Strategien zur Vermehrung von Cypripedium calceolus

Begonnen von Timm Willem, 05.Okt.11 um 14:15 Uhr

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Timm Willem

Kleine Abhandlung zur vegetativen Vermehrung von Cypripedien mittels axillarer Meristeme.

Vielen ist bekannt, dass diverse Forschungseinrichtungen und einige kommerzielle Vermehrer seit vielen Jahren versuchen Cypripedien durch Verklonung unter sterilen Bedingungen zu vermehren. Mir ist dabei kein Forschungsprojekt bekannst, das ausschließlich aus Umweltschutzgründen initiiert wurde, es geht also um den schnöden Mammon, weshalb ich eine gewisse Zurückhaltung bei einigen Details zu entschuldigen bitte.

Es wurde in der Vergangenheit klar, dass es einfacher zu vermehrende Kulturen als Cypripedien gibt. In den meisten Projekten dazu wurde sinnvollerweise zunächst eine Strategie festgelegt, die je nach Ziel des Projektträgers mit unterschiedlichen Vorgaben belastet war. Es wurden mindestens fünf unterschiedliche Strategien im Laufe der Zeit immer wieder aufgegriffen.

a.)   Eine Strategie war zunächst zur Etablierung von Cypripedien in die Sterilkultur vorgeschlagen worden, dabei sollte das Gewebe von Wurzelspitzenmeristemen oberflächlich sterilisiert werden und das Wurzelspitzenmeristem mittels oder ohne Kallusphase zu einem Sproßspitzenmeristem umgewandelt werden. Danach sollte eine sterile vegetative Vermehrung fortgesetzt werden.

Es ist soweit nicht besonders schwierig Wurzelspitzen oberflächlich zu sterilisieren auch ist die gezielte Umwandlung von Wurzelmeristemen kein Buch mit sieben Siegeln. Es ist mir jedoch nie gelungen beides zu kombinieren, auch alle mir bekannten Versuche diese Strategie vollständig durchzuführen haben keine massenvermehrten Cypripedien ergeben.

Hierzu sind an der TU München Weihenstephan Versuche unternommen worden.

Diese Strategie ist sicher nicht einfach, sie kann aber nicht vollständig als verworfen gelten.

b.) Von kommerziellen Produzenten wird eine wesentlich zielführendere Strategie bevorzugt, es werden dabei einzelne Sämlinge aus Massenaussaaten selektiert. Hierbei wird auf leicht verändertem Aussaatmedium nach selbstsprossenden Sämlingen gesucht. Es ist eine reine Fleißarbeit und führt zwangsläufig über kurz oder lang zu einem Ergebnis, oft jedoch erst nach einigen Jahren.

Problematisch sind einzig die Nebeneffekte der Selektion. Die entwickelten Klone haben den Nachteil, dass sie zu übermäßiger vegetativer Vermehrung neigen und dies auch nach dem Pikieren nicht vollständig einstellen. Es entwickeln sich rasch große Horste, die immer weniger Blüten bilden.

Hieran haben sich schon diverse Firmen versucht. Ein Beispiel sind wohl die aktuell in vielen Baumärkten angebotenen parviflorum, pubescens und kentuckiense, die eine Neigung zu starker vegetativer Vermehrung zeigen. Wie schnell sie blühfaul werden, bleibt abzuwarten.

Für mich ist diese Strategie nur suboptimal, da sie wenige Möglichkeiten für komplexere Selektionsstrategien offen lässt.

c.)   Forschungseinrichtungen neigen zu einer anderen Strategie. ,,Sie überschütten Sämlinge mit Hormonen". Hierbei wird weniger nach selbstsprossenden Sämlingen gesucht, man geht vielmehr von der Lehrbuchmeinung aus, jede Zelle zu einer vollständigen Pflanze regenerieren zu können. Langfristig würde eine Selektion auf Hormonverträglichkeit stattfinden, so weit sind aber wohl kaum Projekte voran getrieben worden. Die Strategie sucht grundsätzlich nach schnellen Erfolgen, da Forschungsprojekte immer in einem zeitlich eng gesteckten Rahmen abgewickelt werden müssen.

Bis jetzt hat diese Strategie nur etliche Veröffentlichungen und eine praktisch zu vernachlässigende Anzahl an Jungpflanzen bei Forschungseinrichtungen hervor gebracht.

(wenn ich Zeit finde, kommen hier noch einige Literaturstellen hin)

Auch diese Strategie ist nach meiner Einschätzung suboptimal, ähnlich eingleisig wie die vorgenannte, erlaubt auch diese Strategie kaum eine weitere züchterische Bearbeitung.

d.)   Somatische Embryogenese: aus einer oder wenigen Zellen entwickelt sich ein, dem zygotischen Embryo ähnliches Gebilde, das sich problemlos wie ein Sämling weiter kultivieren lässt.
Ich habe unter vielen tausend Sämlingen nur sehr wenige gefunden bei denen sich offensichtlich (durch geringe Anregung)somatische Embryonen aus Zellen entwickeln ließen. Ich würde schätzen, der Fall ist bei mir drei Mal aufgetreten, zwei calceolus und ein Hybrid-Sämling zeigten dies.

Die Liste der Vor- und Nachteile lässt sich hier sehr lang schreiben, es gibt Bücher, die sich sehr ausgiebig damit beschäftigen und verschiedene Fälle zeigen.

Diese Strategie kann ebenfalls nicht vollständig verworfen werden, ist aber technisch bei der Gattung noch sehr weit weg und möglicherweise unerreichbar, da das Potenzial hierfür genetisch bei Cypripedien nicht ausreichend zu sein scheint.

Die Strategien a, b, c und d haben eine Eigenschaft gemeinsam, sie gehen nicht zwangsläufig von einem axillaren Vermehrungsweg aus, es ist auch möglich dabei aus einzelnen Zellen wieder vollständige Pflanzen zu regenerieren. Wenn man einige Erfahrung damit hat, wird man jedoch mit allen Mitteln versuchen dies zu verhindern. Phalaenopsis werden beispielsweise nur aus Achselknospen vermehrt, kein seriöser Vermehrer würde über andere Wege vegetativ vermehrte Jungpflanzen anbieten.

e.) Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit der vegetativen Vermehrung von Cypripedien. Dabei bin ich immer von zwei Etablierungswegen ausgegangen, sterile Sämlinge und oberflächen-sterilisierte Sprosse, da nach meiner Auffassung in einer langfristigen Strategie beide Wege eine Berechtigung behalten. Die grundsätzliche Idee war es zunächst ein optimiertes Wuchsmedium zu entwickeln, dies muss sich von den gängigen Aussaatmedien weitreichend unterscheiden, da andere Eigenschaften benötigt werden. Durch ein Wuchsmedium auf dem Sämlinge und etablierte Sprosse langfristig kultiviert werden können, ergeben sich neue Möglichkeiten der Züchtung. So können beispielsweise für Sämlinge komplexe Selektionsstrategien entwickelt werden, die eine mehrschichtige Selektion auch nach scheinbar gegensätzlichen Eigenschaften ermöglichen.
http://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=13164.0

Nach einigen Vorversuchen(teilweise mit calceolus-Sämlingen von Claus) und einem vorangegangenen reginae-Projekt begann im Sommer 2007 ein Projekt zur Entwicklung von calceolus-Klonen unter Anwendung einer komplexen Selektionsstrategie. Zunächst sollten nur einige aus einem großen Bestand stammende Kapseln ausgesät werden, der für diese Art überraschende Keimerfolg ermöglichte jedoch eine weitere Bearbeitung. Die sehr vitalen Protokorme entwickelten sich zu mehr als 1000 Sämlingen, nach mehrfachem Umlegen begannen sich mehrsprossige Gruppen zu bilden. Die Anzahl der Klone ließ sich schnell auf etwa 300 zur weiteren Beobachtung reduzieren, hierzu wurde nach Teilungsfreudigkeit und Sprossgröße ausgesucht, die offensichtlich selbstsprossenden Sämlinge sind in dieser ersten Runde rausgeflogen. In einem weiteren Schritt wurde im letzten Jahr auf etwa 150 Klone reduziert, es wurde nach Schnittverträglichkeit, Sprossgröße und Wurzelbildung ausgesucht.
Zukünftig sollen in dem calceolus-Projekt noch weitere Eigenschaften beobachtet und bewertet werden. Das Ziel soll es sein auf 10 bis 15 hochwertige Klone weiter zu reduzieren.

Das abgeschlossene reginae-Projekt wurde eingestampft, ich habe nur einen Klon als Reserve im Labor behalten.

In diesem Jahr habe ich mit einem Projekt zu parviflorum begonnen.

