Optimalbedingungen für Urtica dioica schaffen - Hydrokultur?

Begonnen von FlohImOhr, 19.Feb.22 um 10:22 Uhr

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FlohImOhr

Hallo,

ich benutze meinen Erstbeitrag im Forum zu einem "Geständnis": ich kultiviere überhaupt keine Orchideen. Ich habe mich hier angemeldet, weil mir die Forumsziele im Vergleich zu anderen Pflanzenforen am besten zu meinen Anliegen zu passen scheinen: "Informationsaustausch über Orchideen und andere seltene Pflanzen. Die Kultur und Vermehrung der angesprochenen Pflanzengruppen gilt allgemein als schwierig, ist noch nicht hinreichend erforscht, oder wird von kommerziellen Züchtern als ihr eigenes Know-how nicht veröffentlicht. Hierbei handelt es sich meist um Pflanzen, die bisher nicht den Einzug in die breite Vermarktung gefunden haben."

Ich versuche schon seit Jahren, die Kultur von Urtica dioica im Topf zu optimieren, um ein möglichst üppiges Wachstum zu erzielen. Da die Pflanze ein Stickstoffzeiger ist, habe ich bisher klassische Hydrokultur auf Blähton versucht. Damit sollte eine gute Wurzelbelüftung, Schädlingskontrolle und Nährstoffzufuhr zu erreichen sein. Ich überlege mir aber: (wie) kann ich die Bedingungen noch weiter verbessern, möglichst ohne die "ganz großen Keulen" der Airoponik,  Hydroponik/aktive Spülsysteme und ähnliches einsetzen zu müssen?

Hintergrund: U. dioica ist sicher keine "Orchidee" und für mich auch selbst nicht besonders interessant. Ich habe sie allerdings vor etlichen Jahren als ausgezeichnete Unterlage zur Seidenkultur gefunden (Cuscuta spp.). Auf ihrer "Basis" schaffe ich es mit einiger Mühe, einige der eigentlich einjährigen Arten sogar über den Winter durchzukultivieren.

Nun wirken Seiden auf ihre Wirte stark auszehrend; um ein Absterben der U. dioica zu verhindern, behelfe ich mir bisher damit, daß ich mehrere Kulturtöpfe vorhalte und die Seide auf einen frischen Topf umleite, sobald die Nesseln im aktuellen Topf die typischen Krankheitszeichen zeigen (Wachstumsstopp, Chlorose beginnend an den Blatträndern, Triebe sterben ab). Nach dem Überleiten entferne ich die Seide vom bisher aktiven Topf, damit sich die Nessel dort erholen kann. Je nach Art ist dies alle 6-8 Wochen notwendig, trotzdem müssen Nesseltöpfe immer wieder frisch angesetzt werden.

Vieleicht gibt es hierfür noch ein besseres Vorgehen?

Disclaimer: der Beitrag mag seltsam klingen, ist aber durchaus ernst gemeint. im Anhang habe ich ein aktuelles Bild eines meiner Töpfe beigefügt. Die dünnen, gelben "Würmer" links von der roten Kappe sind echter Teufelszwirn (Cuscuta europaea). Ich habe den Topf vor etwa einer Woche aktiviert, deshalb sind die Triebe noch recht dünn. Am unteren Bildrand zwischen der "19" ist die "Nabelschnur" erkennbar, an der die Seide mit dem vorigen Topf verbunden war.

partisanengärtner

Ich hatte mal eine mir unbekannte Art aus Nordindien 1972 mitgebracht und die auch viele Jahre durchkultiviert.Wuchs von Begonie über Ficus, Buntnessel auch an Citrus, an der ich damals Samen fand. Eigentlich ist sie an alles rangegangen was ich ihr angeboten habe.

Wenn es zu schlimm wurde habe ich sie einfach abgerissen und nur zentimeterlange Reststücke dran gelassen.
Einmal war alles weg. Da hat sie nach vielen Wochen aus einer der zurückgelassenen Narben an der Zitrone wieder neu getrieben.
Leider gab es bei mir nie Samenansatz.
Die Triebe waren ca. 2-3 mm stark und die Blüten ca.3-4 mm in den Trauben.

