Welche Orchideen für den eigenen Garten?

Begonnen von SimonHaas, 28.Okt.21 um 16:07 Uhr

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SimonHaas

Ich finde die heimischen Orchideen sehr faszinierend und würde gerne unseren Naturgarten mit einigen Arten bestücken. Bei der Auswahl einer passenden Art habe ich allerdings noch leichte Schwierigkeiten, u. A. weil ich noch keine Erfahrung mit der Kultur von Orchideen habe. Deshalb möchte ich hier um Hilfe bitten.

In Frage kommt praktisch jede Art, die sich im Garten halten bzw. möglichst auch ausbreiten kann, die hier in Niederbayern heimisch ist. Von Listera über Platanthera bis Orchis wäre also fast alles möglich. Am besten wäre eine Art, die sich in möglichst kurzer Zeit ausbreiten kann (Langsamentwickler wie Waldvöglein sind also eher suboptimal).

Bieten würde unser Garten eine etwas schattigere/feuchte Wiese, eine etwas trockenere, halbschattige Streuobstwiese mit alten Apfelbäumen und mehrere relativ schattige Waldteile. Der Boden ist vergleichsweise schwer und mittelmäßig bis wenig fruchtbar (es wachsen eher Magerkeitszeigende Pflanzen wie der Kleine Wiesenknopf). Ich kann die Erde aber natürlich auch noch mit Sand, Perlit etc. auflockern. Die Böden trocknen in den Wiesenbereichen nie vollständig aus, Staunässe oder übermäßige Feuchtigkeit haben sie aber auch nicht.

In die grobe Auswahl habe ich mal die folgenden Arten genommen:
Anacamptis coriophora, Anacamptis morio, Anacamptis pyramidalis, Dactylorhiza incarnata, Dactylorhiza fuchsii, Dactylorhiza majalis, Dactylorhiza sambucina, Epipactis atrorubens, Epipactis helleborine, Epipactis purpurata, Gymnadenia conopsea, Gymnadenia odoratissima, Listera ovata, Neotinea ustulata, Ophrys apifera, Ophrys holoserica, Ophrys insectifera, Ophrys sphegodes, Orchis mascula, Orchis militaris, Platanthera bifolia und Platanthera chlorantha

Nun die Frage an die Experten: Welche dieser Arten ist am besten für den Garten geeignet? Eine selbstständige Aussaat oder vegetative Vermehrung wären mir recht wichtig. Wenn die Art nicht ganz konkurrenzschwach und für Anfänger geeignet ist, wäre das Ganze wohl auch von Vorteil.
Falls Fotos von unserem Garten bei der Art-Wahl helfen kann ich gerne noch einige Fotos hinzufügen

Mit freundlichen Grüßen
Simon

Berthold

Simon, sei gegrüsst im Forum.

Hier findest Du etwas über Selbstaussaaten im Garten:
https://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=297.0

Bei den Threads über die einzelnen Arten der Gattungen findest Du meist etwas über die Standortbedingungen, die im Garten vorhanden sein müssen, um die Kultur erfolgreich durchführen zu können.
Aber entscheidend bei Orchideen ist, ob geeignete Pilze als Lebens- oder Keimhilfspartner der Orchideen an Ort und Stelle vorhanden sind.

Einige Dactylorhiza-Arten, Listera ovata, Epipactis helleborine oder Orchis morio sind anspruchslos
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Hallo Simon,

zu der halbschattigen Feuchtwiese fällt mir besonders D. fuchsii ein. Incarnata will es richtig nass und mag auch mehr Licht.
Grüße Jürgen

orchis pallens

Epipactis palustris wächst auch problemlos und vermehrt sich gut
Blumen sind das Lächeln der Erde

SimonHaas

Danke für die schnellen Antworten  :classic

Einige Arten, die ich schon in die nähere Auswahl genommen hatte, sind Anacamptis morio, Dactylorhiza fuchsii, Epipactis helleborine, Gymnadenia conopsea, Listera ovata, Platanthera bifolia und evtl. Orchis mascula.

Von den Zeigerwerten her sollten die alle mehr oder weniger gut in unseren Garten passen. Epipactis palustris hatte ich nicht in der Auswahl, da die Art soweit ich weiß sehr nasse und sonnige Standorte mag, was ich im Garten (noch) nicht habe. Ich habe zwar zwei Tümpel, die sind aber fast im Vollschatten. Einige anderen Arten wie Ophrys hätte ich zwar auch gerne, ich bin mir aber nicht sicher ob die so gut funktionieren würden.

Die Frage ist weniger ob die Orchidee von den Zeigerwerten her in den Garten passt, sondern eher ob sie nicht durch die anderen Pflanzen und Gräser verdrängt und überwuchert wird...

