Cypripedien-Aussaat, Versuch einer Diskussion, Teil 1

Begonnen von Claus, 15.Apr.11 um 23:22 Uhr

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Claus

Ihr, die ihr zumeist Cypripedien möglichst schon blühfähig kauft und kultiviert, habt vielleicht keine Ahnung wie interessant das Aussäen ist. Seit 2006 säe ich Cypripedien aus, damals mit zunächst sehr mäßigem Erfolg. Erst 2008 mit einer Grünaussaat von Cyp. calceolus, deren Kapseln offenbar zum richtigen Zeitpunkt Anfang August geerntet wurden, gab es mit Massenkeimungen den ersten Durchbruch. Seither habe ich viele Arten ausgesät und will dazu einige Details aufschreiben, damit nicht irgendwann alles vergessen ist. Na, es wird wieder eine lange Geschichte. Ich muss sie wohl wieder aufteilen.

Zunächst einmal das Thema: Grünaussaat oder Aussaat reifer Samen?

Reife Samen haben natürlich den Vorteil, dass sie sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt aussäen und versenden lassen. Meine Erfahrung mit verschiedenen Bleichmethoden und Böden ist aber, dass die Keimrate in fast allen Fällen extrem niedrig ist, so dass bei einigen Arten oft auch behauptet wurde, es ginge gar nicht. Dazu werden in der Literatur die verschiedensten Nährboden-Zusammensetzungen diskutiert und auch unterschiedliche Arten der Vorbehandlung, Kälte oder Schwefelsäure mal als Beispiele.

Die Grünaussaat hat eben den Nachteil, dass man erstens nicht weiß, wann der optimale Zeitpunkt der Ernte ist und zweitens, dass die Samen sehr rasch ausgesät werden müssen, sie halten nur ein paar Tage; genug für den Versand im Inland, schon nicht mehr in andere Kontinente (z.B. aus USA).

Aber wenn der Zeitpunkt der richtige ist, kann man bei der Grünaussaat mit Massenkeimungen rechnen.

Zum Nährboden:
Ich habe die ersten Aussaaten auf meinen älteren Nährböden gemacht und finde eigentlich keine Unterschiede zu dem meist benutzten Boden von Bill Steele. Dazu muss man wissen, dass der ursprünglich von Bill entwickelte Boden 400 - 1.400 mg/l Ammoniumnitrat enthielt. Ich hatte aber herausgefunden, dass Ammonium im Aussaatmedium für viele Orchideengattungen sehr ungünstig ist und die Keimung sogar verhindern kann. Als ich Bill einmal dazu ansprach, bestätigte er dies; er hat sein Medium inzwischen auch geändert und setzt statt Ammoniumnitrat jetzt 400 mg/l Caseinhydrolysat ein. Damit ist sein Medium gar nicht mehr so unterschiedlich von meinem, sie unterscheiden sich i.w dadurch, dass ich Haushaltszucker, B-Vitamine, Ananas, Kartoffelextrakt und Kokoswasser zusetze und Bill Traubenzucker, kleine Kartoffelstückchen und keine B-Vitamine.

Phytohormon-Zusätze:
Ich hatte Versuche mit Zusätzen von IAA, BAP und Kinetin gemacht und fand 0,2 ppm BAP als recht günstig. Bill hat nach längerer Erfahrung jetzt 0,5 ppm Kinetin in der Rezeptur, dem schließe ich mich inzwischen an. Bei der Aussaat reifer Samen muss man wohl Cytokinine zusetzen. Bei der Grünausaat sind keine Phytohormone erforderlich. Da sie die weitere Entwicklung der Protokorme auch stören können, sollte man sie auch nur zusetzen, wenn ohne sie keine Keimung erfolgt. Auf keinen Fall gehören sie uns Umlegemedium!

Bleichmittel:
Ich finde keine Unterschiede zwischen NaOCl und Calciumhypochlorit, Bill setzt grundsätzlich nur noch 0,5% NaOCl ein. Er wäscht nach der Bleiche sorgfältig mit sterilem dest. Wasser nach, ich inzwischen auch, weiß aber noch nicht, ob das etwas bewirkt.

