Pikieren von Sämlingen (Epiphyten)

Begonnen von Phalifan, 18.Okt.10 um 21:56 Uhr

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Phalifan

Hallo zusammen,

immer wieder werde ich gefragt, wie ich denn meine Jungpflanzen behandle oder besser auspikiere. Um dies nicht jedes Mal per Mail oder PN beantworten zu ,,müssen", denke ich ist ein Beitrag hier im Forum sicher auch anderen eine Hilfestellung. Und wenn nicht gleich alles übernommen wird, kann es wenigstens ein Denkanstoß für eigene Varianten sein.

Nicht alles muss neu erfunden werden. Nach ersten Versuchen mit Orchipacks in einfachen Töpfen und Folientüten übernahm ich die Flaschenmethode von meinem Freund Helmut (in diesem Forum sind da 3 gut beschrieben Beiträge zu finden). Hierbei werden entleerte Volvic-Flaschen  zerschnitten und mit Seramis und klein geschnittenem Sphagnum als Substrat eingebracht. Dieses kleine Minigewächshaus funktionierte für erste ,,Gehversuche" ganz gut.

Bedingt durch eigene Aussaaten und reichlich ,,Versuchskaninchen" mussten effektivere Methoden zum auspikieren gefunden werden. Da boten sich bei IKEA diese durchsichtigen PVC-Kisten an. Bedingt durch den Substrataufbau von Blähtonkugeln und Sphagnum befriedigte mich diese Variante ebenfalls nicht, denn der Luftraum war für die Sämlinge zur Deckscheibe doch sehr eingeschränkt. Funktionierte aber als Zwischenlösung recht gut.

Nach weiterem Grübeln kam mir dann die zündende Idee. Durch das Bügeln mit dest. Wasser und reichlich Verbrauch für Nährböden fielen eine Menge leerer 5 Literkanister an. Diese wurden dann mittig erst einmal zerschnitten. Um den Deckel nun über das Unterteil besser überstülpen zu können, wurden die Ecken mit Längsschnitten versehen. Weiterhin wurde aus einer hinteren Ecke ein 1cm breiter Streifen ausgeschnitten. Die Fotos zeigen nun in Pflanzenhöhe eine zweite Öffnung zu der im Deckelbereich.





Befüllt wurden die Kanister mit 2-3cm Blähtonkugeln und 3-4cm klein geschnittenen lebendem Sphagnum. In einem solchen Kanister können 15-20 Sämlinge problemlos pikiert werden (je nach Größe der Sämlinge). Das Beste an dieser Lösung ist, die Kanister können an einem Südfenster positioniert werden. Die Pflanzen erhalten ein Optimum an Licht ohne durch direkte Sonneneinstrahlung zu verbrennen. Durch die zweite Öffnung in Pflanzennähe entwickelt sich eine natürliche Konvektion und ein Überhitzen wird verhindert. Diesen Sommer habe ich im Innern 45°C gemessen und die Pflanzen haben es mir mit üppigem Wachstum gedankt. Allerdings sei bemerkt, bei dauerfeuchter Kultur. Diese Variante nutze ich momentan hauptsächlich für Phalaenopsis-Sämlinge. Nutzungsdauer ist jetzt bereits 12 Monate getestet.

Ein erstes Fazit: Die Sämlinge wachsen überdurchschnittlich schnell und haben dabei eine feste Struktur, vertragen Leitwerte vom Giesswasser mit 300µs sehr gut, können unschattiert auf der Fensterbank gepflegt werden, erste Sämlinge zeigen nach ca. 15 Monaten aus dem Glas Ansätze von Blütentrieben (was nicht heißt das sie auch zur Blüte kommen) und die Minigewächshäuser kosten mich nichts.
Nachteile wären im ästhetischen Bereich zu suchen und die Wurzeln wachsen quer durch den Kanister und können beim Topfen Probleme bereiten.

Als nächsten Versuch werde ich Cattleyen und Encyclien getopft in feiner Pinierinde und Lavalit-Gemisch auf Blähton mit dieser Variante versuchen auszupikieren. Zum einen um einen Vergleich zur Kultur im Gewächshaus zu bekommen, zum anderen um auch Orchideenfreunden mit Fensterbankkultur aufzuzeigen das dies nicht nur den GWH-Besitzern vorbehalten bleiben sein muss.

