Der kürzeste Tag seit 60 Jahren

Begonnen von Berthold, 10.Aug.22 um 17:03 Uhr

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Berthold

Eigentlich werden die Tage immer länger.

So ähnlich scheint es mit dem Klima auf der Erde zuzugehen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Ich verstehe die Argumentation nicht.

Die Erde ist ein Rotationsellipsoid dessen Durchmesser am Äquator größer ist als an den Polen. Warum wird die Erde runder wenn eine Gewichstverlagerung von den Eiskappen im Norden ins Meer (und damit in Äquatornähe) stattfindet? Es müsste doch das Gegenteil der Fall sein oder? Je mehr Eis auf den nördlichen Kontinenten ausfriert desto weniger Wasser steht als Schwungmasse am Äquator zur Verfügung.

Oder spielt die plastische Verformung der Erde eine größere Rolle?

Berthold

#2
Ja, das Trägheitsmoment der Erde wird grösser, wenn sich Massen von den Polen zum Äquator, also weiter weg von der Drehachse, verlagert. Sie müsste sich dann langsamer drehen.
Man kennt den Effekt von den Eiskunstläuferinnen, wenn sie die Arme bei einer Pirouette ausstrecken.
Außerdem bremsen die Mondgezeiten durch Reibung die Erddrehung.

Aber einige Forscher glauben, dass die Gewichte auf die Erdkruste an den Polen durch das Schmelzen abnimmt, sodass die Erde weniger plattgedrückt wird und sich deshalb der Kugelform mehr nähert. Dadurch würde das Trägheitsmoment kleiner und die Erde müsste sich schneller drehen.

Ich weiß leider nicht, ob und wie man die Entfernung der Pole genau messen kann. Eigentlich müssten die Service-Leute des GPS-Systems das wissen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Kann man seit einigen Jahren mit Satelliten exakt messen.
Was ich nicht verstehe - natürlich wird an den Polregionen Gestein durch Eismassen richtung Kern gedrückt welches durch die Viskosität des Erdmantels und die Rotation dann an den Polen nach Außen gedrückt wird.
Aber die Menge kann doch nur dem Gewicht der Eismassen entsprechen, oder? Folglich müsste sich das doch exakt die Waage halten, die verdrängten Gesteinsmassen entsprechen den Eismassen. Ist das Eis weg federt das Gestein zurück, aber doch nicht um mehr als das Eis vorher gewogen hat, oder?

Zudem wird wie gesagt Wasser vom Äquator als Eis an die Pole verlagert welches dort ebenfalls Masse bindet.
In einer Eiszeit sollte also nicht weniger Gewicht auf den Polen lagern als in einer Warmzeit. Aber vielleicht übersehe ich hier etwas fundamentales. Es ist auch möglich dass das Gestein nach ende einer Eiszeit in einer Oszillationsbewegung über Jahrtausende erst stärker zurückfedert bis sich ein Gleichgewicht einstellt. Gegenwärtig ist die Erdkruste in den Eiszeit-Gletscherregionen ja stark angehoben im Vergleich zum Rest der Welt.

Berthold

#4
Zitat von: Ahriman am 11.Aug.22 um 13:05 UhrKann man seit einigen Jahren mit Satelliten exakt messen.
Was ich nicht verstehe - natürlich wird an den Polregionen Gestein durch Eismassen richtung Kern gedrückt welches durch die Viskosität des Erdmantels und die Rotation dann an den Polen nach Außen gedrückt wird.
Aber die Menge kann doch nur dem Gewicht der Eismassen entsprechen, oder? Folglich müsste sich das doch exakt die Waage halten, die verdrängten Gesteinsmassen entsprechen den Eismassen. Ist das Eis weg federt das Gestein zurück, aber doch nicht um mehr als das Eis vorher gewogen hat, oder?

