Standard-Rezeptur für holzhaltige Substrate, symbiotische Aussaat

Begonnen von Claus, 06.Dez.09 um 22:41 Uhr

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Claus

Die Versuche mit den Sägespänen sind weitgehend abgeschlossen und verliefen nicht besonderes befriedigend. Starke Keimung bzw, Massenkeimung ja, aber die Entwicklung ist deutlich schlechter als auf dem imprägnierten Holzgemisch, das ich früher beschrieben hatte. Und merkwürdig: Die Keimung auf Eiche und Buche war gut, auf Fichte schlecht, jetzt ist es umgekehrt, die Sämlinge auf Fichte sind noch am besten dran, vielleicht auch gerade, weil es weniger waren. Man müsste die Sämlinge nach dem Keimen auf andere Substrate umlegen, aber das war ja nicht der Sinn dieser Versuche.

In einem neuen Versuch habe ich das mit dem Holzgemisch wiederholt. Da bei uns in der Nähe eine Baumhecke geschreddert wurde, habe ich von dem Schreddergut genommen, auch trockne Blätter zugefügt und das Ganze 24 h mit meinem Standard-Gemisch imprägniert und dann sterilisiert. Dabei war diesmal auch viel Holz von Schlehen.

Ausgesät habe ich am 29.9.10 D. maculata, (evtl.) D. traunsteieri, A. morio und O. palustris, gleichzeitig wurde mit B1 infiziert. Nachstehend ist die Entwicklung dieser Aussaaten zu sehen: D. maculata hat überhaupt nicht gekeimt, keine Ahnung weshalb, D. traunsteineri (evtl.) mittelprächtig, A. morio mit nur ganz wenigen Exemplaren und O. palustris Massenkeimung.

Da ich auch parallel auf Haferagar ausgesät hatte, kann man ausschließen, dass die Samen teilweise schlecht keimfähig waren, in allen Fällen war die Keimung dort sehr gut.

Dennoch ist dieses Verfahren schon von daher interessant, dass die Samen unter sehr natürlichen Bedingungen keimen. Die höheren Ausbeuten gegenüber der Natur rühren von der Imprägnierung mit den Hauptnährstoffen, Spurenelementen und B-Vitaminen her; denn ohne diese ist die Keimung immer ganz schwach.

Leider haben wir damit noch keine Standardisierung, da die Holzgemische je nach Herkunft immer unterschiedlich sein werden. Aber es wurde ja auch nur mit einem Pilz gearbeitet. Es hat sich ja gezeigt, dass sich der B1 auf Holz oft völlig anders verhält als auf Hafer. Ich erhalte jetzt zwei weitere Pilze aus England, die auch andere Arten keimen können als der B1. Dr. Beyrle hat uns ja auf dem Erdorchideentag deutlich gezeigt, dass er inzwischen alle Gattungen mit Pilzen keimen und kultivieren kann. Die Herausforderung steht also im Raum.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Ralla

Zitat von: Claus am 27.Nov.10 um 17:40 Uhr
Die Keimung auf Eiche und Buche war gut, auf Fichte schlecht, jetzt ist es umgekehrt, die Sämlinge auf Fichte sind noch am besten dran, vielleicht auch gerade, weil es weniger waren. Man müsste die Sämlinge nach dem Keimen auf andere Substrate umlegen, aber das war ja nicht der Sinn dieser Versuche.

Hast du schon einmal versucht, Blätter und Nadeln zu mischen? Also Kompromisslösung sozusagen.
Liebe Grüsse, Carola     

'Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.' - Thomas Mann

Claus

Also dieses waren ja reine Späne, wie sie als Räucherspäne verwendet werden. Ziel war eine Standardrezeptur, die jeder nachmachen könnte. Das geht offensichtlich so nicht. Die Gemische von Blättern, Rinde, Zweigen, Spänen - alles gehäckselt - haben auch eine andere Struktur, viel lockerer. Und die Pilze brauchen viel Sauerstoff, da ist ein kompaktes Substrat wie mit Spänen schlechter. Und von den Spänen hatten die aus Fichte die gröbsten Partikel, das spricht wieder für bessere Durchlüftung als Grund.