Einige Orchideen wie Listera ovata können sich ja vegetativ vermehren. Ist dann die Entwicklung bis zur Blüte bei der Tochterpflanze kürzer als würde man sie per Aussaat vermehren? Falls ja, wie lange dauert das, und wie lange dauert es etwa bei den Arten aus meiner engeren Auswahl bis sich ein kleiner Bestand aufgebaut hat?

Mit freundlichen Grüßen
Simon

orchis pallens

Zitat von: SimonHaas am 28.Okt.21 um 22:45 Uhr
Danke für die schnellen Antworten  :classic

Einige Arten, die ich schon in die nähere Auswahl genommen hatte, sind Anacamptis morio, Dactylorhiza fuchsii, Epipactis helleborine, Gymnadenia conopsea, Listera ovata, Platanthera bifolia und evtl. Orchis mascula.

Von den Zeigerwerten her sollten die alle mehr oder weniger gut in unseren Garten passen. Epipactis palustris hatte ich nicht in der Auswahl, da die Art soweit ich weiß sehr nasse und sonnige Standorte mag, was ich im Garten (noch) nicht habe. Ich habe zwar zwei Tümpel, die sind aber fast im Vollschatten. Einige anderen Arten wie Ophrys hätte ich zwar auch gerne, ich bin mir aber nicht sicher ob die so gut funktionieren würden.

Die Frage ist weniger ob die Orchidee von den Zeigerwerten her in den Garten passt, sondern eher ob sie nicht durch die anderen Pflanzen und Gräser verdrängt und überwuchert wird...

Einige Orchideen wie Listera ovata können sich ja vegetativ vermehren. Ist dann die Entwicklung bis zur Blüte bei der Tochterpflanze kürzer als würde man sie per Aussaat vermehren? Falls ja, wie lange dauert das, und wie lange dauert es etwa bei den Arten aus meiner engeren Auswahl bis sich ein kleiner Bestand aufgebaut hat?

Mit freundlichen Grüßen
Simon

Epipactis palustris wächst auch an etwas trockeneren Standorten, ich habe sie selbst schon an Hochwasserdämmen im Halbschatten gefunden.

Natürlich blüht eine Listera ovata bei vegetativer Vermehrung schneller als durch Aussaat vermehrte Exemplare. Wenn man den Blütentrieb rechtzeitig entfernt, dann bildet die Pflanze manchmal Sekundärtriebe, die schon im folgenden Jahr blühen können. Das Entfernen der Samenstände wird aber im Forum nicht so gerne gesehen   grins , vor allem nicht von Berthold.

Orchis mascula ist keine Einsteigerpflanze, Ophrys insectifera gehört zu den schwierigsten Ragwurzarten überhaupt.

Sphegodes, apifera und holoserica funktionieren gut, wenn der Standort sehr sonnig, der Boden gut durchlässig und kalkhaltig ist und die Winter nicht zu kalt und zu nass sind.
Blumen sind das Lächeln der Erde

SimonHaas

Zitat von: orchis pallens am 28.Okt.21 um 23:11 Uhr
Epipactis palustris wächst auch an etwas trockeneren Standorten, ich habe sie selbst schon an Hochwasserdämmen im Halbschatten gefunden.

Natürlich blüht eine Listera ovata bei vegetativer Vermehrung schneller als durch Aussaat vermehrte Exemplare. Wenn man den Blütentrieb rechtzeitig entfernt, dann bildet die Pflanze manchmal Sekundärtriebe, die schon im folgenden Jahr blühen können. Das Entfernen der Samenstände wird aber im Forum nicht so gerne gesehen   grins , vor allem nicht von Berthold.

Orchis mascula ist keine Einsteigerpflanze, Ophrys insectifera gehört zu den schwierigsten Ragwurzarten überhaupt.

Sphegodes, apifera und holoserica funktionieren gut, wenn der Standort sehr sonnig, der Boden gut durchlässig und kalkhaltig ist und die Winter nicht zu kalt und zu nass sind.

Wie trocken/schattig darf's denn für Epipactis palustris maximal sein, falls sich das irgendwie quantifizieren lässt? Unsere etwas feuchtere Wiese kommt in Sachen Feuchtigkeit etwas näher an die "Optimalwerte" dran, dafür kommt dort nur sehr wenig Sonnenlicht hin. Die andere Wiese ist etwas sonniger, aber dafür eben auch nicht so feucht. Dort wachsen auch einige Trockenheitszeiger.

Im Anhang ist ein Luftbild von unserem Garten, der gibt vielleicht einen ungefähren Überblick über die vorherrschenden Lichtverhältnisse. Als Anmerkung: Die Bäume auf unserem Grundstück sind schon sehr alt, und (groß)teils 20 - 30 m hoch. Die Wiese im Westen des Gartens ist die etwas sonnigere, die im osten ist die schattigere (wie unschwer zu erkennen ist).

