Bienensterben oder kein Bienensterben?

Begonnen von Berthold, 31.Dez.18 um 17:51 Uhr

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Berthold

Umweltschutz als Narretei?
Manchmal kommt tatsächlich der Verdacht auf. Oft sind Fake News kaum zu erkennen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Niko

Lieber Berthold,
Na, wenn du da Deine Informationen beziehst bekommst du schnell ein schiefes Weltbild  :weird
Nur damit andere Mitleser die verlinkte Seite einordnen können hier mal ein link zu Wikipedia mit einer Einordnung:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tichys_Einblick
Und hier noch ein link zur Primärquelle der im verlinkten Artikel stark verkürzt und verzerrten Darstellung der in der Roten Liste geführten Wildbienenarten:
https://www.wildbienen.info/downloads/eucera-1-2008-03.pdf
In diesem Fall ist denke ich klar wer hier Falschmeldungen in die Welt setzt.

Trotzdem noch ein schönes neues Jahr!
Niko

pierre

Zitat von: Niko am 01.Jan.19 um 17:29 Uhr
Lieber Berthold,
Na, wenn du da Deine Informationen beziehst bekommst du schnell ein schiefes Weltbild  :weird
Nur damit andere Mitleser die verlinkte Seite einordnen können hier mal ein link zu Wikipedia mit einer Einordnung:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tichys_Einblick
Und hier noch ein link zur Primärquelle der im verlinkten Artikel stark verkürzt und verzerrten Darstellung der in der Roten Liste geführten Wildbienenarten:
https://www.wildbienen.info/downloads/eucera-1-2008-03.pdf
In diesem Fall ist denke ich klar wer hier Falschmeldungen in die Welt setzt.

Trotzdem noch ein schönes neues Jahr!
Niko

in Wiki kann jeder schreiben  :popcorn:

Berthold

Zitat von: Niko am 01.Jan.19 um 17:29 Uhr
Lieber Berthold,

Niko, was genau kritisierst Du in der Sache, unabhängig davon wer sie veröffentlicht?

Bei Tichy wird behauptet, dass sich das Bienensterben auf Wildbienen bezieht, nicht auf Honigbienen-Kulturen. Die Honigbienen-Kulturen haben zugenommen.
In China sind starke Gifte eingesetzt worden, die zum Teil auch Honigbienen abgetötet haben und dass dort deshalb cum manu bestäubt wurde.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Die Sache mit den Bienenvölkern ist kompliziert.
Wir haben in Österreich ein sehr detailliertes staatliches Monitoringsystem für Bienenvölker.
http://bienenstand.at/wp-content/uploads/2018/09/Endbericht_29Juni2018.pdf

Die Ergebnisse für die letzten 10 Jahre zeichnen ein komplexes Bild und die Völkerverluste schwanken von Jahr zu Jahr stark (10-30%) aber was sich sagen lässt ist dass sowohl die Arbeitsweise der Imker als auch der Standort mit den Verlusten korreliert.
Probleme haben wir vor allem in Agrarflächen im Flachland während es auf Standorten im Wald und in höheren Lagen signifikant weniger Probleme gibt. Ursache unbekannt aber es liegt möglicherweise an der Futtersituation und Temperatur. Im Flachland ist die Frühjahrsblüte mittlerweile auf April komprimiert, schon Mitte Mai gibt es kaum mehr Nahrung. Im Juni-Juli ist die Landschaft mehr oder weniger blütenlose Steppe. Erst Aug-Okt gibt es dann eine 2. Blühsaison. Auf einen solchen mediterranen Jahreszyklus haben sich die Bienen aber noch nicht angepasst. Dazu kommt dass sich Parasiten und Krankheitserreger im feuchtwarmen Herbst länger vermehren können. Eines der wichtigsten Ergebnisse - je höher die durchschnittliche Septembertemperatur desto höher die Winterverluste.

Was interessanterweise noch einen großen Einfluss hat ist die Betriebsführung. Professionelle Großbetriebe haben deutlich weniger Verluste als Hobbyimker. Hier geht es offenbar vor allem um Erfahrung, geeignete Standorte aber auch Lernbereitschaft die vielen alten Hobbyimkern fehlt. Ein Betrieb kann sich das nicht leisten.