Und hier ein paar Beispielbilder


Mischbehälter mit Phal. lueddemanniana; equestris-Hybriden und Enc. phoenicea-Hybriden


Phal. equestris-Hybriden, Phal. schilleriana x stuartiana


Phal. doweryensis


Phal. schilleriana
Grüße Mike

Martin

Hallo Mike,

sehr toller Beitrag!  :thumb

Bei den Kanistern wollte ich schon einwenden, die sind doch viel zu undurchsichtig, aber wenn Du die am Südfenster plazierst, kann ich mir das gut vorstellen, dass es klappt. Ich habe mein Zimmer-GWH die letzten Wochen auch unter dem Dachfenster teilweise voll bescheinen lassen. Sofort konnte ich ein stärkeres Wachstum durch viel Licht/Wärme feststellen. Allerdings ist es dann halt gefährlich, dass es doch mal zu Sonnenbrand und/oder Überhitzung kommt.
Bei Deiner Methode hätte ich nur das Problem, dass die Südseitenfenster schon von sonnenliebenden Encyclien belegt sind.

Die teilweise zu langen Wurzeln habe ich auch schon in den Volvic-Flaschen festgestellt, aber vielleicht könnte man in die 5l-Kanister Einzeltöpfe (rechteckig) einbauen.

Vermehrst Du das lebende Sphagnum selbst?

Deine gezeigten Jungpflanzen sehen wirklich klasse aus.

LG Martin

Phil

Klasse Beitrag Mike und klasse Ergebnisse.  :thumb
Die Phalaenopsis doweryënsis sehen super aus.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Alexa

Danke für deinen umfangreichen Beitrag!
Tolle Ergebnisse!

Phalifan

Danke für die Lobeshymnen. Gut Ding will auch Weile haben. Das Ganze ist innerhalb von 3 Jahren gereift.

Das Sphagnum kann ich zwei Mal im Jahr ernten. Besser gesagt muss, denn es wuchert die Sämlinge doch erheblich zu. Für die langsam wachsenderen Encyclien ist es nicht so sehr geeignet.

Ja das dowi-Bild ist nicht das aktuellste. Die größte Pflanze hat mittlerweil eine Blattlänge von 7cm, Start war bei ca. 3cm. Bei denen konnte ich fast beim wachsen zuschauen.
Grüße Mike

aquaa

Sehr interessanter Beitrag. Vielen Dank dafür. Muss ich mal so ausprobieren.

:thumb :thumb :thumb
Liebe Grüße

Sebastian

Jeanne

Schöner Beitrag, Mike!
Ähnlich wie Du habe ich meine Sämlinge auch kultiviert, nur in durchgeschnittenen 2ol Behältern von den bureau-Wasserfontänen.
Dieses gute Wurzelwachstum quer durch das Seramis ist schon bemerkenswert aber...
sowie die Sämlinge normal getopft werden, sterben meistens diese langen 'Seramiswurzeln' ab und dann kann es schon zu Problemen kommen bis sich neue Wurzeln gebildet haben.
Genau aus diesem Grund bin ich jetzt dazu übergegangen die Sämlinge sofort in ein Gemisch aus 50% Seramis, 50% feinste Pinienrinde und obendrauf Moos zu setzten. Ich habe fest gestellt dass mit dieser Methode keine Wurzeln absterben sowie die Sämlinge normal getopft werden.
Liebe Grüsse
Jeanne

Natascha

Super ausführlicher Beitrag und tolle Ergebnisse!
Respekt.

LG Natascha :to_pick_ones_nose:

Tilly

Also Mike, ich bin auch ganz hin und weg. Es ist soooo einfach, aber man muß erst mal darauf kommen. Jetzt nur eine Frage, die bestimmt schon hundert mal gestellt wurde. Wo bekomme ich lebendes Sphagnum Moos her??

LG Heike :wink

Phalifan

Hallo zusammen,

@ Heike - ich hatte mir bei einer Ausstellung am Stand von Orchideenbedarf Meyer einmal einen Sack für 10,-€ gekauft. Es gibt aber auch hin und wieder Angebote in div. Terrarienshops. Ich hatte ja letztlich auch ein kleines Beutelchen angeboten. Hier ist nur wichtig einmal eine handvoll zu bekommen. Bei der oben beschriebenen Methode (auch ohne Orchis) kann man das Sphagnum für den Eigenbedarf auch gut auf der Fensterbank nachziehen.

