Orchideenkultur

Fachbereich => Terrestrische Orchideen => Ophrys => Thema gestartet von: eraserhead am 15.Jun.16 um 18:31 Uhr

Titel: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: eraserhead am 15.Jun.16 um 18:31 Uhr
Hallo liebe Forengemeinde! Ich bin erst kürzlich zum Hobby "Erdorchideen" gekommen - bislang hatte ich nur ein paar "Standardorchideen" als Zimmerpflanzen in Kultur. Nun möchte ich mich verstärkt terrestrischen Orchideen widmen, besonders Ophrys und die Knabenkräuter haben es mir angetan.

Letztens habe ich bei einem Onlineauktionshaus 2 Ophryshybriden erstanden: Ophrys sphegodes x holoserica und Ophrys apifera x scolopax. Als Neuling habe ich dazu 2 vielleicht banale Fragen: Ich würde diese in Topfkultur halten, welches anfängerfreundliche Substrat könnt ihr mir empfehlen (am liebsten mineralisch, Bims, Blähton, Seramis, Vermiculit, Lehm, Sand, Weißtorf und Neudohum Pflanzerde sind vorhanden)? Und, vielleicht die dümmste Frage: Wie erkenne ich bei den Knollen oben und unten (und wie tief soll ich diese einpflanzen)? Vielen lieben Dank!

Bin für Kritik und Hinweise immer hoffen - also her damit :-)

eraserhead
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 15.Jun.16 um 20:10 Uhr
Hallo eraserhead,

ich halte auch meine sämtlichen Erdorchideen in Töpfen. Ich verwende ein Substrat aus 60% Seramis, 20% Basaltsplitt und 20% Neudohum, das klappt unter meinen Bedingungen gut. Ich pflanze die Knollen immer recht hoch ein, so, dass sie etwa 5mm unter der Substratoberfläche liegen, das beugt Stengelfäule vor. Dabei musst du aber darauf achten das am Anfang, wenn sie Knollen noch Wurzeln bilden, die Substratoberfläche nicht zu sehr austrocknet, da sonst die neuen Wuzeln anfangen einzutrocknen. Die neue Knolle wird dann sehr tief im Topf sitzen, aber ich topfe sie jedes Jahr wieder hoch ein. Jährliches umtopfen ist bei Neudohumzusatz eh von Nöten. Wenn die Pflanzen langsam Blätter bilden gieße ich im dann, wenn die Substratoberfläche anfängt auszutrocknen. Das kann im Frühjahr und Herbst jede Woche sein, im Winter auch mal nur alle vier. Achte auf eine gute Drainage und halte die Pflanzen nur leicht feucht. Sie können durch aus wärmer stehen, wenn sie genug Licht bekommen. Meine stehen im Winter bei ca. 12 Grad. Wichtig ist auch das kein Wasser in die Rosette kommt.
Da wo bei der Knolle oben ist solltest du ein Anhängsel vom Absenker an dem sie gebildet wurde sehen oder wenn dieser schon ab ist eine Art nicht all zu tiefes Loch. Schwer zu beschreiben, ich mach dir morgen mal ein Foto.

Hoffe das Hilft.

Gruß Tobias
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 21:26 Uhr
Hallo,

mein Substrat ist rein mineralisch, 2 Teile Seramis, 1 Teil Perlite und ein Teil Aqualit Aquariensubstrat. Die Hälfte des Topfes mit Kalkschotter als Drainage gefüllt. Düngung ab Austrieb alle 4 Wochen mit Seramis Blühpflanzendünger mit 1/4 der angegebenen Konzentration, ab Februar wöchentlich mit voller Konzentration bis zum Einziehen.

Einsetzen der Knolle, Tiefe usw wie von Tobias beschrieben, auch ich topfe jährlich um. Entfernen des Blütenstiels sofort nach der Blüte und anschließendes schattiges Aufstellen der Pflanzen fördert große Knollen und vegetative Vermehrung.

