In diesem Jahr fielen sowohl an Ostern, als auch an Pfingsten die geplanten Touren aus. Das musste dann im Juli nachgeholt werden, als die Grenzen wieder offen waren.
Es ging aber nicht direkt nach Italien, sondern auf Umwegen über ein österreichisches Biotop mit Liparis nemoralis. Diese relativ neu entdeckte Art wächst in Kiefernwäldern und ist vor allem aus den Bergen nördlich von Belluno bekannt. Sie ähnelt stark Liparis loeselii hat aber eine eckigere Lippe und natürlich einen völlig anderen Wuchsort.
Es gab auch noch andere Orchideen, z.B. Gymnadenia odorotissima, Epipactis palustris und distans.
Das Wetter hätte besser sein können aber zumindest regnete es nur während der Anfahrt und der Weiterfahrt zu einem weiteren Fundort in Italien.
Oh, ein Reisebericht, wie schön. :-) :popcorn:
Ja nach langer Zeit mal wieder einer.
morgens wachte ich bei Regen auf, der Wetterbericht hatte Sonne versprochen. Ich wanderte trotzdem runter zu einem schönen Biotop mit den grünen Orchideen, knospige Epipactis, Herminium monorchis, Malaxis monophyllos und Liparis nemoralis. Der Regen hörte zum Glück bald auf, nur etwas heller hätte es noch sein können.
weitere Orchideen im Wald, erst aus Fichten, dann überwiegend Hasel.
Nochmal ein paar der Liparis, bevor es weiter in den Süden ins eigentliche Zielgebiet geht. Nach sechs Stunden war ich im Gran Sasso, gerade als die letzten Regenschauer vorbei waren, perfektes timing.
Morgen gibt es weniger grüne Pflanzen.
Am frühen Morgen startete ich meine Tour vom Campo Imperatore auf den Mte. Tremoggia. Nach einer Stunde Aufstieg im Schatten waren der Sattel und die Sonne erreicht. Bilder machte ich noch keine, es gab auch nichts besonderes. Nach einer weiteren halben Stunde war es dann botanisch so interessant, dass sich der Weiterweg deutlich verlangsamte.
Zunächst mal ein paar Bilder von der Anfahrt und dem Anstieg.
Dann zu den Blumen, es gab da so einiges, wie immer in den Bergen.
Kurz danach dann das erste Kohlröschen auf 2200m Höhe, hier schon verblüht. Es sollte das einzige in diesem Zustand bleiben. Nur wenig weiter dann das erste schöne Biotop mit ca. 50 Pflanzen.
Ein Handyphoto wurde auch von den Kohlröschen gemacht und per WhatsApp verschickt. Prompt kam die Antwort von einem holländischen Freund. Sitze gerade auch vor diesen Kohlröschen aber meine sind schon am Verblühen. Er brauchte noch ein paar schöne Bilder für sein Buch über die Orchideen Europas, das seit 15 Jahren "nächstes Jahr rauskommt". Zwei Tage später war er dann auch am Mte. Tremoggia, ich aber schon weiter im Süden.
Wieder zu den anderen Blumen.
Tolle Bilder :thumb
ein sehr schöner Reisebericht! :thumb
Anemone narcissiflora blühte in großen Beständen.
Ein Edelweiß haben sie hier auch, Leontopodium nivalis und Läusekräuter finden sich ebenfalls immer.
Das war's dann mit der Bergtour und es ging wieder runter. Ich schwitzte höllisch beim Runtergehen, kalt war es nicht gerade. Mir begegneten aber Italiener im Aufstieg im dicken Wintermantel, kein Tropfen Schweiß war zu sehen. Das ist mir völlig unverständlich.
Den Tag rundete ich dann im Kiefernwald mit Epipactis distans ähnlichen Pflanzen ab.
Sehr schöne Bilder, wie immer. Mach ruhig weiter. :thumb
Sehr schön, danke für die tollen Bilder :thumb :wink
Schöne Bilder und hübsche Blümchen :thumb
Danke für den lehrreichen Bericht und die interessanten Bilder... :thumbu66
Ich habe etwas gebraucht, um mir zu überlegen, wie ich weiter mache und mich entschieden gebietsweise vorzugehen und nicht chronologisch.
Daher ein paar Bilder vom zweiten Besuch im Gran Sasso, den wir einmal umrundeten. Bisher hatte ich den Corno Grande noch nie von Norden gesehen.
