Meristemvermehrung

Begonnen von Volzotan, 12.Feb.10 um 22:05 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Volzotan

Ich habe das Orchideenjahr von Walter Richter gelesen und sein Buch Orchideen pflegen vermehren züchten antiquarisch gekauft. Das Buch ist noch einen Tick älter, 3. Auflagen von ´74.
In dem Buch schreibt er noch das Meristemvermehrung nur bei Sympodialen wie Cymbidium Cattleya und Calanthe, Dendrobium etc.funktioniert, nicht aber bei Paphiopedilum. Für Monopodiale sagt er das es noch keine erfolgreichen Methoden gab.
Der Mann hatte definitiv Ahnung war sehr weit was technische Möglichkeite betraf damals.

Lilith, aus Welchem Buch von ihm ist denn die Aussage?

Das "Kreiselstadium" ist eine Beschreibung für ein Protokormstadium, die nur Richter verwendet, wobei nur Laelia wirklich kreiselförmige Protokorme macht, er überträgt diese Bezeichnung einfach auf alle anderen Arten auch wenn sie kugelrunde Protokorme bilden.

Hier siehst du das schematisch:
http://www.ursprung.at/ursprung/projekte_extern/orchideen/laborprotokoll.html

Bei Laelia sieht das so aus, das Bild ist mies, man kann es nur erahnen.

Volzotan

Richter hatte soweit ich weiß keine Hormone in seinen Nährmedien, er schreibt, das Nährmedien für Aussaat auch für Meristemkultur geeignet sind. Soweit ich seine recht kurzen Ausführungen zur Meristemkultur interpretieren kann, kennt er zum einen die Sprossregeneration aus Kallus, als auch eine somatische Embryogenese mit Bildung von Protocorm like bodies (PLB's).
Ich denke mit seinem Kreuzschnitt könnte er die Protokorme zu letzterem animieren, einige Arten machen das eh von allein, das kann lästig sein wie Timm schon angemerkt hat, hat aber manchmal auch seine Vorteile.

Gruß Roman

Reinhold

Ich habe die Auflage von 1987, Landbuch-Verlag.

Ist ja interessant, verfolgen zu können, wie sich der Kenntnisstand entwickelt.

So wie das im Buch dargestellt wird, scheint es so zu sein, als habe W. Richter schon damals "Meristemvermehrung" bei Paphios gemacht?!
Im Forum steht alles; auch das Gegenteil.

Volzotan

#18
Zitat von: Lilith am 16.Feb.10 um 09:27 Uhr
So wie das im Buch dargestellt wird, scheint es so zu sein, als habe W. Richter schon damals "Meristemvermehrung" bei Paphios gemacht?!

Ja das ist richtig, allerdings nicht in einem kommerziell verwertbaren Maßstab, sondern eher als angenehmen Nebeneffekt. Man muss bedenken, das er da nicht wusste wie die Pflanze denn hinterher aussieht, die er da Klont, er ist ja von Ursprung her von gekeimten Samen ausgegangen.
Und durch das Schneiden kann er aus einem Samen vieleicht 5 Pflanzen gewinnen, da ist er noch weit davon entfernt die Nachfrage auf dem Markt nach gleichen Paphiklonen zu decken.

Gruß Roman

Manne

Ja Timm, was will mn sagen, wenn man von dem Thema keine Ahnung hat?

Timm Willem

#20
Hallo Roman,
der zitierte Satz beinhaltet dann aber nur eine Vermutung von Herrn Richter. Da Protokorme auch bei Paphis manchmal proliferieren, solange noch aktive Stammzellen vorhanden sind. Diese Beobachtung sieht er als Möglichkeit. Durch künstliche Verletzung, möchte er dies provozieren. Das ist natürlich der Ausgangspunkt um Vermehrungssysteme zu entwickeln, aber auch nur der erste Schritt.
Wenn er das so gemeint hat oder ob er das nun in größerem Maßstab gemacht hat, ist wohl nicht mehr zu klären(auch nicht so wichtig). Der Begriff "Meristemkultur" wird aber aktuell ganz anders verwendet. Er beschreibt nicht wie er adultes Pflanzenmaterial etabliert und es dann erfolgreich vermehrt(auch das ist nicht mit dem Begriff"Meristemkultur" gleich).
Viele Grüße
Timm

Timm Willem

Zitat von: Manne am 16.Feb.10 um 10:02 Uhr
Ja Timm, was will mn sagen, wenn man von dem Thema keine Ahnung hat?
Hallo Manne,
ich glaube es geht wie immer nur um Begrifflichkeiten, diesmal war ich es, der sich über ein paar Begriffe aufgeregt hat.
Kanntest Du Herrn Richter, lebt er noch?
Viele Grüße
Timm

Reinhold

Wenn man die Entwicklung des Wissens in einem historischen Kontext sieht, den man sich aber erstmal erarbeiten müßte, dann würde man die "Alten", die uns ihr Wissen weitergegeben und Entwicklung ermöglicht haben, nicht für blöd erklären.
Besonders dann nicht, sollte man feststellt, das Rad wurde bereits entdeckt, vergessen und wieder erfunden.
;-)
Li.
Im Forum steht alles; auch das Gegenteil.

