederzufinden, denn es hatte viel geregnet heuer, müsste also passen. Die gefahrenen extra-km waren aber umsonst, nicht eine Pflanze zu sehen. Und nun stand er vor mir - noch dazu selbst entdeckt und ein echter Niederösterreicher!

Leider waren die 2 Blütentriebe von Schnecken schon arg in Mitleidenschaft genommen. Aber trotzdem - wer das Gefühl kennt, den Widerbart selbst gefunden zu haben ohne Vorgabe eines Standortes, der weiß, dass ich mich trotzdem sehr gefreut habe. Es ist vielleicht die Pflanzenart, die ich am  allerwenigsten verstehe...
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 11.Aug.14 um 16:57 Uhr
Und jetzt war es gar nicht mehr weit zum Hochmoor, vorbei noch an ein paar weiteren Steinpilzen und keinem weiteren Widerbart.

Und auch das 3. Ziel habe ich dort erreicht: Nach über 10 Jahren habe ich an diesem Moor wieder Aeshna subarctica, die Hochmoor-Mosaikjungfer gesehen! Es gibt nur 2 aktuelle Fundpunkte für diese Libellenart in Niederösterreich, also eine extreme Rarität.

Es ist sehr schwer, diese Art herauszufiltern, denn an ihren Fundorten kommt immer auch die recht ähnliche Torf-Mosaikjungfer Aeshna juncea vor, die sich auch im Verhalten kaum unterscheidet. Mit freiem Auge ist es nur schwer möglich, diese beiden Arten zu unterscheiden.

3 hohe Ziele zu haben und sie alle zu erreichen, das ist mir bei meinen Exkursionen heuer kaum einmal geglückt...
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Peter am 11.Aug.14 um 17:19 Uhr
Danke für deinen schönen Bericht.
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Eveline† am 11.Aug.14 um 17:27 Uhr
Aeshna subarctica unterscheidet sich von jancea durch den gelben Streifen an der Seite und das Gelbe am Kopf?
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 11.Aug.14 um 17:38 Uhr
Zitat von: Eveline am 11.Aug.14 um 17:27 Uhr
Aeshna subarctica unterscheidet sich von jancea durch den gelben Streifen an der Seite und das Gelbe am Kopf?

Wenn man sie fängt und in der Hand hat (ist glaub ich in NÖ ohne Fanggenehmigung verboten), gibt es eine Reihe von Unterscheidungsmerkmalen. Das gelbliche Gesicht und die im Durchschnitt mehr gelblichen Thorax-Seitenstreifen sind aber im Gelände gute Anhaltspunkte bei entsprechenden Sichtbedingungen (Entfernung, Fluggeschwindigkeit, Position).

Weitere sichere Merkmale: subarctica etwas kleiner, juncea hat am Abdomen größere, intensiver blaue Halbmonde, ist überhaupt kontrastreicher gefärbt, an der Hinterseite der großen Komplexaugen hat juncea jeweils einen kleinen gelben Fleck oder Punkt, der subarctica fehlt.

Aber wie gesagt, subarctica ist deutlich spezialisierter, entwickelt sich nur in seichten Hochmoorschlenken, während juncea auch an moorigen Fisch- oder Almteichen fliegt.

Aeshna subarctica kommt in Europa in der Unterart elisabethae vor und ist hochgradig gefährdet. Die Art wurde ursprünglich aus Nordamerika beschrieben und früher mit Aeshna juncea verwechselt.
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Ralla am 11.Aug.14 um 17:48 Uhr
Die Libellen im Flug sind erstklassig.
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Eveline† am 11.Aug.14 um 17:57 Uhr
Danke, Muralis!
Die Herrenpilze hast Du hoffentlich am Lagerfeuer gebraten, denn die Zubereitung eines Risotto wird in freier Wildbahn eher nicht  machbar gewesen sein.  ;-)

Im Übrigen schließe ich mich Ralla an: wunderbare Bilder!  :blume
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Berthold am 11.Aug.14 um 17:59 Uhr
Zitat von: Ralla am 11.Aug.14 um 17:48 Uhr
Die Libellen im Flug sind erstklassig.

ja, mit sauber eingefahrenem Fahrwerk.

Wolfgang, der Widerbart gefällt mir nicht. Er besitzt eigentlich kein Merkmal einer ordentlichen Pflanze
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 11.Aug.14 um 18:22 Uhr
Zitat von: Berthold am 11.Aug.14 um 17:59 Uhr
Zitat von: Ralla am 11.Aug.14 um 17:48 Uhr
Die Libellen im Flug sind erstklassig.

ja, mit sauber eingefahrenem Fahrwerk.

:-D

Es waren mindestens 2 subarctica Männchen auf Patrouille; der 2. hatte demnach Fahrwerksschaden...

Zitat von: Berthold am 11.Aug.14 um 17:59 Uhr
Wolfgang, der Widerbart gefällt mir nicht. Er besitzt eigentlich kein Merkmal einer ordentlichen Pflanze

Wahrscheinlich gefällt er dir nicht, weil du ihn nicht kultivieren kannst  ;-)

Allerdings, man hat da allein im Bergwald viel Zeit zu denken. Und da beschäftigen mich u.a. so Dinge wie: Dieser Widerbart muss eigentlich ein Teufelswerk sein.
Wie kommt es, dass man z.B. nur an einer einzigen Stelle 2 Blütentriebe findet, obwohl in diesem Gebiet tausende gleichartige Plätze vorhanden sind?