Ich lasse mal die Majella aus und springe direkt zum Gargano. Den kennt man ja vom Frühling als Orchideeparadies aber auch im Sommer kann man einige Endemiten unter den Orchideen finden.
Den Abend verbrachten wir am Meer, das nach einem heftigen Sturm ziemlich aufgewühlt war.
Im Juli darf man natürlich keine Ophrys am Gargano erwarten. Bereits Mitte Juni geht es mit Ep. neglecta los. In diesem späten Jahr blühten sie sogar noch Anfang Juli. In den Jahren 2016-18 waren sie immer verblüht gewesen.
Sie ist am Gargano auffallend variabel und farbenprächtig.
Als ich vor 22 Jahren anfing, mich mit den Ständelwurzen zu beschäftigen hatte ich massive Probleme, ähnliche Arten auseinanderzuhalten. Da ich vermute, dass es den meisten ebenso geht, ein paar Worte, auf was man achten muss.
Biotop: Wald oder offeneres Gelände
Bestäubung: allogam, autogam, fakultativ autogam (erst allogam, später autogam)
Blattform, -stellung und -größe
Länge der unteren Tragblätter
Ep. neglecta ist autogam, manchmal auch fakultativ autogam und hat immer lange Tragblätter
Doch nochmal zu Ep. neglecta, der Vorderteil der Lippe ist meist seitlich verdreht, die Garganopflanzen zeigen das nicht unbedingt (Bild 1).
Und auch noch die Illustration vom Aufgehen der Blüte mit gut sichtbarer Rostelldrüse bis zur völligen Selbstbestäubung (Bild 2-4). Der Pollen zerbröselt und die kleinen Stücke bedecken die darunterliegende Narbe am Schluss völlig.
Die Rostelldrüse funktioniert bei Ep. neglecta am Anfang fast immer. Sie sichert sich also noch die Chance der Selbstbestäubung.
Es gibt aber auch einzelne Populationen von Ep. neglecta, bei denen der ganze Mechanismus zum Verhindern der Selbstbestäubung fehlt (Rostellum und Rostellldrüse) und die Pollen rutschen von oben direkt auf die Narbe (Bild 5).
Stefan,
ist die Liparis eine Osttirolerin?
ja, so sie nicht in Italien wachsen.
Dann zum ersten Gargano-Endemiten, Epipactis garganica. Sie blüht gerne kleistogam (Blüten bleiben geschlossen) was den Fotografen nicht begeistert. Ich war allein in diesem Jahr dreimal am Gargano, um ein paar gescheite Bilder zu machen.
Es ist eine autogame Art, die Klebdrüse funktioniert nicht.
Der nächste Endemit trägt den Foresta Umbra im Namen, Epipactis leptochila subsp. umbrae.
Von denen gibt es wohl nicht wirklich viele. Ich habe bei allen Besuchen zusammen kaum 15 Pflanzen gesehen. Es ist eine sehr spät blühende Art mit im unteren Teil schönen violetten Stängeln.
Sie ist der Ep. neglecta recht ähnlich, im 2. Bild sieht man aber wie unterschiedlich sie blühen, die eine verblüht, die andere kleinknospig.
Dann gibt es da noch Epipactis collaris, kommt vom Norden der Basilikata bis zum Gargano vor. Sie ist wieder mal selbstbestäubend und durch den oft sehr breiten Kragen des Hypochils (hinterer Teil der Lippe) und einen gezähnten Epichilrand charakterisiert. Epichil = vorderer Teil der Lippe. Sie ähnelt am ehesten Epipactis dunensis aus England.
Jetzt zu ausgelassenen Majella, dem zweithöchsten Gebirge des Appenin. Der Mte. Amaro ist mit 2795m die höchste Erhebung. Im Mai und Juni gibt es in den Magerrasen viele Orchideen, Ophrys majellensis hat es sogar bis in den Juli geschafft.
In den gerade gezeigten Magerrasen gibt es jede Menge Epipactis atrorubens, die Anfang Juli schön blühten. Früher im Jahr sind es einige Ophrys- und Orchisarten. Seit 1998 habe ich dort insgesamt 32 Arten gesehen.
Weiter oben gibt es noch einige andere interessante Pflanzen.
Bleiben wir noch etwas außerhalb des Waldbereichs.
Anacamptis pyramidalis blüht je nach Höhe bis in den August.
Dianthus sternbergius findet man eigentlich überall an trockeneren Stellen.
Noch ein wenig Landschaft in der Majella.
Ein wichtiger Hinweis für das Reisen im südlichen Italien. Wenn das Geld fehlt, dann wird die Straße zunächst auf 30 km/h beschränkt.
