Hybriden oder Arten?

Begonnen von klaus, 22.Nov.21 um 17:54 Uhr

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klaus

Chysis gibt es ja nicht viele Arten und meist wird nur bractescens angeboten. Dann gibt es als Hybride noch die Sedenii (=bractescens x limminghei) zu kaufen, die paar anderen registriereten Hybriden habe ich noch nirgends gesehen.

Also habe ich vor einigen Jahren auch mal eine Kreuzung gemacht: bruennowiana x limminghei. Die Hoffnung war, dass durch limminghei in die einfarbig braune bruennowiana etwas mehr Farbe reinkommt und dass auch die Blütenform offener wird. Andererseits hoffe ich, dass von der bruennowiana der längere Blütenstand mit bis zu 12 Blüten vererbt wird. Jetzt blüht die erste Pflanze und das mit der Farbe und Haltung hat schon ganz gut geklappt. Zur Vielblütigkeit kann ich noch nichts sagen, sie hat jetzt erst mal eine und ist ja noch lange nicht ausgewachsen.

Weitere Pflanzen sind knospig, da werden noch Bilder kommen.

Viele Grüße
klaus

cklaudia

Hallo Klaus
Ich gratuliere dir zu der gelungenen Kreuzung. Da ist schon mal eine tolle Blüte rausgekommen.  :thumb

Lg Claudia

chriseon

Was ist der Sinn und Zweck dieser Hybride?

Die angegebenen Ziele erscheinen mir nicht plausibel. Wem die Blüte einer Orchideenart nicht offen oder zahlreich genug sind - es gibt hunderte Arten aus der Natur zur Auswahl.

Bei Kreuzungen von zwei verwandten Orchideen, deren Blüten sich auch noch ähnlich sehen, sind spektakuläre Ergebnisse nicht zu erwarten.
Anreiz für den Züchter ist es vielleicht, als Erster diese Kreuzung  registrieren zu lassen und damit in die Annalen einzugehen.

Leider werden mit solchen Primärhybriden auch noch Rückkreuzungen mit einer Elternart gemacht.

Irgendwann entstehen dabei Nachkommen, die den eingekreuzt en Arten zum Verwechseln ähnlich sind.

So geschehen bei den Psychopsishybriden und Rossioglossum Rawdon Jester (wer hat noch ein echtes Rossioglossum grande?)

Der Erhaltung der Orchideenarten in Kultur, in der Natur werden sie bald alle ausgerottet sein, wird durch diese Kreuzungen ein schlechter Dienst erwiesen.


Gruß
Christian


klaus

Hallo Christian, zunächst stelle ich mir die Frage: lehnst du Hybriden ganz allgemein ab? Dann brauchen wir gar nicht weiterzudiskutieren, denn über Galubensfragen streite ich nicht.

Grundsätzlich stimme ich dir so weit zu, dass manche Kreuzungen gar nicht hätten gemacht werden sollen, das habe ich auch hier im Forum schon ab und zu geschrieben. Rawdon Jester, die von dir genannten Psychopsis, das Heer der lilablütigen Cattleya-labiata-Hybriden: das alles hätte es nicht gebraucht und ich bin in der Beziehung völlig deiner Meinung. Wenn da ein Etikett verloren geht, kann nur ein absoluter Experte noch sagen, ob es Hybride oder species ist.

Ich bin jetzt nicht der Wahnsinns-Orchideenzüchter. Wenn ich bestäube, sind es in der Regel die reinen Arten, aber manchmal juckt es mich halt zu sehen, was rauskommt. Dabei käme ich nie auf die Idee, C. mossiae x labiata oder ähnlichen Unsinn zu kreuzen.


Hinsichtlich der Chysis teile ich deine Meinung aber nicht. Chysis ist ja eine recht kleine Gattung. Intergenerische Kreuzungen damit gibt es nur extrem wenige, die registriert wurden. Gesehen habe ich davon noch keine einzige.

Ziemlich bekannt ist einzig Chysis Sedenii (= bractescens x limminghei). Diese beiden Arten sind sich m.E. recht ähnlich. Helle bis weiße Grundfarbe, bractescens hat zwar große Blüten, aber nur den Hauch von Farbe in den Tepalen, limminghei ist dagegen kräftig gefärbt. Wenn ich über das Zuchtziel spekulieren sollte, würde ich sagen: Die Blüten sollten größer sein als bei limminghei, farbiger als bei bractescens und die Pflanzen sollten viellicht auch ein bisschen handlicher werden. Ich habe mal einen Becher Sedenii aufgezogen, die allesamt recht blasse Blüten hatten und keine "Verbesserung" (über diesen Begriff könnte man sicher auch ausgiebig diskutieren) gegenüber den Ausgangsarten darstellten. Andererseits habe ich auch schon recht kräftig gefärbte Exemplare gesehen. Mir persönlich gefallen allerdings die beiden Elternarten besser als die Kreuzung.

