Holcoglossum auriculatum

Begonnen von Phil, 30.Nov.08 um 22:07 Uhr

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Phil

In diesem Jahr sind bei einigen Händlern Pflanzen aufgetaucht, die als Holcoglossum subulatum   bezeichnet worden sind. Diesen Artnamen gibt es jedoch nicht. Nahe liegt, dass es sich dabei um Holcoglossum subulifolium handeln könnte.
Als die ersten Pflanzen geblüht haben, Fotos im Netzt auftauchten und auch ich eine Pflanze blühend gesehen habe, bin ich stutzig geworden.
Der Habitus der Pflanzen ist im Vergleich zu meinen Holcoglossum subulifolium wesentlich größer und auch die Blüten sehen anders aus.
Ich habe mir ein eigenes Exemplar gekauft und gespannt auf die Blüte gewartet.
Seit etwa einer Woche blüht mein Exemplar und ich möchte hier zur Diskussion stellen ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass es sich dabei nicht um Holcoglossum subulifolium, sondern wahrscheinlich um die erst im Jahr 2005 beschriebene Art Holcoglossum auriculatum handelt.
Im folgenden Artikel wird diese Art beschrieben:
J.Liu, S.C.Chen & X.H.Jin: Holcoglossum auriculatum, A New Species of Orchidaceae from China In: Journal of Wuhan Botanical Research 2005, 23 (2), S. 154-156
http://www.whzwxyj.cn/en/search.asp?ks_keyword=Holcoglossum
Er ist frei zugänglich. Ich werde für meine Ausführungen Zeichnungen aus diesem Artikel verwenden.

Leider stehen mir keine detaillierten Fotos von einem Holcoglossum subulifolium zur Verfügung um die Unterschiede mit Bildern hervorheben zu können. Daher werde ich auf Zeichnungen von Gunnar Seidenfaden aus seinem Werk Orchid genera in Thailand XIV. (= Opera Botanica No. 95), Kopenhagen 1988 zurückgreifen.

Zu Beginn möchte ich die bei mir blühende Pflanze zeigen:


Ich habe eine Blüte entfernt um sie zu sezieren:


Zum Vergleich die Vorderansicht der Blüte aus dem Artikel:


Und hier die von Holcoglossum subulifolium.


Es fällt auf, dass Holcoglossum subulifolium längliche, nicht gezackte Blütenblätter besitzt die stark nach hinten gefaltet sind. Die von mir gezeigte Blüte übereinstimmt zu weiten Teilen sehr gut mit der Zeichnung aus dem Artikel.

Hier eine Seitenansicht meiner Blüte:


Man sieht, dass der Sporn stark zurückgebildet ist, die ist typisch für die Untergattung Brachycentron. Er wirkt bei meiner Pflanze auch deutlich kürzer als er auf der Zeichnung für Holcoglossum subulifolium angegeben ist.

Dazu eine seitliche Zeichnung der Blüte, aus dem oben genannten Artikel:


Und hier nochmal genauer für Holcoglossum subulifolium:


Jetzt geht es an die Details.
Ich habe die Lippe von der Säule entfernt um bessere Fotos des Kallus und der Säule machen zu können.
Hier die Frontansicht:


Und hier einmal längs geteilt:


Leider ist in dem Artikel keine separate Zeichnung zum Kallus enthalten. Zum Vergleich aber eine Zeichnung für Holcoglossum subulifolium:


Man sieht, dass Holcoglossum subulifolium fünf Lamellen auf dem Mittellappen der Lippe besitzt. Die Anzahl ist jedoch unter den Taxonomen ein Streitpunkt, da es auch Exemplare mit mehreren Lamellen gibt. Meine Pflanze zeichnet sich aber nur durch das Vorhandensein, zweier Höcker aus.

In dem Artikel ist ein Längsschnitt durch Lippe und Säule angegeben:


Hier wird deutlich, dass die Details meiner Pflanze recht gut zur Zeichnung passen.

Die Säule habe ich nicht längs geteilt, sondern nur von unten abfotografiert:


Dies könnte ich noch nachholen, ich glaube aber, dass ich aufgrund der mir eingeschränkten Möglichkeiten mit meiner Kompakt-Digitalkamera die entscheidenden Details nicht zeigen könnte.

Eine Analyse der Pollinien und der Antherenkappe kann ich aus dem selben Grund nicht durchführen. Beim Abnehmen, des Pollinium gab es aber eine, durch Jin für beschriebene, für Holcoglossum charakteristische Faltung des Stipes.

Zuletzt ein Bild aller Blütenbestandteile, separiert von der Säule.


Zum Vergleich eine Zeichnung der Blütenblätter aus dem Artikel:


Die Übereinstimmung ist zwar nicht perfekt, aber es wird deutlich, dass die Blütenblätter nicht länglich geformt sind wie sie es bei Holcoglossum subulifolium sein sollten.

Ein Vergleich der Habitus meiner Pflanzen könnte ich, falls gewünscht, auch noch machen.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Charlemann

Eine äusserst detaillierte Arbeit Phil!