Bleichzeiten:
Hier gibt es einen großen Gegensatz. Ich bleiche erfolgreich zwischen 10 und vielleicht 25 min, da fängt Bill erst an und bleicht bis 60 min oder im Fall Cyp. arietinum sogar bis 2 1/2 Stunden. Bill hat aber auch ein anderes Verfahren, er "weicht" die Samen zunächst einige Stunden mit Wasser ein, dem als Netzmittel Tween 80 zugesetzt wird, dabei setzt er das Gefäß mit Samen und Wasser mit einer Handpumpe unter Vakuum, das er mehrmals wechseln muss. Damit erreicht er, dass die Luft aus der Testa entweicht und die Samen absinken. Oben bleiben nur die tauben Samen schwimmen und werden entfernt. Erst nach dem Absaugen des Wassers beginnt er die Bleiche.

Die von Bill empfohlenen langen Bleichzeiten haben bei mir überhaupt kein brauchbares Ergebnis erzielt, ich komme mit 15-25 min besser zurecht. Die Vakuummethode brachte bei mir auch keine Verbesserung. Die von Bill beobachtete partielle Bleiche bei Cyp. arietinum in Form eines äquatorialen braunen Streifens konnte ich bislang auch nicht nachvollziehen.

Vorbehandlung:
Eine VB mit 2% Schwefelsäure über 5 min und anschließende Bleiche brachte bei reifen Samen von Cyp. montanum eine geringe Keimung. Ohne diese soll das gar nicht gehen, den Gegenversuch habe ich aber mangels Samen nicht gemacht. Bill hat jedenfalls keinen Erfolg mit reifen Samen gehabt. Die dabei erzielten Sämlinge wachsen sehr gut, das scheint aber  eine Eigenschaft der Art zu sein.

Eine VB mit 3 Monaten Kühlschrank habe ich mit Cyp. reginae im Vergleich mit einer Aussaat ohne Kühlung durchgeführt. Die Keimung nach Kühlung scheint verstärkt zu sein und erfolgt zeitlich gleichmäßiger. Ohne Kühlung zieht sich die Keimung über eine längere Zeit hin, insgesamt habe ich aber nicht den Eindruck, dass sie geringer ist.

Erfolgreiche Kultivierung nach dem Umlegen:
Es gibt Arten, die sich nach dem Umlegen hervorragend entwickeln, dazu zähle ich insbesondere Cyp. calceolus und montanum. Auch passerinum entwickelt sich relativ gut. Leider bilden viele Arten sehr leicht Phenole im Nährboden, und wenn man dann nicht rechtzeitig neu umlegt, zerstören sich die Sämlinge rasch selbst. Dazu gehören insbesondere reginae, tibeticum, macranthos und in gewissem Rahmen auch guttatum und flavum. Bei macranthos kann das so weit führen, dass sich die Protokorme schon im Aussaatglas kurz nach der Keimung töten. Problematisch ist es dann, wenn die Sämlinge schon relativ lange Wurzeln haben, die sich im Glas beginnen zu ringeln. Dann kann man sie eigentlich nicht mehr umlegen und muss sie vernalisieren, d.h. 3-4 Monate im Kühlschrank bei ca. 4°C lagern. Schade, wenn sie dazu dann eigentlich noch zu klein waren.

Bei Cyp. macranthos habe ich allerdings auch eine Serie, bei der keine Phenolbildung auftrat und die derzeit vernalisieren. Hoffen wir, dass es wirklich macranthos sind!
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Cyp. acaule:
Diese Art zieht sich ja bezüglich Kultivierung schon lange durch das Forum. Ich habe einige Male die Gelegenheit gehabt reife Samen von acaule zu bekommen. Leider habe ich bisher keinerlei Erfolge mit der Keimung gehabt mit Ausnahme eines einzigen Sämlings, bei dem ich aber aus der Art der Aussaat-Parameter nichts ablesen kann, woran das gelegen haben könnte. Und da der Sämling auch keiner anderen Art ähnelt, die ich bisher zum Keimen brachte, denke ich schon, dass es eine acaule ist.

