Mykorrhiza-Pilz B1, was kann er?

Begonnen von Berthold, 04.Okt.08 um 16:31 Uhr

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Claus

Na ja, ich habe das schon öfter erlebt, aber nie so deutlich wie hier. Die Hpyhen sind einfache Wasserleitungen. Und das Wasser ist verunreinigt. Mit Nährstoffen. Wenn der Pilz oben nichts findet trocknen die Hyphen auch wieder ein. Das Protokorm vertrocknet dann auch. So ist das Leben.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Mal ein paar Anmerkungen zu meinen Sämlingen auf B1:

Hervorragend bisher Goodyera oblongifolia, eigentlich besser als bei Dactys, wie gemacht für den B1.

Dactylorhiza romana zeigt eine ganz intensive Mykorrhizierung, erkennbar an den gelben Flecken im Übergang zum Medium, ich fürchte, die wird zumindest teilweise in Parasitierung übergehen.

Dactylorhiza marcusii auf B1 ist auch nicht das Gelbe vom Ei!

Bei Dactylorhiza sambucina erwarte ich ja Schwierigkeiten, bislang sehen sie aber gut aus.

Spät nachkeimende Sämlinge sind bei diesem Versuch in allen Fällen bei weitem nicht so lebenstüchtig und wüchsig wie früh gekeimte, auch wenn sie bald umgelegt werden.

Mittelmeerorchis wie O. boryi, laxiflora, Anacamptis papilionacea, aber auch Spiranthes romanzoffiana und Sp. spiralis bekommen sehr früh Blätter. Das ist bei den jetzigen Lichtverhältnissen natürlich nicht so günstig.
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Berthold

Zitat von: Claus am 13.Feb.10 um 23:55 Uhr
Sp. spiralis bekommen sehr früh Blätter. Das ist bei den jetzigen Lichtverhältnissen natürlich nicht so günstig.

Stell sie kalt aber frostfrei wegen des Gels. Meine stehen im Kalthaus, da gefällt es ihnen, pikiert natürlich.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Hallo Claus,

da gab es bei mir einge Abweichungen. Papilionacea wollten gar nicht mitspielen. Dafür hatte ich Massenkeimungen bei D.marcusii. Die fühlen sich inzwischen in Neudohum am mittelwarmen Westfenster (odontoglossen-bereich) wohl. Beste Keimungen bei Anacamptis palustris. Die haben solche massen gebracht, das ich im Winter gar keine Licht-Pätze für andere Arten hatte; glücklicherweise mussten die Dactys sowieso auf den Dachboden zum Winterschlaf. Sambucina ging bei mir auch recht gut.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen

Claus

Hallo Jürgen,
die Samen O. papilionacea waren von dir, das sind die mit Fragezeichen.

Massenkeimungen habe ich bei fast allen Arten gehabt, die überhaupt auf B1 keimten. Ich sehe bei D. marcusii nur, dass die Unmengen an Rhizoiden bilden, aber den Pflanzenkörper kaum vergrößern, daher "nicht das Gelbe vom Ei". Die asymbiotischen dagegen entwickeln sich gut.

Bei O. palustris hatte ich bisher nur in einem Fall Keimung, und das war asymbiotisch. Jetzt zum Umlegetermin zeigt sich aber, dass dies Cypripedien waren.  O-) O-) O-) Ich habe die aber nicht vertauscht!!!

Ich werde mal meine Restposten von O. palustris auf B1 und L1 ausstreuen, vielleicht ist da ja noch die richtige Art dabei.  :yes

Viele Grüße
Claus
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Claus

... und gleich noch weiter:

Zur Zeit arbeite ich eine Literaturstelle von Dr. Beyrle ab: "Mykorrhiza-Synthese in gärtnerischen Kultursubstraten und in natürlichen Böden" Die Orchidee 40 (5), 1989.

Beyrle geht dabei von der Überlegung aus, dass sich mykorrhizierte Erdorchideen leichter etablieren lassen. Das haben wir ja auch schon bestätigt.

