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Neophyten

Begonnen von plantsman, 09.Apr.12 um 12:02 Uhr

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plantsman

Moin,

Oeceoclades ist sicher ein gutes Beispiel für einen Neophyten. Diese Art hat aber, trotz hoher Generationsfolge, kaum Abweichungen gebildet, die eine ähnliche Diversität entwickelt hat, wie die neotropischen Bulbophyllum. Einerseits sicher wegen oft cleistogamer Blüten, aber wohl auch, weil sie eventuell eine schon "ältere" Art ist, deren Genom nicht mehr viel Variabilität aufweist bzw. nur auf physiologische Vorgänge und nicht auf die Morphologie auswirkt. Vielleicht muss sie sich auch nicht verändern, weil ihre Eigenschaften sie ökologisch so anpassungsfähig gemacht haben.
Bei den Bulbophyllen sehe ich das anders. Ihre Diversität ist deutlich größer, dafür reichen ein paar hundert Jahre nicht aus. Das die meisten neotropischen Bulbophyllen nur in den Bereichen gefunden wurden, wo Sklaven-Handelsstraßen waren kann auch anders gedeutet werden. Diese Verkehrswege waren für die damaligen Botaniker besser zu benutzen und es wurden erst die Bereiche in der Nähe dieser Wege erforscht. Ein Kakteensammler (Fric) hat es mal so beschrieben (frei zitiert):"auf der Suche nach Astrophytum asterias bin ich abseits der Wege ins Feld gelaufen und mein Esel blieb auf dem Weg. Da vor mir Herr Rose diese Art hier nicht gefunden hat, liegt wohl daran, das er mehr auf den Wegen geblieben ist. Er hat dann genau so viel gefunden wie mein Esel, nämlich nichts". Es werden sicher noch etliche neue Bulbos in deutlich abgelegenen Gebieten Brasiliens, oder sonstwo in Südamerika, gefunden werden. Ich erinnere mich auch an ein Foto einer Bulbophyllum-Art in der "Kakteen und andere Sukkulenten". Der Artikel dazu beschreibt die mühsame Suche nach Uebelmannia flavispina (oder einer anderen Art oder Standortform, muss ich suchen), die in einer sehr abgelegenen Gegend Minas Gerais wächst. Wie kommen da die Bulbos hin?
Tschüssing
Stefan

orchitim

Zitat von: plantsman am 09.Apr.12 um 12:02 Uhr
Moin,

Oeceoclades ist sicher ein gutes Beispiel für einen Neophyten. Diese Art hat aber, trotz hoher Generationsfolge, kaum Abweichungen gebildet, die eine ähnliche Diversität entwickelt hat, wie die neotropischen Bulbophyllum. Einerseits sicher wegen oft cleistogamer Blüten, aber wohl auch, weil sie eventuell eine schon "ältere" Art ist, deren Genom nicht mehr viel Variabilität aufweist bzw. nur auf physiologische Vorgänge und nicht auf die Morphologie auswirkt. Vielleicht muss sie sich auch nicht verändern, weil ihre Eigenschaften sie ökologisch so anpassungsfähig gemacht haben.
Bei den Bulbophyllen sehe ich das anders. Ihre Diversität ist deutlich größer, dafür reichen ein paar hundert Jahre nicht aus. Das die meisten neotropischen Bulbophyllen nur in den Bereichen gefunden wurden, wo Sklaven-Handelsstraßen waren kann auch anders gedeutet werden. Diese Verkehrswege waren für die damaligen Botaniker besser zu benutzen und es wurden erst die Bereiche in der Nähe dieser Wege erforscht. Ein Kakteensammler (Fric) hat es mal so beschrieben (frei zitiert):"auf der Suche nach Astrophytum asterias bin ich abseits der Wege ins Feld gelaufen und mein Esel blieb auf dem Weg. Da vor mir Herr Rose diese Art hier nicht gefunden hat, liegt wohl daran, das er mehr auf den Wegen geblieben ist. Er hat dann genau so viel gefunden wie mein Esel, nämlich nichts". Es werden sicher noch etliche neue Bulbos in deutlich abgelegenen Gebieten Brasiliens, oder sonstwo in Südamerika, gefunden werden. Ich erinnere mich auch an ein Foto einer Bulbophyllum-Art in der "Kakteen und andere Sukkulenten". Der Artikel dazu beschreibt die mühsame Suche nach Uebelmannia flavispina (oder einer anderen Art oder Standortform, muss ich suchen), die in einer sehr abgelegenen Gegend Minas Gerais wächst. Wie kommen da die Bulbos hin?

Bei oeceoclades hast Du wohl recht, deren Amplitude ist derart breit gefächert das sie wohl auch keinen Zwang zu Anpassungen hatte. Außerdem hege ich den Verdacht das sie eine der wenigen scheint welche die Schranke der Selbstung überwunden hat, so wie Cynorkis abenfalls. Denn wenn man Oeceoclades fruchtend sieht, dann ist an nahezu jeder Blüte eine Kapsel dran, genauso wie bei mir im GWH an Cynorkis. Und da hat garantiert keiner gefummelt, die machen auch Kapseln mit Tüte drüber. Ob jedoch Oeceoclades maculata auch zur Spontankeimung im GWH fähig ist, weis ich nicht, ich habe nämlich keine einzige in meiner Sammlung.
Diskutiere niemals mit Idioten. Sie holen dich auf ihr Niveau und schlagen dich dort mit Erfahrung.

Berthold

Zitat von: orchitim am 09.Apr.12 um 20:52 Uhr
Außerdem hege ich den Verdacht das sie eine der wenigen scheint welche die Schranke der Selbstung überwunden hat, so wie Cynorkis abenfalls. Denn wenn man Oeceoclades fruchtend sieht, dann ist an nahezu jeder Blüte eine Kapsel dran, genauso wie bei mir im GWH an Cynorkis.

Cynorkis discolor hat sich hier auch erfolgreich selber bestäubt
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Ist eigentlich bekannt wann, wie und wo O. maculata in die Neotropis gekommen ist?

Spontankeimung habe ich noch keine beobachtet obwohl ich eine autogame Pflanze habe.

Berthold

Zitat von: Ahriman am 09.Apr.12 um 21:06 Uhr
Spontankeimung habe ich noch keine beobachtet obwohl ich eine autogame Pflanze habe.

was soll das miteinader zu tun haben?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

orchitim

Nichts, außer das sie Beide aus der gleichen Ecke stammen. Und da ließe sich schon ein Rückschluss draus ziehen. Meine Frage war nur deswegen gestellt weil mir die Massenhaftigkeit des neophytischen Auftretens schon verwunderlich scheint. Und Spontankeimung würde diesen Prozess ja begünstigen, weil es möglicherweise keines Pilzes bedarf.
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Berthold

Zitat von: orchitim am 09.Apr.12 um 21:22 Uhr
Und Spontankeimung würde diesen Prozess ja begünstigen, weil es möglicherweise keines Pilzes bedarf.

Ja, aber auch irgendwie geeignete Keimpilze finden sich offensichtlich an vielen Orten.
So hat Epipactis helleborine Nordamerika erobert und diese kleine Disa bracteata die Südwestecke von Australien. Nur hier keimt das verflixte Ding nicht.

Wenn die Samen allerdings etwas dicker sind wie z. B. bei Disa uniflora oder Bletilla, dann keimen die Arten auch selbständig ohne Pilze.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

orchitim

Wie ich schon zu der Cynorkis geschrieben habe, sie hat auch keinen Pilz dran. Ich habe unseren Mykologen damit schon ein paar Jahre lang gefrustet. Und es ist nichts zu finden, weder an dem Keimling noch irgend wie in dem umgebenden Substrat.
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Berthold

Zitat von: orchitim am 09.Apr.12 um 21:39 Uhr
Wie ich schon zu der Cynorkis geschrieben habe, sie hat auch keinen Pilz dran.

wenn wirklich kein Pilz im Boden ist (er sitzt nicht zwingend an der Pflanze), müsste sie ja auch dicke Embryonen besitzen.
Ob diese dann auch noch in einem Topf keimen, ist eine andere Frage. So ganz einfach ist das nämlich auch nicht, selbst wenn kein Pilz benötigt wird. 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Sorry, ich wollte eigentlich schreiben "obwohl ich eine autogame Pflanze habe die jede Menge Samen ausstreut".

