Standard-Rezeptur für holzhaltige Substrate, symbiotische Aussaat

Begonnen von Claus, 06.Dez.09 um 22:41 Uhr

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Claus

Bei mir läuft zur Zeit eine Versuchsreihe, bei der ich eine Art Standard-Rezeptur für die symbiotische Kultivierung auf Holz entwickeln möchte.

Das nachhaltige Langzeitwachstum auf sterilisierten und mit B1 infizierten holzhaltigen Substraten ist bei geeigneten Arten wesentlich besser als auf Haferagar. Das Problem, das ich dabei sah, war die mangelnde Vergleichtbarkeit von Substraten. Ich hatte ja mal geschrieben, dass z.B. Farn sehr gut geeignet sei, aber das gilt nicht für eine Langzeitkultur, die Sämlinge halten bei weitem nicht so lange durch wie z.B. auf Eiche. Ich vermute, das liegt an dem viel geringeren Gehalt an Cellulose in trockenem Farn.

Ich habe mir daher aus einem Internetshop Sägespäne schicken lassen, die man zum Räuchern verwendet und zwar Eiche, Buche und Fichte. Die Eichen- und Buchenspäne sind sehr fein, die Fichtenspäne etwas grober. http://www.raeuchergut.de/

Grundsätzlich habe ich zwei Varianten angesetzt. Zum einen die lediglich mit Leitungswaser angefeuchteten Späne, zum andern imprägniert mit meiner normalen asymbiotischen Rezeptur, ausgenommen natürlich Agar, Zucker und Kohle. Bei den Spänen ohne Imprägnierung wollte ich wissen, ob dem Pilz das Holz als Nahrungsqulle allein ausreicht - er hat dann den Celluloseabbau zu Glucose als Energiespender - oder ob die weiteren Komponenten (Düngestoffe, Spurenelemente, Aminosäuren, B-Vitamine) erforderlich sind.

Insbesondere bei dem Eichensubstrat lag der pH-Wert mit 4,3 sehr niedrig, bei Buche war er 5,1 und bei Fichte 5,0. Die pH-Werte wurden durch Zugabe von 8%iger Kalilauge in den Bereich 5,6 - 6,1 gebracht; bei Eiche war gegenüber den anderen beiden Holzarten ein Vielfaches der Menge notwendig.

45 min wurde sterilisiert, nach dem Abkühlen mit B1 infiziert.

Nach ein paar Tagen zeigten sich in einigen Gläsern, vor allem Eiche, vereinzelt Buche, zusätzliche Infektionen, die nach Schimmel aussahen. Ich hatte dazu dann eine Diskussion mit Berthold, der ja etwas unsicher bezüglich des B1 ist, ob der nicht aus zwei Komponenten besteht.

Ich denke, das ist nicht der Fall. Die Menge an Substanz zusammen mit dem Wasser in den Marmeladengläsern war recht hoch, so dass die 45 min wahrscheinlich nicht ausreichten, um den gesamten Inhalt auf die im Drucktopf möglichen 118 Grad zu bringen. Ich habe einen Teil der doppelt infizierten Gläser nochmals sterilisiert, diesmal 2 Stunden. Danach wurden sie erneut mit B1 infiziert. Dabei gab es dann keine Fremdinfektion mehr. Auf diese und die anderen Gläser wurden A. morio, D. maculata und D. sambucina ausgesät.

Als Zwischenergebnis kann man folgendes sagen: Auf den Gläsern ohne Imprägnierung erfolgt fast überhaupt keine Keimung, man sieht nur ganz vereinzelt mal ein Protokorm.

Auf den 2 Stunden nachsterilisierten Gläsern sieht man auch nur sehr wenig Protokorme, da ist also etwas Negatives mit den Imprägnierstoffen während der 2-stündigen Sterilisierung passiert.

Auf den anderen Eichen- und Buchensubstraten erfolgt zur Zeit Massenkeimung bei A. morio und D. maculata und beginnende Keimung bei D. sambucina. Zwischen Eiche und Buche kann ich zur Zeit bezüglich Keimung keine Unterschiede erkennen. Auf der imprägnierten Fichte gibt es auch nur ganz vereinzelt Protokorme.

Es wird interessant sein, ob auf diesen Substraten eine ähnlich gute Entwicklung erfolgt wie auf den bisherigen Holzgemischen mit Spänen, Blättern. Rinde und Zweigen. Die waren aber nicht reproduzierbar herzustellen.



Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Carsten

Hallo Claus,

das wird ein guter und interessanter Versuch!
Ich glaube, es macht Sinn, das "reine" Holz nicht mit Kalilauge, sondern einer Pufferlösung zu behandeln. Dann sollte der pH stabiler sein.
Und vielleicht wäre es gut, das Holz und die Nährlösung getrennt zu sterilisieren und erst hinterher zu vereinen. Da würde die empfindlichen Komponenten in der Nährlösung schonen.

Viele Grüße, Carsten

Claus

Hallo Carsten,
guter Vorschlag. Nun habe ich ja schon KH2PO4 in der Imprägnierlösung. Jetzt noch Kalilauge zur Neutralisation der Gerbsäure (Tannin), da dürfte schon eine gewisse Pufferung stattfinden. Der wesentlich höhere Verbrauch bei Eiche wird sicher an der Gerbsäure liegen.

Bei getrennter Sterilisierung hätte ich das Problem, dass die Imprägnierlösung schlecht in die Späne einzieht. Man muss das Gemisch mit der Lösung einige Stunden lang ziehen lassen und dabei immer wieder mechanisch bearbeiten. Andernfalls liegen unten im Glas die Lösung und oben die Späne.

Was man vielleicht machen kann wäre, die Späne zunächst mit Wasser zu tränken, dann zu sterilisieren und schließlich die sterile Nährlösung zuzugeben. Dann muss man in einer Vorprobe die Aufnahmefähigkeit der Späne feststellen, damit dann nicht unten alles schwimmt.

Aber diese 2-stündige Sterilisierung mit dem schlechten Keimergebnis zeigt ja, dass da etwas passiert. Es könnten die B-Vitamine sein, die Aminosäuren, das Caseinhydrolysat oder das myo-Inosit. Alles andere ist ja anorganisch. Wenn man nur mehr Zeit investieren könnte, dann könnte man diese Komponenten einzeln weglassen und hätte dann wahrscheinlich rasch die Ursache.
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winwen

Sag mal Claus,
wird dieses Holzstaub-Medium nicht ziemlich "schlammig" durch die Imrägnierung?
Sollte man das nicht etwas luftiger machen z.B. mit Perlite- oder Cocosfaser-Zusatz?
Deine Versuche sind sehr interessant. Bis jetzt habe ich ja nur mit Kleintierstreu experimentiert (alles Weichholz) - allerdings recht zufriedenstellend.

Claus

Das ist kein Holzstaub, das sind echte Sägespäne. Bei Eiche und Buche sind die etwas feiner, ich habe die Korngröße 0,5 - 1 mm gekauft, bei Fichte sind sie relativ grob mit 1,2 - 1,6 mm. Da wird nichts schlammig.

Ob es Sinn macht, zum Auflockern noch Mineralstoffe zuzusetzen weiß ich nicht. Statt die Zeit für solche Versuche zu verschwenden würde ich lieber andere Pilze parallel testen.

Es hat sich nämlich gezeigt, dass für die einzelnen Arten verschiedene Pilze zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So z.B. bei Spiranthes spiralis, bei der DSMZ 3713 nach kurzer Zeit zu parasitieren beginnt, der B1 so einigermaßen funktioniert, aber die Protokorme auf dem L1 den anderen deutlich weglaufen.

Auch das "Umpilzen" in einer Notsituation scheint zu funktionieren, d.h. die noch lebenden Sämlinge auf DSMZ 3713 wurden auf eine B1-Fläche gelegt und scheinen dort weiter zu wachsen.

Da kommt natürlich sofort die Frage auf: Hat schon jemand mit Gemischen von Pilzen gearbeitet? Natürlich beabsichtigt, nicht aus Versehen!  :-D

Angeblich geht das gar nicht, weil sich unterschiedliche Pilze nicht vertragen. In der Praxis passiert das aber immer wieder, und in der Natur ist das ja wohl auch so.
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Claus

Inzwischen habe ich auf den Holzsubstraten starke Keimung bei A. morio, D. maculata und schwache mit D. sambucina.

Auf den nicht imprägnierten Spänen ist die Keimung minimal. Es ist also offensichtlich so, dass der B1 zwar Holz abbauen kann, aber die dann für ihn verfügbaren Stoffe reichen nicht zur Ernährung einer größeren Anzahl an Sämlingen. Holz ohne Imprägnierung kann man also vergessen, aber genau das wollte ich ja auch wissen. Die nachsterilisierten Gläser zeigen auch starke Keimung, aber es ist schon ein deutlicher Unterschied zu den Gläsern mit nur 45 min Sterilisation zu erkennen.

Im nächsten Schritt müsste dann die Imprägnierung optimiert werden. Da ich 15 kg Eichenspäne geordert hatte, wird dieser Versuch nur an der Anzahl der vorhandene Gläser seine Grenzen finden.  :-D

Ich werde hier aber dann die einfachere Imprägnierung verwenden mit Kalkammononsalpeter aus dem Landhandel und dem ungarischen hydrolysierten Schweinedarm. Wer das nachstellen möchte, kann statt dessen einen Aminosäure-Cocktail aus der Muckibude nehmen, der ist auch nicht so teuer.

Es gibt zwischen Eiche und Buche bei A. morio und D. maculata praktisch keinen Unterschied, in jedem Fall Massenkeimung. Vielleicht ist das Wachstum auf Eiche ein klitzeklein besser als auf Buche, da muss man aber bei A. morio erst einmal die Blattbildung abwarten. Die Protokorme sind schon über 1 mm groß, im Prinzip sind sie umlegefähig. Das Problem wird sein, dass sie durch die Massenkeimung viel zu dicht liegen. Aber das Holz hat ja viel Potential! Im Vorversuch haben sich bisher richtige Sträuße entwickelt.

Auf Fichte gibt es Keimung, sie ist aber ganz ganz viel geringer als auf dem anderen Holz.

Sehr interessant ist noch Folgendes: Mir waren ja vermutlich durch zu kurze Sterilisierung einige Gläser mit einem grünblauen Schimmel infiziert worden, der inselartig auftrat. Dieser Schimmel spielte weder bei der Keimung noch bislang im Wachstum irgendeine negative Rolle, er breitet sich auch nicht weiter aus. Wir haben sozusagen Koexistenz.

Fotos? Ja, im Anschluss. Es ist durch die Hyphen auf der Glaswand immer etwas schwierig, ordentliche Fotos vom Innern zu machen. Das geht nur nach Öffnen des Glases in der Sterilbank, aber dafür fahre ich sie nicht an.
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Charlemann

Wäre mal interessant sterile Eichenspäne ausserhalb der Gläser massiv mit dem B1 zu infizieren (z.B. in einem Minigewächshaus) und dann grossflächig auszusäen.

Berthold

Michael, dann kommst Du wahrscheinlich den natürlichen Bedingungen näher, unter denen einer von 2000 Samen keimt.
Ich finde, da sollte man der Natur schon mal etwas auf die Beine helfen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Charlemann am 16.Dez.09 um 21:06 Uhr
Wäre mal interessant sterile Eichenspäne ausserhalb der Gläser massiv mit dem B1 zu infizieren (z.B. in einem Minigewächshaus) und dann grossflächig auszusäen.
Michael,
habe ich schon gemacht, funktioniert aber leider nicht. Keine Ahnung weshalb nicht.
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Berthold

Zitat von: Claus am 16.Dez.09 um 21:18 Uhr
..funktioniert aber leider nicht. Keine Ahnung weshalb nicht.

wieviele Samen hast Du denn ausgesät, Claus?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Na, so wie üblich, eine Handvoll. grins Nee, im Ernst, es waren so ca. 2 von meinen Spatelschaufeln, die du kennst.
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Charlemann

Eigentlich komisch.
Aber vielleicht ist der Symbiosepilz dermaßen mit der Abwehr anderer Pilze beschäftigt, dass er ganz vergißt die Samen zum Keimen zu bewegen.

Claus

Es kann auch daran liegen: Es war Frühsommer. Da wollen die Samen sowieso nicht so gut keimen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt.
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Berthold

ich glaube, die statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Pilzhyphe einen Samen erwischt ist einfach sehr klein. Ein Samen ist ja ziemlich klein und eine Hyphe ziemlich dünn, da kannse leicht schon mal vorbei wachsen. Ganz ohne Lockstoffe geht das Finden bestimmt überhaupt nicht.
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Claus

Berthold,
das kanns nun wirklich nicht sein. Die Hyphen sind doch überall und gehen durch dick und dünn, die finden die Samen immer. Das werden die Bedingungen sein, z.B. kann in einem offenen System blitzschnell ein Schimmelpilz einfallen und sich den Embryo einverleiben.

Und dann ist er weg!  :wink :wink :wink
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