Die von mir verwendeten Arten limminghei und bruennowiana sind deutlich unterschiedlicher, das wirst du sicher nicht abstreiten. Mittlerweile sind drei weitere Pflanzen erblüht, Bilder kann ich in den nächsten Tagen gerne mal nachreichen. Sie sind im Prinzip ähnlich, aber eine davon zeigt etwas mehr Farbe. Leider habe ich  nicht den Platz, um eine repräsentative Zahl von blühfähigen Pflanzen heranzuziehen. Ich muss auf den Zufall hoffen, dass bei den ca. 15 Stück, die ich noch habe, vielleicht eine außergewöhnliche herauskommt. Auch hier zum Abschluss noch eine ganz persönliche Wertung: limminghei gefällt mir besser als meine Hybride, aber die Hybride mag ich lieber als bruennowiana.

viele Grüße
klaus

chriseon

Hallo Klaus,

Grundsätzlich verdient das Können und der Aufwand, den eine Aufzucht von Orchideen aus Samen erfordert, meine uneingeschränkte Anerkennung.
Das und der Umstand, daß bis zur Erstblüte i.d.R. etliche Jahe vergehen, sind allerdings auch der Grund, warum ich die Hybridisierung von Orchideen kritisch sehe.

Es gibt tolle preisgekrönte Orchideenkreuzungen, deren Stammbaum den ganzen Aufwand, der dahinter steckt, erahnen lassen.
Sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger zielgerichteter Arbeit verdienstvoller Züchter (-familien), die mit eigenem Labor und großen Gewächshausanlagen die materielle Grundlage hatten, diese Unikate zu schaffen.
Ohne den Einsatz der Meristemvermehrung wären diese "Orchideenchampions" unbezahlbar und längst ausgestorben, was leider bei vielen von ihnen trotzdem passiert.
Diese Vorraussetzungen haben aber nur große Orchideenbetriebe, deren Zahl bisher weltweit überschaubar blieb.
Bei den bedeutendsten Züchtern bürgte der Name auch für Qualität, nicht nur bei ihren hochdekorierten Klonen, sondern auch beim Abstecken ihrer Zuchtziele und die Auswahl der Elternpflanzen.

Eine gezielte Zucht bei den Orchideen ist unglaublich kompliziert, die Vererbungsregeln lassen sich oft nur statistisch erfassen, dazu ist die Aufzucht von tausenden Sämlingen einer Aussaat keine Seltenheit.
Ich habe vor vielen Jahren einen Artikel von einem amerikanischen Cattleyenzüchter gelesen, der mit wissenschaftlichen Methoden (Matrixrechnung) reinrassige weiße Cattleyen erzeugen wollte.
Das Ergebnis war, auf 1000 zur Blüte gebrachten Jungpflanzen bestand die statistische Wahrscheinlichkeit, eine reinrassige weiße dabei zu haben.
Um diese zweifelsfrei identifizieren zu können, hätte man zur damaligen Zeit aber noch F1-Generationen erzeugen müssen.
Ich glaube, daß dieses Beispiel zeigt, wieviel Zufall trotz aller Bemühungen in einer erfolgreichen Hybridisierung von Orchideen steckt.

Bei diesem Aufwand ist es auch verständlich, warum sich Zücher jetzt ihre Züchtungen patentieren lassen.
Ich frage mich immer wieder, was passiert mit den vielen Geschwisterpflanzen, die sich bei der Erstblüte qualitativ als Ausschuß heraus stellen?
Bis vor wenigen Jahren konnte ich in Gartencentern immer wieder Cattleyenkreuzungen in erbärmlicher Qualität sehen, die man dort regelrecht "an den Mann" bringen wollte.
Wahrscheinlich versucht man es heute über Ebay? Eigentlich gehören diese Pflanzen auf den Kompost.

