Exkursion im Quellgebiet des Ybbsflusses/Niederösterreich

Begonnen von Muralis, 04.Jun.22 um 17:28 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Muralis

Ich war gestern im steirisch-niederösterreichischen Grengebiet unterwegs. Im Tal der Weißen Ois etspringt die Ybbs, ein niederösterreichischer Alpenvorlandfluss, der bei der Stadt Ybbs in die Donau mündet.
Es handelt sich um ein Dolomittal, das vom Phänomen der Temperaturumkehr geprägt ist. Zudem verläuft das Tal in West-Ost-Richtung, sodass etwa fast ein halbes Jahr die Sonne den Talgrund nicht erreicht. Damit herrschen im Tal alpine Verhältnisse vor, während an den Hängen knapp darüber ganz normaler montaner Fichten-Tannen-Buchen-Misch- bzw. Urwald wächst. Ein Gebiet, das mich natürlich magisch anzieht  ;-)

Ein paar Besonderheiten aus dem Gebiet. Zuerst die Orchideenflora: Es blühen hier erst im Juni mit Verspätung die Pflanzen von Orchis mascula ssp. signifera.
Das Gebiet wird in den letzten Jahren von Besuchern geradezu gestürmt, seit sich herumgesprochen hat, dass man hier überall Cypripedium calceolus finden kann.
Und bei einem Flachmoorkomplex über Dolomitgrus findet man Dactylorhiza lapponica, das Lappländische Knabenkraut. Gern wächst diese Art in der Region an solchen Standorten, manchmal auch mit Übergangsformen zu D. majalis, ist aber auch charakteristisch für sickerfeuchte Stellen an grusigen Forststraßenböschungen im Dolomit.

Ralla

Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

Muralis

Auf niedriger Seehöhe finden sich viele alpine Pflanzenarten, die man sonst auf den Gipfeln der Nordostalpen findet. Darunter sind auch einige Nordostalpenendemiten, die großteils auch Österreich-Endemiten sind.

Eine davon ist die Österreichische Wolfsmilch, hier ein eindrucksvolles Exemplar.

Eine Augenweide ist die Massenblüte der Zwergalpenrose

Der Kalkglocken-Enzian Gentiana clusii blüht in wahren Massen.

Die Silberwurz blüht hier auch im Talgrund.

Das Alpen-Fettkraut ist eine "fleischfressende" Pflanze.

Muralis

Die Tierwelt bietet ebenfalls Hochgebirgsformen wie etwa die Nordische Hummel und die Höhenhummel. Da es im Dolomitttal große Bestände der Schneeheide als Dolomitzeiger gibt, kann man hier auch die seltene Heidehummel finden.

Gestern gabs bereits erste winzige pollensammelnde Arbeiterinnen der Nordischen und der Heidehummel, das bedeutet, sie haben hier ein Nest und sind auf dieser Höhe bodenständig. Die Höhenhummel-Königin habe ich bei einer früheren Exkursion auf nur 999m Seehöhe gefunden (normalerweise ab 1800-2000m).


Muralis

Zitat von: Ralla am 04.Jun.22 um 17:31 UhrOh wie schön, Standortfotos. :thumb

Ja, vor allem die D. lapponica dürfte in einem Orchideenforum von Interesse sein, gibt nicht so viele Bilder aus Mitteleuropa davon. Typisch sind der armblütige, asymmetrische Blütenstand, der kantige, oben purpurn überlaufene Stängel, die wenigen Blätter am Stängel verteilt ohne Grundblattrosette.
Am Habitatbild sieht man übrigens rechts eine Pflanze mit Merkmalen von majalis.

Ralla

Zitat von: Muralis am 04.Jun.22 um 17:49 UhrJa, vor allem die D. lapponica dürfte in einem Orchideenforum von Interesse sein, ....

Von der hatte ich noch nie gehört.
Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

Muralis

Hat aber sogar einen eigenen thread hier im Forum  :yes

walter b.

Wunderbare Bilder, Wolfgang! Vielen Dank dafür und für Deinen Bericht!

D. lapponica ist in Ost-Österreich wohl wirklich selten. Ich kenne sie eigentlich nur aus Salzburg, wenn ich mich richtig erinnere.

Muralis

Nein, Walter, nach Salzburg muss man da nicht fahren, um lapponica zu sehen. Es ist in den Dolomittälern dieser Region relativ verbreitet, also nö.-stmk. Grenzgebiet, vielleicht bis nach Oberösterreich.
Da in diesen Gegenden natürlich auch majalis vorkommt, muss man allerdings aufpassen, dass man reine Populationen hat.
Z.B. an Forststraßen im Raum Rotwald konnte man die Art auch recht häufig sehen. Aber jetzt kann man ja nicht mehr hinfahren. Wegen der Ausweitung des Wildnisgebietes auf die steirische Seite zum Lassingbachtal wurde die Straße für das Publikum gesperrt. Was nicht verwunderlich ist. Während man früher dort mutterseelenallein ungestört forschen konnte, sind zuletzt sogar die zahlreichen Motorradfahrer von der Salzatal-Bundesstraße bis nach Rotwald reingefahren, es wurde dort zum Volksauflauf.

Herbert

Liebe Grüße aus Linz!
Herbert

walter b.

Zitat von: Muralis am 06.Jun.22 um 08:46 UhrNein, Walter, nach Salzburg muss man da nicht fahren, um lapponica zu sehen. Es ist in den Dolomittälern dieser Region relativ verbreitet, also nö.-stmk. Grenzgebiet, vielleicht bis nach Oberösterreich.
Da in diesen Gegenden natürlich auch majalis vorkommt, muss man allerdings aufpassen, dass man reine Populationen hat.
Z.B. an Forststraßen im Raum Rotwald konnte man die Art auch recht häufig sehen. Aber jetzt kann man ja nicht mehr hinfahren. Wegen der Ausweitung des Wildnisgebietes auf die steirische Seite zum Lassingbachtal wurde die Straße für das Publikum gesperrt. Was nicht verwunderlich ist. Während man früher dort mutterseelenallein ungestört forschen konnte, sind zuletzt sogar die zahlreichen Motorradfahrer von der Salzatal-Bundesstraße bis nach Rotwald reingefahren, es wurde dort zum Volksauflauf.

Wolfgang, ich hatte gemeint, dass ich persönlich die Art nur aus Salzburg kenne.
Im von Dir beschriebenen Gebiet war ich zwar schon zumindest ein Mal, aber über der Baumgrenze...

Muralis

Okay, ich dachte, du wärest extra wegen der lapponica nach Salzburg gefahren, das wären dann doch einige km zuviel  grins

Aber mit OÖ hatte ich recht, danke Herbert. Das Dreiländereck hat einfach diese phantastischen Dolomittäler, wo auch diese bemerkenswerten Nordostalpen-Endemiten vorkommen.

walter b.

Zitat von: Muralis am 06.Jun.22 um 20:49 UhrOkay, ich dachte, du wärest extra wegen der lapponica nach Salzburg gefahren, das wären dann doch einige km zuviel  grins

Aber mit OÖ hatte ich recht, danke Herbert. Das Dreiländereck hat einfach diese phantastischen Dolomittäler, wo auch diese bemerkenswerten Nordostalpen-Endemiten vorkommen.

Ich denke, das muss ich mir einmal unterhalb der Baumgrenze anschauen...