Ich spritze im Winter alle 3 Wochen vorbeugend gegen Botrytis mit Teldor, im Frühjahr ist meistens eine Behandlung gegen Blattläuse nötig, da hilft Bi 58 oder Careo.

Mit freundlichen Grüßen
Jan
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 21:31 Uhr
So muss die Knolle eingesetzt werden, mit der Seite, wo die kleine Vertiefung ist, nach oben
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: eraserhead am 15.Jun.16 um 21:37 Uhr
Hallo Tobias,

vielen lieben Dank für die vielen Hinweise! Und auch für die Mühe mit dem Foto! Ich denke, damit komm ich erstmal zurecht. Da fällt mir ein, Dolomitkalk 0 - 4 mm hätte ich auch noch da (als passionierter Kakteengärtner, besonders Mexikaner) - sollte/kann ich da was zumischen? Warum muss man ein neudohumhaltiges Substrat eigentlich jedes Jahr tauschen? Verpilzung? Oder stört die zunehmende Verrottung des org. Materials?

Glücklicherweise bin ich stolzer Besitzer eines kleinen GWH´s (ungeheizt, Kakteensommerstandort). Ich habe mir überlegt, dieses eventuell als Überwinterungsort für die Orchideen zu nutzen. Würde das gehen oder sind Plusgrade ein Muss? In milden Wintern wie dem letzten war es da drin max. - 5°C (nachts, draußen -12°C). Sehr kalte Winter kommen hier schonmal auf -20°C, da wird's auch im GWH sehr ungemütlich.....

...bin schon sehr gespannt und kann´s kaum erwarten :-)

Viele Grüße
eraserhead

Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: eraserhead am 15.Jun.16 um 21:45 Uhr
Vielen Dank auch an Jan......super, wie schnell einem hier geholfen wird!
Ich hab beim Stöbern hier im Forum auch schon oft gelesen, dass viele ihre Pflanzen vorbeugend mit verschiedenen Fungiziden/Insektiziden usw. behandeln. Da ich gern ohne Spritzen auskommen möchte gleich wieder eine Frage: Ist das absolut notwendig oder eher aus Vorsicht? Auch wenn´s esoterisch klingen mag - würde auch sowas wie Brennesselsud funktionieren oder vertragen die Pflanzen das nicht? Meine Kakteen (teilweise auch recht empfindlich, bspw. Ariocarpen, Aztekium) vertragen das wunderbar....

Viele Grüße
eraserhead
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 21:50 Uhr
Früher habe ich nie gespritzt, hatte Ausfälle im Winter von 30% und mehr... Vor allem gegen pilzliche Erkrankungen sollte man vorbeugend spritzen.

Brennesselsud ist viel zu nährstoffreich - also nix für Ophrys, die nährstoffarme Trockenrasen besiedeln. Man kann aber wenig giftige Mittel wie Neem verwenden, die helfen auch, die Wirkung hält aber nicht so lange an wie bei systemischen Insektiziden.
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 21:54 Uhr
Bei Topfkultur sollten die Temperaturen im Winter nicht sehr weit unter Null Grad fallen, gerade die Scolopax-Hybride könnte da Probleme bekommen. Wenn es sehr kalt wird, sollte man einen Frostwächter anschliessen
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 15.Jun.16 um 21:58 Uhr
So weit ich weiß wachsen alle Ophrysarten auf kalkhaltigen Standorten, Kalkschotter sollte also okay sein. 0-4 mm ist aber etwas fein, mein Basaltsplitt hat so 6mm. Er dient als Drainage im Substrat damit es nicht zu nass wird. Mein Giesswasser ist auch recht kalkhaltig, das hat noch nie Probleme gemacht. Düngen tue ich übrigens auch mit Dünger von Seramis, aber ich nehme den für Orchideen, alle 2 Wochen ab erscheinen der Blätter.
Bei Neudohum stört die Verrottung des Materials. Es ist nur plus/minus eine Saison zu gebrauchen und muss danach gewechselt werden. In hohen Anteilen öfter, da vernässt das Substrat auch schnell.
Ein Gewächshaus ist natürlich super! So einen Luxus habe ich leider nicht. Bei den Temperaturen kommt es darauf an welche Arten du halten willst. Die mitteleuropäischen kommen mit Frost zurecht, mediterrane Arten sind da empfindlicher. Aber da habe ich kaum Erfahrung mit der Winterhärte, wie gesagt alles steht wohl behalten in Töpfen.