Timm Willem

Li,
das ist jetzt aber etwas polemisch, oder?

Reinhold

Stimmt.
Weil ich mich geärgert habe.

Was mich an W. Richter interessiert, ist, daß er offensichtlich zu einer Zeit, da dies gar nicht hätte möglich sein sollen, bereits eine Art von Meristemvermehrung bei Paphios durchgeführt hat. So gesehen war er absolut fortschrittlich, modern.
Das interessiert mich, weil ich in meinem Kopf habe, dass Meristemvermehrung bei Paphios nicht möglich sei.
So ein Spruch in einem älteren Buch macht mich neugierig, zumal es ja immer wieder vorkommt, dass das Rad erfunden, vergessen und neu erfunden wird.
Deswegen hier meine Frage an die heutigen Experten, ob und wie sie das einschätzen, was damals, 1987, "gemacht" wurde.

Damit zu kokettieren, die Historie nicht zu kennen, ist nach meiner Ansicht zu wenig.

;-)
Li.


Im Forum steht alles; auch das Gegenteil.

Timm Willem

Li,
lies bitte was Roman geschrieben hat.
So wie ich Dein Zitat gutmütig verstehen kann, war es nicht Herrn Richters exklusive Entwicklung, es gab mehrere Leute die das schon konnten, auch bei anderen Gattungen war das ein Zwischenschritt, bei Paph. ging die Entwicklung trotz vieler Versuche jedoch nicht wesentlich weiter.
Zitat von: Lilith am 16.Feb.10 um 12:11 Uhr
Damit zu kokettieren, die Historie nicht zu kennen, ist nach meiner Ansicht zu wenig.
Wenn Du Dich schon mit der "Historie" auseinander setzen möchtest, kannst Du ja zitieren, was noch in dem Buch über Paphis und "Meristemkultur" steht.

Reinhold

#26
In der Ausabe von 1987 steht auf den Seiten 60 u. 61 das, was W. Richter weiß und tut. Der "Aufsatz" ist etwa 1.200 Worte lang und schon mal deswegen schlecht zu zitieren. Naja, ich schreibe 1-Finger-sehend. Außerdem kollierdierte das dann irgendwann mit dem Urheberecht.
Also, dann in Stichworten:

WR zieht Paphio-Samen auf Nährboden und stellt bei einigen Pflanzen "chaotische" Entwicklung fest: Protokorm.
Er findet eine erste Definition des Begriffs in einem Buch aus 1917. und stellt die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit Meristemvermehrung dar.
Bei Paphio ist es aber kein künstlich erzeugtes Protokorm, sondern es sind embrionale Keimlinge, die gleiches tun.
So jetzt kommt es:
"Man kann diesen Effekt auch künstlich auslösen.", nämlich bei Jungpflanzen (Paphios!) im Kreiselstadium, d.h. bei Pflanzen vor erster Wurzel- und Blattbildung, wenn man unter Einhaltung steriler Bedingungen einen Kreuzschnitt anbringt. Dann entsteht Protokorm wie bei Meristemen.
Allerdings ist die Methode nicht so "effizient", da aus wenigen Samen generativer Vermehrung die unterschiedlichen (unbekannten) Kreuzungsergebnnisse durchschlagen in jeweils relativ kleinen Mengen von Jungpflanzen.

So, das ist die Zusammenfassung.
Und damit wohl auch die Antwort auf die Fragen.

Sorry für die Polemik, aber ich hatte da (nicht aus Deinen Beiträgen) etwas herausgehört, was meinen Blutdruck hochtrieb...

;-)
Li.



Im Forum steht alles; auch das Gegenteil.

Greenruck

Hallo Leute, nur mal kurz was zu Herrn Walter Richter,das geht so nicht-
eine Reminiszenz