Vielleicht ist auch die Belüftung durch das in den Deckel eingelegte Filterpapier nicht ausreichend. Ich werde bei den nächsten Versuchen wieder durchlöcherte Deckel nehmen.

Ausgesprochen merkwürdig waren die schlechten Keimungen von D. maculata und A. morio mit dem jetzigen lockeren Gemisch. Die keimten bisher immer hervorragend. Rätsel über Rätsel.  :ka :ka :ka
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winwen

Zitat von: Claus am 27.Nov.10 um 17:40 Uhr
Dr. Beyrle hat uns ja auf dem Erdorchideentag deutlich gezeigt, dass er inzwischen alle Gattungen mit Pilzen keimen und kultivieren kann. Die Herausforderung steht also im Raum.
Hallo Claus,
leider weiß ich weder wo noch wann der besagte Orchideentag war, aber was Beyrle betrifft bin ich jetzt schon meganeugierig: In welcher Art und Weise hat er das gezeigt?? Oder bezieht sich "alle Gattungen" auf eben alle, die er so kultiviert? Ersteres wäre sensationell, zweiteres eher bekannt (wenngleich auch bemerkenswert).

Charlemann

Zitat von: Claus am 27.Nov.10 um 17:40 Uhr
Dr. Beyrle hat uns ja auf dem Erdorchideentag deutlich gezeigt, dass er inzwischen alle Gattungen mit Pilzen keimen und kultivieren kann. Die Herausforderung steht also im Raum.

Hat er alle Orchideengattungen gezielt mit Symbiosepilzen gekeimt oder eher zufälliger Ergfolge gehabt? Soweit ich weiß sagt Hr. Beyrle nichts Präzises über seine Vermehrungsweise. Vielleicht sollte man nicht alles glauben.
Ich habe ja auch schon mehrfach festgestellt das dieverse Pilze selbst bei asymbiotische Aussaat sich nicht wirklich negativ bemerkbar machen. Manchmal habe ich sogar beobachten können, das ein Pilz sich sogar positiv verhalten kann.
Das ist aber keine symbiotische Aussaat.

Foto gefällig?

Claus

Am Vorabend habe ich Dr. Beyrle direkt gefragt, ob er alle seine zum Verkauf stehenden Arten mit Pilzen keimt, und er hat das bestätigt. Während seines Vortrags ging er mit Fotos auf viele Arten ein und bestätigte auf Rückfrage, das die alle mit Pilzen gekeimt werden. Er zeigte auch einige Cypripedien und bemerkte dazu, dass er auch diese mit Pilzen gekeimt habe. Allerdings ginge die asymbiotische Aussaat bei Cypripedien besser, so dass er das nicht weiter verfolge. 
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winwen

Also die, die er verkauft zieht er symbiotisch.
Im Wesentlichen besteht sein Sortiment ja aus nicht so vielen verschiedenen Gattungen und einiges davon keimt der B1 ja auch. Eindrucksvoll finde ich Orchis militaris sowie die Latte an Ophrys.

Charlemann

Zitat von: Claus am 28.Nov.10 um 15:07 Uhr
Er zeigte auch einige Cypripedien und bemerkte dazu, dass er auch diese mit Pilzen gekeimt habe. 

Das kaufe ich ihm nicht ab!
Ehrlich nicht, denn ich denke etwas anders über die symbiotische Aussaat von Cypripedien. Zu viele Fehlversuche haben mich eines Besseren belehrt. Meine These kennst Du ja.