Jan ich muss zugeben ich finde deine Methode mit rein mineralischen Substrat und Fungizid-Behandlung sehr interessant. Kannst du was da zu sagen wie viele Pflanzen du verlierst? Bei mir sind es zwar wenige, aber doch immer ein paar die gern irgendwann anfangen Stengelfäule zu entwickeln. Darüber ärger ich mich immer sehr. Wie stehen deine Pflanzen eigentlich im Winter? Ich wollte dieses Jahr mal einen kleinen Ventilator aufstellen um etwas Bewegung in die Luft zu bekommen die sonst bei mir eigentlich immer steht. Vielleicht hilft das ja was.

Gruß Tobias
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 22:06 Uhr
Tobias, meine Ophrys stehen im Winter im Gewächshaus, die mediterranen Arten bei ca. 5 Grad, die heimischen Arten um Null Grad. Ich lüfte, so oft es möglich ist an frostfreien Tagen, falls es längere frostfreie Perioden gibt, räumen wir die meisten auch raus. Das härtet die Blätter ab und die Gefahr von Fäulnis verringert sich.

Ich habe so gut wie keine Ausfälle im Winter mehr, die Quote liegt bei unter einem Prozent und da ich häufig noch vegetative Vermehrung habe, habe ich jetzt nur noch eine positive Bilanz
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 22:10 Uhr
Und falls ich merke, dass eine Pflanze in der Mitte der Rosette schwarze Flecken bekommt, stelle ich sie sofort in ein kühles Zimmer im Haus auf das Fensterbrett, da ist die Luftfeuchte niedrig und die Erkrankung stoppt schlagartig.

Meine beiden Orchis papilionacea habe ich so gerettet, sie standen von Dezember bis April im Schlafzimmer und haben beide sogar jeweils zwei neue blühfähige Knollen gebildet. Diese habe ich aber von Dezember bis April wöchentlich gedüngt
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 15.Jun.16 um 22:15 Uhr
Vielen Dank für deine Antwort Jan!

Meine Pflanzen sind leider meist Einzelstücke, wenn also mal was schief geht ist mein Bestand dahin. Vegetativ vermehren tun sich bei mir nur ein paar Arten, mal sehen ob ich das noch verbessern kann.
Meine Ausfallquote beträgt geschätzt 10% und das ist mir zu viel.
Vielen Dank auf jeden Fall für deine Tipps, ich werde es auch mal mit mehr lüften probieren. Ich habe wie gesagt kein Gewächshaus. Bei mir steht alles im Prinzip in einem ungeheizten Wohnraum vor einer großen Fensterwand, der Raum wird nur zum Wäschetrockenen verwendet. Ich verwende um mehr Licht zubekommen noch Zusatzbeleuchtung, seit dem ich die letzten Herbst erhöht habe klappt es noch besser.
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 16.Jun.16 um 18:58 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 15.Jun.16 um 21:26 Uhr
Entfernen des Blütenstiels sofort nach der Blüte und anschließendes schattiges Aufstellen der Pflanzen fördert große Knollen und vegetative Vermehrung.