Um nun eine solche Mykorrhizierung auch in Kultursubstraten und natürlichen Böden in Gang zu bringen, stellt er ein mineralisches Granulat her, das mit einer Nährlösung imprägniert, sterilisiert und mit einem Symbiosepilz infiziert wird.

Er schreibt von "gebrochenem Blähton mit Partikelgrößen zwischen 1,5 und 5,9 mm". Ich habe Seramis genommen. Hier das Rezept:

1 Liter Seramis wird mit Leitungswasser gewaschen (um den Feinanteil zu entfernen) und luftgetrocknet. Anschließend imprägniert man es mit einer Lösung aus:

3,3 g löslicher Stärke - ich nahm Hoffmanns Reisstärke
27 mg Calciumnitrat
27 mg KH2PO4
53 mg KCl
27 mg MgSO4
8 mg EDTA-Fe(III)-Na-Salz
300 ml Leitungswasser

Das Substrat wird 30 min im Sicomatic sterilisiert und nach dem Abkühlen mit B1 infiziert. Soweit mein heutiger Stand.

Er hat dann das Substrat 12 Wochen bei Raumtemperatur aufbewahrt. Man soll die Sklerotien des Pilzes auf den Partikeln deutlich sehen können. Danach hat er das Substrat an der Luft trocknen lassen und jeweils 10% zum Boden zugegeben.

Ich habe da ein gewisses Problem. Die Orchideenpilze benötigen viel Sauerstoff zur Entwicklung, und in einem verschlossenen Gefäß - von Belüftung schreibt er nichts - würde die Entwicklung bald enden. Ich werde also für Belüftung sorgen, ggf. auch durch gelegentliches Öffnen in der Sterilbank.
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winwen

Hallo Claus,

irgendwie habe ich bei Deinem letzten Posting ein Dejavue:
Was Beyerle da beschreibt ist genau das, was die Fungi perfecti-Züchter als Brut bezeichnen. Bis auf die 3,3g Stärke ist der Rest eigentlich auffallend "mager", aber das überrascht mich nicht, denn je fetter der Boden desto stärker die Überlegenheit der Konkurrenz. Auf mageren Böden wiederum scheint der B1 besser als viele anderen zu performen.
Zu Deinem Problem mit der "Atmung": Die Pilzzüchter verwenden Filterbeutel - also Kunststoffbeutel mit Filterpatch.
Es wäre natürlich reizvoll in einem sterilisierten Erdsubstrat eine derartige Brut unter keimarmen Bedingungen unterzumischen und dann darin Samen auszubringen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich so wohl schon viele Samen zur Keimung gebracht habe, jedoch die Entwicklung stoppt dann irgendwann und es geht nicht mehr weiter. Ob der großen Menge an Substrat und v.a. der Zellulose darin sollte dort doch eine Umlage nicht nötig sein - soferne die Protokormdichte mäßig genug ist. Auf Hafer ist das einfach - auf Zellulose basierten Medien komme ich über einen bestimmten Punkt nicht drüber. Sogar wenn ich die Protokorme vom Zellulose-Boden auf Hafer umlege geht es weiter, am Zelluloseboden bleiben sie hängen.

Hast Du da eine Idee dazu?

Berthold

#97
Zitat von: winwen am 02.Mär.10 um 00:23 Uhr
Auf Hafer ist das einfach - auf Zellulose basierten Medien komme ich über einen bestimmten Punkt nicht drüber. Sogar wenn ich die Protokorme vom Zellulose-Boden auf Hafer umlege geht es weiter, am Zelluloseboden bleiben sie hängen.

Hast Du da eine Idee dazu?


Wahrscheinlich kann der Pilz die Zellulose nicht hinreichend gut verstoffwechseln und ist dann nur in der Lage die Protokorme zu versorgen, wenn sie ganz klein sind. Später entwickeln sie stärkere Abwehrreaktionen wenn sie grösser werden.