Nur bei Nebel und schlechter Sicht darf man noch 50 km/h fahren.
Wird der Straßenzustand dann zu schlecht, wird die Straße gesperrt. Das hat rein versicherungstechnische Gründe. Man kann solche Straßen schon noch fahren.
Manchmal bleiben sie auch ungesperrt und man kann das Hindernis umfahren.
Zum Abschluss der Majella noch zwei Endemiten. Znächst kommt Epipactis savelliana, die aus der Majella beschrieben ist und inzwischen auch noch an anderer Stelle gefunden wurde. Es ist eine autogame Sippe, die gerne mal kleistogam blüht. Die Pflanzen können recht groß werden mit vielen dicht stehenden Blüten. Die Blüten ähneln Ep. leptochila sind aber kürzer und breiter. Auch die Blätter sind küzer, manchmal sogar sehr kurz.
Dann noch zu Epipactis majellensis, eine sehr nervige kleine Ständelwurz. Meist blüht sie kleistogam. Um die Pflanzen sicher zuordnen zu können, muss man die Blüten vorsichtig aufpopeln und stellt dann oft fest, dass es was anderes ist. Einmal hatten wir Glück und eine ganze Reihe schön blühender Pflanzen angetroffen.
Zitat von: sokol am 15.Okt.20 um 06:01 Uhr
Dianthus sternbergius findet man eigentlich überall an trockeneren Stellen.
Da scheint es ja auch verschiedene Varianten zu geben, mal breitere Blütenblätter, mal schmaler, mal mit rosa, mal ohne. Schön finde ich Nelken immer.
Und corona-sicher warst du auch unterwegs. :thumb
(https://www.orchideenkultur.net/index.php?action=dlattach;topic=45854.0;attach=161870;image)
Ja, außer gelegentlichem Einkaufen und Tanken kann man so die Kontakte minimieren. Touristen-Hotspots standen nicht auf dem Programm.
Nelken liebe ich auch und habe mir auch meist Samen mitgenommen. Dianthus sternbergius ist z.B. gut gekeimt.
Schicker Tretroller :-)
Zitat von: Ralla am 15.Okt.20 um 09:13 Uhr
Und corona-sicher warst du auch unterwegs. :thumb
Wenn nur die Wölfe und Bären nicht wären :classic
Super tolle Bilder Stefan! :thumb :thumb :thumb
Zitat von: sokol am 15.Okt.20 um 10:22 Uhr
Ja, außer gelegentlichem Einkaufen und Tanken kann man so die Kontakte minimieren. Touristen-Hotspots standen nicht auf dem Programm.
Hehe, so reise ich dieses Jahr auch, allerdings auf dem Wasser.
Zitat von: Ralla am 15.Okt.20 um 13:08 Uhr
Zitat von: sokol am 15.Okt.20 um 10:22 Uhr
Ja, außer gelegentlichem Einkaufen und Tanken kann man so die Kontakte minimieren. Touristen-Hotspots standen nicht auf dem Programm.
Hehe, so reise ich dieses Jahr auch, allerdings auf dem Wasser.
Da siehst du aber keine Blümchen.
Zitat von: sokol am 15.Okt.20 um 18:33 Uhr
Da siehst du aber keine Blümchen.
Wenig. Aber jede Menge Wasservögel.
Für Vögel brauch ich immer Experten. Der eine kennt die Stimmen, der andere weis, wie sie aussehen. Gut aus dem Garten kenne ich die Drecksamsel, die meine Schilder und Pflanzen aus dem Erdreich zieht.
Schauen wir noch mal kurz zum im Westen der Majella verlaufenden Abruzzen NP. Die Berge sind nur um 2200 m hoch, Bären und Wölfe gibt's da auch aber laut Aussage von Einheimischen keine Chance welche zu sehen.
Das Biotopbild ist u.a. von Orchis spitzelii
Weiter geht es nach Süden in die Monti delle Matese.
Eine andere weit verbreitete Nelke, Dianthus sylvestris gibt es da auch. Weiter unten dann einige Seen.
Vielen Dank für die vielen tollen Fotos. Hast du am Gargano auch Iris bicapitata angetrofen? Sicherlich nicht in Blüte.
Die wächst bei mir seit meinem ersten Besuch am Gargano im Garten und hat gut zugelegt. Im Juli sieht man nichts von denen, da ist alles vertrocknet.
Eine sehr schöne Art.