Ja, aber es geht um einen anderen Effekt.
Die Erde ist primär eine Kugel mit elastischer Hülle. Durch die Fliehkräfte der Rotation wird Masse zum Äquator gedrückt. Dadurch entsteht der Rotationsellipsoid.
Zusätzlich drückt das Eisgewicht an den Polen auch noch etwas auf den Körper und drückt ihn noch etwas platter. Wenn dieses Gewicht abnimmt durch Abschmelzen, ist der Druck geringer und der Erdkörper ist nur noch weniger platt gedrückt, also wieder mehr Kugelform.
Dadurch wird das Trägheitsmoment wieder etwas geringer und die Drehzahl erhöht sich nach dem Energie-Erhaltungssatz.

Dieser Effekt hat nichts mit Massenverschiebung innerhalb des Rotationskörpers durch Abschmelzen und der damit verbundenen Änderung des Trägheitsmoments zu tun.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Ich verstehe was du meinst aber das leuchtet mir immer noch nicht ein. Grund muss eine Masseverlagerung richtung Kern sein und das sollte in Summe durch Abschmelzen von Gletschern nicht passieren, auch wenn die Abplattung der Erde dadurch abnimmt. Denn das Wasser strömt von den Polregionen durch Fliehkraft an den Äquator und verlagert die abgeschmolzene Masse dorthin.

Man geht eher von Konvektionsströmungen im äußeren Kern aus die mehr schweres Nickel in Kernnähe befördert haben. Diese Prozesse laufen auch wesentlich schneller ab als postglaziale Landhebung des extrem zähflüssigen Erdmantels.
https://www.n-tv.de/wissen/frageantwort/Warum-dreht-sich-die-Erde-ploetzlich-schneller-article23521992.html

Berthold

#6
Zitat von: Ahriman am 14.Aug.22 um 12:06 UhrIch verstehe was du meinst aber das leuchtet mir immer noch nicht ein. Grund muss eine Masseverlagerung richtung Kern sein und das sollte in Summe durch Abschmelzen von Gletschern nicht passieren, auch wenn die Abplattung der Erde dadurch abnimmt.

Eine Massenverlagerung von den Polen zum Erdkern sollte keinen Einfluss haben auf die Drehzahl der Erde.
Aber ich gehe wie Du davon aus, dass das Wasser an den Polen abschmilzt und in Richtung Äquator wandert.
Dadurch entstehen 2 Effekte:

1. Das Trägheitsmoment J der Erde wird größer, was zu Reduzierung der Drehzahl führt.

E=1/2 J w²
E=Rotationsenergie, die immer gleich bleibt, wenn keine Reibung existiert.
J= Trägheitsmoment
w = Winkelgeschwindigkeit

2. Die Massenanziehungskraft an den Polen wird geringen, weil Masse in Richtung Äquator gewandert ist. Dadurch formt sich die Erde wieder mehr zur Kugel, weil die Massen an den Polen den Erdkörper nicht mehr so stark zusammen drücken, wegen der geringeren Massenanziehungskraft.
Dadurch wird das Trägheitsmoment der Erde wieder kleiner, was zur Erhöhung der Drehzahl führt.
Welcher Effekt größeren Einfluss auf die Erdform hat, ist ungewiss.

Stelle Dir einen rotierenden Fußball vor. Du drückst den Ball in der Drehachse zusammen. Dann nimmt der Ball die Form eines Rotationsellipsoids ein. Nun drückst Du mit weniger Kraft, dann nimmt der Ball wieder mehr Kugelform an, analog zur Erde, wenn an den Polen weniger Masse auf den Erdkörper drückt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Ja ist klar.
Die Frage ist welcher Effekt den größeren Einfluss auf die Verlangsamung der Erdrotation hat. Gewicht des Eises an den Polen das zu Abplattung führt oder mehr Wasser am Äquator dessen Masse ebenfalls die Rotation bremsen sollte. Im gegenwärtigen Fall sollte das aber wie beschrieben kaum eine Rolle spielen da das sehr langfristige Effekte sind und keine kurzfristige Beschleunigung der Erdrotation erzeugen. Das müssen relativ rasche Massenverlagerungen durch Strömungen des geschmolzenen Gesteins sein.