Orchideen in British Columbia

Begonnen von Claus, 09.Sep.08 um 23:42 Uhr

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Claus

Im vergangenen Jahr haben wir 4 1/2 Wochen in Westkanada verbracht, eine Rundreise per Motorhome von Vancouver in Richtung der Nationalparks Banff und Jasper, zurück auf südlicher Tour, dann noch Vancouver Island und zuletzt Whistler, wo 2010 die Winterolympiade stattfinden wird.

Als Orchideenfreund geht der Blick natürlich in der Wildnis immer wieder auf den Boden, obwohl wir von Mitte August bis Mitte September nicht unbedingt eine Fülle blühender Orchideen erwarteten. Dafür erwarteten wir Bären und wurden nicht enttäuscht, insgesamt 6 Schwarzbären, z.T. aus kurzer Entfernung von 10 – 12 m, davon zwei Jungtiere. Habitate von Grizzlys haben wir sicherheitshalber nicht besucht. Sommerblumen gab es aber noch in größeren Höhen.



Die ersten Orchideen fanden wir dann am Ufer des Lake Louise, und davon gleich eine ganze Menge. Nachdem wir dann ein Buch über amerikanische Orchideen angeschafft hatten, konnten wir die Art von ihren Samenständen und restlichen Blättern her auch zuordnen: Habenaria dilatata, verwandt mit unseren Platanthera, sie läuft auch unter diesem Namen in der Literatur. Wir fanden diese Art dann immer wieder, z.B. am feuchten Straßenrand des Icefield Parkway, der von Lake Louise nach Jasper führt und auch in der Nähe der Paint Pots im Kootenay-Nationalpark und an weiteren Stellen.





Bei einer Bergtour vom Lake Louise zum Big Beehive fielen uns am Wegrand mitten im Wald einige wenige Exemplare einer kleinen Orchidee auf, die ebenfalls Samenstände hatten, dazu noch die typischen Blätter einer Listera, die genaue Zuordnung war aber anhand dieser wenigen Merkmale nicht möglich.



Auf dem Weg nach Jasper machten wir immer wieder Abstecher zu Sehenswürdigkeiten rechts und links der Straße. Beim Besuch der Mistaya Falls fielen uns vor einer Brücke Samenstände von Cypripedien auf, bei genauer Suche fanden wir dann eine ganze Menge davon. Die Identifizierung allein von Blättern und Samenständen gelang natürlich nicht.





Auf dem Rückweg von Jasper fuhren wir nach Banff und machten von dort Abstecher zum Minnewanka-See. In den Nadelwäldern am Seeufer sahen wir zunächst auch trockne und leere Samenstände von Epipactis sowie Listera. Nach Überquerung eines Canyons fanden wir hinter einer Brücke in einem Nadelwald in tiefem Moos einige Exemplare von leeren Samenständen, jeweils nur eine senkrecht stehende leere Kapsel auf einem rötlichen, noch saftigen Stängel. Das musste Calypso bulbosa sein.



Aus dem Moos kamen bereits die neuen Blätter heraus. Bei einem Exemplar habe ich das Moos seitlich der Pflanze vorsichtig etwas geöffnet, um die Knollen sehen zu können.



Die Knolle steckt ca. 10 - 15 cm tief im Moos, das dort bereits abgestorbene Moos ist von einem grauen Pilzgeflecht durchzogen, evtl. der Symbiosepilz. Unter der Knolle geht das abgestorbene Moos noch weiter in die Tiefe, die Wurzeln habe ich da noch nicht gesehen, ich wollte die Pflanze aber auch nicht verletzen. Der Untergrund besteht an diesem Standort wie auch an den später gefundenen Standorten aus Kalk. Die Pflanze vermehrt sich offenbar auch vegetativ, so fanden wir an einer Stelle 4 Samenstände dicht nebeneinander, dazu weitere Blätter. Da jede Pflanze nur ein einziges Blatt bildet, mussten hier wesentlich mehr als 4 Knollen im Moos stecken.