Bezüglich direkter Ursache von Winterverlusten - auch hier kein klares Bild.
Es wurde ein signifikanter Zusammenhang mit multipler Vireninfektion - übertragen durch die Varroamilbe nachgewiesen. Diese scheint zumindest einer der Hauptfaktoren für die Wintersterblichkeit zu sein. Eine Korrelation zwischen Pestizidspuren und Sterblichkeit gab es dagegen - für Winterverluste - nicht. Allerdings haben Larven im Sommer nach Kontakt mit subletalen Pestiziddosen eine deutlich höhere Sterblichkeit wenn gleichzeitig andere Bakterien und Viren vorhanden sind. Zumindest für einige Pestizide wurde eine immunsuppressive Wirkung nachgewiesen. Während vor 10 Jahren noch in de facto allen Proben die beinengefährlichen Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Fipronil gefunden wurden sind es nun nurmehr etwa 20%. Ob das einen Einfluss auf die Sterblichkeit hat wird man aber erst in ein paar Jahren sehen.

Alles in Allem steht das Ganze auf sehr wackeligen Beinen, die meisten untersuchten Faktoren hatten praktisch keinen Einfluss. Und selbst wenn ist es ist erstaunlich wie stark sich einzelne Jahre unterscheiden.

Berthold

Interessant, Christian.
Ich entnehme Deinem Beitrag, man kann also nicht von einem langfristigen oder dauerhaften Bienensterben der Honigbienen sprechen.

Die von einigen Medien verbreiteten Horrormeldungen, dass unsere Obstproduktion in Europa zusammen bricht, weil die Bestäuber aussterben muss man deshalb als Panikmache einstufen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Das kann man so nicht sagen, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Weder werden die Honigbienen in nächster Zeit aussterben noch ist alles in bester Ordnung. Es gibt zu wenig historische Daten für einen langfristigen Trend aber zumindest in den USA gab es in den letzen Jahrzehnten einige noch nie dagewesene Massensterben. Das liegt zumindest teilweise an der unsachgemäßen Haltung und Wanderung. Das hat Ausmaße erreicht die nicht mehr lustig sind. Man arbeitet halt am äußeren Rand des Machbaren bis ein Störfaktor das Faß zum Überlaufen bringt. Auch bei uns haben in den letzten Jahren einzelne Regionen den Großteil ihrer Völker verloren. Das ist definitiv nicht normal. Im Endeffekt ist das Ganze ein bisschen so wie mit dem Waldsterben. Quasi eine reverse self-fulfilling Prophecy. Auch mit den Bienen war klar dass sich etwas fundamental ändern musste, sowohl bei den Imkern als auch in der Landwirtschaft. Das ist passiert und der Ernstfall ist ausgeblieben. Befriedigend ist die Situation aber nicht gerade. Wie in deinem Artikel erwähnt sind Honigbienen ja Nutztiere die im benötigten Umfang gezüchtet werden. Solange sich das eben wirtschaftlich rechnet. Die Politik hat viel Geld für Forschung und Förderung in die Hand genommen und wie gesagt gibt es heute mehr Völker als früher die jeweils mehr Honig produzieren. Andererseits brauchst du wiederum auch mehr weil du auch mit 50-75% Völkerverlust in einzelnen Jahren rechnen musst.

Tatsache ist aber dass der Aufwand ein Bienenvolk zu erhalten in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen ist. Ohne permanente Kontrolle ist ein Totalverlust so gut wie sicher. Es ist eben alles extremer geworden. Auf der einen Seite haben wir heute durch optimierung der Arbeistweise und neues Zuchtmaterial einen Honigertrag pro Volk der um ein Vielfaches höher ist als früher, wie alle Hochleistungskulturen brauchen diese aber auch optimale Bedingungen. Der GAU war sicher die Varroamilbe aber sie ist nur ein Teil des Ganzen. Vor 10 Jahren lag die Schadschwelle noch um den Faktor 10 höher. Du konntest massenhaft Milben im Volk haben ohne sichtbare Schäden, man hat sich kaum drum gekümmert. Das Problem sind aber nicht so sehr die Milben selbst sondern die Viren die sie übertragen. Und durch die Globalisierung kommen immer schneller immer mehr Krankheiten rund um die Welt. Die Bienen kommen mit den Milben, Mikroben, Insektiziden und Klimaveränderungen zurecht. Aber wenn du die Faktoren kombiniert kommt es zumindest zeit- und stellenweise zu Situationen die sie nicht mehr aushalten. Aber das schwankt extrem stark.