Bevor wir das Gebirge verlassen noch Epipactis microphylla. Die Art ist weit verbreitet, eine der frühesten Arten und wenn sie noch in Knospe ist, dann ist man für Epipactis zu früh dran. Meistens sehe ich sie aber fruchtend.
Die Monti Picentini im weiteren Hinterland von Neapel sind die nächste Etappe der Reise. Einige Epipactisarten erreichen dort ihre nördlichste Verbreitungsgrenze.
Epipactis nasuta ist nach aktueller Kenntnis ein Endemit dieser Gegend. Es ist wieder mal eine autogame Art, bei der sich die Pollenkörner schnell über die Narbe, manchmal auch die ganze Blüte verteilen. Sie hat relativ viele, meist schmale Blätter und wächst gerne in Schluchten und Rinnen im Buchenwald. Fast 50 Pflanzen wuchsen auch mal auf einem einzigen Felsen und außenherum (letztes Bild)
Vorbei geht es an den Monti Alburni in den westlichsten Zipfel der Basilikata, wo wir uns immer wieder gerne mit unserem italienischen Orchideenfreund treffen. Gefühlt kennt er jede Epipactispflanze seit 20 Jahren und ist mit jeder längst per du.
Es wird natürlich immer fleißig diskutiert und fotografiert.
Die Samen von zwei Nelkenarten wurden gesammelt, eine unbekanntermaßen, Dianthus sylvestris blühte noch.
Drinnen im Buchenwald dann sehr viele Epipactis lucana, ähnlich Ep. helleborine aber mit dickerem Stängel, kürzeren und blaugrünen Blättern, gewellten Blatträndern und einer späteren Blütezeit.
Nachdem diese Gebiet am Beginn des Lukanischen Appenins sehr artenreich ist, gibt es noch weitere Epipactisarten von dort. Epipactis exilis ist eine der wenigen Epipactisarten, die man in jedem Zustand sofort erkennt. Sie ist zierlich, hat kleine hoch ansetzende blaugrüne Blätter und Stängel, Blätter und Fruchtknoten sind völlig unbehaart.
Sie ist von Griechenland über den Pannonischen Raum bis nach Frankreich und den Süden Italiens verbreitet.
Epipactis naousaensis wurde aus dem Vermio oberhalb Naoussa gleichmal mit Schreibfehler "nauosaensis" beschrieben, was man nachträglich korrigieren konnte.
Sie kommt nur in einem kleinen Gebiet Nordgriechenlands und in Süditalien vor. In Italien ist sie stellenweise recht häufig. Sie blüht in Italien gerne kleistogam, man findet aber auch Pflanzen mit normal offenen Blüten. Es ist eine meist recht große Pflanze, die gerne Büschel bildet.
Im ersten Bild sieht man die typische Situation, die meisten Blüten spreizen nur vorne die Sepalen etwas bleiben aber zu.
Zitat von: sokol am 18.Okt.20 um 21:26 Uhr
Epipactis naousaensis wurde aus dem Vermio oberhalb Naoussa gleichmal mit Schreibfehler "nauosaensis" beschrieben, was man nachträglich korrigieren konnte.
Lebt die Art über einen Pilz auf den Baumwurzeln?
Ich kenne die Gegend ja bereits aus Mai und Juni, hätte aber nicht gedacht, dass man Mitte Juli noch blühende Magerrasenorchideen finden kann, wenn auch auf 1400m.
Da gibt es auch noch anderes, eine Glockenblume mit einem kaum zu merkenden Namen und Feuerlilien.
Am Nordhang des Monte Viggiano geht es mit Epipactis purpurata so richtig los. Im weiteren Verlauf des Höhenzugs gibt es Stellen mit hunderten von ihnen.
Von einer der schönsten Ständelwurzarten geht es nun zu einer der zumindest merkwürdigsten Arten, klein, verdreht, manchmal unvollständig - irgendwie verkorkst.
Man muss dem Höhenrücken nur noch einige Kilometer folgen, bis man die Pflanzen findet.
Bis jetzt sieht Epipactis torqueta noch ganz ordentlich aus. Sie ist autogam und hat nichts mehr, was die Pollen hindert, direkt auf die Narbe zu rutschen, also tun sie das. Wozu muss ein vollautogame Pflanze eigentlich schön sein? Eigentlich muss sie das nicht. Man kann da ordentlich sparen und trotzdem wird man bestäubt.