Claus

Na ja, Dr. Beyrle hat einige Jahrzehnte Vorsprung vor uns. Warum soll er nicht mal Pilze erwischt haben, die das können. Wahrscheinlich ist die Mykorrhiza nicht stabil oder es sind mehrere Pilze notwendig.

Dazu passt, was man mir aus England über den Pilz schreibt, der Ophrys keimt: "As far as I am aware the problem with fungi for Ophrys is that they mutate very rapidly and cease working."

Wenn man aber das Verfahren zu Pilzisolierung beherrscht - und ich meine nicht das mit 30%igem H2O2 sondern das mit dem Herauspopeln der Pilze aus den Wurzeln unter dem Mikroskop - dann hat man sehr schnell eine nette Sammlung zusammen.

Als ich Dr. Beyrle mein Verfahren mit dem Holzsubstrat erläuterte war er gar nicht überrascht. Es ist eigentlich logisch darauf zu kommen, und auf Holzsubstrat verhalten sich die Pilze zum Teil völlig anders.

Übrigens benutzt er das von ihm vor längerer Zeit beschriebene Verfahren zur nachträglichen Mykorrhizierung mit infiziertem Seramis-Substrat nicht.
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Charlemann

Zitat von: Claus am 28.Nov.10 um 23:05 Uhr
Na ja, Dr. Beyrle hat einige Jahrzehnte Vorsprung vor uns. Warum soll er nicht mal Pilze erwischt haben, die das können. Wahrscheinlich ist die Mykorrhiza nicht stabil oder es sind mehrere Pilze notwendig.

Ich denke immer noch das ein Cypripedium-Pilz, wenn er denn Cypripediun keimen soll, in einer Symbiose mit einem Baum oder anderen Pflanzen stehen muss. Er entzieht der umliegenden Vegetation Stoffe die er den Orchideensamen zuführt.
Ist nur meine These,ich kann mich natürlich irren.
Ein Cypripedium-Pilz der ohne lebendes Zellmaterial auskommen würde wäre schon genial.

Claus

Da Cypripedien aus asymbiotischer Kultur problemlos in normalen Böden etabliert werden können, schließe ich das aus. Das mit dem Baum als Mitglied im flotten Dreier gilt sicher nur für die nahe 100% saprophytisch lebenden Arten wie Cephalanthera rubra, Corallorhiza, Neottia oder Limodorum.

Ich will nicht ausschließen, dass es bei Cypripedien solch eine Dreiergemeinschaft gibt - immerhin drängeln sich die europäischen Frauenschuhe immer gern um Kiefern herum - aber zum Keimen ist das wahrscheinlich nicht notwendig. Das würde ja bedeuten, dass es einen Pilz gibt, der nur in Symbiose mit einem Baum leben kann und dann etwas an die Samen abgibt. Pilze sind aber i.w. Zersetzer von abgestorbener organischer Materie, aus der sie ihre Energie beziehen (meist Cellulose) und die durch die Zersetzung frei gewordenen anorganischen Stoffe dann auch anderen Pflanzen zur Verfügung stellen. Der Pilz lebt auch ohne Baum.

Die Eichel, die im Boden keimt, findet einen dort schon vorhandenen Pilz, mit dem sie dann in Symbiose geht. Der Pilz kann ohne die Eichenwurzel leben, die Eiche auch, aber zusammen geht es besser.

Was ich weiter nicht ausschließen will ist die Kombination von mehreren Pilzen, um zum Erfolg zu kommen. Ich sehe bei Versuchen immer wieder, dass Samen auf B1 keimen, dann aber vom B1 nicht mehr gefördert werden. Das letzte Beispiel war Orchis canariensis. Die Samen keimten auf B1 sehr gut, die winzigen Protokorme haben alle verhältnismäßig lange Rhizoide. Aber es gibt keinerlei Entwicklung, die Protokorme sterben ab. Jetzt brauchte es einen zweiten Pilz, der die Protokorme auch fördern kann. 
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Charlemann

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 09:32 Uhr
Das mit dem Baum als Mitglied im flotten Dreier gilt sicher nur für die nahe 100% saprophytisch lebenden Arten wie Cephalanthera rubra, Corallorhiza, Neottia oder Limodorum.