ich selbst kannte Herrn Walter Richter sehr gut, er war mein Mentor und mein Lehrer, mit Hochachtung denke ich an diesen körperlich kleinen Mann zurück, er hat in Crimmitschau eine Gärtnerei gehabt und war so etwas wie der Wegbereiter der Orchideen in der ehem. DDR. Er inspirierte unsere damalige Orchideenliga. Ich habe als junger Mann ihn sehr oft besucht   ( wohnte nicht weit weg, Freiberg) und bekam von ihm als er fast blind war, seine sagenumwobene Praktica TL SIX, eine 6 x 6 cm Kamera übereignet mit der er seine qualitativ hochwertigen Fots für seine Bücher und Vorträge machte. Er faßte den bestehenden  und erreichbaren Kenntisstand in seinen kaum zu bekommenden Büchern zusammen ( was unter unseren damaligen Recherchemöglichkeiten sehr anstrengend und arbeitsintensiv war)und war für uns in der ehem. DDR fast die einzige Quelle von Orchideenliteratur. Es war auch ein Labor auf seinem Gelände, er befaßte sich neben den erfolgreichen Aussaaten und Anzuchten( Phal.,Cattl-Hybrid.,Cymbidien und auch begrenzt Paphios) mit der Meristemvermehrung von Cymbidien und experimenierte auch später mit anderen Gattungen, vor allen den Odontoglossen und Genossen, weil er etwa Anfang der 80iger Jahre eine große Sendung von Odontogl. + Hybriden, großblütigen Paphios und paar sehr schöne Cymbidien aus der BRD bekam, ich glaube von Wichmann-das aber unter Vorbehalt- er sollte damit wirtschaftlich interessante und moderne Orchideen für die DDR machen bzw. Jungpflanzen bereitstellen. Ich war dabei als er diese Sendung erhielt und mir fiel auch die Kinnlade runter als ich dort die Pflanzen zu sehen bekam wovon wir träumten und die wir nur aus den geliehenen DOG-Heften kannten. Da begann er aber schon blind zu werden. Soviel zu Herrn Richter als Person!!! 
Ihn nicht zu kennen...
Aber zurück, die Cymbidienmeristeme hatte er im Griff, bei den anderen hatte er kein so gutes Händchen. Ich bekam von ihn für mein Labor ein Röhrchen der damals aufkommenden Vyulstekeara Cambria "Plush" weil auch er nicht weiterkam. Herr Richter hatte sie aus Holland (nicht selbst geschnitten sondern als Proliferat eingeführt in der Jackentasche) und sie war leider etwas "entartet". Das Proliferat wurde der Masse wegen zuviel gequält( so mit dem Spaßmacher BAP) und so bildeten sich nur noch Gewebe fast ohne Sprosse und noch weniger Wurzeln. ( Mein damaliger Freund D.Schmidt erhielt sie auch über diesen Weg, Dieter, falls Du hier mitliest, viele Grüße alter Recke! Laß doch mal was hören!!)
Ich schnitt derzeit (neben den relativ leichten Odm.-Hybriden) u.a. Meristeme der SLC Jewel Box, SLC Hazel Boyed und der SLC Anzac, Herr Walter Richter bekam sie von mir auch für sein Labor, welches ein junger Mann frisch von der Schule leitete. Wurde dort aber nichts, ging fast alles kaputt, aus welchen Gründen auch immer. Große Probleme hatten wir jedenfalls mit der Phenolbildung die wir kaum in den Griff bekamen, ich erhielt Chemikalien über Frau Dr.Fast und die TU Prag um überhaupt anfänglich nennenswerte Ergebnisse zu erzielen. Wir begannen auch die ersten Meristeme aus den Stielnodien der Phalaenopsis zu gewinnen. ES SIND eben über 20 Jahre her. Aber wir machten das, fast ohne Bezugsmöglichkeiten.  AAANN die EX-DDR-Orchis - wenn man nur an die 1709 von Rische,Gebhardt denkt, ehemals GPG Karl-Marx-Stadt, wir waren so heiß auf seine Blütenstiele. Die Meristemvermehrung kam gerade erst in Schwung, in Quedlingburg wurde auf DDR-Gebiet ein Grundstein gelegt auf staatlicher Basis, alles andere war privat.
Sollte ein kleines Andenken an Herrn Richter werden - am Thema vorbei.

Panta rhei

Charlemann

Zitat von: Greenruck am 19.Feb.10 um 21:22 Uhr
Sollte ein kleines Andenken an Herrn Richter werden - am Thema vorbei.

Aber doch sehr informativ, Danke!

Reinhold

Zitat von: Greenruck am 19.Feb.10 um 21:22 Uhr
Hallo Leute, nur mal kurz was zu Herrn Walter Richter,das geht so nicht-
eine Reminiszenz
...

Das ist ein sehr stimmungsvoller Beitrag. Man kann ahnen, mit welchen Problemen sich W. Richter & Kollegen systembedingt abgeben mußten.
Und dann die Leistung nochmal besonders anerkennen.
In seinen Büchern klingt der "Mangel" an, wenn er seine Sorgen mit dem Gewächshaus schildert. Daß draußen die lebensbedrohliche Natur herrscht und drinnen das künstlich geschaffene Ambiente. Zwischen beiden Lebensräumen nur dieses dünne, abtrennende Glas. Und dann die beunruhigende Abhängigkeit von fragiler Technik!

Es wird auch so sein, daß diese "Geschichten" fast nur in Köpfen, immer weniger Köpfen, existieren. Und wenn sie nicht erzählt werden?! Irgendwie schade.
Mit Dank & Grüßen
Li.
Im Forum steht alles; auch das Gegenteil.