Meine Freunde sind die Marienkäfer. Die Ameisen tragen unermüdlich die Läuse auf die Epipactis und dann schauen sie nicht mehr schön aus. Beim nächsten Besuch, ich habe manche Stellen in einem Jahr mehrfach besucht, sind sie wieder weg.
Zitat von: sokol am 21.Okt.20 um 19:49 Uhr
Bis jetzt sieht Epipactis torqueta noch ganz ordentlich aus. Sie ist autogam und hat nichts mehr, was die Pollen hindert, direkt auf die Narbe zu rutschen, also tun sie das. Wozu muss ein vollautogame Pflanze eigentlich schön sein? Eigentlich muss sie das nicht. Man kann da ordentlich sparen und trotzdem wird man bestäubt.
Sie kann leider nicht gut an der genetischen Vielfalt teilnehmen und sich dadurch nicht am der evolutionären Fortschritt beteiligen.
Wir sind jetzt ziemlich am Ende des Lukanischen Appenins und fahren über das Valle d'Agri weiter nach Süden.
Zitat von: Berthold am 21.Okt.20 um 19:55 Uhr
Zitat von: sokol am 21.Okt.20 um 19:49 Uhr
Bis jetzt sieht Epipactis torqueta noch ganz ordentlich aus. Sie ist autogam und hat nichts mehr, was die Pollen hindert, direkt auf die Narbe zu rutschen, also tun sie das. Wozu muss ein vollautogame Pflanze eigentlich schön sein? Eigentlich muss sie das nicht. Man kann da ordentlich sparen und trotzdem wird man bestäubt.
Sie kann leider nicht gut an der genetischen Vielfalt teilnehmen und sich dadurch nicht am der evolutionären Fortschritt beteiligen.
Ja, das kann zur Sackgasse werden.
Bei Senise wird die Landschaft arid, bevor wir in den Bosco Rubbio eintauchen. Er ist ein Waldgebiet, das nur auf ca. 1600m kommt und bereits zum Pollino Nationalpark gehört.
Kräuter gibt es am Lago d'Erba aber keinen Lago. Dafür ist der andere See auch wirklich einer, wenn auch ein kleiner, Fische habe ich nicht gesehen.
Entlang von steilen Bächen kommt Epipactis hygrophila vor. Es ist eine sehr schlanke, zum Teil recht hohe Art, die ich noch nie mehr als einen Meter abseits der Bäche gefunden habe. Sie ist autogam und eine der ersten blühenden Arten.
Vom Lago di Erba wären es nur 4km Luftlinie zur nächsten Teerstraße im Süden wo weitere schöne Biotope sind. Mit dem Auto muss man dagegen 50km fahren, weil es keine Verbindungswege dorthin gibt. Auf schlechten Kieswegen kann man etwas abkürzen und wird durch den Blick auf den Timpe belohnt.
Auf kleinen Sträßchen geht es bis in den östlichsten Bereich des Pollino weiter. Oben auf der Piano di Giumenta befindet sich das Langlaufzentrum der Gegend. Ich wollte eigentlich nur eine ruhigen Platz zum Übernachten, entdeckte aber das mit Abstand größte Vorkommen von Epipactis ioessa, einem Endemiten des Pollino. Die Art ist ganz offensichtlich aus Epipactis meridionalis entstanden und hat einen ähnlichen Weg wie Epipactis torqueta zur vollständigen Autogamie genommen. Dabei ist aber was deutlich schöneres rausgekommen. Die Tendenz, die Lippenränder nicht nach unten umzuschlagen ist bei einigen autogamen Arten zu beobachten. Sie sparen sich die Kraft für einen optimalen Landeplatz für die Bestäuber, da sie ja gar keinen brauchen. Gleiches kann man in Trockenperioden auch bei allogamen Arten beobachten.
Zum Vergleich Epipactis meridionalis, die am Pollino selten ist, vom Lukanischen Appenin bis zum Ätna vorkommt und stellenweise Massenvorkommen bildet.
Epipogium gibt es auch. An einer einzigen Stelle habe ich in zwei Jahren welche gefunden. Ansonsten war die Nachsuche beim zweiten Mal immer vergeblich.
Das meridionalis ist sehr hübsch!
Das Epipogium ist wohl ein Winzling, oder? :lupe
Eine recht spät blühende Waldhyazinthe schiebe ich hier noch ein. Sie blüht nur in Eichen- und Ilexwäldern. Die Pollinienstellung liegt zwischen Platanthera bifolia und chlorantha. Beschrieben wurde sie als subsp. osca zu ersterer.
