Symbiotische Kultivierung mit modifiziertem Nährboden

Begonnen von Claus, 29.Nov.09 um 13:53 Uhr

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Claus

Zur Zeit läuft bei mir eine Versuchsreihe mit B1 auf Haferagar, wobei ich einen großen Querschnitt an Samen teste. Die erste Aussaat war am 27.10.09, davon wären die ersten Sämlinge (D. purpurella) bereits umlegefähig.

Parallel zu dem üblichen Boden mit 2,5 g/l Hafermehl habe ich einen Boden im Einsatz, der zusätzlich folgende Komponenten pro Liter enthält:

250 mg KH2PO4
150 mg tert. Calciumphosphat
20 mg EDTA-Eisen(III)-Na-Salz
100 mg MgSO4
15 mg MnSO4
20 mg NaCl
sowie Spurenelementlösung und
Vitamin-B-Lösung.

Ich habe bewusst kein Nitrat bzw. Aminosäuren eingesetzt, weil der Pilz sonst sehr leicht parasitiert. Das scheint mir auch der Grund zu sein, weshalb man bei Hafermehl nicht über ca. 3-3,5 g/l gehen kann, weil dann der Stickstoffgehalt zu hoch wird.

Was ich von dieser ersten Aussaat bereits sagen kann: Während die Zeit bis zur Keimung mehr oder weniger gleich ist, läuft die Entwicklung der Protokorme auf dem modifizierten Agar deutlich schneller. Mein Verdacht richtet sich auf das Phosphat. In einem späteren Versuch werde ich dann nur Phosphat zusetzen.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Claus, wie schätzt Du einen Boden ein mit 2,5g/l Haferflocken und 10g/l Neudohum Pflanzerde oder anstelle des Neudohum 1g/l Standard-Orchideendüngesalz?

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Hallo Berthold,
ich vermute, dass in beiden Varianten zu viel Stickstoff enthalten ist. Wenn ich eine Veröffentlichung von Herrn Beyrle richtig verstanden habe, ist der Trick bei jeder symbiotischen Kultur, entweder Kohlenhydrate oder Stickstoff im Minimum zu halten. Deshalb denke ich, da Deine Idee möglicherweise diese Bedingung nicht erfüllt, dass es zu starker Pilzwucherung kommen könnte.
Viele Grüße
Timm

Claus

Berthold,
so sehe ich das auch. Hinzu kommt ja, dass der Nährboden und damit auch das Neudohum sterilisiert werden müssen, damit gehen positive Eigenschaften des Neudohum verloren. Dann gibt es für den Pilz viel Stickstoff, das bisschen Haferstärke und fast keine Cellulose.

Man kann natürlich alles mal ausprobieren, ich bin schon an der nächsten Idee, aber mich stört vor allem der wahrscheinlich hohe Stickstoffgehalt, zumal davon viel als Ammonium vorliegen wird.

Als Pilz würde ich frohlocken.  grins grins
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Berthold

Zitat von: Timm Willem am 29.Nov.09 um 21:54 Uhr
Hallo Berthold,
ich vermute, dass in beiden Varianten zu viel Stickstoff enthalten ist.
Viele Grüße
Timm
ja, aber der organische Teil im Neudohum enthält nicht so leicht für den Pilz aufschliessbaren Stickstoff wie es z.B. die Stärke der Haferflocken ist. Da könnte eine verzögerte Freisetzung auftreten (Depotdünger für die Pilze).
Der Düngerzusatz im Neudohum ist bei der geringen Neudohumkonzentration sicher nicht so problematisch.
2.5g/l Haferflocken plus ein Eichenblatt funktioniert z.B., nur das Eichenblatt enthält keine Mikronährstoffe.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Berthold,
was soll im Neudohum an für den Pilz schwer aufschließbaren Stickstoffverbindungen enthalten sein? Nitride?