Ruediger

Zitat von: Niko am 01.Jan.19 um 17:29 Uhr
Lieber Berthold,
Na, wenn du da Deine Informationen beziehst bekommst du schnell ein schiefes Weltbild  :weird


Wieso bekommst?

Natürlich gibt es ein allgemeines großes Insektensterben, darüber braucht man gar nicht zu streiten.

Und so mancher Imker beobachtet das auch bei seinen Bienenvölkern.
Vermutlich handelt es sich um breite Verschwörung der Imker und Insektenforschern.
Beste Grüße

Rüdiger

DieOrchidee

#8
Zitat von: Ruediger am 02.Jan.19 um 00:07 Uhr
Und so mancher Imker beobachtet das auch bei seinen Bienenvölkern.
Vermutlich handelt es sich um breite Verschwörung der Imker und Insektenforschern.


???!!!
LG Ben

Ahriman

Sicher richtig aber die Imker und Insektenforscher sind da nur kleine Fische.
Letztendlich führen all diese Verschwörungen immer zu den Echsenmenschen die auf der Rückseite des Mondes leben. Der, wie wir ja alle wissen, ebenso wie die Erde, flach ist. :yes

Muralis

Das Bienensterben in Frage zu stellen ist etwa so ähnlich, wie wenn Präsident Trump den Klimawandel in Frage stellt.
Insgesamt sollte man besser von einem Insektensterben reden. Ich bin jetzt immerhin schon alt genug, um mich daran erinnern zu können, wie mein Vater im Sommer regelmäßig die Windschutzscheibe seines Autos reinigen musste, weil sie nach wenigen Fahrten völlig von zerschmetterten Insektenleichen verkrustet war.

Derlei können sich heute jüngere Generationen gar nicht mehr vorstellen. Die Masse an Insekten muss sich seit damals auf einen Bruchteil verringert haben. Und da drin sind irgendwo die Bienen. In Österreich gibt es insgesamt knapp 700 Arten, im weitaus größeren Deutschland sind es immerhin noch etwa 550.

Genau eine einzige von denen ist die Honigbiene. Sie ist unter den Bienen quasi die Sau, extrem euryök, staatenbildend und polylektisch bis zum Gehtnichtmehr. Sammelt Honig von den alpinen Matten bis hinunter zu den Tiefland-Rapsfeldern - ich mache mir um sie eigentlich nicht wirklich Sorgen, die Imkerei erlebt momentan wieder eine Renaissance.

Die wahren Leidtragenden sind nun all die anderen solitären Bienen, die man aber wieder in eine Grupe von euryöken Ubiquisten und in eine andere von hochspezialisierten Arten teilen kann. Letztere benötigen ein Habitatmosaik von Vorkommen einer bestimmten, oft auch seltenen Pollen- oder Nektarpflanze und sehr spezifischen Voraussetzungen zur Nestanlage. Sie sind darüber hinaus oft auch wärmeliebend. In der heutigen Landschaft, die entweder von der industrialisierten Landwirtschaft beherrscht oder von einem gigantischen Bauboom zerstört wird, finden diese Arten keine geeigneten Lebensräume mehr und müssen über kurz oder lang aussterben.

