Bestäubungsbiologie

Begonnen von Peter, 01.Feb.09 um 12:07 Uhr

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Peter

Hier, und in anderen Foren, ist meist auschließlich das Aussehen der Orchideenblüten, teilweise nachvollziehbar, thematisiert. Wenn man darüber hinausgehend das biologische System Bestäuber-Blüte betrachtet, ist vielleicht dieser Artikel (Heft 3 von 2008, S. 100 bis 105) interessant.
http://www.orchideen-journal.de/pdf/artikel3_2008.pdf

Ich wünschte mir, wir würden / könnten hier mehr solche Zusammenhänge / Erkenntnisse zusammentragen.
Das Thema könnte m. E. auch als ein Ziel dieses Forums definiert werden: die weiter gehenden Erkenntnisse über Orchideen in ihrer natürlichen Umwelt und die biologischen Zusammenhänge.

Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

pinkcat

ein interessanter Artikel, ich begrüße Deinen Vorschlag!
Zumal dieser Themenkreis sehr reich an Variationen ist, und Vieles kaum oder noch gar nicht erforscht ist.
lg
Uli

Mr. Kaizer

Ja, auf jeden Fall interessant (auch der Artikel darunter, wegen der Tulpenprinzessin). Bin auf jeden Fall dabei, ein bisschen tiefer in die Marterie einzusteigen.
Ich finde es erstaunlich, daß bei Orchideen so wenig auf den Bestäuber eingegangen wird, obwohl viele Arten doch ziemlich spezialisiert sind. Okay, bei Ophrys passiert das schon, aber bei vielen Gattungen/Arten eben nicht. Klar, das liegt zum Teil daran, daß für viele Arten der Bestäuber einfach unbekannt ist, aber bei vielen kennt man ihn eben doch.
Ich würde mir bei Artbeschreibungen eigentlich Aussagen wie "wird vorwiegend/idR/vermutlich von Nachtfaltern/Bienen/Fruchtfliegen/Orchideengärtnern (der Gattung XY) bestäubt" wünschen. Ich finde, daß sowas zu einer Artbeschreibung dazugehört.

Dieses Buch ist dabei ganz interessant, ich kenne es aber auch nur aus der GoogleBooks-Voransicht:
http://books.google.de/books?id=kUGL1TAaEtEC

Gruß
Robert

Peter

wir sollten diesen Aspekte gemeinsam vertiefen.

BTW:
es gibt schon von Darwin ein Buch mit dem schönen Titel  "Die verschiedenen Einrichtungen durch welche Orchideen von Insecten befruchtet werden".
Dieses ist wohl bei google gescannt.

Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Carsten

Wichtiges Thema, finde ich. Bei den Stanhopeinae (richtige Endung?) gibts recht gute Kenntnisse über die Bestäuber, bei vielen australischen Erdorchis ebenso. Hat jemand den Artikel von Asher über die Bestäubung von Paph. rothschildianum? War ungefähr 1983 im Orchid Digest, glaube ich.

Dieser Pollinationatlas steht schon länger auf meiner Bücherwunschliste, vielleicht sollte ich ihn eine wenig nach oben rücken, sonst ist er bald vergriffen.

Ich könnte (gegen pm, da nicht open source) einen guten Artikel über "Orchideenbienen" (Euglossiniae) beisteuern. Ebenso gibts einen schönen, frei zugänglichen Artikel von Lehnebach und Robertson in den Annals of Botany über die Bestäubungsökologie von neuseeländischen Earinaarten.

Leider ist über die Bestäubung unserer verbreiteten und vielbewunderten Phalaenopsishybriden nur sehr wenig bekannt. Das schließe ich jedenfalls aus den zahlreichen Beiträgen in Internetforen in zu diesem Thema.