Ich zitiere mal Aussagen zum Thema:
Von Uta von Rad hört man, dass sie ausschließlich reife Samen von acaule verwendet, keine Grünaussaat macht. Ansonsten reagierte sie auf meine Fragen nicht mehr. Timm Willem hat mal acaule erfolgreich ausgesät und wundert sich, dass es mir nicht gelingt. Bill Steele schrieb mir, dass er acaule mit 45-65 min lange bleicht und die Keimung bis zu einem Jahr dauern kann. Auch von der üblichen Kühlung nach der Aussaat für 3-4 Monate kann man irgendwo lesen.

Ich habe kurz und lang gebleicht, gekühlt und nicht gekühlt, verschiedene Böden probiert, ohne Erfolg. Dieser eine Sämling stammt aus einer sog. Grünaussaat. Aber die Kapsel war von Ende September, zwar außen noch grün, die Samen innen aber natürlich schon reif. Ich habe dennoch zunächst nur die Kapsel desinfiziert und dann ausgesät. Parallel habe ich auch die Samen gebleicht, ohne Erfolg. Mit Gerhard bin ich einig, dass wir in diesem Sommer eine wirkliche Grünaussaat von acaule machen, d.h. die Kapsel viel früher ernten.

Cyp. arietinum:
Zur Zeit läuft noch ein Versuch mit der Vakuummethode und 3 Monate absoluter Dunkelheit. Gebleicht wurde nur 45 min, dann waren nur noch geringe Reste des braunen Farbpigments auf der geschlossenen Seite der Testa vorhanden. Es sieht so aus, als wären nach 3 Monaten zwei Embryonen gekeimt. Bill hat mir empfohlen, die Gläser jetzt noch 4 Monate in den Kühlschrank zu stellen. Falls die Bleiche zu kurz war, wären die Samen dann keimfähig. Hätte ich überbleicht würde aber nichts zusätzlich keimen. Aus der Sicht von Bill wären 45 min viel zu kurz. Aus meiner ersten Aussaat hatte ich einen einzelnen sehr gut wachsenden Sämling, den ich blöderweise kurz vor einem Urlaub umlegte. Und nach dem Urlaub gähnte im Glas nur noch der Schimmelpilz. Ich hätte den Sämling retten können, verschüttete Milch!

Ich komme jetzt zu einem recht spekulativen Verdacht zu den langen Bleichzeiten der Amerikaner:
Mir sind diese langen Bleichzeiten der amerikanischen Literatur bei allen Gattungen schon immer suspekt gewesen. Ich könnte mir nur einen einzigen Grund vorstellen, dass die Konzentration des in den USA benutzen Clorox nur den halben Wert hat, d.h. nicht 5-6 % sondern nur 2,5-3 %. Wie komme ich darauf? Wenn man in Deutschland technische Chlorbleichlauge kauft, wird normalerweise nicht der Gehalt in Prozent NaOCl angegeben, sondern auf meiner Literflasche steht ,,ca. 12% Cl aktiv". Was heißt das? Das heißt, dass die Chlorbleichlauge ca. 6% NaOCl enthält. Das sog. aktive Chlor wird mittels Titration mit Salzsäure bestimmt, dabei entwickelt sich elementares Chlor, das gemessen wird und zur einen Hälfte aus dem NaOCl und zur anderen Hälfte aus der Salzsäure stammt. Man erhält also sozusagen die doppelte Menge Chlor. Ich halte das für einen uralten Marketingtrick. 12% Aktivgehalt an Chlor hört sich natürlich viel besser an als 6% NaOCl-Gehalt. Typischer sales talk!

DanKlorix enthält laut Angabe auf der Flasche ,,2,8% Natriumhypochlorit". Das würde rechnerisch ungefähr 5,26% aktivem Chlor entsprechen, und Clorox, auch als household bleach bezeichnet enthält eben ca. 5% ,,NaOCl". Ich finde im Internet immer nur diese Angabe von 5,25%: http://pages.slc.edu/~aschultz/chemical_hygiene/MSDS/theater%20msds/BLEACH%20CLOROX.PDF

Ich finde aber auch Angaben mit ,,5% active chlorine": http://actrav.itcilo.org/actrav-english/telearn/osh/ic/7681529.htm

Aber in einem Poolforum wird die Katze aus dem Sack gelassen, wonach 6% Gehalt an NaOCl 5,7% ,,available chlorine" sein sollen, und ,,available" wird im Sinne von ,,aktiv" gebraucht: http://www.poolforum.com/pf2/archive/index.php/t-5992.html Diese Gleichstellung ,,available chlorine" = Gehalt an NaOCl ist aber nachweislich falsch.