Bei uns gibt es auch solche Pflanzen, es kursieren die Namen Platanthera fornicata und muelleri und vielleicht noch weitere.
An anderer Stelle gibt es in Italien ähnliche Pflanzen, die nur in Feuchtwiesen wachsen und viel früher blühen.
Zitat von: Eerika am 22.Okt.20 um 20:38 Uhr
Das meridionalis ist sehr hübsch!
Das Epipogium ist wohl ein Winzling, oder? :lupe
Die Epipogiumblüte ist mit 2-3cm Durchmesser gar nicht so klein. Man sieht die Pflanzen aber vor und nach der Blüte kaum.
Bilder, wenn man vom Norden her in den Pollino fährt.
Ab Mitte Juli kann man in den Wiesen Colchicum alpinum antreffen, sicher aber Delphinium fissum.
Auf über 1500m blühte noch eine einzelne Riemenzunge oberhalb der Straße aus Sideritis italica und die Fingerhüte ferruginea, lutea und micrantha findet man in jedem Gebirge.
Bleiben wir noch kurz in den Magerrasen, wo es neben Epipactis atrorubens auch noch Epipactis helleborine gibt. Eine letzte Ophrys posidonia mit nicht mehr schöner Blüte fanden wir noch. Die habe ich aber Anfang Juni schöner gehabt.
In dieser Umgebung habe ich seit Ende April inzwischen 40 Orchideenarten gefunden und es soll noch weitere geben.
In Gebirgen zieht es auch mal schnell zu und dann kann es ganz schön schütten.
In diesem Jahr war es mal wieder ausgesprochen grün im Süden, teilweise bis runter auf Meereshöhe. Und das geht nicht ohne regelmäßigen Regen.
Wir wechseln jetzt langsam in die Gebirgskette im Südwesten des Pollino. Als Ganzes scheint sie keinen Namen zu tragen. Sie fängt mit dem Mte. Caramolo an, dessen Waldbereiche gut erreichbar sind.
Es folgt mit knapp 2000m der Cozzo del Pelegrino, dann die Mulla, Montea usw. Diese Berge sind alle mehr oder weniger nur zu Fuß zu erreichen und wurden von mir noch nicht besucht.
Von Campotenese geht ein kleines Teersträßchen nach Süden bis zur Piano Novacca. Es ist erst 2018 geteert worden und von mir damals zufällig entdeckt. Der Navi kennt es immer noch nicht.
Im Süden des Monte Caramolo wächst Epipactis cordigera, eine weitere selbstbestäubende Art.
Stimmung nach einem Gewitter.
Am nächsten Morgen der Blick nach Norden, bzw. von unterhalb des Sendeturms nach Süden.
Die Sila folgt dann im Süden als großes, rundes und unspektakuläres Gebirge. Auch von der Pflanzen her ist sie wenig aufregend.
Den Müll hängt man im Süden Italiens in die Bäume um die Picknickplätze. Ich vermute mal, dass den keiner abholt.
Dem Müll kann ich einen eigenen Eintrag widmen. Nach Süden zu wird es schlimmer.
Zitat von: sokol am 23.Okt.20 um 22:56 Uhr
Dem Müll kann ich einen eigenen Eintrag widmen. Nach Süden zu wird es schlimmer.
Oje...
Ein paar Blümchen aus der Sila.
Die Serre ist das nächste Waldgebirge im Süden, aber mit einigen interessanten Orchideenarten, zum Beispiel Limodorum brulloi, ein kleistogam blühender Dingel, der zu Unrecht in die Synonymie gesteckt wurde. Der blüht aber im Juli nicht mehr.
Direkt an der Straße oberhalb von Serra San Bruno wächst Ep. greuteri subsp. sancti-bruni. Sie wurde als Unterart zu Epipactis greuteri gestellt, einer autogamen Art, obwohl sie selbst allogam ist. Sie ähnelt ihr in vielen Merkmalen, hat aber grazilere Blüten und Rottöne in diesen.
Ich sollte vielleicht auch Epipactis greuteri selbst zeigen. Die Pflanzen an der zuerst entdeckte Stelle in Italien wurden in Unkenntnis von Epipactis greuteri als eigene Art beschrieben. Die unsaubere Erstbeschreibung von Epipactis greuteri hat dazu auch maßgeblich beigetragen.