Diese Ausführungen habe ich im Hinterkopf, wenn ich Kreuzungen betrachte, die mehr oder weniger durch Zufall entstanden sind.
Ich habe nicht nur Hobbyisten kennen gelernt, sondern auch Orchideengärtner, die es eigentlich bessser wissen mussten, sie haben alles bestäubt, was unter ihre Finger kam.
Und das waren die Orchideen, die gerade blühten. Es war wie bei einer Lotterie - der Zufall sollte den großen Wurf bringen.

Vor einiger Zeit habe ich Frau Karge-Liphard nach einem Vortrag über Coelogynen in unserer Orchideengruppe gefragt, was an ihren gezeigten Primärhybriden bei den Coelogynen gegenüber den Naturarten nun besser sei?
Die magere sinngemäße Antwort, daß die Blüten etwas größer seien und die Pflanzen besser wachsen, hat mich nicht befriedigt.
Denn gerade bei der Gattung Coelogyne geistern einige Hybriden durch die Sammlungen, die immer wieder mit Arten verwechselt werden, weil sie sich von denen kaum unterscheiden.
Und bei den vielen hundert Dendrobiumarten gibt es eigentlich nur 2 Arten, die nennenswerte Zuchtlinien begründet haben, Dendrobium nobile und D. bigibbum. Wobei nur bei letzterer wenigstens auch deutliche Verbeserungen bei Kultivierbarkeit und Blütenbildung erzielt wurden.

Es gibt m. E. nur ganz wenige Ochideenzuchtrichtungen, die im Vergleich mit den Arten aus der Natur spektakuläre Ergebnisse brachten. Bei den Cattleyen , den Cymbidien, den Phalaenopsen und bei den Mehrgattungshybriden mit Odontoglossum sowie Tolumnia. Dazu kommen einige wenige Primärhybriden, meist Mehrgattungshybriden.

Beispiele von mißratenen Primärhybriden aus meiner Anfängerzeit:

Oncidium flexuosum x jonesianum = sah aus wie ein nicht kletterndes O. flexuosum
Oncidum splendidum x Rossioglossum grande = sah aus wie ein O. splendidum, war vielleicht eine Selbstung?

Kürzlich habe ich eine Cattleya Loddiaca abgegeben (als Jungpflanze eine kostenlose Beigabe!).
Die Blüte hat die Färbung von der C. loddigesii und die Form der G. aurantiaca. Die Blütengröße war wie bei C. loddigesii und der Habitus platzraubend.

Gerade hatte die Primärhybride Cattleya Fabia ihre Erstblüte = Eine C. labiata mit schön gezeichneter Lippe.
Der Züchter hätte hier besser einen guten Klon einer Elternart vermehren sollen.

Man wird unseren Ururenkeln eine Menge Orchideen zeigen können, aber von denen, die ursprünglich aus der Natur kamen, wird keine mehr dabei sein.


Gruß
Christian





klaus

Ich sehe schon, dass wir in vielen Punkten übereinstimmen.

Was ich persönlich sehr bedaure, ist, dass ich mir lange Zeit habe einreden lassen, dass es für einen Amateur extrem schwierig bis unmöglich ist, Sämlinge aufzuziehen. Als ich dann endlich damit angefangen habe, war ich schon über 50 (jetzt bin ich 64). Meine ersten Sämlinge haben noch 6 bis 7 Jahre bis zur ersten Blüte gebraucht, mittlerweile schaffe ich es in 3 bis 4. Wie gerne hätte ich Hybriden über mehrere Generationen gezüchtet, aber jetzt läuft mir die Zeit davon...

Ich habe anfangs auch einige Kreuzungen gemacht, die ich heute gar nicht erst versuchen würde. C. granulosa x aurantiaca (= C. Delightful) - furchtbar in Form und Farbe, die sind alle als Zugabe mit anderen Pflanzen weggegangen, weil ich mich geniert hätte, dafür Geld zu nehmen. Oder C. pupurata venosa x C. tenebrosa (= C. Pacavia): sehr schöne Blüten allemal, aber von C. purpurata sanguinea fast nicht zu unterscheiden.

Und mit deinem letzten Satz bist du meiner Meinung nach zu pessimistisch: Hybriden kommen und gehen, nur die species wird es auch in fernerer Zukunft noch geben. Ich bin lange genug bei den Orchiden, dass ich viele ganz tolle Sorten habe kommen und gehen sehen. Nicht umsonst gibt es bei Nutztieren und -pflanzen intensive Bemühungen, "alte Rassen" zu erhalten. Aber in Bezug auf Zierpflanzen wie Orchideen gibt es halt zu wenig Interesse.