Pilze sind ja imstande alles bis zum Anorganischen abzubauen, und Neudohum unterliegt ja bei der Herstellung einem Kompostierungsprozess u.a. mit Pilzen. Das wird alles löslicher Stickstoff sein, und das Eiweiß in der Haferstärke knackt der mit links!
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Charlemann

Soll ich nochmal das Bild einstellen?
Ich habe mal auf zuerst sterilisierten und dann mit B1 infiziertem reinem NeudoHum Aussaaten gemacht. Die waren gar nicht so schlecht, aber weiter habe ich das noch nicht vertieft.

Berthold

Zitat von: Claus am 29.Nov.09 um 22:10 Uhr
Berthold,
was soll im Neudohum an für den Pilz schwer aufschließbaren Stickstoffverbindungen enthalten sein? Nitride?

Claus, ich dachte an die Versorgung der Protokorme mit Kohlenhydraten, bzw. Zuckern. Um aus Neudohum Zucker herzustellen ist vermutlich für den Pilz langwieriger als aus Haferflocken. Deshalb könnte ich mir im Anschluss an die Haferflockenverspeisung einen Nachtisch von Neudohum für den Pilz vorstellen.

Solange es dem Pilz gut geht (nicht zu gut), solange sollte er die Protokorme gut versorgen können, deshalb meine neuen Böden:

3g/l Haferflocken gemörster, 3g/l Neudohum Pflanzerde.

Die Gläser kühlen gerade ab. Morgen wird geimpft mit Spi spi Protokormen und mit B1-Gel.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Ja,
Waidmanns Heil!  :thumb :thumb :thumb

Das wird gehen, Cellulose ist ja drin, Dünger auch, auf Holz parasitierte der B1 bisher nicht. Ich weiß nicht, was das Ammonium machen wird, aber wir werden es sehen.
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winwen

Zitat von: Timm Willem am 29.Nov.09 um 21:54 Uhr
Hallo Berthold,
ich vermute, dass in beiden Varianten zu viel Stickstoff enthalten ist. Wenn ich eine Veröffentlichung von Herrn Beyrle richtig verstanden habe, ist der Trick bei jeder symbiotischen Kultur, entweder Kohlenhydrate oder Stickstoff im Minimum zu halten. Deshalb denke ich, da Deine Idee möglicherweise diese Bedingung nicht erfüllt, dass es zu starker Pilzwucherung kommen könnte.
Viele Grüße
Timm
Also das Thema ist an sich schon sehr kompliziert und alles was da geforscht worden ist bezieht sich -mit Ausnahme der Erkenntnisse des Forums, nehme ich an- nicht auf unseren B1. Genau das ist aber essentiell, denn wie sich ein Pilz in bestimmten Situationen verhält hängt am meisten vom Pilz selbst ab.
Beyerle experimentierte mit 80mg Calciumnitrat-Tetrahydrat als N-Quelle (10mg N) und 10g löslicher Stärke (Amylose) und steigerte schrittweise die N-Konzentration, wobei er bemerkte, dass mehr N zu mehr Parasitismus führte. Er schrieb auch, dass Cellulose statt Stärke ähnliche Ergebnisse brachte (allerdings ohne dies mit Messungen zu illustrieren). Eine weitere Erkenntnis bezog sich darauf, dass die Protokormmasse bei Cellulose statt Stärke etwa 1/3 geringer war (bei gleicher Laufzeit) als beim Stärkeeinsatz. Soweit die Fakten.
Was wir nicht wissen ist:
1.) Wie weit sind diese Erkenntnisse auf den B1 anwendbar und
2.) Was würde passieren, wenn man BEIDE Parameter (Stärke UND N) variiert.

