Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 4

Begonnen von Claus, 25.Mai.09 um 15:46 Uhr

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Claus

Hallo,
es tut mir leid, wenn die Fortsetzung so lange gedauert hat. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Gläser umgelegt und auspikiert und außerdem im Garten 35 Scheinzypressen gefällt, zu Brennholz verarbeitet bzw. die Zweige geschreddert und kompostiert. Danach habe ich einen 18 m langen und 70 cm tiefen Graben an der Grundstücksgrenze gebuddelt, um die dort eindringenden Wurzeln von großen Bäumen auf dem Nachbargrundstück abzuwehren. In den Graben kam dann eine 2 mm dicke Folie aus HDPE. Die Wurzeln waren zum Teil mehr als armdick und in ihrem Bereich war der Boden pulvertrocken.

Wozu der Aufwand?  In diesem Bereich will ich mir mehrere unterschiedliche Biotope bauen. Nun sind die groben Arbeiten i.w. getan, und ich hoffe dann auch etwas mehr Zeit für diesen Thread zu haben. Im Prinzip habt ihr auch nichts versäumt; denn die wesentliche Zeit für die Aussaaten kommt in den Monaten Juli bis Oktober.

Heute will ich über das sterile Arbeiten schreiben. Die zuckerhaltigen Nährböden sind ja eine ideale Ernährungsgrundlage für alle Keime, vor allem aber für Schimmelpilze. Wenn auch nur eine einzige Spore auf einem Samen ungetötet bleibt, wenn auch nur eine Hefezelle beim Arbeiten von der Hand in das Aussaat- oder Umlegeglas gelangt, ist es um den Erfolg geschehen.

Wenn wir uns mit einzelnen Viren oder Bakterien infizieren, dann schafft es unser Immunsystem normalerweise, dass die sich nicht vermehren können und wir nicht krank werden. Im künstlichen Nährboden existiert aber ein solches Immunsystem nicht. Man kann z.B. dem Nährboden Streptomycin zusetzen, um die Infektion mit Bakterien zu verhindern oder zu hemmen. Aber abgesehen davon, dass wir nicht mit Antibiotika arbeiten sollten, um Resistenzen zu verhindern, werden bakterielle Infektionen in den Gläsern ausgesprochen selten vorkommen. Typisch dagegen ist die Bildung von Schimmel auf der Oberfläche des Nährbodens, der dann normalerweise auch die gekeimten Protokorme hinweg rafft. Es gibt allerdings Ausnahmen, in denen ein Schimmelpilz mit gekeimten Sämlingen in Koexistenz lebt, das ist aber eine wackelige Angelegenheit, die selten gut ausgeht.

Man könnte theoretisch auch mit Fungiziden arbeiten. Ich habe das einmal versucht, dabei wurden aber bereits gekeimte Protokorme zu 100% vom Fungizid getötet.

Es hilft nichts, wir müssen lernen absolut steril zu arbeiten. Es gibt da mehrere Methoden, z.B. hat ja Thomas Ederer dazu Informationen ins Netz gestellt. Ich werde aber hier meine eigene Methode beschreiben, die ausgesprochen sicher ist, allerdings auch einen gewissen Aufwand bedeutet. Ich habe vieles ausprobiert, was in den Foren diskutiert wurde und wird, aber nach der hier vorgestellten Methode hat man Erfolg, das allein zählt für mich.

Es geht zunächst um ziemlich triviale Dinge, die man unbedingt einhalten muss. Oft wird mir gesagt, ich mache das aber anders, und diesen großen Aufwand braucht man nicht zu betreiben. Ja, natürlich, es geht vieles, auch über Wasserdampf, aber hier beschreibe ich eine Methode, die sich in vielen hundert Gläsern bewährt hat.

Das A und O des sterilen Arbeitens ist zunächst absolute Sauberkeit. Also sorgfältig die Hände mit Seife waschen und zum Abtrocknen ein frisches Handtuch verwenden. Sterile Gummihandschuhe aufziehen. Ich verwende die Latexhandschuhe von Rossmann, Größe L, von denen 50 Stück 3,59 EUR kosten. Sie müssen aber noch sterilisiert werden. Dazu ziehe ich sie mir zunächst kurz an, um sie etwas zu dehnen, dann werden jeweils 4  oder 6 Stück paarweise in einem Marmeladenglas mit etwas lose aufgelegtem Deckel sterilisiert. Von diesen Gläsern mit Handschuhen habe ich immer so 4 – 6 vorrätig. Ich ziehe nach jedem Vorgang ein neues Paar an, d.h. wenn ich z.B. bei der Aussaat zwischendurch etwas anderes anfassen muss, dann wechsele ich die Handschuhe vor dem nächsten sterilen Arbeitsgang. Das habe ich nicht immer gemacht, die Folge waren immer wieder unerwartete Infektionen. Ärgerlich, wenn es sich dabei um ein Glas mit nur wenigen kostbaren Sämlingen handelt.