Falls das ,,Clorox" oder ,,Chlorox" – beide Namen spuken herum: http://www.eucalyptusmagazine.com/Blogs/Earth-Talk/July-2010/Pouring-bleach-down-the-drain/EarthTalkBleach.jpg – nur 5,25% aktives Chlor enthielte, dann wären das 2,8% NaOCl (wie DanKlorix), und die Amerikaner würden nicht mit 0,5% NaOCl bleichen sondern nur mit 0,25%. Und dann würden die langen Bleichzeiten auf einmal verständlich. Und vielleicht auch die besseren Keimungsergebnisse; denn NaOCl ist immer auch ein Embryonengift, bei dem man die kritische Balance zwischen Abbau der Keimhemmstoffe und Abtöten halten muss.

Vielleicht hat jemand von euch die Möglichkeit dies zu überprüfen. Ich weiß aber, dass auch in Europa ,,aktives Chlor" und ,,NaOCl" vielfach völlig durcheinander gehen. Ich werde Bill bitten, mir mal genauere Unterlagen zum ,,household bleach" zu beschaffen.

Ich finde diese Zahlen 5,26% rechnerisch und 5,25% als Firmenangabe faszinierend. Aber vielleicht ist das auch nur Phantasie.

Vernalisieren:
Da habe ich noch wenig Erfahrung. Es wird immer behauptet, dass die Sämlinge ausgeflascht sein sollten. Ich kann das bislang nicht bestätigen, bei mir vernalisieren sie auch sehr gut im Nährboden. Aber bei großen Mengen hat man meist keinen genügend großen Kühlschrank.

Dann soll man die Sämlinge in Plastiktüten mit ein paar Tropfen Wasser einschließen. Bei mir führte das immer dann zu schwarzen Wurzeln, wenn diese die geringen Mengen Wasser berührten.

Bei einem mir kürzlich empfohlenem Verfahren werden die Sämlinge in einem Glas auf feuchter Perlite vernalisiert; damit entfällt der Kontakt mit flüssigem Wasser. Zur Zeit liegen bei mir im Kühlschrank große Mengen an verschiedenen Sämlingen auf feuchter Perlite, und bisher haben sie sich nicht verändert. Diese Methode gefällt mir sehr.

Zum Auspikieren schreibe ich hier noch nichts, da meine bisherigen Erfahrungen dazu nicht ausreichen, ich hatte bislang noch zu viele Ausfälle. Am besten war bislang das gekaufte Cypripediensubstrat, ich will aber auch versuchen, Sämlinge direkt in ein Beet zu pikieren. Auch Moos scheint mir ähnlich wie bei Calypso ein gutes Mittel zu sein, bessere Resultate zu bekommen.   
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Timm Willem

#2
Zitat von: Claus am 15.Apr.11 um 23:22 Uhr
Zunächst einmal das Thema: Grünaussaat oder Aussaat reifer Samen?

Reife Samen haben natürlich den Vorteil, dass sie sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt aussäen und versenden lassen. Meine Erfahrung mit verschiedenen Bleichmethoden und Böden ist aber, dass die Keimrate in fast allen Fällen extrem niedrig ist, so dass bei einigen Arten oft auch behauptet wurde, es ginge gar nicht. Dazu werden in der Literatur die verschiedensten Nährboden-Zusammensetzungen diskutiert und auch unterschiedliche Arten der Vorbehandlung, Kälte oder Schwefelsäure mal als Beispiele.

Die Grünaussaat hat eben den Nachteil, dass man erstens nicht weiß, wann der optimale Zeitpunkt der Ernte ist und zweitens, dass die Samen sehr rasch ausgesät werden müssen, sie halten nur ein paar Tage; genug für den Versand im Inland, schon nicht mehr in andere Kontinente (z.B. aus USA).

Aber wenn der Zeitpunkt der richtige ist, kann man bei der Grünaussaat mit Massenkeimungen rechnen.
Ich würde zu dem Thema noch gerne zwei Ergänzungen beitragen, da ich diesen für den mit Abstand wichtigsten Punkt halte.