Das mit Ophrys hatte ich schon befürchtet, für unseren Garten fallen sie wohl fürs erste raus.

Claus

Wie kalkhaltig ist dein Boden? Die meisten Arten vermehren sich aus Samen nur mit Hilfe von Symbiosepilzen und die finden sich am ehesten in kalkhaltigen Böden. Ist er kalkarm, dann kann man mit viel aufgestreutem gemahlenem Dolomit nachhelfen. Das funktioniert aber nicht im ersten Jahr, man braucht dazu schon etwas Geduld.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

partisanengärtner

Epipactis palustris keimt im sauren Milieu genauso wie im kalkhaltigen. Ich habe hier in der Gegend auf beiden schöne Bestände beobachtet.
In dem sauren Biotop sogar ein Massenbestand mit einigen hundert blühenden Exemplaren.
Da kenne ich auch den Besiedlungsverlauf.
Diese Sandgrube wurde erst in den letzten beiden Jahrzehnten erobert.
Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

Uhu

diese Epipactis palustris sind spontan im Vorgarten am Rande eines Pfades aus Rindenmulch gekeimt - E.palustris vor Rhododendron, sieht man auch nicht alle Tage. In den trockenen Sommern hatte ich wegen Neupflanzungen von Azaleen regelmäßig gegossen.
Grüße Jürgen

SimonHaas

Zitat von: Claus am 29.Okt.21 um 12:22 Uhr
Wie kalkhaltig ist dein Boden? Die meisten Arten vermehren sich aus Samen nur mit Hilfe von Symbiosepilzen und die finden sich am ehesten in kalkhaltigen Böden. Ist er kalkarm, dann kann man mit viel aufgestreutem gemahlenem Dolomit nachhelfen. Das funktioniert aber nicht im ersten Jahr, man braucht dazu schon etwas Geduld.


Wie kalkhaltig der Boden genau ist weiß ich nicht. Es wachsen hier sowohl einige Kalkzeiger als auch einige Säurezeiger. Deshalb würde ich darauf tippen, dass der Boden einen relativ neutralen ph-Wert bzw. "normalen" Kalkgehalt hat.

Zitat von: Uhu am 29.Okt.21 um 15:25 Uhr
diese Epipactis palustris sind spontan im Vorgarten am Rande eines Pfades aus Rindenmulch gekeimt - E.palustris vor Rhododendron, sieht man auch nicht alle Tage. In den trockenen Sommern hatte ich wegen Neupflanzungen von Azaleen regelmäßig gegossen.

Wie feucht ist denn die Erde an der Stelle von den Epipactis? Ist dort (durchs gießen) eine relativ feuchte bzw. nasse Stelle, oder wurde nur genug gegossen, damit der Boden nicht ganz austrocknet? Und nur aus Neugier: Wie lange hat es von der Keimung bis zur Blüte gedauert?

Berthold

Zitat von: SimonHaas am 29.Okt.21 um 15:37 Uhr
Und nur aus Neugier: Wie lange hat es von der Keimung bis zur Blüte gedauert?
Das hängt entscheidend von der Anwesenheit und der Gesundheit von Keimpilzen ab.
An den meisten Stellen in Deutschland sind keine geeigneten Keimpilze für Epipactis palustris vorhanden, bzw. wurden von anderen Pilzen verdrängt.
Ohne Keimpilze keine Keimung in der Natur.
Die Ansiedlung von Keimpilzen ist sehr mühsam und gelingt am leichtesten, wenn man mit möglichst sterilem Boden beginnt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

#12

streue die wiese mit dolomitmehl ab. im nächsten sommer dann samen aufstreuen.
klappt meist ganz gut.
für e palustris muss es dauerfeucht sein. dann geht die art problemlos.

Uhu

an der Stelle ist/war es feucht, nicht nass. Mit der Keimung hatte ich selbst nicht gerechnet. Neben diesem Rindenweg sind an 4 Stellen E.palustris gekeimt. Bei Dact. fuchsii hat es aber mehr Keimungen gegeben.
Die ersten Triebe habe ich 2 Jahre vor der diesjährigen Erstblüte entdeckt. Ein paar Meter weiter habe ich eine Schale mit Epipactis einige Jahre zuvor eingelassen. Die haben dort ein paar Jahre geblüht, sind aber inzwischen Vergangenheit. Wann die Keimung stattgefunden hat kann ich nicht sagen.
Grüße Jürgen

wölfchen

Ich habe E. palustris schon auf Magerrasen in Sonnenexponierter Lage in Gemeinschaft mit Ophrys apifera gefunden.
Leider ist der Bestand durch Flurarbeiten inzwischen erloschen...