Mir war bislang nicht klar dass O. maculata ein Neophyt ist.
Da ich sie wirklich in den entlegensten Wäldern Costa Ricas gefunden habe würd mich interessieren wann/wie sie eingeschleppt wurde.

orchitim

Wie ich schon geschrieben habe, die Madagassen, ehedem die Sklaven von da, haben sie zumindest in Cuba gesichert eingeschleppt. In hinterwäldlerischer Unkenntnis haben sie die Knollen von daheim mitgeschleppt und wollten sie wohl in der ferne Anbauen wie wir hier Kartoffeln. Oeceoclades gilt in Madagaskar als nahrhafte Pflanze, als Allheilmittel und auch als förderlich für den Fortbestand der Art(der menschlichen).Anscheinend haben einige Knollen die Reise besser überstanden als ihre Erntehelfer und so wurden sie da eingeschleppt.
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Ahriman

#11
Gibt es dazu irgendwelche Literatur oder ist das deine Hypothese?

Ich habe mal das hier gefunden:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2720658/

Hier heißt es die Art wurde erstmals 1829 in Brasilien gefunden und habe um 1960 Puerto Rico erreicht.

Ich würde annehmen dass ein Reisender im frühen 19.Jh die Art absichtlich oder unabsichtlich aus Afrika nach Brasilien eingeschleppt hat - es müssen nicht unbedingt Sklaven gewesen sein, denn denen hat man normalerweise nicht mitgeteilt dass sie vor dem Versklavt-werden noch schnell alles einpacken sollen was sie gern in ihrer neuen Heimat dabeihätten. Außerdem denke ich nicht dass Pflanzen die Überfahrt so ohne Weiteres überlebt hätten, sie haben ja nicht so ausgeprägte Speicherorgane wie andere Oeceocladesarten. Vielleicht waren es auch nur ein paar Samen die irgendwo angehaftet sind? Oder die Einschleppung erfolgte zusammen mit dem Transport von Nutzpflanzen aus Afrika in die neuen Kolonien. Man müsste mittels genetischer Untersuchungen relativ schnell feststellen können mit welcher afrikanischen Population jene aus der Neuen Welt am Engsten verwandt ist. Wer meldet sich freiwillig um in ganz Afrika O. maculata zu sammeln? :whistle

Spannend ist es allemal - besonders die extrem rasche und tiefdringende Verbreitung der Art.

P.S.: Vielleicht sollte man den Oeceocladesteil ausgliedern?
Hat mit Bulbophyllum nicht viel zu tun.


Alles ausgegliedert
Die FVW

orchitim

Dazu giebt es Unterlagen im HAB und auch Bisse hat schon darüber geschrieben. Die AUfzeichnungen über mitgebrachte Pflanzenteile auf den Sklavenschiffen stammen dort von einem Padre welcher in Santiago d. C. ansässig war. Natürlich hat man denen nicht gesagt das sie auf einen Urlaub in die karibik gehen, aber sie wurden dort ja auch nicht mit dem Schiffskran an Bord gezogen. Und es gehört zu den Eigenheiten von Wanderern seit altersher, immer einen Vorrat wichtiger Dinge bei zu haben, so belegt auch schon von den Vorvorfahren unserer Species. Sei es drum, was diese Krümelkackerei ob das schon damals im Neckermann Katalog vermerkt war oder nicht, mit der explosionsartigen Ausbreitung eben dieser Art in fremder Erde zu tun hat erschließt sich mir nicht. Ganz sicher hat sie kein Latifundista eingeschleppt so wie bei dem Phajus geschehen.
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orchitim

Wir können uns aber auch darauf verständigen, das die in Mittelamerika heimisch ist und nach Madagaskar eingeschleppt. Das macht die Sache wesentlich weniger kompliziert. Und die Kleinigkeit das der Hotspot der Gattung ansonsten in Madagaskar liegt übersehen wir geflissentlich als unbedeutende Nebensächlichkeit.
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Phil

Eine sehr kontroverse Diskussion zu Oeceoclades maculata hatten wir übrigens schon mal hier:

http://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=9264.0

Wenn ich mich recht erinnere, vertrat orchitim damals eine andere Position...
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer