Pflanzenrhytmen

Begonnen von pit, 19.Sep.13 um 13:34 Uhr

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pit

Frage an die Botaniker unter euch,

mich würde interessieren wie sich Hemikryptophyten, beispielsweise eine Lichtnelke, mit ihrem Wachstum verhalten wenn ich sie über den Winter temperiert oder warm durchkultiviere.
Das hab ich mich im Zusammenhang mit dem Wachstumsrhytmus meiner Cycnoches gefragt. Das Cycnoches wirft im Augenblick alle Blätter ab und will sich in die Ruhepause verabschieden obwohl ich die Temperaturen, das Lichtverhältniss und die Wasserversorgung noch nicht verändert habe. Es steht unter Kunstlicht.
Peter

Berthold

#1
Der Rhythmus wird ja aus einer Kombination aus Zeit und veränderter Umweltbedingungen gesteuert. Da nützt es also nichts, nur eine der beiden Faktoren zu ändern, um den Zustand zu beeinflussen.

Eine mediterrane Erdorchideen bildet im Herbst, wenn es kühler und feuchter wird eine neue Rosette aus. Die Rosette erscheint aber auch, wenn es warm und trocken bleibt irgendwann mal, eben nur 14 Tage später. Wenn es dann immer noch warm und trocken bleibt, stirbt die Rosette ab und die Pflanze hat Pech gehabt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

pit

hi Berthold,

wenn ich deine Antwort richtig interpretiere ist es also nicht möglich eine bei uns heimische krautig Pflanze, die im Winter einzieht und Überdauerungsknospen bildet bei warmer Kultur weiter zu kultivieren?

Peter

Berthold

Peter, grundsätzlich nicht, aber man kann die einzelnen Phasen etwas verschieben und verkürzen oder verlängern.

Zum Beispiel treibt meine Canarina canariensis hier in Marl jetzt im Juli aus und blüht ab August. Auf den Kanarischen Inseln blüht sie ab November. Hier hat sie im November ihre Vegetationsperiode schon fast durch und zieht ein. Das ist sehr praktisch, da es hier im Winter kalt ist und die Pflanze im eingezogenen Zustand die Kälte viel besser verträgt.

Die Vegetationsphase von mediterranen Orchideen kann man verlängern, indem man sie frühzeitig im Spätsommer an eine kühle Stelle stellt und leicht feucht hält. Im Frühling muss man sie dann kühl halten und nicht so schnell austrocknen lassen. Man kann dann ca. 1 Monat gewinnen gegenüber den mittleren natürlichen Bedingungen.

Ausserdem sind die Lichtverhältnisse auch noch ein Faktor, der bei der Verschiebung der einzelnen Phasen mit angepasst werden muss. Bei den epiphytischen Orchideen wird er vermutlich auch mit eine Rolle spielen für das Ausbilden der Blüten (habe ich aber keine Ahnung von)
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

plantsman

Moin,

das Thema ist natürlich viel komplizierter. Die genetische Ausstattung der frostharten Hemikryptophyten ist auch sehr unterschiedlich. Man wird Arten, die sich eher einem maritimen Klima angepasst haben, schon durchkultivieren können. Arten eines eher kontinentalen Klimas sind da meiner Meinung nach in ihrem Rhythmus eher schwieriger umzustellen. Es hängt sicher auch ab, was das Einziehen bewirkt, Temperaturabsenkung im Herbst und/oder eine Tageslängenreaktion.

Der Knackpunkt ist auch nicht unbedingt das Durchkultivieren selber, sondern 1.) die fehlende Vernalisation, d.h. sie bilden keine Blütenansätze oder die Hormone, die den Austrieb der Blütenansätze verhindern, werden nicht abgebaut (kälteabhängig). Hitze hat zwar einen ähnlichen, vernalisierenden Effekt, ist aber für die Pflanzen nicht unbedingt "gesund" und auch nicht so erfolgreich. 2.) die angesprochene Gesundheit. Die Pflanzen werden bei winterlichem Lichtmangel, höheren Temperaturen und niedriger relativer Luftfeuchte ohne Luftbewegung anfälliger gegen Spinnmilben, Thripse und weiße Fliege. Vernünftige Pflanzen bekommt man so jedenfalls nicht. Schnittblumengärtner, die sowas ja schon lange machen, müssen den Pflanzen teilweise ordentlich Assi-Licht geben und halten die Temperaturen auch eher am unteren Level. Für Blüten ist aber auch dort eine Vernalisation unabdingbar.
Tschüssing
Stefan