Keimpilzgewinnung von Erdorchideen

Begonnen von winwen, 16.Mai.11 um 11:11 Uhr

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winwen

Sagt mal, so ein Glücksfund von einem offenbar gut funktionierenden Habitat würde doch geradezu dazu einladen ein In-situ-Seedbaiting-Experiment zu starten, um den Symbiosepartner der Himantoglossums einzufangen.
Findet ihr nicht?
Alexa, wäre sowas aus Deiner Sicht dort durchführbar?

Claus

Zitat von: winwen am 16.Mai.11 um 11:11 Uhr
Sagt mal, so ein Glücksfund von einem offenbar gut funktionierenden Habitat würde doch geradezu dazu einladen ein In-situ-Seedbaiting-Experiment zu starten, um den Symbiosepartner der Himantoglossums einzufangen.
Findet ihr nicht?
Alexa, wäre sowas aus Deiner Sicht dort durchführbar?


Zumal uns für Himantoglossum ohnehin bisher kein geeigneter Pilz bekannt ist.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Phil

Ich verstehe im Groben was ihr meint, aber wie genau soll die Durchführung ablaufen? Erst bei genauerer Detailkenntnis ist es möglich abzuschätzen ob dies durchführbar ist.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Claus

Ich habe das Verfahren bisher bei Epipactis mehrfach erfolglos probiert. In einem Stück aus einem Nylon/Perlonstrumpf wird Himantoglossum-Samen eingebunden und am Ort vergraben. Nach ein paar Wochen/Monaten gräbt man ihn aus und untersucht ihn auf gekeimte Protokorme. Falls dies eintritt ist eine Pilzisolierung notwendig, die zwar nicht ganz einfach ist, aber auch Laien durchaus möglich.

Meine eigenen Versuche litten evtl. an zu tief eingegrabenem Säckchen. Die Pilze brauchen viel Sauerstoff und sind daher eher in Oberflächennähe zu finden.
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Phil

Das klingt ja nicht so schwer. Wer hat Samen?
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Berthold

Zitat von: Phil am 16.Mai.11 um 12:30 Uhr
Ich verstehe im Groben was ihr meint, aber wie genau soll die Durchführung ablaufen? Erst bei genauerer Detailkenntnis ist es möglich abzuschätzen ob dies durchführbar ist.

Man müsste einen oder mehrere möglichst kleine und junge Sämlinge mit etwas Substrat an den Wurzeln ausgraben.

In diesem Substrat steckt mit grosser Wahrscheinlichkeit neben 10 weiteren Pilzen der echte Keimpilz.

Diese Pilzmischung muss man in eine aufwendigen Fraktionierungs- und Selektionsprozess aufsplitten, dann alle separierten Pilze einzeln und in verschiedenen Kombination testen, ob sie Himatoglossum-Samen keimen können
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Aus dem Substrat wird man ihn nicht isolieren können, jedenfalls wir nicht. Die Fülle der möglichen Pilze übersteigt auch unsere Fähigkeiten. Dann aus einem Stück Wurzel, das wäre allerdings nicht legal.

Der Trick des Saatbaitings ist doch gerade, dass der richtige Pilz die richtigen Samen zum Keimen bringt, und dann hat man ihn im Protokorm. Dennoch folgt dann ein aufwendiger Reinigungsprozess.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Charlemann

Auch wenn man vor Ort versucht ein Stückchen Wurzel abzuknabbern und die Pflanze so wenig zu schädigen wie möglich?

Berthold

Zitat von: Charlemann am 16.Mai.11 um 18:19 Uhr
Auch wenn man vor Ort versucht ein Stückchen Wurzel abzuknabbern und die Pflanze so wenig zu schädigen wie möglich?

Da musst Du aber eine ganz junge Pflanze erwischen, die noch nicht aus der Erde schaut, sonst ist der Keimpilz vielleicht schon wieder verschwunden, weil durch andere Pilze verdrängt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Charlemann

#9
Wahrscheinlich schon Berthold.
Jedoch an diesem Standort scheint etwas anders zu sein, da die Pflanzen dicht an dicht stehen. Wäre zumindest mal ein Versuch wert.

winwen

#10
Ich hätte da etwas besseres als Nylonstrümpfe anzubieten: Habe vor kurzem Nylon-Filtermesh mit 0.14mm Lochgröße gekauft. Das wirkt relativ stabil. Es wird zur Herstellung von u.a. Teebeutel verwendet und sollte sich ob der Lochgröße auch gut für unseren Zweck eignen.
Den Pilz einzufangen ist ein vielschichtiges Unterfangen: Die Jahreszeit zur Ernte sollte auch passen - Pilzaktivität ist im Herbst und Frühjahr besonders hoch. Die Samen (Claus hat es schon beschrieben) müssen eher hoch deponiert werden (schätze mal so etwa 2-6 cm tief). Vor allem aber muss man die vergrabenen Samen wieder finden nach 12-18 Monaten.
Danach folgt dann der Isolationsprozess. Soweit ich das verstanden habe, was mir ein Ex aus Kew geschrieben hat, machen die das dort mit iterativ fortgesetztem "windowing". Dabei plaziert man zunächst das Präparat auf magerem (Hafer-)Agar, welches von einer weiteren Portion magerem (Hafer-)Agar durch eine agarfreie "Barriere" getrennt ist, die vom Pilz kriechend überwunden werden muss. Danach infiziert man mit dem "bekrochenem" Agar weiter etc. Dazwischen macht man mit den jeweils neuen Isolaten immer wieder Keimungstests um zu sehen, ob der gesuchte Pilz noch dabei ist. Dass der Agar nicht fett sein sollte liegt daran, dass ein Mehr Nährstoffen eher den Kontaminationen zugute kommt, als den an sich  sehr bescheidenen Mykorrhizapilzen.
Oftmals isoliert man nicht bis zum einzelnen Pilz, sondern belässt es einfach bei einem gut funktionierenden Pilzgemisch. Oder -wie mir mein Informant erzählte: "Alleine um Joghurt zu machen braucht man schon zumindest 5 verschiedene Pilz-/Bakterienarten". Mit Orchideen scheint es nicht wesentlich anders zu sein. Offenbar muss manchmal einiges zusammenwirken.
Also: Sollte sich jemand finden, der dort was machen will, ich teile gern mein Nylon-Meshgewebe mit ihm (oder ihr). Bitte um PM diesbezüglich!
Ach ja, noch was: Warum sollte man als Samen dafür nicht gleich den an Ort und Stelle produzierten einsetzen?

knorbs

#11
Zitat von: winwenDass der Agar nicht fett sein sollte liegt daran, dass ein Mehr Nährstoffen eher den Kontaminationen zugute kommt, als den an sich  sehr bescheidenen Mykorrhizapilzen.

ich habe ein verständnisproblem...wenn in dem vergrabenen samensäckchen keimungen stattfanden + unterstellt, die keimung wäre durch einen (oder mehrere) mykorrhizapilz(e) verursacht worden, dann kann doch eine weiterkultur auf was für einem medium auch immer nie funktionieren, da mykorrhizapilze als obligat biotrophe pilze zwingend auf eine symbiose mit einer photosynthese betreibenden pflanze angewiesen sind, denn nur so ist der stoffaustausch zucker gegen phospat, wasser (+ den einen oder anderen nützlichen nährstoff) gegeben. kappt man die mykorrhizahyphen von seinem symbiosepartner geht der entnommene rest des mykorrhizamyzels unweigerlich ein oder fällt in ein sporenstadium. die orchidprotokorme sind jedenfalls nicht der symbiosepartner des mykorrhizapilzes, das sie noch keine photosynthese betreiben können + dem pilz auch nichts "anbieten" können. diese beziehung ist doch - zumindest in dieser entwicklungsphase - eine rein parasitäre (protokorm auf pilzwirt). deshalb ist eine invitrokultur von mykorrhizapilzen ohne verbindung zu einer ammenpflanze nicht möglich.

was ich sagen will...bei einer erfolgreichen weiterkultur von pilzen aus dem samensäckchen auf haferagar (oder anderem toten organischen substanzen), kann es sich dann lpogischerweise nur um saprophytische pilze handeln. das schließt natürlich nicht aus, dass der "echte" keimpilz tatsächlich ein saprophyt sein könnte, aber die vorstellung, so einen mykorrhizapilz "einzufangen" kann m.e. nicht klappen.

Charlemann

Doch, doch, kann schon, dder Aufwand wäre extrem aber machbar.
Das Thema mit der Symbiose Wirtspflanze - Mykorrhizapilz - Orchidee ist wahrscheinlich. Aber auch dieses Szenario wird man unter künstlichen Bedingungen herstellen können.
Saprophyten gehen sowieso. Diese Pilze ernähren sich von abgestorbenen Pflanzenresten. Unser B1 wird aller wahrscheinlichkeit nach ein solcher Pilz sein.


knorbs

#13
michael, ich habe über die invitrokultur von mykorrhizapilzen schon mal gelesen. so wirklich verstanden hatte ich den kulturaufbau allerdings nicht. es ist wohl so (meine laienhafte vorstellung), dass sich in einem kulturgefäß eine lebende pflanze befindet, die mykorrhizapilze in den wurzeln enthält. daneben gibt es eine verbindung zu einem weiteren gefäß, in dem die "nahrung" des mykorrhizapilzes enthalten ist. über eine membran entwickelt der myikororhizapilz seine hyphen in dieses sterile gefäß + dann "hat man ihn", aber es muss eben die verbindung zur lebenden pflanze im anderen kulturgefäß erhalten bleiben! eine alleinkultur auf einem "toten" medium klappt nicht + wenn es klappt, ist es eben eindeutig ein saprophytischer pilz.

hier auf die schnelle aus einer wissenschaftl. arbeit aus der zusammenfassung:

"Dieser ,,in vivo" G. intraradices-Stamm konnte erfolgreich in eine monoxenische (in vitro) Kultur überführt werden. Die vereinzelten und sterilisierten AMykor–G. intraradices Sporen wurden zusammen mit sterilen, mit Hilfe von Agrobacterium rhizogenes transfizierten, Karottenwurzeln (Daucus carrota L. Belgien) auf Nährmedium kultiviert."

also es klappt wohl auch mit lebenden + sterilen wurzeln von pflanzen. wir reden hier aber nicht über einen robusten glomus intraradices stamm, sondern es wird überlegt aus einem unbekannten pilzgemisch aus der natur im worst case einen einzigen pilz zu isolieren, der in der lage ist eine oder mehrere orchideenarten zu keimen + sie soweit zu befördern, dass sie sich zu pikierfähigen sämlingen für die exvitro kultur entwickeln. für die methode "haferagar"-falle kann sich das eben nur auf saprophytische pilze beschränken. den mykorrhizaanteil erfasse ich dadurch nicht.

Charlemann

Stimmt Norbert,
ich sagte ja, nicht einfach aber machbar.
Und so steril braucht das bei der symbiotischen Aussaat später gar nicht zu sein. Ich habe auch schon symbiotische Gläser aufgemacht (einfach so in der Küche, unsteril), Pflanzen entnommen und wieder verschlossen, ohne das damit Fremdverkeimungen aufgetreten sind. Wenn der Mykorrhizapilz einmal das ganze Glas belegt hat wird es schwierig für andere Pilze.
ich stelle mit das so vor, ein sehr großes Glas in dem man normale Erde sterilisiert und Samen von einer Wirtspflanze ausbringt. Das sollte unter sterilen Bedingungen geschehen. Auch die Samen der "Wirtspflanze" sollten steril sein. Das dürfte aber kein Problem darstellen.
Jetzt heißt es warten. Irgendwann keimt nun die Wirtspflanze. Jetzt wird die sterile Erde mit dem Pilz infiziert z.B. aus einer Orchideenwurzel. das lässt man nun wieder weiter wachsen. Wartet zwei bis drei Wochen und gibt nun desinfizierten Orchideensamen dazu, jetzt sollte etwas keimen.