Veranschaulichen kann man das am Beispiel der Hummeln, die ebenfalls zu den Wildbienen gehören. In Österreich gibt es etwa 45 Arten davon. Einige sind noch immer sehr häufige Ubiquisten, wie etwa die Erd-, die Acker-, die Garten-, die Wiesen- und die Steinhummel. Sie sind mit der aktuellen Veränderung ihres Lebensraumes noch ganz gut zurecht gekommen, weil sie flexibel, anpassungsfähig sind. Einige andere, früher  ebenfalls weit verbreitete Arten wie etwa die Obst-, die Samt-, die Deich-, die Sand- oder die Mooshummel aber sind inzwischen so selten geworden, dass in Österreich mittlerweilen nur mehr ein, zwei oder wenige Plätze ihres Vorkommens bekannt sind!

Natürlich geht es auch den häufigeren Arten nicht mehr so gut wie früher, denn auf riesigen pestizidbelasteten Monokulturen, auf zubetonierten Industriegebieten und Einkaufszentren können auch sie nicht mehr leben. Also bleibt selbst diesen einst flächendeckend häufigen Arten (unter ihnen die Honigbiene) in Wahrheit nur mehr ein fragmentierter Teil der Gesamtfläche zum Leben übrig.

Wenn man etwas für die Bienen leisten will, dann im eigenen Garten (und da hätte ja Berthold wirklich gute Möglichkeiten, denk ich): Weg von der Rasenmähermentalität hin zum Biotopmix aus einheimischen Blütenstauden und -sträuchern!

Nachlesen kann man auch. In Deutschland ist ja eben kürzlich für günstige 99€ Paul Westrichs 3 kg schweres "opus magnum" "Die Wildbienen Deutschlands" erschienen. Für Österreich empfehle ich "Wilde Bienen" von Heinz Wiesbauer. Wo man das bekommt, muss ich ja nicht verlinken  ;-)

Als Anhang eine der selteneren Bienen, die Sandbiene Andrena polita, oligolektisch auf Korbblütengewächsen, gerne auf Wegwarte.

Ahriman

Der springende Punkt ist einfach - wie bei fast allen Naturschutzthemen - die großflächige Landnutzung bzw. Habitat-Fragmentierung. Auch Naturschutzgebiete bringen nicht viel wenn sie zu klein und nicht vernetzt sind. Das zu ändern ist aber gesellschaftspolitisch sehr schwierig. Da macht man lieber werbewirksame Aktionen wie Wildbienenhäuschen basteln und die Hobbyimkerei forcieren. Ich denke das ist es was in dem Artikel zurecht kritisiert wird. Manche "Umweltschutzmaßnahmen" sind und bleiben eine wirkungslose Augenauswischerei mit der Konsumenten und Steuerzahler getäuscht werden.

Auch interessant ist aber das Thema Stickstoffdeposition.
Man findet auch in entlegenen größeren Schutzgebieten, etwa in den Alpen, einen radikalen Rückgang der Insektenbiomasse und Diversität. Eine Erklärung ist der Rückgang der Blütenanzahl aufgrund der Ausbreitung von ökologisch minderwertigen Ruderalarten durch N-Eintrag. Das scheint plausibel, auch ich hab in den letzten Jahren in den Alpen beängstigend wenig Insekten gesehen. Vor allem Käfer. Andererseits waren auch auf blütenreichen wiesen kaum Insekten zu sehen. Vielleicht liegt es am nicht durchgehend verfügbaren Nahrungsangebot also einer Verlängerung der blütenlosen Zeit (wieder durch Klima- und N). Gibt es noch andere Erklärungen für den Schwund in Schutzgebieten?

DieOrchidee

Zitat von: Ahriman am 03.Jan.19 um 23:41 Uhr

Gibt es noch andere Erklärungen für den Schwund in Schutzgebieten?

 
ja, einer von vielen wäre beispielsweise eine falsche Mahd.
LG Ben

Ahriman

Ja das spielt sicher eine Rolle aber der Rückgang fndet sich auch in Lebensräumen die kaum bewirtschaftet werden. Deswegen muss es auch einen indirekteren Einfluss geben.

DieOrchidee

Die Mahd ist ein Punkt, der teilweise auch sehr wichtig ist, für die Erhaltung von verschiedenen Insektenarten.
https://hamburg.nabu.de/imperia/md/content/hamburg/fg_entomologie_mahd_und_tagfalter.pdf
LG Ben