Diese Handschuhe sind erstens sehr preiswert, zweitens  kann man sie viele Male neu sterilisieren. Hier darf man einfach nicht schludern.

Über die Desinfektion einer ggf. vorhandenen Sterilbank mit 0,5%iger DanKlorix-Lösung habe ich ja schon geschrieben. Man kann sie auch mit z.B. 70%igem Alkohol auswischen oder mit Mikrozid AF, aber DanKlorix ist wesentlich wirksamer als die Alkohole. Warum? Weil Keimen durch Alkohol lediglich das Wasser entzogen wird und sie dadurch absterben, oder sie werden durch die Inhaltsstoffe vergiftet. Das ist aber nicht 100% sicher, während das in DanKlorix wirksame Hypochlorit die Keime durch oxidative Schädigung direkt abtötet. Man muss sich das so vorstellen, dass den Keimen durch den Zerfall des Hypochlorits eine Art Elektroschock versetzt wird, so als wären sie vom Blitz getroffen worden. Hypochlorit überträgt auf diese Weise im Molekülbereich eine enorme Energie. Das geht ganz schnell, aber das Hypochlorit muss auch überall hinkommen können, und das dauert eben dann doch etwas.

Alles muss steril sein: Nährboden, Gläser, Spatel, Spritzen, Handschuhe, ggf. zum Nachwaschen benötigtes Wasser, die Samen natürlich auch.

Zwar wird ja die Sterilbank auch desinfiziert, aber zur Sicherheit und als Arbeitsgrundlage lege ich mir immer ein sterilisiertes Stück Alufolie in die Bank. Diese Folienstücke von ca. 15 x 20 cm falte ich einmal zusammen und rolle sie dann über einen Bleistift zu einer Rolle. Jeweils 4 von diesen Rollen werden senkrecht in ein Marmeladenglas gesteckt und ebenfalls sterilisiert.

Ich will jetzt einmal die Arbeitsabläufe beschreiben und gehe dabei von einer Sterilbank oder Sterilbox aus. Die wird zunächst mit einem mit 0,5%iger Danklorix-Lösung völlig getränkten Papier-Küchentuch ausgewischt, wobei der Lösung zur besseren Benetzung ein paar Tropfen Spülmittel zugesetzt werden. Das Hepafilter darf mit dieser Lösung auf keinen Fall in Kontakt kommen, sonst ist es hin !!! Eine der Sterilbank vorgeschaltete Plexiglasscheibe muss ebenfalls mit der Lösung auf der Innenseite abgewischt werden. Man wartet dann ca. 15 Minuten und stellt erst dann das Gebläse der Sterilbank an. Dann wird wieder ca. 15 Minuten gewartet, um sicher zu sein, dass keine Keime mehr aus dem Hepafilter heraus fliegen, dann kann man mit der Bank arbeiten.

Im nächsten Schritt kochen wir Nährboden, und dann beginnen wir auch mit der Aussaat.

Viele Grüße
Claus

Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Uhu

Zitat von: Claus am 25.Mai.09 um 15:46 Uhr
...Man könnte theoretisch auch mit Fungiziden arbeiten. Ich habe das einmal versucht, dabei wurden aber bereits gekeimte Protokorme zu 100% vom Fungizid getötet....

...Das A und O des sterilen Arbeitens ist zunächst absolute Sauberkeit. Also sorgfältig die Hände mit Seife waschen und zum Abtrocknen ein frisches Handtuch verwenden. Sterile Gummihandschuhe aufziehen....


Hallo Claus,

danke Dir; wieder eine sehr gute Beschreibung der Grundlagen. Dazu 2 Anmerkungen:

1. da Pilze mit uns näher verwand sind als mit Pflanzen, sind die Fungizide (wenigsten die Guten/Alten) für uns wesentlich giftiger als Pflanzenschutzmittel. Die Chromosomenbrüche, über die sie bei den Pilzen wirken, können leider auch bie uns auftreten - das ist ganz und gar nicht gesund.

2. die Händedesinfektion kann mann mit einem entsprechenden Haut-Desinfektionsmittel verbessern. Dazu werden die Hände erst wie von Dir beschrieben gewaschen und dann satt mit Desinfektionsmittel eingerieben. Dazu verteilt man Desinfektionmittel in beide Hände und reibt die Überschüsse über die Handgelenke Richtung Unterarmen. Nichts mehr anfassen und nach dem Trocknen an der Luft die sterilen Handschuhe so anziehen, dass keine Verunreinigungen an Fingern und Handflächen auftreten.