Und wie kann es sein, dass du an einer Stelle ein ganzes Aggregat von Blütentrieben findest und dann all die Jahre danach dort überhaupt nix mehr (ist mir schon 2x passiert)?



Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: johan am 11.Aug.14 um 19:23 Uhr
das mann in darauffolgende jahren keine spur von diese orchidee findet,deckt sich mit z.b andere saphrophyten wie limodorum und wahrscheinlich auch neottia,extrem pilzabhängig?!
salute
johan
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Berthold am 11.Aug.14 um 20:53 Uhr
Johan, ich stimme Dir zu. Die Pilze entwickeln sich auch sehr unterschiedlich von einem Jahr zum anderen. Sie sind stärker vom Wetter abhängig (Wärme und rechtzeitig die dazu passende Feuchtigkeit) als die meisten Pflanzen.
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 11.Aug.14 um 21:08 Uhr
Moment, so einfach ist das nicht. Neottia findet man im selben Wald immer wieder und nicht selten mit dem alten Fruchtstand daneben. Das kann man mit Epipogium nicht vergleichen. Und bei Limodorum weiß ich zumindest genau, wo ich hinfahren muss, und in dem Wald finde ich ihn auch.

Bei Epipogium gibt es Vorkommen, wo man 10 Jahre umsonst sucht und dann steht plötzlich wieder einer da, Dann gibt es Stellen, wo wenigstens wenige mit einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommen. Und es oll auch Stellen geben, wo 1000 wachsen, die habe ich allerdings noch nicht gesehen. Aber insgesamt scheint die Art eine wahnsinnig geringe Dichte zu haben.

Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Berthold am 11.Aug.14 um 21:39 Uhr
Zitat von: Muralis am 11.Aug.14 um 21:08 Uhr
Moment, so einfach ist das nicht.
ja, aber es gibt ganz unterschiedlich lebende Mykorrhiza-Pilze. Die Neottia-Pilze leben soweit ich weiss in einem Ektomykorrhiza-Verhältnis auf lebenden Baumwurzeln.
Sie sind dann nicht so Wetter abhängig wie andere Pilze. Da muss nur der Baum gesund sein.

Aber insgesamt sind die Lebensbedingungen für die Pilze sehr komplex und deshalb können wir sie kaum im Topf kultivieren. 
Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 12.Aug.14 um 23:11 Uhr
Zitat von: Eveline am 11.Aug.14 um 17:57 Uhr
Danke, Muralis!
Die Herrenpilze hast Du hoffentlich am Lagerfeuer gebraten, denn die Zubereitung eines Risotto wird in freier Wildbahn eher nicht  machbar gewesen sein.  ;-)

Im Übrigen schließe ich mich Ralla an: wunderbare Bilder!  :blume

Eveline, die Herrenpilze wurden am nächsten Tag zu Hause zu einer Schwammerlsauce mit Semmelknödel verarbeitet und sind komplett weg. Eierschwammerl kommen morgen z.T. als Schwammerlgulasch, die anderen wurden lagerfähig gemacht. Lagerfeuer sind natürlich in einem Wildnisgebiet strengstens verboten, da ist überhaupt fast alles verboten (höchste IUCN-Kategorie), wobei die Pilze und alles andere in diesem Beitrag allerdings nicht im WG waren (aber übernachtet habe ich dort, in offiziellem Auftrag).

Die Bilder - naja, es geht noch viel besser. Aber da müssen die Viecher mitspielen und mir auf kurzen Entfernungen die Zeit zum manuellen Scharfstellen und Auslösen lassen. So musste ich winzige Crops machen, wobei selbst diese Bilder nicht gerade einfach waren, es ist eine enorme Zeitfresserei.

Jetzt noch für alle, die zu Moor-Aeshna-Experten werden wollen: Der gelbe Punkt ist das allerwichtigste Kriterium! 2 Tage vorher war ich am anderen, besseren Fundort von A. subarctica.

Hier eine A. juncea halbwegs scharf, der gelbe Punkt am Augenhinterrand ist nur zu erahnen.
Und dann ein unscharfes Mistbild etwas schräg, aber der gelbe Punkt ist deutlich zu sehen.

Als Vergleich ein subarctica vom erstgenannten Fundort, wo sich das Tier gerade zu einem Flugmanöver wegdreht, so ist die Augenhinterseite zu sehen, der gelbe Punkt FEHLT!

Titel: Re: Ein Moor im Bergwald
Beitrag von: Muralis am 12.Aug.14 um 23:18 Uhr
Noch ein kurzer Blick zu den Damen der Schöpfung: Diese haben nur ein Ziel: unbemerkt in der Moorvegetation Eier zu legen. Man findet sie durch die knisternden Flügelgeräusche in der vegetation. So finden sie auch die Männchen und schleppen sie zur Kopulation auf die Bäume ab.

Die Weibchen von juncea und subarctica sind nicht zu unterscheiden. Zum Glück gibt es wieder den gelben Punkt.

Dieses Weibchen von subarctica war gerade beim Eierlegen. Aus anderer Perspektive bemerkt man eindeutig den fehlenden Punkt.