Viele Grüße
klaus

Berthold

Zitat von: klaus am 15.Dez.21 um 18:02 Uhr
Und mit deinem letzten Satz bist du meiner Meinung nach zu pessimistisch: Hybriden kommen und gehen, nur die species wird es auch in fernerer Zukunft noch geben. Ich bin lange genug bei den Orchiden, dass ich viele ganz tolle Sorten habe kommen und gehen sehen. Nicht umsonst gibt es bei Nutztieren und -pflanzen intensive Bemühungen, "alte Rassen" zu erhalten. Aber in Bezug auf Zierpflanzen wie Orchideen gibt es halt zu wenig Interesse.

Viele Grüße
klaus

Klaus, aber die Hybriden sind meist viel robuster als die reinen Arten, auch Zucht bedingt. Deshalb kann man schon annehmen, dass die Wildformen langsam verschwinden.
Analoges gilt für alle Zierpflanzen, wie man in den Gartenzentren gut sehen kann.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

klaus

Gut, ich relativiere meine Antwort:

Wenn der Markt ausschließlich von Massenverkäufern (wie den Bau- und Gartenmärkten) und den Massenproduzenten beherrscht wird, habt ihr sicher recht.

Aber solange es den "Da-muss-es-doch-noch-mehr-geben"-Orchideenkäufer gibt, wird es hoffentlich auch Gärtner/Züchter geben, die diese Interessenten bedienen. Und solange in Orchideenbüchern, gerade in denen für Anfänger, auch noch Naturformen abgebildet werden, wird es auch Nachfrage danach geben. Und die wird auch bedient werden. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist :-D

Im Übrigen gibt es ja mittlerweile sogar Species, die für den Massenmarkt produziert werden. Den Anfang dabei machte - wer erinnert sich noch? - Phalaenopsis equestris. Heutzutage sind es z.B. Oncidium naevium.

FlorianO

Zitat von: Berthold am 15.Dez.21 um 18:14 Uhr
Zitat von: klaus am 15.Dez.21 um 18:02 Uhr
Und mit deinem letzten Satz bist du meiner Meinung nach zu pessimistisch: Hybriden kommen und gehen, nur die species wird es auch in fernerer Zukunft noch geben. Ich bin lange genug bei den Orchiden, dass ich viele ganz tolle Sorten habe kommen und gehen sehen. Nicht umsonst gibt es bei Nutztieren und -pflanzen intensive Bemühungen, "alte Rassen" zu erhalten. Aber in Bezug auf Zierpflanzen wie Orchideen gibt es halt zu wenig Interesse.

Viele Grüße
klaus

Klaus, aber die Hybriden sind meist viel robuster als die reinen Arten, auch Zucht bedingt. Deshalb kann man schon annehmen, dass die Wildformen langsam verschwinden.
Analoges gilt für alle Zierpflanzen, wie man in den Gartenzentren gut sehen kann.

Das selbe gilt auch für Arten die seid vielen Generationen in Zucht sind.

Berthold

Zitat von: FlorianO am 15.Dez.21 um 20:41 Uhr
Zitat von: Berthold am 15.Dez.21 um 18:14 Uhr
Zitat von: klaus am 15.Dez.21 um 18:02 Uhr
Und mit deinem letzten Satz bist du meiner Meinung nach zu pessimistisch: Hybriden kommen und gehen, nur die species wird es auch in fernerer Zukunft noch geben. Ich bin lange genug bei den Orchiden, dass ich viele ganz tolle Sorten habe kommen und gehen sehen. Nicht umsonst gibt es bei Nutztieren und -pflanzen intensive Bemühungen, "alte Rassen" zu erhalten. Aber in Bezug auf Zierpflanzen wie Orchideen gibt es halt zu wenig Interesse.

Viele Grüße
klaus

Klaus, aber die Hybriden sind meist viel robuster als die reinen Arten, auch Zucht bedingt. Deshalb kann man schon annehmen, dass die Wildformen langsam verschwinden.
Analoges gilt für alle Zierpflanzen, wie man in den Gartenzentren gut sehen kann.

Das selbe gilt auch für Arten die seid vielen Generationen in Zucht sind.

Ja, sie sind durch die lange Zucht deutlich robuster geworden und haben sich durch Selektion an die europäischen Infektionskeime angepasst.

Nach meiner Erfahrung lassen sich z. B. in China gesammelte Wildpflanze nur sehr schwer hier kultivieren. Meist sterben sie hier schnell ab und das gilt für sehr viele Arten völlig unterschiedlicher Gattungen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)