Aber könntest Du das nicht als Variation durchgehen lassen?
Mit den Tropischen habe ich ja nicht so viel, aber der Unterschied den Du da beschreibst, sehe ich nicht ganz so deutlich.

Wenn das so wäre müsste man doch alle Pflanzen, die ein bisschen ausser der "Norm" sind, als eigenständige Arten betrachten.

Nur ein Beispiel:
Cyp. guttatum wird ja auch gelegentlich in China-Typ, Mandschurien-Typ oder auch Alaska-Typ unterteilt, aber trotzdem sind alle Cyp. guttatum und bei diesen Variationen sehe ich deutlichere Unterschiede.

Carsten

Sehr schöne Analyse, Phil.

Ich kenne die Gattung Holcoglossum kaum, deshalb hier ein paar Fragen:

Warum ziehst du in Betracht, daß deine Pflanze H. subulifolium sein könnte; nur aufgrund der Ähnlichkeit zu "subulatum"? Mit deiner Präsentation hast du ja selbst ausfgeschlossen, daß es sich um diese Art handelt.
Aufgrund der Daten, die du zeigst, würde ich deine Pflanze für H. auriculatum halten. Frage: Gibt es beschriebene Arten, die H. auriculatum ähnlich sind, also  ebenfalls die namensgebenden Öhrchen haben, und/oder gefranste Blütenblätter, und/oder solch einen Kallus?
Letzte Frage: woher stammt deine Pflanze geographisch? Ist es möglich, daß sie aus dem Verbreitungsgebiet von H. auriculatum oder einem angrenzenden Gebiet kommt?

Viele Grüße, Carsten

Phil

@Charleman
Danke für deine Anmerkung. Ich möchte hier aber nicht den Artstatus anzweifeln. Da diese Art in der KEW Checklist als gültig betrachtet wird, so werden dem Artstatus auch andere Taxonomen für gerechtfertigt betrachten.
Ich bin auch einer derer, die einer Art etwas Spielraum lassen. Es gibt Taxonomen die machen aus jeder kleinen Unregelmäßigkeit eine Forma oder Variation raus. Meiner Meinung nach völlig unnötig, dies führt nur zu sehr viel Verwirrung.

@Carsten

Danke für dein Lob.
Ich hatte etwas Langeweile und eigentlich wollte ich jemand bestimmten zeigen, dass die derzeit erhältlichen Pflanzen, meiner Meinung nach, keine Holcoglossum subulifolium sind. Die Person war sich sehr sicher, dass es einfach nur eine etwas andere Form ist. Eine Antwort von der Person habe ich bisher nicht bekommen...  :whistle :-D

Zum Verbreitungsgebiet:
Holcoglossum auriculatum ist bisher nur aus der chinesischen Provinz Yunnan bekannt. Holcoglossum subulifolium hat ein etwas größeres Verbreitungsgebiet. Jedoch überschneiden sich die beiden Verbreitungsgebiete nicht (derzeitiger Kenntnisstand).
Woher meine Pflanze stammt weiß ich leider nicht. Das wissen die Händler hier, ja meist selbst nicht.
Die beiden hier diskutierten Arten gehören, wie bereits erwähnt, zur Untergattung Brachycentron. Charakteristisch ist hier der stark verkürzte Sporn. Neben Holcoglossum subulifolium und Holcoglossum auriculatum gibt es nur noch eine weitere Art in dieser Untergattung, Holcoglossum amesianum, diese unterscheidet sich aber deutlich zu den beiden anderen Arten.

Ich muss aber zugeben, dass ich mir es mit meiner Analyse etwas zu leicht gemacht habe. Ein genauer Vergleich der in der Literatur angegeben Größen mit meiner Pflanze wäre eigentlich unumgänglich. Jedoch bin ich der Meinung das die von mir aufgezählten Unterschiede auch ohne einen genauen Datenabgleich auskommen.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Carsten

Hallo Phil,

wenn nur die drei von dir erwähnten Arten in dieser Untergattung bekannt sind, ist es wirklich keine Frage, worum es sich bei deiner Pflanze handelt. Ich sehe keine signifikanten Unterschiede zwischen Deiner und der Typuspflanze von H. auriculatum.

Ich habe mir die Beschreibung angesehen: die Typuspflanze wurde im Distrikt Malipo gefunden, der an Vietnam grenzt. Ich kann mir gut vorstellen, daß H. auriculatum entweder auch in Vietnam vorkommt, oder daß Pflanzen über den kleinen Grenzverkehr aus China nach Vietnam gelangen und von dort exportiert werden. Ich weiß nicht, ob die chinesische (Hüstel) Gärtnerei, in der die Typuspflanze kultiviert wurde, auch exportiert. Oder ob die Nachzuchten machen oder sich nur im großen "special greenhouse" bedienen.

Interessant fand ich die angegebene Höhenlage: bei 2200m sollte diese Art recht kälteresistent sein.

Viele Grüße, Carsten

Phil

Hallo Carsten.

Holcoglossum kommt wirklich in höheren Lagen vor und sollten kühl kultiviert werden. Meine Pflanze hängt bei mir im Schlafzimmer und kriegt Nachts auch mal unter 10°C ab am offenen Fenster. Die machen das locker mit.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer