Substrat zum Auspikieren von Erdorchideen

Begonnen von Claus, 08.Jan.12 um 12:54 Uhr

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Claus

Wenn die Sämlinge in der Flasche groß genug sind kommt die Zeit, dass man sie auspikieren muss. Das ist der Schritt mit der größten Gefahr für die kleinen Pflanzen; denn sie kommen aus der sterilen Umwelt und müssen sich nun mit allem auseinandersetzen, was ihnen ans Leben will.

Auch bei mir war das eine lange Zeit mit massiven Misserfolgen. Man ärgert sich dann, weil man so viel Arbeit in die bisherige Aufzucht gesteckt hat, und nun ist alles vergebens.

Nachdem Berthold mit der Idee des Neudohums als Pikiersubstrat kam, habe ich das natürlich auch sofort ausprobiert: 100% Neudohum!

Ergebnis waren 110 Töpfe mit Sämlingen, die mir in wenigen Wochen über den Jordan gingen. Neudohum Pflanzerde ist viel zu stark gedüngt, als dass dies die meisten Arten ertragen können. Ausnahme waren einige Arten von Dactylorhizen, von denen weiß man ja, dass die viel Dünger vertragen.

Ein wesentlicher weiterer Grund für den Misserfolg waren Trauermückenlarven, die mit dem Neudohum bereits mitgeliefert werden. Dazu passt, dass die Lieferfirma auch gleich die passenden Nützlinge gegen Trauermückenlarven verkauft.  grins Ich hatte einzelne Töpfe mit über hundert Hüllen von ausgeschlüpften Trauermücken auf der Oberfläche. Das geht im Sommer auch ganz schnell.

Der nächste Schritt war ein Verhältnis von 2/3 Neudohum Pflanzerde und 1/3 Seramis. Ich mache es kurz, man bekommt einige wenige Arten mehr durch als auf reinem Neudohum. Für Orchis, Himantoglossum, Cypripedien etc. völlig ungeeignet.

Ich habe dann vielfach mit unterschiedlichem Mixen herum experimentiert, und auch gekauftes Substrat getestet. Leider sind diese gekauften Mixe mal so und mal so, jedenfalls nie von gleicher Zusammensetzung. Heute bin ich mit einem Mix recht zufrieden, und das möchte ich hier einmal im Detail vorstellen. Ich sage gleich, so ganz einfach ist das nicht, aber das trifft ja auch auf alle vorherigen Stufen zu.

10 l Seramis
10 l Perlite
10 l Bimskies werden in einer Schubkarre gemischt.



Da zumindest Seramis und Perlite völlig trocken sind muss man sie anfeuchten. Dazu verwende ich eine selbst gemixte Düngerlösung. Für diese Menge von 30 Litern benötigt man 3-4 Liter Lösung., die Menge ist etwas abhängig von der Feuchte des Bimskieses. Das Gemisch soll noch rieselfähig sein, darf also nicht zusammenbacken, das wäre zu feucht.

Hier die Zusammensetzung der Lösungen für 10 Liter:

1. 2,5 g KH2PO4 in 400 ml dest. Wasser lösen, davon 4ml/l Düngelösung 
2. 3,0 g Ca-Nitrat und 0,2 g NaCl in 200 ml dest. Wasser lösen, 2 ml/l Düngelösung
3. 1,0 g MgSO4 und 0,2 g EDTA-Eisen(III)-Na-Salz in 200 ml Wasser lösen, 2 ml/l Düngelösung

Dazu gebe ich Spurenelemente und B-Vitamine zu, da kann man handelsübliche Produkte nehmen.

Im Prinzip kann man aber auch handelsübliche Dünger nehmen, wie z.B. Wuxal Super. Die Lösungen setzt man so an, als ob man normale Topfpflanzen düngen will, also nicht die übliche Verdünnung für Orchideen.

Damit ist die Grundmischung fertig. Nun kommen noch je 10%, d.h. je 3 l Neudohum Pflanzerde und Buchenlaubkompost aus dem Wald hinzu. Wenn man an dem Buchenlaubkompost riecht, dann spürt man Schimmel. Das ist ja auch normal, dass Waldboden alle möglichen Pilze enthält. Das ist der Grund, weshalb ich jetzt Buchenlaubkompost vorher sterilsiere.

Falls ich größere Mengen von Dactys auszupikieren habe, dann ersetze ich den Buchenlaubkompost durch die gleiche Menge an Torf.

Wenn dann alles gut gemischt ist, gebe ich noch die Lösung von 3 ml Bi58 in 200 ml Wasser gegen Trauermücken  hinzu und mische dann nochmals sehr gründlich. Das fertige Substrat sieht dann in der Schubkarre so aus:



Und aus der Nähe sieht das so aus:



Das Substrat wird schließlich in Obikisten gefüllt, das Foto ist von heute, ich habe gerade Hybriden von O. militaris und O. purpurea sowie Dactylorhiza x grandis auspikiert:



Übrigens, ich gieße die Sämlinge nach dem Auspikieren nicht an, das würde die Gefahr der Fäulnis erhöhen. Die Feuchte im Boden und die Luftfeuchte in der Obikiste reichen zum Einwurzeln völlig aus.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Uhu

Hallo Claus,

wenn auch aus etwas andren Komponenten zusammengemischt sieht mein Pikiersubstrat sehr ähnlich aus. Ich nehme ein wnig mehr Seramis statt Perlite und geben grobsand in 2mm Körnung hinzu. Mit Trauerfliegenlarven hatte ich nie große Probleme. Daher setzte ich 10% Neudohum hinzu. Wenn ich Buchenlaub in unseren Steri stecken würde, stiegen mir meine Kollegen aufs Dach. :whistle
Das Substrat hält die Feuchtigkeit gut und Überschüsse tropfen durch den Grobsand relativ schnell wieder ab.

Torf nehme ich für Flaschensämlinge gar nicht mehr. D.sphagnicola gieße ich lieber ab und an mit Essigwasser.

Da ich jeweils wesentlich kleinere Mengen pikiere gebe ich das Substrat in 9cm Töpf auf eine Drainageschicht aus feinem Flusskies oder Blähton. Ich gieße mit der Kanne gut an und lasse abtropfen. Dann pikiere ich in Löcher, die ich mit einem Pikierstab gebohrt habe. Die Sämlinge setze ich rein und streue ringsumm Grobsand ins Loch. Anschließend spüle ich den Sand mit einer Spritzflasche um die WUrzeln ein und sezte die Töpfe in ein Kleingewächshaus. Die seitlichn Öffnungen bleiben immer offen. DIe Dachöffnungen bleiben 5-10 Tage geschlossen. Absoluter Luftabschluss hat sich bei mir nicht bewährt.
Grüße Jürgen

Timm Willem

Hallo Claus,
ich habe das Substrat im Freiland getestet und bin im letzten Jahr sehr gut damit gefahren, in diesem Jahr kläglich gescheitert. Seramis scheint im Freiland bei extrem feuchtem Wetter ein Magnet für Pathogene. Es war nur durch häufigen Einsatz von Fungiziden möglich schlimmeres zu verhindern.

Claus

Ich denke das von mir gezeigte Gemisch ist nur für die Kultur in Töpfen oder Kästen geeignet für das erste Jahr, also zum Auspikieren. Für das Freiland würde ich auch stabilere mineralische Gemische wählen, je nach Gattung/Art mit viel grobkörnigem Sand oder Granit- / Kalkstein- / Dolomit-Splitt und etwas Lehm.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 08.Jan.12 um 15:34 Uhr
Hallo Claus,
ich habe das Substrat im Freiland getestet und bin im letzten Jahr sehr gut damit gefahren, in diesem Jahr kläglich gescheitert. Seramis scheint im Freiland bei extrem feuchtem Wetter ein Magnet für Pathogene.

Wenn man die Gefässe nach dem Pikieren verschliesst, kommen viel weniger Infektionskeime angeflogen.

Ich setze frisch pikierte Sämlinge immer 4 Wochen in Plastiktüten. Das hält 1. die Feuchtigkeit stabil und 2. werden aber auch Keime fern gehalten.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Berthold, da ist immer Botrytis drin, und was Du da machst, ist ein Brutkasten für Botrytis. Das merkt man nur nicht im Sommer, es geht erst im Herbst los, wenn das UV weniger wird.

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 08.Jan.12 um 17:51 Uhr
Berthold, da ist immer Botrytis drin, und was Du da machst, ist ein Brutkasten für Botrytis. Das merkt man nur nicht im Sommer, es geht erst im Herbst los, wenn das UV weniger wird.

Simon, wenn ich die Sämlinge in 100% Neudohum setze, einschlemme und dann eine Plastiktüte dicht drüber ziehe, passiert da in 9 von 10 Fällen in den ersten 2 Monaten absolut garnichts an Infektionen.

Das mag aber an den Mikroorganismen im Neudohum liegen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Zitat von: Berthold am 08.Jan.12 um 17:56 Uhr
Simon, wenn ich die Sämlinge in 100% Neudohum setze, einschlemme und dann eine Plastiktüte dicht drüber ziehe, passiert da in 9 von 10 Fällen in den ersten 2 Monaten absolut garnichts an Infektionen.

Das mag aber an den Mikroorganismen im Neudohum liegen.
Wie viele überstehen denn diese Prozedur bis zur ersten Blüte oder sogar noch darüber hinaus?

Das die Luftfeucht hoch sein sollte, das stimmt natürlich, aber es muss auch alles andere Stimmen.

Für mich ist die Lösung des Problems ganz einfach, ich pflanze sie erst, wenn sie blühfähig sind.

Charlemann

Zitat von: Timm Willem am 08.Jan.12 um 18:16 Uhr
Wie viele überstehen denn diese Prozedur bis zur ersten Blüte oder sogar noch darüber hinaus?

Mehr als man denkt Simon.
Wenn die erste Phase überwunden ist sollte man sie aber in einen anderen Boden stellen. Ich bin da inzwischen nache an Bertholds "Grundsubstrat".
Ich nehme 1/4 Neudohum und 3/4 Seramis. Darin kann man die jungen Pflanzen sehr feucht halten ohne das etwas passiert.

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 08.Jan.12 um 18:16 Uhr
Zitat von: Berthold am 08.Jan.12 um 17:56 Uhr
Simon, wenn ich die Sämlinge in 100% Neudohum setze, einschlemme und dann eine Plastiktüte dicht drüber ziehe, passiert da in 9 von 10 Fällen in den ersten 2 Monaten absolut garnichts an Infektionen.

Das mag aber an den Mikroorganismen im Neudohum liegen.
Wie viele überstehen denn diese Prozedur bis zur ersten Blüte oder sogar noch darüber hinaus?

Das die Luftfeucht hoch sein sollte, das stimmt natürlich, aber es muss auch alles andere Stimmen.

Für mich ist die Lösung des Problems ganz einfach, ich pflanze sie erst, wenn sie blühfähig sind.

Simon, ich meinte "pikieren" nicht "auspflanzen". Beim Auspflanzen wäre meine Prozedur sicherlich sehr ungünstig. Dabei darf maximal 20% Neudohum im Substrat sein. Das sagt übrigens auch Beyrle auf sein Toresa bezogen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Zitat von: Berthold am 08.Jan.12 um 18:50 Uhr
Simon, ich meinte "pikieren" nicht "auspflanzen". Beim Auspflanzen wäre meine Prozedur sicherlich sehr ungünstig. Dabei darf maximal 20% Neudohum im Substrat sein. Das sagt übrigens auch Beyrle auf sein Toresa bezogen.
Es gibt da ja diese zwei Konfessionen Früh- und Spätpikierer, darüber sprechen wir, glaube ich, schon seit vier Jahren. Als bekennender Spätpikierer kann ich natürlich nichts von Neudohum halten, weil es ja die anderen propagieren.

Ich meinte schon "auspflanzen", oder sollte ich die Dinger mal aus dem Glas nehmen und sie in einem Hyazinthenglas blühen lassen?