Das ist schon fast 50 Jahre her und ich hätte sie gern wieder.

Vermutlich könnte Dir meine wartungsarme Hydroponiktechnik helfen. Ganz ohne Maschinen.
https://www.orchideenkultur.net/index.php?topic=47819.0
Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

walter b.

Ein interessantes Thema, zu dem ich zwar nicht viel beitragen kann, das ich aber gerne weiter verfolgen werde!

walter b.

Außer vielleicht: Hast Du es schon mit Seramis oder Lechuza probiert? Auch inerte Substrate, allerdings möglicherweise feinkörniger.

Und nur weil sich mir die frage aufdrängt: Wächst Brennnessel in normalem Kultursubstrat für Topfpflanzen (Blumenerde) nicht gut genug? Nicht dass ich es schon probiert hätte, aber ich hätte die Art nicht als so anspruchsvoll vermutet...

FlohImOhr

#4
@partisanengärtner: Ich habe mir Deine Hydroponiktechnik-Beschreibung durchgelesen, werde aber nicht ganz schlau daraus. Schwimmen die Pflanzgefäße in einem See beziehungsweise Wasserkübel frei herum? Sind die Gefäße noch mit Erde oder anderem Substrat gefüllt?

Wenn Deine Art aus Nordindien stammte, war es wahrscheinlich C. reflexa, die als "Akash bel" in der Ayurveda-Medizin verwendet wird. In Indien werden ihre Samen daher als Heilmittel verkauft, in Deutschland sind sie meines Wissens nicht erhältlich.


@walter b.: Tatsächlich verwende ich für die Nährlösung bereits "Seramis Vitalnahrung für Grünpflanzen" (eine Dosierkappe bis zum Überlauf gefüllt auf 1 Liter Wasser). Da das Mittel als "Extra Stickstoff" angepriesen wird, schien es mir für U. dioica besonders geeignet. Alternativvorschläge könnte ich natürlich ausprobieren.

Zu Deiner Frage "Wächst Brennnessel in normalem Kultursubstrat für Topfpflanzen (Blumenerde) nicht gut genug?": normalerweise würde ich Ja sagen, aber in diesem besonderen Fall unterschätzt Du die Wirkung der Seide. Bei größeren Arten wie C. europaea oder C. lupuliformis kann allein der Haupttrieb unter guten Bedingungen 5-8cm pro Tag an Länge zulegen. Der Nährstoffentzug ist enorm.

Ich hänge mal ein zugegebenermaßen schlechtes Bild vom fortgeschrittenen Stadium an: die weißen Blüten stammen von der goldgelben Seide (C. campestris, im Winter ist die Färbung des schlechten Lichtes halber nur schwach ausgeprägt). Ich habe sie früher auf Atropa bella-donna überwintert und die mäßige Eignung von U. dioica durch Zufall entdeckt. Als ich den Topf  im November 2021 angesetzt habe, war die Nessel gesund und kräftig. Obwohl die Seide unter den ungünstigen Umständen nur wenig wächst, sind die Schäden doch nicht zu übersehen. C. europaea erzeugt denselben Effekt binnen 4-6 Wochen.

partisanengärtner

#5
Danke für die Info. Du bist der Größte

Bezüglich der Inseln: die sind mit Mikrofaserstoff bespannt und sorgen für dauerhaft gleichmässige Feuchtigkeit im Substrat.
Die Wasserspeicherfunktion des Substrates ist bei der Methode überflüssig, daher brauche ich viel weniger Material.

Ja sie schwimmen auf diversen Wasserbehältern. Wenn ich eine höhere  Substratschicht haben will setze ich Barrieren auf das Vlies.

Das können Moospolster sein , oder Äste, Steine oder auch Streifen aus Styrodur (mit Vlies abgedeckt). So kann Wasser von oben immer schnell abfließen und es entstehen keine sauerstoffarmen Zonen.

Das Vlies wird sehr rasch von Moosen bewachsen und das ganze sieht auch gut aus,
Mykorrhizapilze scheinen da sehr gut zu halten. Viele darauf gehaltene entsprechende Heikelchen bestätigen das.

Alles was ich bisher darauf setzte ist einfach weiter gewachsen, egal wie stark die geschädigt waren. Stecklinge sind
bisher problemlos angegangen wenn ich sie in Sphagnumpolster setzte.

Da musst ich mich nach dem Stecken in ein Moospolster nicht mehr drum kümmern.




Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

partisanengärtner

Bei der indischen Cuscuta Art, ließ sich die Verpflanzung auf andere Pflanzen auch sehr leicht bewerkstelligen.
Einfach einen fingerlangen Trieb abbrechen und in eine neue Pflanze legen.
Binnen kurzem wand sie sich um die Pflanze und grub ihre Haustorien tief ins Gewebe. Die Narben waren sehr impressiv. Sah wie eine Oktopusattacke aus und verheilte auch nicht in vielen Monaten, wenn der Parasit entfernt wurde.
Eine war nach einigen Jahren noch deutlich sichtbar. Wie sich alle verhielten weiß ich leider nicht mehr.

Natürlich hatte diese Art mehr Substanz im Trieb, aber das gelang in der trockenen Zimmerluft. Für die zierlicheren Arten würde ich es einmal in gespannter Atmosphäre probieren.

Habe die Samen bei Amazon gefunden. Leider in Indien und ich weiß noch nicht ob die hierher versenden. Sollte ich sie tatsächlich bekommen
Werde ich viele hier anbieten, denn es waren hundert Gramm.
Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

FlohImOhr

@partisanengärtner: Verstehe ich das richtig: der Effekt Deiner Pflanzinseln ist ein praktisch konstanter Wasserstand durch das freie Schwimmen? das wäre mit meinen Hydrotöpfen ja relativ einfach zu schaffen, wenn ich den Übertopf entsprechend größer wähle und Schwimmer anbringe...

ZitatHabe die Samen bei Amazon gefunden. Leider in Indien und ich weiß noch nicht ob die hierher versenden. Sollte ich sie tatsächlich bekommen
Werde ich viele hier anbieten, denn es waren hundert Gramm.
Ich reserviere schon mal ein paar Gramm :whistle Tatsächlich gibt es im Netz sogar etliche Anbieter davon, allerdings fand ich in den Liefer- und Zahlungsbedingungen regelmäßig den Satz "Sorry, we do not ship out of India.". Ich drücke Dir jedenfalls die Daumen, auch damit Du bei der Einfuhrkontrolle nicht in Teufels Küche kommst (irgendwie passend...)

partisanengärtner

Den "Wasserstand" kann man leicht regeln indem man das Styrodur entsprechend stark wählt. Man kann auch einfach mit weiteren Stücken unterfüttern. Das Vlies muß aber immer bis zum Wasserstand reichen.
Eine Dochtmethode mit Überlauf unterhalb der Substrathöhe funktioniert auch gut.

Das mit dem Bedarf dachte ich mir. Ich werde noch ein paar Hebel in Bewegung setzen. Ich habe noch recht gute Beziehungen zum hiesigen Botanischen Garten und mit meiner Erfahrung mit dieser Art habe ich ein paar Argumente um die heiß zu machen. ;)
Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

FlohImOhr

Zitat von: partisanengärtner am 20.Feb.22 um 16:06 UhrDas mit dem Bedarf dachte ich mir. Ich werde noch ein paar Hebel in Bewegung setzen. Ich habe noch recht gute Beziehungen zum hiesigen Botanischen Garten und mit meiner Erfahrung mit dieser Art habe ich ein paar Argumente um die heiß zu machen. ;)

Verzeihe meine Neugier... hast Du da noch ein paar Hebel in Bewegung gesetzt oder das Thema fallen gelassen? Nach meinen eigenen Erfahrungen dürfen Botanische Gärten seit etwa 2012 grundsätzlich keine Pflanzen mehr an "Private" herausgeben (Auswirkungen der Konvention von Rio).

Berthold

Zitat von: FlohImOhr am 28.Dez.22 um 14:18 Uhr
Zitat von: partisanengärtner am 20.Feb.22 um 16:06 UhrDas mit dem Bedarf dachte ich mir. Ich werde noch ein paar Hebel in Bewegung setzen. Ich habe noch recht gute Beziehungen zum hiesigen Botanischen Garten und mit meiner Erfahrung mit dieser Art habe ich ein paar Argumente um die heiß zu machen. ;)

Verzeihe meine Neugier... hast Du da noch ein paar Hebel in Bewegung gesetzt oder das Thema fallen gelassen? Nach meinen eigenen Erfahrungen dürfen Botanische Gärten seit etwa 2012 grundsätzlich keine Pflanzen mehr an "Private" herausgeben (Auswirkungen der Konvention von Rio).
Aber sie können natürlich wertvolle Pflanzen tauschen, auch mit Privatleuten, denke ich.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

partisanengärtner

Fallengelassen habe ich das Thema noch lange nicht.
Es gibt tatsächlich Chinesische Quellen die Samen zur Teebereitung hierher schicken.
Die Adressen habe ich über ein schottisches Forum bekommen.

Dabei tauchte auch der Verdacht auf, das solche Samen behandelt sind. Teils wird das ja auch geräuchert oder anderweitig hitzebehandelt. :ka

Beim Botanischen Garten habe ich noch gar nicht nachgefragt, weil ich den Leiter im Januar mal persönlich besuche, da ist das viel einfacher zu machen.

Eine andere Quelle hat sich gestern aufgetan. Da wäre dann eine Samenprobe aus Indien möglicherweise im Bereich des möglichen.
Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.

FlohImOhr

Zitat von: Berthold am 28.Dez.22 um 14:32 Uhr
Zitat von: FlohImOhr am 28.Dez.22 um 14:18 UhrNach meinen eigenen Erfahrungen dürfen Botanische Gärten seit etwa 2012 grundsätzlich keine Pflanzen mehr an "Private" herausgeben (Auswirkungen der Konvention von Rio).
Aber sie können natürlich wertvolle Pflanzen tauschen, auch mit Privatleuten, denke ich.

Dein Gedanke ist leider nach meiner Erfahrung zu optimistisch. Alle mir bekannten Botanischen Gärten sind IPEN-Mitglieder (International Plant Exchange Network) und geben Pflanzen nur innerhalb des IPEN weiter. Alles andere ist streng genommen nur mit "appropriate Material Transfer Agreements" erlaubt (siehe http://www.botanicgardens.eu/ipen.htm). Den Aufwand tun die sich für einfache Gartenfreunde verständlicherweise kaum an. Ein Freundschaftsdienst unter der Hand ist nicht immer ausgeschlossen :blush: , aber legal anscheinend nicht.

Das hier relevante Ziel der Konvention von Rio ist: Privatleute sollen sich nicht mehr an biologischem Material bereichern, ohne das Herkunftsland am Gewinn zu beteiligen. Gemünzt vor allem auf den Fall "Pharmaunternehmen stellt Medikament aus einer Amazonas-Pflanze her, verdient zig Millionen, und das Herkunftsland kriegt keinen $/€ davon ab".

FlohImOhr

Zitat von: partisanengärtner am 28.Dez.22 um 15:56 UhrFallengelassen habe ich das Thema noch lange nicht.
Es gibt tatsächlich Chinesische Quellen die Samen zur Teebereitung hierher schicken.
Die Adressen habe ich über ein schottisches Forum bekommen.

Dabei tauchte auch der Verdacht auf, das solche Samen behandelt sind. Teils wird das ja auch geräuchert oder anderweitig hitzebehandelt. :ka

Dann aufpassen, sonst kanns eine Enttäuschung werden :lupe  dieser Tee aus der TCM wird aus "Tu Si Zi" bereitet. Das ist meistens C. chinensis und nicht die von uns begehrte C. reflexa!

C. chinensis habe ich übrigens auf diesem Weg tatsächlich in Kultur genommen. Sie sieht C. campestris sehr ähnlich, ist etwas warziger und der Orangeton etwas dunkler. "Tu Si Zi" befällt nach meiner Erfahrung bevorzugt Solidago canadensis... :-D

partisanengärtner

Danke Dir da werde ich wohl besser auf die Reaktion meiner Indischen Quelle warten.
Das Gewusel der kleineren Arten wird sich sicherlich auch nicht so langfristig halten lassen wie die von Cuscuta reflexa.

Nur qualitatives Wachstum hat keine Grenzen.