Erstens, nicht direkt zur Grünaussaat, aber an dieser Stelle vielleicht richtig. Bei der Keimfähigkeit spielen eine außerordentlich wichtige Rolle der Ernährungszustand der Mutterpflanze und das handwerkliche Geschick des Bestäubers. Wenn es aus diesen beiden Gründen schon zu einem geringen Samenansatz kommt, ist der Aussaaterfolg gefährdet.

Alte, optimal eingewachsene Mutterpflanzen bringen grundsätzlich die besten Ergebnisse.

Wenn der Pollen nicht gleichmäßig im klebrigen Zustand über die ganze Narbe verteilt wird, sind später die drei Rippen der Kapsel ungleich mit Samen besetzt.

Zweitens, die suboptimale Aussaat. Wenn wegen der mannigfaltigen aber hier beliebigen Gründe aus dem Inhalt von beispielsweise vier vollen Kapseln nur dreißig Sämlinge entstehen, kann man die auch gleich entsorgen. Es hat sich als absoluter Murks herausgestellt mit einer solchen Gruppe weiter herum zu experimentieren. Manchmal zeigt sich das bittere Ende erst nach dem Pikieren, aber es kommt mit großer Wahrscheinlichkeit.

Eine optimale Aussaat führt natürlich zu einem anderen Problem. Bei vier vollen Kapseln können da schon mal 20000 völlig verfilzte Protokorme entstehen. Man sollte dann so schnell wie möglich reduzieren, denn wenn sie verfilzt sind, beginnen sie schon abzusterben.


Das klassische Beispiel calceolus: die Art gilt als sehr problematisch, warum? Die Keimrate wird in der Literatur und von vielen Aussäern als durchgehend schlecht bezeichnet. Dies kann ich bestätigen, bei vollreifem Saatgut ist sie sogar grottig!!! Aus einzelnen vollreifen Kapseln die praktisch vor Samenmenge fast platzen, entstehen selbst bei der Aussaat einer noch gerade geschlossenen Kapsel oft nur ein bis zehn Sämlinge mit geringer Vitalität. Dagegen gibt es aber Beispiele, bei denen eine echte Grünaussaat zum optimalen Zeitpunkt durchschnittlich über 400 vitale Sämlinge(bei wesentlich mehr Protokormen) pro Kapsel ergab. Was ist nun der eigentliche Punkt? Die Samen von calceolus sind nur wenige Tage maximal ein bis zwei Wochen im optimalen Zustand für die direkte Keimung. Seltsamerweise ließ sich diese Erkenntnis nicht von Norddeutschland auf Süddeutschland oder Österreich übertragen. Es ist nicht gelungen die meist sehr guten Ergebnisse von in Norddeutschland gereiften Kapseln auf jene aus dem Süden bei gleichem Reifezustand zu übertragen.

Es gibt ein paar Tricks mit denen man einige Verbesserungen der Keimrate bewirken kann. Bei calceolus gelingt aber, anders als bei anderen Arten, zumindest bei der Keimrate kein echter Durchbruch dadurch(bei der Vitalität schon etwas). Die Entwicklung pikierfähiger Sämlinge verzögert sich durch diese Behandlung jedoch um ein ganzes Jahr!





Claus

Ich habe heute das Internet gründlich zum Thema Clorox (der Name Chlorox ist falsch) durchstöbert. Die für alle möglichen Orchideen-Gattungen angegebenen Konzentrationen zur Samendesifektion teilen sich etwa gleichmäßig in zwei Gruppen:
1. 0,5 % NaOCl, d.h. 10% Clorox
2. 0,25% NaOCl, d.h. 5% Clorox

Da ich durch fehlerhafte Berechnung am Anfang meiner "Karriere" auch mit 0,14% NaOCl gute Keimergebnisse (allerdings keine Cyps) erhielt, werde ich mit 0,25% NaOCl einige Experimente machen. Je niedriger die Konzentration an Hypochlorit desto geringer die Vergiftung der Embryonen, aber auch je länger die Bleichzeit.