Viele GRüße, Carsten

Frodo

#5
Hey Folks,
als alter Labor-Hobbit verfolge ich solche Diskussionen nat. ungewöhnlich aufmerksam. Gleich vorweg die Frage: Warum ist die Frage hier spezifisch für Paph. dianthum formuliert? Reine Neugier, oder steht die Frage im Zusammenhang zur Art, oder weiterer Fragen zur Art dianthum? Viel kann ich zum Thema nicht beitragen, für's Labor hat die Frage keine Relevanz (erstmal), da Hobbits nur soweit sehen, wie die Kapsel lang ist. Doch habe ich ein Problem, welches sich Heute sicher (fast) nichtmehr lösen läßt. Ich versuche seit ihrer ersten Blüte vor fast 10 Jahren Mexipedium xerophyticum zu bestäuben. Mein heutiger Stand ist: Ohne neurochirurgisches Mikroskop ist es nicht machbar. Mit bloßem Auge sieht man rein garnichts, und alle Lupen oder Kopfaufsätze waren bisher nutzlos. Ich gehe davon aus, daß eine Fruchtfliege hier evtl. weiterhelfen könnte. Zu wissen wie eine Befruchtung am Standort stattfinden würde: wäre wertvoll. Die Frage danach ist jedoch akademisch, denn alle Standorte waren 1 Jahr nach Entdeckung: einem Mondkrater ähnlich (leergefegt!). Somit bleibt praktisch betrachtet: eine Serie von Fruchtfliegen-Versuchen, oder eine rel. aufwendige Mikroskopanlage.

Zurück zu dianthum. Paph. dianthum wächst im selben Habitat wie micranthum, und doch gibt es wohl keine bekannte Naturhybride! Dies läßt darauf schließen das die nat. Bestäuber "inkompatibel" mit der jeweils anderen Blüte sind, was nicht verwunderlich wäre, und nicht bedeutet das es unmöglich ist. Sieht man sich die gesamte Blüte, und im besonderen die Säule und die Position der Narbe bei micrathum an: läßt dies nur auf einen höchstgradig spezialisierten Bestäuber schließen, welcher allein schon wegen der besonderen Anatomie einer micrathum keinerlei Chance bei einem dianthum hätte. Man braucht kein Botaniker sein, und auch kein Insekt, um dies zu erkennen. Eine Frage die mir hier im Zusammenhang in den Sinn kommt wäre: werden alle gelockt-petaligen Paphiopedilum Arten von bodenbewohenden (flugunfähigen) Insekten bestäubt? Paph. sanderianaum wäre hier das ultimative Beispiel, doch ein Paph. dianthum wäre das Beispiel am anderen Ende des Spektrums.

Interessierte Grüße,
The Hobbit
My Flickr Stream:

http://www.flickr.com/photos/10293393@N02/?saved=1

Die Halb-Wahrheit des Tages:
"Hybridizing is like doing wood sculpture with a shotgun" Ross Hella, 2008

(Gott, mein Deutsch ist schlimmer als mein English)! :ka

Frodo

Nachtrag:
Soweit mir bekannt, und hier bin ich mir relativ sicher:
wurde Mex. xerophyticum seid Ihrer Einführung niemals erfolgreich via Aussaat vermehrt. Ob dies daran liegt das die Art leicht vegetativ vermehrt werden kann, oder ob es mit meinen o.g. Problemen zu tun hat vermag ich nicht zu sagen.

Aus persönlicher Kommunikation mit Tom Kalina weiß ich das es Versuche gegeben hat xerophyticum in Phragmipedium Hybriden-Programme einzuarbeiten. Ein Versuch aus Phrag. besseae x Mex. xerophyticum war (bestätigt) mehrfach erfolgreich als wüchsige In Vitro Vermehrung genannt, doch ex vitro nicht lebensfähig. Ebenfalls, soweit bekannt: gibt es bis Heute keine Hybriden mit der Art. Die Frage die sich hier stellt wäre: Die Pollen eines xerophyticum sind mit dem Auge fast nichtmehr sichtbar, und um derartige Pollen freizupräparieren: braucht es wieder den o.g. technischen Geräte-Pool, doch die Frage ist: wieviel Pollenmasse ist nötig, um andere Blüten (um einen Faktor 10-100 größer als der Pollenspender!) befruchten zu können?