Meine Hypothesen sind, dass
1.) 3g Hafer/l für den B1 so etwas wie ein lokales Maximum an Output darstellen. Diese Erkenntnis verdanke ich den Versuchen von Claus, der sowohl bei mehr Hafer als auch bei Zusatz von Nitraten und ebenso bei Zusatz von Kohlehydraten schlechtere Ergebnisse erzielte als bei 3g Hafer.
2.) was Claus jetzt gerade tut (die Parameter zu variieren die weder Kohlehydrate NOCH N betreffen) sicher geeignet ist, die Hafervariante etwas zu optimieren, jedoch
3.) soferne man versuchen möchte längere Laufzeiten bei nicht signifikant geringerer Wachstumsgeschwindigkeit zu erzielen, müsste man für jedes Stickstofflevel <50mg/l (entspricht 3g Haferflocken) untersuchen, welches Kohlehydratlevel noch verträglich ist.

Zu 2.) gibt es ein interessantes Medium aus Rassmussens Buch, welches zu 3g Hafer noch 2g Zucker und einige Nährsalze hinzufügt. Leider führt das Buch nicht aus, wie die Leute darauf gekommen sind und bei welchen Pilzen es welche Wirkung hatte, womit wir wieder am Anfang sind.

Frage an die Gemeinschaft: Gibt es irgendwo eine (noch so kleine) Übersicht über Pilze, Medien und deren Keimungs-/Förderungspotential für verschiedene Orchideen?

winwen

Zitat von: Claus am 30.Nov.09 um 22:14 Uhr
auf Holz parasitierte der B1 bisher nicht.
Das sehe ich mittlerweile nicht mehr so! Bei >150mg N/l Medium zeigen sich gleiche Wucherungen wie bei >= 5g Hafer/l Medium (entspricht 80mg N/l).

Berthold

Zitat von: winwen am 30.Nov.09 um 22:41 Uhr
zeigen sich gleiche Wucherungen wie bei

bist Du ganz sicher, dass Dein Pilz noch sauber ist?

Ich bin da nämlich mal drauf reingefallen, dass ich bei höheren Futterkonzentrationen "Wucherungen" hatte. Die hatte ich allerdings hinterher auch auf 2,5g/l Haferflocken Agar :weird
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

#12
In meinen Holzsubstraten setze ich für die Imprägnierlösung 300 mg/l Ca-Nitrat x 4 H2O  ein, das entspricht 36 mg/l N. Hinzu kommen 2 ml 10%ige Aminosäurelösung mit 40 mg/l N und 250 mg Casein + Glutamin mit 32 mg/l N, in Summe also 108 mg/l N.

Wenn diese Lösung sich jetzt noch auf den Feststoff Holz verteilt, sinkt die lokale Konzentration weiter ab. Da hat bisher nichts gewuchert. Der Pilz hat genügend Cellulose zum Abbau, das reicht im Prinzip für Jahre, allerdings weiß ich ja nicht, wann er mit dem verwertbaren Teil des Holzes fertig ist. Jedenfalls kann man Sämlinge wie D. maculata, majalis oder praetermissa über die Phase des Einziehens auf dem Substrat lassen, sie treiben dann bei ausreichender Kühlung im Frühjahr wieder aus.

Änderung wegen Korrektur der Stickstoffwerte
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Zu Verunreinigungen: sagen wir so, ich hatte zumindest NUR Wucherungen, die sich bei niedrigerem N-Level nicht zu zeigen vermochten.
Claus, untertreibst Du nicht etwas beim N-Gehalt? Du hast doch auch Caseinhydrolysat (bzw. Aminosäuren) als N-Quelle drin - oder?

Claus

Hallo Erwin,
ja, das stimmt. Gestern Abend habe ich das etwas hingeschludert, ersichtlich an der Uhrzeit, ich wollte schlafen gehen.

Ich korrigiere den Wert oben in meinem Beitrag, damit man später mal nicht irritiert wird.

Ich setze 2 ml 10%ige Aminosäurelösung mit 16% N mit 32 mg N an und
200 mg Caseinhydrolysat + 50 mg Glutamin mit 16% N mit 40 mg N an

Wir haben dann 108 mg/l Stickstoff in der Imprägnierlösung.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)