Epipactis greuteri wächst nur bei Abies und Picea, in reinen Buchenwäldern hat sie noch niemand gefunden. Sie ist voll autogam, die Pollinien rutschen direkt auf die Narbe. Sie sieht oft aus wie ein kleiner Christbaum, die Blüten und Tragbläter weisen schräg nach unten. Blütenstiel und Fruchtknoten sind sehr lang und gebogen, es gibt sehr wenige andere Arten mit diesem Merkmal. Oft öffnen sich nur wenige Blüten vernünftig, der Rest bleibt fast geschlossen.
Wildlife
Nachtrag zum Müll, dieser war ein Jahr später wieder weg.
Mir geht jedes Mal der Spruch der Amerikaner durch den Kopf, die nach dem 2. Waldkrieg aus
SPQR = Senatus Populusque Romanus
SPQR = Sono porci questi Romani gemacht haben.
Aus dem Tal nach Ferdinandea sind zwei weitere Epipactisarten beschrieben, Epipoactis calabrica, die nur hier und im Aspromonte vorkommt und Epipactis sanguinea, die von hier bis in die Basilikata verbreitet ist.
Zunächst Epipactis calabrica, autogam, meist kleine Pflanzen.
Und jetzt Epipactis sanguinea, die sehr lokal vorkommt aber oft Massenvorkommen mit hunderten von Pflanzen bildet.
Sie ebenfalls selbstbestäubend, die Rostelldrüse trocknet schnell ein und wird braun. Die Petalen sind immer wellig, die Lippe wirkt vorn abgeschnitten, weil die Spitze nach unten umgeschlagen ist und der obere Teil der Vorderlippe weist einen blutroten Fleck auf.
Zwei weitere diesmal allogame Epipactisarten gibt es nur im südlichen Kalabrien.
Die erste ist Epipactis aspromontana, eine bis zum höchsten Punkt des Aspromonte, dem Montalto vorkommende Art. Da sie gerne an Wegrändern steht, ist das finden einfach, man muss nur auf den Montalto rauffahren.
Die andere Art, Epipactis schubertiorum sieht wie eine kleinblütige Epipactis helleborine aus.
Viel sieht man nicht vom Montalto, man bewegt sich ja fast ausschließlich im Wald.
Sizilien zur Epipactiszeit fehlt mir noch. Das mache ich eine anderes Mal.
Es geht jetzt wieder nach Norden und einen Strandaufenthalt gibt es auch.
Nördlich von Neapel gibt es im Gebiet eines alten Vulkans die einzige Auwaldart des Südens unter den Epipactis, Epipactis maricae. Sie kommt hier zwischen ca. 200m und 500m entlang eines Bachlaufs vor. Auwaldarten haben meist kurze runde Blätter, oft ein großes rundliches unterstes Tragblatt und kugelige Früchte. So ist es auch bei dieser Art.
Wir machen noch mal einen großen Sprung in den Norden Latiums zum Lago di Vico, einem der dortigen Vulkanseen. Von dort hatte mein kroatischer Freund komische Epipactis im Internet gefunden und mich gebeten sie mir mal anzuschauen. Zufällig hatte ich die letzte Ausgabe des Journal Europäischer Orchideen dabei, das ich noch lesen wollte und da wurde auch von einem Fund von dort berichtet, mit exakten Koordinaten.
Ich war zwar ca. eine Woche zu spät dran, fand aber doch noch einigermaßen intakte Pflanzen. Es waren in der Tat die drei ähnlichen Arten Epipactis muelleri, placentina und robatschiana, die ich noch nie an einem Fundort zusammen gesehen hatte. Alle drei haben normalerweise keine Pollenschüssel und die Pollinien fallen ohne Barriere auf die Narbe.
Epipactis muelleri ist bis Mittelitalien verbreitet, Epipactis placentina bis in den Norden Kalabriens, während Epipactis robatschiana eigentlich nur aus dem Süden Kalabriens bekannt war. Eigentlich, weil ich schon am Gargano ein paar Pflanzen entdeckt hatte.
Epipactis muelleri gibt es auch bei uns, sie hat eine längliche und flache Lippe und die Vorderlippe ist ziemlich glatt.
Epipactis placentina hat glattere Blätter und ist dunkler als die anderen beiden. Die Vorderlippe ist dreieckig und die Säule duckt sich tief über die Hinterlippe.
Epipactis robatschiana ist blasser und blüht sehr oft vollkommen kleistogam.
Noch ein Bild vom See und dem Biotop, bis es weiter in die Toskana geht.