Ich hoffe all dies ist nicht zu weit vom eigentlichen Thema entfernt!? Falls gewünscht könnte man meinen Post gerne zu einem "Extra-Thema" machen.

Gruß,
The Hobbit
My Flickr Stream:

http://www.flickr.com/photos/10293393@N02/?saved=1

Die Halb-Wahrheit des Tages:
"Hybridizing is like doing wood sculpture with a shotgun" Ross Hella, 2008

(Gott, mein Deutsch ist schlimmer als mein English)! :ka

Ahriman

Auch interessant...
Orchid Pollination Biology von Mark Whitten: http://hort.ifas.ufl.edu/osc2006/whitten.pdf

Frodo, das mit dem Mexipedium ist interessant!
Bist du sicher dass es niemals generativ vermehrt wurde?
Naja, die Seltenheit in Kultur und die von dir beschriebenen Probleme mit der Bestäubung würden dafürsprechen...
Meins (vom Kopf einen Ableger erbettelt) hat bislang noch nicht geblüht also kann ich zur Bestäubung nichts sagen.

Wenn es aber tatsächlich nie klappt kann das doch möglicherweise an Selbststerilität liegen? Oder denkst du es ist wirklich ein mechanischen Problem?
Ich hab unterm Binokular mit Präpariernadeln schon einige Pleuro-Miniblüten erfolgreich bestäubt, mit Schuhen kenn ich mich aber nicht sehr aus.
Was die Pollenmasse betrifft denke ich nicht dass das relevant ist.

Kannst du näheres dazu sagen warum die Hybridensämlinge ex vitro nicht lebensfähig waren?
Das ist doch ungewöhnlich...
Normalerweise keimt bei genetischer Inkompatibilität gleich gar nix.
Entwickeln sich tatsächlich Pflanzen daraus oder nur kallusartige Massen?
Wäre interessant worin genau das Problem besteht.

LG,
Christian

Peter

Zitat von: Mr. Kaizer am 02.Feb.09 um 00:13 Uhr
Ja, auf jeden Fall interessant (auch der Artikel darunter, wegen der Tulpenprinzessin). Bin auf jeden Fall dabei, ein bisschen tiefer in die Marterie einzusteigen.
Ich finde es erstaunlich, daß bei Orchideen so wenig auf den Bestäuber eingegangen wird, obwohl viele Arten doch ziemlich spezialisiert sind. Okay, bei Ophrys passiert das schon, aber bei vielen Gattungen/Arten eben nicht. Klar, das liegt zum Teil daran, daß für viele Arten der Bestäuber einfach unbekannt ist, aber bei vielen kennt man ihn eben doch.
Ich würde mir bei Artbeschreibungen eigentlich Aussagen wie "wird vorwiegend/idR/vermutlich von Nachtfaltern/Bienen/Fruchtfliegen/Orchideengärtnern (der Gattung XY) bestäubt" wünschen. Ich finde, daß sowas zu einer Artbeschreibung dazugehört.

Dieses Buch ist dabei ganz interessant, ich kenne es aber auch nur aus der GoogleBooks-Voransicht:
http://books.google.de/books?id=kUGL1TAaEtEC

Gruß
Robert

Dieses Buch finde ich schon mal außergewöhnlich informativ. Kostet über abebooks etwa € 80.- gebraucht....
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Peter

Zitat von: Ahriman am 04.Feb.09 um 00:00 Uhr
Auch interessant...
Orchid Pollination Biology von Mark Whitten: http://hort.ifas.ufl.edu/osc2006/whitten.pdf

Frodo, das mit dem Mexipedium ist interessant!
Bist du sicher dass es niemals generativ vermehrt wurde?
Naja, die Seltenheit in Kultur und die von dir beschriebenen Probleme mit der Bestäubung würden dafürsprechen...
Meins (vom Kopf einen Ableger erbettelt) hat bislang noch nicht geblüht also kann ich zur Bestäubung nichts sagen.