Im nächsten Jahr möchte ich in unfangreichen Einzelprojekten mit kentuckiense, verschiedenen flavum-Typen und einem bestimmten tibetikum-Typ, für den ich momentan noch zusätzliche Mutterpflanzen suche, anfangen. Dafür laufen auch schon seit einigen Jahren Vorversuche.



Berthold

Zitat von: Timm Willem am 05.Okt.11 um 14:15 Uhr
e.) Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit der vegetativen Vermehrung von Cypripedien. Dabei bin ich immer von zwei Etablierungswegen ausgegangen, sterile Sämlinge und oberflächen-sterilisierte Sprosse, da nach meiner Auffassung in einer langfristigen Strategie beide Wege eine Berechtigung behalten.


Simon, ist denn bei der Vermehrung aus sterilen Sprossen schon Land in Sicht?
Diese Technik hätte ja den Vorteil, spezielle Blütenfarben und -formen gezielt in Stückzahlen weiter zu vermehren.
Und Du könntest bei jedem "Sämling" garantieren "dieses ist ein subtropicum album". :yes 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Zitat von: Berthold am 05.Okt.11 um 14:50 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 05.Okt.11 um 14:15 Uhr
e.) Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit der vegetativen Vermehrung von Cypripedien. Dabei bin ich immer von zwei Etablierungswegen ausgegangen, sterile Sämlinge und oberflächen-sterilisierte Sprosse, da nach meiner Auffassung in einer langfristigen Strategie beide Wege eine Berechtigung behalten.


Simon, ist denn bei der Vermehrung aus sterilen Sprossen schon Land in Sicht?
Diese Technik hätte ja den Vorteil, spezielle Blütenfarben und -formen gezielt in Stückzahlen weiter zu vermehren.
Und Du könntest bei jedem "Sämling" garantieren "dieses ist ein subtropicum album". :yes 

Wenn Du die Maria meinst, das ging so gut, dass es schon einige Sprosse waren, dann habe ich ein paar neue Medien damit probiert, es gibt immer auch Negativvarianten, jetzt sind es etwa nur noch 20, aber mit guter Vermehrungsrate.

Die subtropicum album wachsen wie doof, das wollten wir doch aber nicht hier einstellen, oder?

Wolfgang

LG Wolfgang

Timm Willem

Zitat von: Wolfgang am 17.Jun.13 um 21:36 Uhr
Hallo Simon,

was macht das Projekt?
Hallo Wolfgang,
sobald ich etwas mehr Zeit habe, werde ich mit ein paar Fotos etwas ausführlicher berichten.

Timm Willem

Es geht langsam weiter, demnächst aber noch etwas mehr Text zu diesem Thema.

Claus

Simon, kannst du den Begriff "selbstsprossend" mal erläutern und von "mehrsprossig" abgrenzen?
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Timm Willem

Zitat von: Claus am 15.Dez.13 um 10:56 Uhr
Simon, kannst du den Begriff "selbstsprossend" mal erläutern und von "mehrsprossig" abgrenzen?
Hallo Claus,
mit "selbstsprossend" meine ich Sämlinge die ohne besondere Behandlung "spontan" "mehrsprossig" werden. Da diese Sämlinge sich auch bei längerer Sterilkultur immer weiter übermäßig vermehren. Kann man also nicht wirklich abgrenzen.

Ich suche eigentlich nach Sämlingen die überdurchschnittlich große Sprosse entwickeln. Dieses Selektionskriterium führt aber schnell zu blühfähigen Sprossen im Glas, die aber kaum noch Vermehrung zeigen.

Die Lösung ist etwas komplizierter, es ist nicht mit einem einfachen "Mittelding" getan, man benötigt ein geometrisches Modell.

Claus

Auf meinen Nährböden werden fast alle Cypripedien-Sämlinge mehrsprossig. Das kann schon an der Aussaat unter Verwendung von Kinetin liegen, aber ohne dieses geht es fast gar nicht. Dann enthalten natürlich meine Umlegeböden Kartoffel, Ananas und Kokoswasser, also einen undefinierten Hormon-Cocktail. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass fast kein Sämling von Cyp. montanum und passerinum unter diesen Bedingungen mehrsprossig wird.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Timm Willem

Das stimmt schon, ich selektiere aber meist erst nach mehrfachem Umlegen auf "hormonfreiem" Medium, man kann dann relativ gut erkennen ob es nur zwei bis drei Sprosse werden, oder ob sich Büschel bilden, die ich nicht haben will.

