Orchideenkultur

Fachbereich => Orchideenvermehrung und Kultur => Aussaat, asymbiotisch und Allgemeines => Thema gestartet von: Claus am 22.Sep.13 um 12:17 Uhr

Titel: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Claus am 22.Sep.13 um 12:17 Uhr
Ich säe seit 2005 asymbiotisch und auch symbiotisch aus und habe dazu fast unzählige Nährböden ausprobiert. Es gibt nun viele Gattungen, die auf normalen Nährböden gar nicht keimen, weil den Embryonen der Anstoß dazu fehlt. Man braucht dann Pflanzenhormone aus der Gruppe der Auxine und/oder Cytokinine. Svante Malmgren und andere machen es sich da relativ einfach, indem sie entsprechende pflanzliche Komponenten zusetzen, z.B. Ananassaft, Kartoffelstückchen, Banane, diese schwedische Rübe oder Kokoswasser. Bill Steele schwört auf die Wirkung von Russet-Kartoffeln.

Man kann aber auch synthetische Hormone zufügen, und damit hat man es in der Hand, exakte Konzentrationen einzusetzen.

In der Literatur werden die verschiedensten Hormone aufgeführt, hier Auxine:
Indolylessigsäure (IAA)
Indolylbuttersäure (IBA)
1-Naphthylessigsäure (NAA)

und hier Cytokinine:
Benzyladenin oder Benzylaminopurin (BA oder BAP)
Furfuryladenin = Kinetin (FAP)

Ich habe auch seltenere Cytokinine ausprobiert:
m-Topolin, hat sich sehr gut bei der Aussaat von Cypripedium arietinum bewährt
Thidiazuron, wirkt sehr stark, Protokorme blähen sich auf

Da meine Nährböden ohnehin Kartoffelextrakt, Ananassaft und Kokoswasser enthalten, bieten sie schon ein Angebot an Phytohormonen, das aber vielfach allein nicht ausreichend ist.

Wenn ich allerdings einmal Bilanz ziehe, dann hat eine Konzentration von 0,5 ppm Kinetin eine meist optimale Wirkung bei der Keimung, die gebildeten Protokorme bleiben fest, werden nicht glasig und entwickeln sich normal, bilden keine Monster-Sämlinge.

Das Foto zeigt Protokorme von Himantoglossum adriaticum, oben mit 0,4 ppm m-Topolin, unten mit 0,5 ppm Kinetin. Der Unterschied ist deutlich, die Protokorme unten entwickeln sich nach dem Umlegen wesentlich besser als die Monsterzwerge oben. Allerdings neigt Himantoglossum ohnehin sehr stark zur Entgleisung der Protokorme in Richtung Monster oder glasig.

Ich empfehle also 0,3 - 0,5 ppm Kinetin für die meisten Erdorchideen, die in ihrem Schwierigkeitsgrad über Ophrys und Dactylorhiza hinaus gehen, letztere würde ich ohnehin nur symbiotisch aussäen.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Berthold am 22.Sep.13 um 12:26 Uhr
Zitat von: Claus am 22.Sep.13 um 12:17 Uhr
Das Foto zeigt Protokorme von Himantoglossum adriaticum, oben mit 0,4 ppm m-Topolin, unten mit 0,5 ppm Kinetin. Der Unterschied ist deutlich, die Protokorme unten entwickeln sich nach dem Umlegen wesentlich besser als die Monsterzwerge oben.

Claus, sind beide Gläser gleich alt?

Aber die m-Topolin-Sämlinge sind doch gut differenziert. Legst Du denn beide Sämlinge auf den gleichen Boden um oder sind im Umlegeboden auch wieder unterschiedliche Hormone enthalten?
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Claus am 22.Sep.13 um 13:20 Uhr
Zitat von: Berthold am 22.Sep.13 um 12:26 Uhr
Claus, sind beide Gläser gleich alt?

Aber die m-Topolin-Sämlinge sind doch gut differenziert. Legst Du denn beide Sämlinge auf den gleichen Boden um oder sind im Umlegeboden auch wieder unterschiedliche Hormone enthalten?

Ja, zur gleichen Stunde, wenn nicht Minute ausgesät. Umgelegt werden die dann auf meinen Einheitsboden, der Ananas, Kartoffel und Kokos enthält. Die m-Topolin-Sämlinge sind ja auch zu gebrauchen, nur sollte man sich wegen ihrer Größe keine Illusionen machen, besser werden die kleinen.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Berthold am 22.Sep.13 um 14:23 Uhr
Zitat von: Claus am 22.Sep.13 um 13:20 Uhr
Die m-Topolin-Sämlinge sind ja auch zu gebrauchen, nur sollte man sich wegen ihrer Größe keine Illusionen machen, besser werden die kleinen.

wie merken sich die kleinen denn, dass sie mal mit Kinetin gekeimt sind? Das muss sich doch irgendwann ausgleichen, oder?
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Claus am 22.Sep.13 um 15:29 Uhr
Zitat von: Berthold am 22.Sep.13 um 14:23 Uhr
Zitat von: Claus am 22.Sep.13 um 13:20 Uhr
Die m-Topolin-Sämlinge sind ja auch zu gebrauchen, nur sollte man sich wegen ihrer Größe keine Illusionen machen, besser werden die kleinen.

wie merken sich die kleinen denn, dass sie mal mit Kinetin gekeimt sind? Das muss sich doch irgendwann ausgleichen, oder?