Wenn es aber tatsächlich nie klappt kann das doch möglicherweise an Selbststerilität liegen? Oder denkst du es ist wirklich ein mechanischen Problem?
Ich hab unterm Binokular mit Präpariernadeln schon einige Pleuro-Miniblüten erfolgreich bestäubt, mit Schuhen kenn ich mich aber nicht sehr aus.
Was die Pollenmasse betrifft denke ich nicht dass das relevant ist.

Kannst du näheres dazu sagen warum die Hybridensämlinge ex vitro nicht lebensfähig waren?
Das ist doch ungewöhnlich...
Normalerweise keimt bei genetischer Inkompatibilität gleich gar nix.
Entwickeln sich tatsächlich Pflanzen daraus oder nur kallusartige Massen?
Wäre interessant worin genau das Problem besteht.

LG,
Christian

In der Whitten- Präsentation  steht alles drin. Super.
Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Peter

#10
neulich gab es einen Vortrag zum Thema Bestäubungsbiologie in der Freiburger Uni. Hier meine laienhafte Zusammenfassung:

Die Bestäubung von Orchideenblüten (Vortrag Dr. Claudia Gack)

Bei Orchideen sind die Pollen zu Pollenpaketen verwachsen (Pollilien). Die Pakete besitzen  an der abstehenden Seite eine klebrige Scheibe. Das Pollenpaket wird dem Bestäuber bei seinem Besuch entweder auf den Kopf bzw. auf den Körper geheftet.  Als Bestäuber kommen in Frage Insekten (Bienen, Falter), Fledermäuse, Vögel.
Bestäuber werden angelockt durch
1.   Nektar (Nahrung)

2.   Färbung

3.   Ätherische Öle (Geruch):
z. B. bei Gongora, Stanhopea, Coryanthes, Catasetum.
Die Öle werden zum Anlocken von Weibchen (Balz)  verwendet, Sexualduftstoffe. V. a. Prachtbienen des Tribus Euglossini.

4.   Vortäuschen  von
-   Nahrung (Orchis, Dactylorhiza)
-   Schlafplatz (Serapias)
-   Eiablageplatz (Dracula)
-   Konkurrenz, bei  territorialen Bienen (Oncidium)
-   Sexualpartner, Weibchen (Ophrys, Cryptostylis, Chiloglottis)


Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Mr. Kaizer

Die Präsentation ist wirklich sehr schön.  :thumb

Peter, sollen wir den Threadtitel nicht in "Bestäubungsbiologie" ändern, also den Zusatz "Paph. dianthum" streichen? Dann fühlen sich alle angesprochen und wir können hier Gattungsübergreifend sammeln.

Gruß
Robert

Peter

Zitat von: Mr. Kaizer am 06.Feb.09 um 22:47 Uhr
Die Präsentation ist wirklich sehr schön.  :thumb

Peter, sollen wir den Threadtitel nicht in "Bestäubungsbiologie" ändern, also den Zusatz "Paph. dianthum" streichen? Dann fühlen sich alle angesprochen und wir können hier Gattungsübergreifend sammeln.

Gruß
Robert


Robert, ja, das ist eine gute Idee.
Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)

Phil

Vielleicht interessiert ja einen das gleiche Thema für barbigerum
http://www3.interscience.wiley.com/journal/121405334/abstract

Ist sogar noch frei zugänglich.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Peter

#14
Zitat von: Phil am 06.Feb.09 um 23:09 Uhr
Vielleicht interessiert ja einen das gleiche Thema für barbigerum
http://www3.interscience.wiley.com/journal/121405334/abstract

Ist sogar noch frei zugänglich.

noch ein guter Artikel, toll.
Drei Jahre Untersuchung im Feld an Paph. barbigerum.
Bestäubungserfolg durch Täuschung: das attraktive Staminodium lockt mit seiner Farbe den Bestäuber an.
Es wird in dieser Arbeit auch hingewiesen auf das Bestäubungssystem bei Paph. dianthum, bei dem werden Brutplätze vorgetäuscht. In beiden Fällen sind Schwebfliegen die Bestäuber.

Gruß
Peter
Grüße
P.

Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von Jedem! (Karl Valentin)