Insgesamt bin ich bei der Aussaat vom Kinetin weg, da gab es bei vielen Dactylorhiza und anderen Knollen Probleme.

Claus

Zitat von: Timm Willem am 15.Dez.13 um 16:47 Uhr
Insgesamt bin ich bei der Aussaat vom Kinetin weg, da gab es bei vielen Dactylorhiza und anderen Knollen Probleme.

Ja, Kinetin braucht man nur bei schwierigen Gattungen. Dactylorhiza säe ich aber nur noch symbiotisch aus. Und Himantoglossum werden mit Hormonen oft mastig und "explodieren". Aber z.B. Cypripedium arietinum wird ohne Kinetin nicht keimen - wenn überhaupt.  grins Und bei den amerikanischen Platanthera bin ich ohne auch nicht weiter gekommen - wenn überhaupt.  grins
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Timm Willem

Mit etwas Abstand wollte ich mal wieder Bilder von Cypripedium calceolus zeigen.
Im vergangenen Jahr habe ich wieder einige Versuche mit calceolus gemacht. Ziel war es, etwas mehr Substanz an die Jungpflanze zu bekommen. Die Pflanzen speichern Kohlenhydrate hauptsächlich in den Wurzeln, die wiederum von Mykorrhiza umgeben, vor Pathogenen abgeschirmt sind. Der eigentliche Punkt ist, dass sowohl bei Jungpflanzen aus Sterilkultur als auch bei Pflanzen aus Gewächshauskultur, relativ zur Sprossgröße, wenig Speicherstoffe vorhanden sind. In der Folge stockt das Wachstum nach dem Auspflanzen, im ungünstigsten Fall fehlt der Pflanze die Substanz um Pathogene abzuwehren und ausreichende Frosthärte zu entwickeln.
Daneben erscheint eine symbiotische Kultur ohne Spross in der ersten Vegetationsperiode nach dem auspflanzen immer mehr Sinn zu machen.

Das Ziel der Versuche war also eine möglichst große Wurzelmasse an die Jungpflanzen zu bekommen. Der Weg: viel Zucker, bzw. Kulturmedium, ein Problem ist, die Wurzeln brauchen einfach viel Zeit um zu wachsen, etwa 1-1,5cm pro Monat.

Das Projekt wird auf jeden Fall fortgesetzt, sowohl zum Thema Wurzelmasse als auch zur symbiotischen Kultur läuft auch in diesem Jahr ziemlich viel. Ich bin selber sehr gespannt auf die Ergebnisse und freue mich auf eine Saison mit möglichst wenig Mäusen und Schäden durch Spätfrost.

Timm Willem

Wurzelmasse; Der Schlüssel hier ist der Maßstab, die Gläser sind deutlich größer als im letzten Beitrag.
Cypripedium calceolus wehrt sich deutlich mehr als andere Arten dagegen blühfähige Sprosse im Glas zu produzieren. Der Grund ist noch unklar, hängt aber mit der Einlagerung von Stärke in den Wurzeln zusammen.


Jörg

Guten Abend,
ich habe mich entschieden es einmal zu versuchen. Gekauft habe ich: Cypripedium calceolus, 5 mehrtriebige Jungpflanzen, mindestens 10 Sprosse, vollständig gekühlt. Die zum Verkauf stehenden Jungpflanzen werden direkt vor dem Versand frisch ausgewaschen.
Nun meine Frage. Könnt ihr etwas über das Pflanzsubstrat sagen. Ich würde verottetes Buchenlaub mit Torfmoose (Sphagnum) mischen und ein wenig Sand, welches für Vogelkäfige verwendet wird) dazu geben. Aber ob das richtig ist weiß ich nicht.
Hilfe ist gefragt.
Ein gestylter Garten kommt mir vor wie eine Besserungsanstalt für die Natur

Gruss aus Wernigerode
Jörg
Wer Schreibfehler findet darf sie behalten

walter b.

Hallo Jörg, ich würde eher mineralische und kalkhaltigen Substrat verwenden und die organischen Bestandteile zum Abdecken verwenden. Würde manchem Standort entsprechen. Aber es mag auch andere Ansätze geben, wie ich auch andere Standorte kenne...  JJedenfalls viel Erfolg, schöne Grüße Walter