Einen vergleichbaren Effekt habe ich bei Dactylorhiza. Die bleiben nach etwa 4 Wochen auf Haferflocken stehen, während sich Orchis palustris zügig weiter entwickelt. Wenn ich mit Haferflocken nachfüttere, wachsen die Dactylorhiza noch 3 Wochen weiter.

Du kannst den Zelluloseboden ja mal mit etwas Zucker nachfüttern, dann sollte es zügig weiter gehen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Ja, ja Berthold aber in der Natur schaffen sie es ja auch ohne Zucker und sogar Claus hat erwachsene (oder zumindest pikierfähige) Pflanzen auf Holz. Was also hat Claus was ich nicht habe  :ka? Legt er um? Wenn ja, warum sollte das denn nötig sein, bei der großen Zellulosemenge im Medium - oder sind es die anderen Sachen die nachgefüttert werden müssen (N,K,...)?

Claus

#99
Zunächst einmal noch zu Dr. Beyrles Mykorrhiza-Granulat. Der B1 vermehrt sich auf dem imprägnierten Sermis ganz schlecht. In einem Glas war gar nichts infiziert, dass habe ich noch einmal gemacht, im andern hatte sich das Hyphengeflecht vielleicht nur 2 cm im Durchmesser entwickelt. Vielleicht liegt dies an Hoffmanns Stärke, es könnte ja sein, dass es sich um modifizierte Stärke handelt, und die können die Pilze dann nur schlecht verstoffwechseln. Na, mal sehen, ggf. muss ich das wiederholen.

Jetzt zur Cellulose bzw. Holz. Ich habe Sämlinge auf Holz sowohl durch Umlegen von Protokormen auf imprägniertes und infiziertes Material erhalten als auch durch direkte Aussaat. Dazu hatte ich ja schon früher Fotos gezeigt. Im wesentlichen können passende Arten recht gut auf diesem Substrat ohne weiteres Umlegen gedeihen. Es gibt natürlich auch Ausreißer.

Hier zunächst einmal Sämlinge von D. praetermissa, die als Protokorme auf Holz- oder Farn-Substrat gelegt wurden und auf einem hellen, nach Osten gehenden Fensterbrett im ungeheizten Zimmer standen:
Bild 4467

Die sind am besten entwickelt, und man kann sehen, dass ein mehrfaches Umlegen nicht notwendig ist und auch ein Wachstumsstopp nicht eintritt. Wenn die Sämlinge jetzt aber auf diesem infizierten Substrat blieben, so würden sie vom Pilz wieder gefressen.

Da ich auf dem hellen Fensterbrett nicht so viel Platz hatte, standen auch viele "Holz"-Gläser im kalten Keller. Da D. pratermissa keine Kälteinduktion zum Austreiben benötigt, sind diese Sämlinmge leider schon etwas vergeilt:
Bild 4469

In ein "Obi-Beet" auspikiert sieht das jetzt so aus:
Bild 4473

Links sind die im Hellen gestandenen Pflanzen. Es gibt darunter alle möglichen Pflanzengrößen, so wie das wohl auch genetisch angelegt ist. Sie sind jetzt in einem Substrat aus 2/3 Neudohum und 1/3 Seramis (plus Bi58). Ob das gut geht wird sich zeigen. Vor zwei Jahren hatte ich ein Substrat aus Rindenhumus, Kiefernrinde, Holzfaser etc. imprägniert, sterilisiert und da hinein solche infizierten Sämlinge gepflanzt. Das ging quantitativ nicht gut.

Ich habe auch andere Dacty-Arten auf Holz, hier z.B. D. maculata. Das waren Aussaaten auf Holz. Die haben noch nicht ausreichend lange kalt gestanden bzw. treiben wohl erst später im Jahr aus, ich pikiere sie aber jetzt auch aus:
Bild 4472

Diese Kultur auf Holz kann ich sehr empfehlen, allerdings fehlt mir im Vergleich zum Haferagar noch die breite Erfahrung. Am besten ist es wohl, Protokorme auf imprägniertes und vorinfiziertes Holz oder infizierte Protokorme auf imprägniertes, jedoch nicht vorinfiziertes Holz zu legen.