Was Jeanne schreibt ist auch teilweise richtig, aber nicht immer. Mein Grundansinnen ist es, Sämlinge so groß wie irgend wie geht heran zu ziehen, bevor sie in Einzeltöpfe gepflanzt werden. Der Hauptgrund ist da, das diese Pflanzen dann genügend Substanz aufgebaut haben um sich im neuen, evtl. auch ganz anders gearteten Substrat schneller zu etablieren.

Im Büro habe ich beispielsweise eine größere flache IKEA-Kiste mit Blähtonschicht stehen, wo dann 7er Einzeltöpfe rein gestellt werden. Die Pflanzen aus meinen Kanistern legen dann erst einmal einen Wachstumsstop ein, treiben dann aber kräftig weiter. Es ist möglich dass das erste neue Blatt wieder kleiner wird. Aber mit dem Bewusstsein der Umstellung kein beunruhigendes Anzeichen.

Momentan teste ich an einer neuen Substratschichung um den Wachstumsstop zu minimieren. Ist aber noch zu verfrüht um genaueres zu berichten. Möchte mögliche Nachahmer vor Misserfolgen bewahren.
Grüße Mike

aquaa

Zitat von: Tilly am 19.Okt.10 um 08:29 Uhr
Also Mike, ich bin auch ganz hin und weg. Es ist soooo einfach, aber man muß erst mal darauf kommen. Jetzt nur eine Frage, die bestimmt schon hundert mal gestellt wurde. Wo bekomme ich lebendes Sphagnum Moos her??

LG Heike :wink

Hallo,

lebendes Sphagnum bekommst du z.B. bei E.N.T
Liebe Grüße

Sebastian

Martin

Hallo Mike,

nochmal eine Nachfrage:
Bei Sonnenschein wird das System gut funktionieren, aber hast Du auch Erfahrung sammeln können, was passiert, wenn es tage-/wochenlang nur bedeckt ist? Wird es dann zu dunkel und auch evtl. zu kalt in den Behältern, vor allem wenn die Pflanzen an höhere Temperaturen gewöhnt sind? Kommt es dann zu einem Wachstumsstopp?
Bei mir gibt es auch immer noch das Problem mit kalten Fensterbänken durch undichte Fenster. Dem kann man zwar mit Styroporplatten etwas begegnen, aber optimal ist es nicht.
Ausprobieren werde ich Deine Methode aber auf jeden Fall.

Zitat von: aquaa am 19.Okt.10 um 10:41 Uhr
lebendes Sphagnum bekommst du z.B. bei E.N.T

Danke. Leider vom Porto bzw. Mindestbestellwert her dann doch relativ teuer.

LG Martin

Tilly

@ Mike, Sebastian und Martin

ich danke Euch. Werd mir die Quelle für lebendes Moos jetzt endlich mal notieren.

LG Heike :wink

Phalifan

Sicher gibt es einen deutlichen Unterschied im Wachstum vom Sommer zum Winter. Ich könnte noch eine Heizmatte unterlegen und zusätzlich mit Leuchtstofflampen beleuchten. Aber das möchte ich nicht. Mein Ziel ist es immer mit geringen Mitteln sich Richtung Optimum als Hobbyzüchter zu bewegen. Ich muss doch damit nicht meinen Unterhalt bestreiten.
Ich nutze bisher im Büro ein Südfenster und daheim ein Ost/Nordost-Fenster. (momentan sind 15 Kanister im Einsatz) Das Wachstum im Winter geht aber dennoch weiter, weil die Kanister direkt am Fenster stehen und eine Heizung unter der Fensterbank ist. Die Kanister stehen auf Styropor oder einem Filzteppich. Deine Fenster kannst Du durch eine Folie bis zum Holzrahmen und zusätzlich mit Styropor oder Kork am Boden und einem schmalen Streifen zum Fenster hin (senkrecht)leicht schotten. Was sich definitiv verändert sind die Giessrythmen. Im Sommer lagen die bei ca. 10 Tagen, im Winter ca. 30 Tage.
Im Übrigen macht die dunklere Jahreszeit den Pflanzen nichts aus. Ist doch gut wenn Sämlinge unter dem hiesigen Jahreszeitrythmus aufwachsen. Im aduldem Zustand müssen die doch dann damit auch klar kommen.
Grüße Mike

Belo144

Hallo Mike,

kultivierst Du die Tolumnias auch nach dieser Methode weiter, oder haben die andere Bedingungen?
Gruß,
Lothar