Calypso bulbosa ist in USA und Kanada beliebt und von Sammlern bedroht und daher bereits stark im Vorkommen vermindert. Auch die Blütenstände werden wegen der Schönheit der Blüte abgepflückt. Sie hat dort den Namen ,,pink orchid" oder ,,fairy slipper" oder ,,Venus's slipper", und mit dem Ziel das Ausgraben zu verhindern, wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die Pflanze beim Abpflücken des Blütenstands abstirbt.

Wir haben einzelne ebenfalls längst abgeblühte Pflanzen noch im Johnston Canyon und an den Paint Pots gefunden, die Art dürfte aber an von der Zivilisation weit entfernten Standorten noch reichlich vorhanden sein – und von diesen Standorten gibt es in Kanada noch unzählige. Nach Norden geht ihr Verbreitungsgebiet noch bis nach Alaska.



Im Johnston Canyon sahen wir auch die Samenstände wahrscheinlich von einer Orchis, aber nicht zuzuordnen.



Im Bereich der Paint Pots, das ist ein Gebiet, aus dem die Ureinwohner Ocker zum Bemalen holten, sahen wir neben Calypso noch viele Exemplare von Habenaria dilatata in sumpfigem Gelände. Die noch teilweise vorhandenen Samen zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Licht deutlich glitzern. Da ich kein Mikroskop dabei hatte, kann ich nicht sagen, welcher Teil des Samens das Licht so stark reflektiert.



Auf der Rückreise nach Vancouver haben wir u.a. in Halcyon Hot Springs Station gemacht, eine der vielen heißen Quellen in British Columbia. In der Nähe liegt Nakusp Hot Springs, und von dort aus gehen ziemlich wilde Trails in die noch wildere Landschaft. Nach vorsichtigem Überqueren einer wegen Einsturzgefahr gesperrten Brücke kamen wir in einen dunklen Urwald und folgten den kaum sichtbaren Spuren des Pfads.





Sofort sahen wir eine Vielzahl von Orchideen-Samenständen, meist in großen Gruppen und dann dicht nebeneinander. Es wurde bald deutlich, dass dies wegen der Dunkelheit des Standorts nur eine Art sein konnte, die vollständig von Symbiosepilzen abhängig ist. Nach dem Durchblättern des amerikanischen Orchideenbuchs kam nur Corallorhiza maculata infrage, deren Samenkapseln zwar getrocknet aber noch weitgehend gefüllt waren. Offenbar warteten sie auf Schnee oder das Frühjahr.



Dann fanden wir eine weitere Art mit schon dunkelgrünen Blättern, die eine helle Zeichnung aufwiesen, ganz eindeutig Goodyera oblongifolia. Auch sie muss stark mykotroph sein bei der geringen Belichtung am Standort. Wir fanden sie auch später im Manning Provincial Park in größerer Anzahl.







Schließlich fanden wir am gleichen Standort eine Listera- oder Platanthera-Art, die wir jedoch anhand der leeren Samenstände und der bereits einziehenden beiden Blätter nicht weiter zuordnen konnten. Diese Species ist gegenüber den sehr kleinen Exemplaren an den anderen Standorten wesentlich größer und sicherlich eine andere Art.







Dass es sich evtl. um eine Platanthera handelte, könnte man aus den Blütenresten entnehmen:



Auf dem Rückweg, nun mit wesentliche mehr Belichtung, aber eindeutig sumpfigem Standort, wiederum Habenaria dilatata, z.T. in Riesenexemplaren.



Vom Manning Park bis Vancouver Island haben wir keinerlei Standorte gefunden, dies ist auch weitgehend kultiviertes Land. Auf Vancouver Island fragten wir bei einer Info nach Orchideen, man versicherte uns, dass es auf der Insel keine gäbe. Die ersten fanden wir im Gebiet von Uclulet auf einem Pfad durch den Regenwald, wiederum nicht zuzuordnen, aber eindeutig die kleine Listera-Art mit schneeweißen Samen. Dann fanden wir in einem sumpfigen Gebiet im Pacific Rim-Nationalpark wieder Habenaria dilatata.

Während die Überfahrt von Tsawassen nach Vancouver Island durch die vielen Engstellen der Gulf Islands geht, wobei man neidvoll die schönen Ferienhäuser an den herrlichsten Standorten bewundern kann, fuhren wir auf der Rückfahrt von Nanaimo nach Horseshoe-Bay, weil wir noch einen Abstecher nach Whistler vorhatten. Die 100 km von Nord-Vancouver nach Whistler sind zur Zeit eine einzige Baustelle, da man die bislang relativ schmale Straße in Vorbereitung der Winterolympiade 2010 weitgehend auf 4 Spuren erweitert. Dazu muss man gigantische Massen aus den Felsen sprengen, weshalb die Straße nachts auch völlig gesperrt ist.

Whistler erinnert von Lage und Bebauung etwas an Zermatt, ist allerdings wesentlich größer. Wenn wir Westkanada trotz des gegenüber dem Euro abgewerteten CAN-Dollar schon als extrem teuer empfanden, setzte Whistler dem noch die Krone auf. So zahlten wir auf dem völlig überfüllten Campground 35 $ für die Nacht auf einem Parkplatz ohne jede Anschlüsse. Während unserer Zeit in Kanada erreichte übrigens der Kurs des CAN-$ den des US-$, bisher lag er immer so 10-15% darunter. Auch die Kanadier an der US-Grenze kaufen ihre Lebensmittel möglichst bei Abstechern in die States.

Whistler ist von Bergen mit mehr als 3.000 m umgeben. Wir benutzten eine Seilbahn zum Mount Whistler, 2.182 m, wobei man von der Kabine aus manchmal Schwarzbären sehen kann; auch wir sahen auf der Rückfahrt einen, allerdings braunen, der wie eine Kuh das Gras abweidete. Schwarzbären sind nicht immer schwarz, sie können auch braun, sogar blond sein; ein Grizzly war es aber nicht, die kann man an dem großen Rückenmuskel erkennen..

Wir machten eine ca. 2,5 km lange Rundtour in etwa die Höhe haltend und sahen trotz der schon fortgeschrittenen Jahreszeit noch eine Vielzahl von Bergblumen, teils aus Europa bekannt, teils völlig unbekannt.
Whistlerblume


An einem kleinen Bach sahen wir schon von weitem etwas Weißes blühen, und dies waren dann auch blühende Habenaria dilatata, die wegen der Höhe von hier 1.800 m noch nicht abgeblüht waren. Auch sie standen in einem typischen Sumpfgelände.


Den Abschluss unserer Touren machte ein Abstecher in den Cypress Provincial Park im Norden von Vancouver. Dort werden zur Zeit umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt, die wohl auch mit der Olympiade im Zusammenhang stehen. Aber auch sonst ist dies das Wintersportgebiet von Vancouver. Hier sahen wir am Straßenrand wiederum etwas Weißes, erste Zuordnung ,,Spiranthes", und dies waren dann viele Spiranthes romanzoffiana, die auf der steilen Böschung wuchsen und auf 900 m noch voll in Blüte waren. Der Boden schien sandig-steinig und völlig trocken zu sein, ich vermute aber, dass dort im Untergrund viel Feuchtigkeit vorhanden war; denn unten an der Straße war ein Graben zur Entwässerung.





Diese Art, auch Irische Drehwurz oder Irish Lady's-Tresses genannt, war wohl vor den Eiszeiten über die gesamte nördlich Hemisphäre verbreitet. Die irische Art ist möglicherweise noch der Überrest aus dieser Zeit, Hauptstandorte sind heute aber Kanada und USA.

Wenn man als Orchideenfreund nach Kanada reist, muss man sich entscheiden, in welcher Jahreszeit man die Reise antreten will. Wir hätten natürlich sehr gern die Calypso blühen gesehen, aber das ist mit April – Mai so früh im Jahr, dass man dann noch stark durch den Schnee bei Touren in den Nationalparks und auch auf den hoch gelegenen Straßen behindert ist. Wir wählten den Spätsommer, und da muss man sich bei den Orchideen natürlich auf die abgeblühten Samenstände beschränken.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)