Am Monte Amiata, einem alten Vulkan gibt es ausgedehnte Buchenwälder, in denen es einen lokalen Endemiten gibt, Epipactis etrusca. Es ist wieder eine selbstbestäubende Art mit Tendenz zur Kleistogamie. Auffallend bei ihr ist der schlanke Blütenstand, bei dem die Knospen gerne auch mal nach oben orientiert sind, offene und geschlossen bleibende Blüten durcheinander. Der Farbton der Lippe ist rot, während er bei den meisten Arten rosa ist.
Auch weiter im Norden gibt es Endemiten, Epipactis zauplensis ist eine Auwaldart, die im Nordosten Italiens in der Ebene entlang von Bächen wächst. Sie ist natürliche wieder autogam.
Recht ähnlich ist Epipactis autumnalis, die bis in den September blüht. Sie wächst an den ersten Alpenhängen oberhalb der Poebene, bevorzugt in Haselnusswäldern und recht trocken.
Die letzte Epipactisart wächst ebenfalls in den italienischen Voralpen, nur noch etwas weiter nördlich, Epipactis thesaurensis. Sie blüht mal wieder gerne kleistogam und sieht dann von außen ganz grün aus. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen öffnen sich die Blüten erzählte uns der Entdecker und Beschreiber der Art.
Dann aber sieht man, dass es sich um die Epipactisart mit den intensivsten Farben handelt.
Wer mir bis hier auf der Reise gefolgt ist weiß jetzt, dass Italien das Zentrum der Gattung Epipactis ist. Nirgends sonst gibt es so viele Arten oder auch so viele Arten an einem Standort.
Es fehlen bestimmt noch 5 Arten, die ich selbst noch nicht gesehen habe oder zumindest nicht in Italien.
Weggelassen habe ich auch alles, was mir selbst nicht klar ist. Antonio soll ich das nächste Mal Aspirin mitbringen, ihm bereitet einiges ebenfalls Kopfschmerzen.
Zum Abschluss noch der Sonnenuntergang auf der Majella. Da ist die Szenerie einfach großartig.
Zitat von: sokol am 28.Okt.20 um 20:09 Uhr
Wer mir bis hier auf der Reise gefolgt ist weiß jetzt, dass Italien das Zentrum der Gattung Epipactis ist. Nirgends sonst gibt es so viele Arten oder auch so viele Arten an einem Standort.
Es fehlen bestimmt noch 5 Arten, die ich selbst noch nicht gesehen habe oder zumindest nicht in Italien.
Stefan, gibt es irgendwo Literatur zur Bestimmung dieser vielen Epipactis-Arten, die Du erwähntest. Von den meisten habe ich noch nie gehört.
Ist die Bestimmung für Dich eindeutig, oder gibt es öfter Zweifel bei der Zuordnung?
Zitat von: Berthold am 28.Okt.20 um 20:14 Uhr
Stefan, gibt es irgendwo Literatur zur Bestimmung dieser vielen Epipactis-Arten, die Du erwähntest. Von den meisten habe ich noch nie gehört.
Ist die Bestimmung für Dich eindeutig, oder gibt es öfter Zweifel bei der Zuordnung?
Schlau machen kannst du dich am besten hier: http://www.aho-bayern.de/epipactis/fs_epipactis_1.html
Das ist die umfassendste Seite zur Gattung Epipactis.
Vieles ist mir klar und manche Arten erkenne ich auch knospig oder fruchtend. Probleme bereiten insbesondere die allogamen Sippen, weil die viel variabler sind. Auch verändern Epipactis insbesondere den Habitus, wenn sie sonnig/schattig stehen oder es eine kleine/große Pflanze ist.
Wir waren letztes Jahr zu dritt unterwegs und haben viel diskutiert, was uns in vielen Punkten weiter gebracht hat. Am Ende waren wir uns aber nicht immer einig und sind es immer noch nicht.
Bei den gezeigten Bildern bin ich mir sicher, dass es diese Arten sind.
Prima, Stefan, ich habe den Link mal im Fachthread fixiert.
Gerade entdeckt und mit Spannung in Einem durchgelesen. Vielen Dank fürs Teilen, Stefan!
Mir sind die Epipactis (über palustris, atrorubens, purpurea, helleborine und microphylla hinaus) leider immer noch ein Buch mit sieben Siegeln...
Zitat von: walter b. am 18.Jan.21 um 18:01 Uhr
Vielen Dank fürs Teilen, Stefan!
Mir sind die Epipactis (über palustris, atrorubens, purpurea, helleborine und microphylla hinaus) leider immer noch ein Buch mit sieben Siegeln...
Wie Walter geht es mir auch!!