Jan hier zu hätte ich noch eine Frage. Du schneidest den Blütentrieb also ab nachdem alle Blüten verblüht sind. Führst du das bessere Wachstum danach darauf zurück das die Pflanze "mitbekommt" das es mit der generativen Vermehrung nichts mehr wird und deshalb auf vegetativ umschwenkt? Um Kraft zu sparen wäre es noch von Nöten den Blütentrieb vor dem Aufblühen zu entfernen.
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: orchis pallens am 16.Jun.16 um 21:10 Uhr
Genau, die Kraft wird dann in die neue(n) Knolle(n) gesteckt, da sie die Kraft nicht für die Ausbildung der Samenkapseln braucht. Natürlich wäre es am besten, den Blütentrieb schon vor der Büte zu entfernen, das würde der vegetativen Vermehrung förderlich sein aber ich halte die Pflanzen ja vor allem wegen der schönen Blüten und deshalb kappe ich sie erst beim Abblühen
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 16.Jun.16 um 21:40 Uhr
Vielen Dank für die Antwort Jan. Aber Samenkapseln würden die meisten Pflanzen ja eh nur ansetzen wenn ich nachhelfe. Und den zweiten Punkt sehe ich genauso, ich will ja auch die hübschen Blüten sehen, nicht nur Laub. Aber ich werde dann dieses Jahr auch so verfahren und dann mal berichten wie es läuft.
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: eraserhead am 19.Jun.16 um 20:44 Uhr
Hallo! Also, die Tuberoide sind heil angekommen und erwiesen sich meiner bescheidenen Meinung nach als gesund. Leider habe ich kein Foto gemacht. Die Knollen hatten aber ungefähr die Größe wie auf dem Foto weiter oben. Aussehen fast ident. Durch den Hinweis eines netten Mitglieds habe ich mir auch eine Riemenzunge zugelegt (H. caprinum). Ich denke, ich werde diese sehr ähnlich behandeln: Trockene Sommerruhe, mineralisches Substrat, bei (hoffentlich) Austrieb im Frühherbst dann frostfrei halten, mäßig feucht und etwa alle 14 Tage schwach düngen...klingt das ok?

Eine Frage hätte ich trotzdem noch: Ich lese hier im thread oft "vegetative Vermehrung". Wie stimuliert ihr (außer Ausknipsen der Blüte - die will ich ja sehn) das Wachstum von Tochterknollen? Ich dachte immer, die alte Knolle stirbt nach der Blüte ab und die Neue ist dann die "blühfähige" fürs nächste Jahr...?! Hab zwar schon gelesen, dass man die frisch gebildete vor "Reife" entfernen soll und dass dadurch die Bildung neuer Knollen angeregt wird. Aber das klingt ziemlich brutal.

Vielen Dank nochmal für Eure Hilfe und liebe Grüße!
eraserhead
Titel: Re: Fragen eines Ophrys-Anfängers
Beitrag von: Tobias am 19.Jun.16 um 21:59 Uhr
Moin,

wenn sie keine sichtbaren Verletzungen haben sollte alles gut sein, jetzt heiß es warten auf den auf den Austrieb.
Himantoglossum caprinum verhält sich im Prinzip gleich, man kann eigentlich alle mediterranen Erdorchideenarten so kultivieren die Winterwachser sind. Himantoglossum ist aber meiner Erfahrung nach empfindlicher gegen Abfaulen als z.B. Ophrys oder Anacamptis. Also nicht zu tief topfen und nicht zu feucht halten. 20% Neudohum kann das Substrat ruhig haben, die enthaltenen Mykorrhizapilze verhindern das Abfaulen. Nach dem was ich hier im Forum gelernt habe klappt rein mineralisches Substrat wohl nicht so gut. Es sei denn man behandelt mit Fungiziden wie Jan, dann scheint es ja wirklich sehr gut zu klappen! Das werde ich auch noch mal unter meinen Bedingungen testen, Erfahrungen habe ich dazu nicht.

Manche Pflanzen vermehren sich einfach von selbst vegetativ (Anacamptis sancta, Orchis anatolica, Habenaria tridactylites, Pterostylis-Arten,...). Bei andern kann man durch Abtrennen der neuen Knolle nach helfen, die alte Knolle samt Pflanze bildet dann noch eine oder mehrere neue aus. Darin bin ich aber kein Experte, selber habe ich es noch nicht probiert. Die alte Knolle stirbt nach der Blüte ab, vorher wird eine oder aber mehrere Tochterknollen gebildet, meist ist es eine große blühfähige und eine kleine, zumindest nach dem was ich erlebt habe.

Gruß Tobias