Bei der Bleiche von Epipactis helleborine, Cephalanthera longifolia mit 0,5% NaOCl hatte ich immer den Eindruck, dass sich die Embryonen nach 3-4 Tagen gelborange verfärbten und abstarben.

Timm Willem: Jetzt ist natürlich noch die Frage, wie lange bleiben trockene Cypripediensamen im Kühlschrank überhaupt keimfähig? 
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Timm Willem am 17.Apr.11 um 06:03 Uhr

Wenn der Pollen nicht gleichmäßig im klebrigen Zustand über die ganze Narbe verteilt wird, sind später die drei Rippen der Kapsel ungleich mit Samen besetzt.


Das bedeutet doch wohl, dass dann zu wenige Pollen für die Befruchtung der ca. 5000 Samenzellen zur Verfügung stehen.

Erstaunlich, ich hatte eigentlich vermutet, dass erheblich mehr Pollenkörner auf die Narbe gelangen und die Pollenkörner sich irgendwie einigen müssen, welcher Pollenschlauch zu welcher Samenzellen wächst.

Wie machen die das eigentlich? Wer zuerst kommt, malt zuerst, oder wie?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Timm Willem

Zitat von: Claus am 17.Apr.11 um 10:57 Uhr
Da ich durch fehlerhafte Berechnung am Anfang meiner "Karriere" auch mit 0,14% NaOCl gute Keimergebnisse (allerdings keine Cyps) erhielt, werde ich mit 0,25% NaOCl einige Experimente machen. Je niedriger die Konzentration an Hypochlorit desto geringer die Vergiftung der Embryonen, aber auch je länger die Bleichzeit.
Hallo Claus,
grundsätzlich würde ich da, nur um einen Anhaltspunkt zu finden, von einem grob quadratischen Zusammenhang ausgehen, könntest Du das als Chemiker so nachvollziehen? für die biometrische Überlebensrate der Samen denke ich zumindest müsste es so sein. Das würde auch zu den Bleichzeiten aus den USA passen und zu einigen anderen Beobachtungen, die ich mit langen Bleichzeiten in einem anderen Zusammenhang gemacht habe.

Zitat von: Claus am 17.Apr.11 um 10:57 Uhr
Timm Willem: Jetzt ist natürlich noch die Frage, wie lange bleiben trockene Cypripediensamen im Kühlschrank überhaupt keimfähig? 
Anhand von Nachkeimungen würde ich bei calceolus von guten fünf Jahren(warm und auf Medium gelagert), möglichweise von mehr als zehn Jahren bei vollreifen gekühlten trocknen Samen ausgehen.

Timm Willem

Zitat von: Berthold am 18.Apr.11 um 00:19 Uhr
Zitat von: Timm Willem am 17.Apr.11 um 06:03 Uhr

Wenn der Pollen nicht gleichmäßig im klebrigen Zustand über die ganze Narbe verteilt wird, sind später die drei Rippen der Kapsel ungleich mit Samen besetzt.


Das bedeutet doch wohl, dass dann zu wenige Pollen für die Befruchtung der ca. 5000 Samenzellen zur Verfügung stehen.

Erstaunlich, ich hatte eigentlich vermutet, dass erheblich mehr Pollenkörner auf die Narbe gelangen und die Pollenkörner sich irgendwie einigen müssen, welcher Pollenschlauch zu welcher Samenzellen wächst.

Wie machen die das eigentlich? Wer zuerst kommt, malt zuerst, oder wie?
Hallo Berthold,
ich glaube nicht, dass es zu wenig Pollen sind. Vielleicht sind sie nicht mehr im besten Zustand(richtig klebrig) oder wachsen geballt asymmetrisch ein. Jedenfalls kann man oft einen schlechten Samenansatz beobachten, den ich nicht anders erklären kann. Bei Versuchen in den letzten zwei Jahren war eindeutig, dass, wenn ich mir mehr Mühe bei der Bestäubung gegeben habe, auch am Ende bessere Kapseln entstanden sind.

Zitat von: Berthold am 18.Apr.11 um 00:19 Uhr
Wie machen die das eigentlich? Wer zuerst kommt, malt zuerst, oder wie?
Ich glaube wie beim Menschen, keiner kann behaupten, noch nie gewonnen zu haben.