Ich denke das Cypripedien im ersten Jahr ähnlich wachsen, da sie in dieser Zeit fast ausschließlich vom Pilz ernährt werden. Zumindest habe ich bei mir noch keine Cyps im Folgejahr mit Blättern im Glas gehabt. Aber irgendwoher müssen sie ja ihre Energie her bekommen. Vielleicht sind Cyps ja nur im Jugendstadium saprophytisch.

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 09:32 UhrIch will nicht ausschließen, dass es bei Cypripedien solch eine Dreiergemeinschaft gibt - immerhin drängeln sich die europäischen Frauenschuhe immer gern um Kiefern herum - aber zum Keimen ist das wahrscheinlich nicht notwendig.

Sagen wir mal bedingt notwendig. Es würde zwar auch ohne gehen aber mit Symbiosepartner geht es vielleicht noch besser. Eine Dreierbeziehung halte ich persönlich auch für nicht unbedingt erforderlich, denn wir halten Cyps ja nun auch in Töpfen.

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 09:32 Uhr
Die Eichel, die im Boden keimt, findet einen dort schon vorhandenen Pilz, mit dem sie dann in Symbiose geht. Der Pilz kann ohne die Eichenwurzel leben, die Eiche auch, aber zusammen geht es besser.

Braucht eine Eiche wirklich einen Pilz zur Keimung? Ich habe verganges Jahr Zwei Eicheln ausgesät, die wachsen in NeudoHum wirklich prächtig. Vielleicht liegt das ja wieder am berüchtigten Neudopilz.

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 09:32 UhrWas ich weiter nicht ausschließen will ist die Kombination von mehreren Pilzen, um zum Erfolg zu kommen. Ich sehe bei Versuchen immer wieder, dass Samen auf B1 keimen, dann aber vom B1 nicht mehr gefördert werden. Das letzte Beispiel war Orchis canariensis. Die Samen keimten auf B1 sehr gut, die winzigen Protokorme haben alle verhältnismäßig lange Rhizoide. Aber es gibt keinerlei Entwicklung, die Protokorme sterben ab. Jetzt brauchte es einen zweiten Pilz, der die Protokorme auch fördern kann. 

Ob das ein anderer Pilz ist oder ein anderes Medium das der Pilz braucht um die Protokorme weiter zu fördern muss erst noch versucht werden. Ich habe solche Erscheinungen auch schon beobachten können, werde aber demnächst mal einen Versuch wagen die auf Haferagar gekeimten Orchideen nach dem Stillstand auf andere sterilisierte Medien umzulegen. Vielleicht sogar das Pikiersubstrat selbst, denn darin sollten die Orchideen ja nun schließlich weiter wachsen.

Claus

Die Eichel braucht keinen Pilz zum Keimen, aber nach dem Keimen geht ein in der Nähe im Boden wachsender Pilz mit der Eichenwurzel in Symbiose. Man erkennt das an dem grauen Gespinst, das schon nach kurzer Zeit an den Eichenwurzeln hängt.
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Charlemann

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 15:55 Uhr
Man erkennt das an dem grauen Gespinst, das schon nach kurzer Zeit an den Eichenwurzeln hängt.

Das hatte ich nicht. Ich hatte zwei Eicheln in sehr feuchter Kokoserde gesteckt. Da haben sie gekeimt, anschließend ich NeudoHum Pflanzerde, darin wachsen sie jetzt. Die Bäumchen sind jetzt knapp 30cm groß ohne Pilz.

Claus

Na ja, wo soll denn da der Pilz herkommen? Steck sie in die Gartenerde und schaue dir die Wurzeln im späten Frühjahr an.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)