Das weiß wohl keiner. Aber je nach Hormon kann sich die spätere Entwicklung wohl verändern. Ich weiß ja auch nicht, weshalb mein Nährboden so gut funktioniert. Es war try and error. Alle Versuche, nur mit einer Komponente von Ananas, Kartoffel und Kokos auszukommen waren schlechter als die Kombination von zweien der Zusätze. Und die Kombination aller drei Zusätze war am besten - vielfach getestet.

Nun sind die aber noch nicht optimiert, es sind gegriffene Werte: 2% Ananasaft neutralisiert, 1,6% Kartoffelextakt und 5% Kokoswasser. Wenn man nun aber Calypso keimen lassen will, dann braucht man 10% Kokoswasser und viel myo-Inosit, sonst geht es nicht. Myo-Inosit verhält sich übrigens auch wie ein Hormon oder verstärkt die Wirkung.

Es ist noch sehr vieles reine Alchimie!  grins grins grins

Ich wollte hiermit aber sagen: 0,5 ppm Kinetin sind so etwas wie der Joker.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Timm Willem am 22.Sep.13 um 19:26 Uhr
Zitat von: Claus am 22.Sep.13 um 13:20 Uhr
Zitat von: Berthold am 22.Sep.13 um 12:26 Uhr
Claus, sind beide Gläser gleich alt?

Aber die m-Topolin-Sämlinge sind doch gut differenziert. Legst Du denn beide Sämlinge auf den gleichen Boden um oder sind im Umlegeboden auch wieder unterschiedliche Hormone enthalten?

Ja, zur gleichen Stunde, wenn nicht Minute ausgesät. Umgelegt werden die dann auf meinen Einheitsboden, der Ananas, Kartoffel und Kokos enthält. Die m-Topolin-Sämlinge sind ja auch zu gebrauchen, nur sollte man sich wegen ihrer Größe keine Illusionen machen, besser werden die kleinen.
Wenn die Wurzelhaare nicht ausgebildet werden, deutet das auf eine "Vergiftung" mit zu viel Wachstumsregulator hin, das ganze kippt dann leicht, die Sämlinge werden glasig, aufgrund von Wassereinlagerung.
Es wäre also möglich, dass m-Topolin für die Sämlinge wesentlich wirkungsvoller war.
Was wohl auch ein allgemeines Problem bei der Beobachtung von verschiedenen Hormonen einer Gruppe ist, 0,5 ppm BAP und 0,5 ppm Kin sind nicht zu vergleichen.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Claus am 22.Sep.13 um 19:59 Uhr
BAP wird auch nur mit 0,2 ppm eingesetzt.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Berthold am 22.Sep.13 um 20:38 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 22.Sep.13 um 19:26 Uhr
Wenn die Wurzelhaare nicht ausgebildet werden, deutet das auf eine "Vergiftung" mit zu viel Wachstumsregulator hin, das ganze kippt dann leicht, die Sämlinge werden glasig, aufgrund von Wassereinlagerung.

Die Verglasung durch Wassereinlagerung mit der Ausbildung langer wurstförmiger Körperteile tritt bei Himantoglossum auf, wenn die Sämlinge im Winter nicht kalt stehen.
Roman hatte die Gläser erstmalig kalt gestellt und schon war alles in Ordnung. Leider sind mir dann die Pflanzen 2 Jahre nach dem Pikieren abgestorben.
Titel: Re: Hinweis zu Hormonen bei der Aussaat
Beitrag von: Timm Willem am 22.Sep.13 um 21:02 Uhr
Zitat von: Berthold am 22.Sep.13 um 20:38 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 22.Sep.13 um 19:26 Uhr
Wenn die Wurzelhaare nicht ausgebildet werden, deutet das auf eine "Vergiftung" mit zu viel Wachstumsregulator hin, das ganze kippt dann leicht, die Sämlinge werden glasig, aufgrund von Wassereinlagerung.

Die Verglasung durch Wassereinlagerung mit der Ausbildung langer wurstförmiger Körperteile tritt bei Himantoglossum auf, wenn die Sämlinge im Winter nicht kalt stehen.
Roman hatte die Gläser erstmalig kalt gestellt und schon war alles in Ordnung. Leider sind mir dann die Pflanzen 2 Jahre nach dem Pikieren abgestorben.
Hallo Berthold,
ich hatte das bei Himantoglossum auch beobachtet, die Protokorme auf dem Foto von Claus stehen aber erst kurz vor diesem physiologische Alter.
Es gibt, obwohl dies in der Literatur keinen Eingang gefunden hat, mehrere Forme der Glasigkeit, einerseits durch Einlagerung von Wasser, mit vergrößerten Zellen, andererseits eine teilweise reversible Form die durch Mangel verursacht wird.
Durch Hormone wird die erste Form verursacht, es handelt sich schon um nachhaltige Schäden.