Den umfangreichen Vergleich der Arten auf B1 habe ich aber schon aus Platzgründen auf Haferagar in den kleineren Gläsern gemacht. Nichts hindert mich aber jetzt, davon Protokorme auf Holz zu legen.

Zucker würde ich zum Nachfüttern nicht nehmen, ich befürchte dann Parasitieren des Pilzes. Aber Nachfüttern mit Hafermehl, das geht sehr gut. Am rechten Rand im Obi-Beet sind solche recht kräftigen Sämlinge zu sehen.

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Berthold

Zitat von: Claus am 02.Mär.10 um 14:36 Uhr
Zucker würde ich zum Nachfüttern nicht nehmen, ich befürchte dann Parasitieren des Pilzes.

sicher, ich meinte auch nur, um schnell einen Effekt in die richtige Richtung erkennen zu können. Er wird sicherlich übers Ziel hinaus schiessen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Ich möchte noch folgende Information loswerden an alle, die mit B1 oder anderen Symbiosepilzen arbeiten.

Die Kulturen sollten möglichst kalt gehalten werden, optimal scheint mir ein Wert von unter 10 Grad zu sein. Das passt auch zu den Außentemperaturen im Winter bei der natürlichen Vermehrung.

Auf jeden Fall Raumtemperaturen dann vermeiden, wenn die Sämlinge das letzte Mal umgelegt wurden und als nächster Schritt dann das Auspikieren kommt. Die Sämlinge sollten entweder vor den warmen Tagen auspikiert sein, oder sie müssen über den Sommer gekühlt werden, z.B. im Keller, nicht im Kühlschrank.

Die Aussaat dann wieder ab Mitte August, dann sind viele, vor allem die ohne Kühlphase austreibenden Arten, schon im Februar auspikierbar.

Falls die Kulturen zu warm stehen wird der Pilz zuerst die Wurzeln und dann die ganze Pflanze verzehren.

Ich habe z.B. aus derselben symbiotischen Aussaat A. morio nach dem Auspikieren zum einen bei Raumtemperatur gehalten, zum andern um die 10 Grad. Bei den warm gehaltenen Pflanzen sind sehr viele gestorben, bei den kalt gehaltenen sehe ich noch keinen abgestorbenen Sämling.
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winwen


winwen

Claus, eine Frege noch:
Dein Obi-Beet sieht ja wirklich allerliebst aus! Machst Du da Abzugslöcher hinein damit überschüssiges Wasser abrinnen kann oder befeuchtest Du dort stets nur oberflächlich soviel eben oben abtrocknet (Dann müsstest Du es ja verschlossen irgendwo stehen haben - wo? Das Plastik wird ja auch spröde bei entsprechender Sonnenbestrahlung)

Claus

Erwin,
das Substrat wird "bügelfeucht" eingestellt und ca. 10 cm hoch eingefüllt; die Obikisten haben keine Löcher. Die 4 Schlitze zum Tragen werden von innen mit Paketklebeband verschlossen und der satt schließende Deckel aufgelegt. Damit habe ich ein kleines Gewächshaus zu relativ niedrigen Kosten (die Preise sind auch schon unverschämt erhöht worden, aber im Vergeleich zu Minigewächshäusern sind sie natürlich noch paradisisch). Es wird nicht angegossen und später allenfalls gesprüht. Ich habe mit dem Angießen von Erdorchideen ganz schlechte Erfahrungen, vor allem auf Neudohum.

Sonne darf da nicht drauf scheinen, sonst wird alles gekocht. Die Kästen stehen möglichst kühl, aber im Schatten. Sie sind ja nur zur Anzucht gedacht, und da müssen die Pflanzen keine direkte Sonne haben.
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