Viel Erfolg
Jürgen
Grüße Jürgen

R4NG3R

Ich hab mal ne frage, das mit den sterilisierten Alurollen hab ich ja verstanden. Sobald aber das Marmeladenglas aber aus dem Ofen genommen wird ist es innen zwar steril aber aussen ist es mit Bakterien usw. verseucht. Und wenn du das Glas in deiner Cleanbench stellst und du mit deinen sterilen Handschuhen anfässt um es zu öffnen, hast du ja die Baterien und co. auch an den Händen. Oder wird das Marmeladenglas mit Alkohol o.ä. von aussen sterilisiert bevor es in die Cleanbench kommt?
Sich regen bringt Segen.

Lg,
Flo

Uhu

Du könntest ein paar Handschuhe mit den Gläsern sterilisieren und könntest dann die Gläser ohne verunreinigung in die Bench stellen. Da die (Latex-)Handschuhe durch die Hitze evt. brüchig werden könntest du sie evt in Wasser sterilisieren. Da hab ich keine Erfahrung, da ich mir frische, sterile Handschuhe gönne.
Grüße Jürgen

R4NG3R

Ja aber wenn ich das Glas öffne. Dann fasse ich es ja an mit den Handschuhen und dann sind die ja nich mehr Steril.
Sich regen bringt Segen.

Lg,
Flo

Berthold

Zitat von: R4NG3R am 03.Apr.13 um 21:17 Uhr
Sobald aber das Marmeladenglas aber aus dem Ofen genommen wird ist es innen zwar steril aber aussen ist es mit Bakterien usw. verseucht. Und wenn du das Glas in deiner Cleanbench stellst und du mit deinen sterilen Handschuhen anfässt um es zu öffnen, hast du ja die Baterien und co. auch an den Händen. Oder wird das Marmeladenglas mit Alkohol o.ä. von aussen sterilisiert bevor es in die Cleanbench kommt?

Du solltest das Glas aussen mit Mikrozid AF einsprühen, wenn Du es aus den Drucktopf nimmst und dann schnell in die Sterilbank stellen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 03.Apr.13 um 22:05 Uhr
Zitat von: R4NG3R am 03.Apr.13 um 21:17 Uhr
Sobald aber das Marmeladenglas aber aus dem Ofen genommen wird ist es innen zwar steril aber aussen ist es mit Bakterien usw. verseucht. Und wenn du das Glas in deiner Cleanbench stellst und du mit deinen sterilen Handschuhen anfässt um es zu öffnen, hast du ja die Baterien und co. auch an den Händen. Oder wird das Marmeladenglas mit Alkohol o.ä. von aussen sterilisiert bevor es in die Cleanbench kommt?

Du solltest das Glas aussen mit Mikrozid AF einsprühen, wenn Du es aus den Drucktopf nimmst und dann schnell in die Sterilbank stellen.

Flo sterilisiert im Backofen. Da ist es mit Latexhandschuhen schwierig. Zu lange und zu heiß, dann verkleben sie. Es geht doch nichts über einen guten Drucktopf. Braucht deine Mutter nicht dringend einen?
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

R4NG3R

Wegen dem währs nich ich, ich hab die selben Reagenzgläser wie du nur der Druckkochtopf is zu niedrig und die bei ebei kosten ein Vermögen.
Sich regen bringt Segen.

Lg,
Flo

Claus

Du müsstest mal überlegen, ob du die Reagenzgläser nicht schräg in den Topf packen kannst. Ist es ein Topf mit 18 cm Durchmesser? Also z.B. mit Tassen o.ä.abstützen, so dass sie nicht waagerecht zu liegen kommen. Und zum Sterilisieren der Handschuhe nimmst du ein entsprechend niedriges Schraubglas, in das du 1 oder 2 Paar packst.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

R4NG3R

Ja das gab ich auch schon versuch. Aber das geht nicht. Dann muss ich mir einen kaufen. Aber bis ich einen habe mach ich das Medium zwar im ifen anstatt 20 min nur 15 min. Oder geht auch weniger Und dafür mehr temperatur?
Sich regen bringt Segen.

Lg,
Flo

R4NG3R

oder was auch geht was mir gerade einfällt das ich übergangsweise in Marmeladengläßer aussähe da durch das Wattestäbchenloch fast kein wasser entweicht und dort das Medium nich eingetrocknet is. Heute versuche ich noch einmal und hoffentlich zum letzten mal mei n glück überm Kochtopf.
Sich regen bringt Segen.

Lg,
Flo