Ökologische Lebenmittel

Begonnen von Berthold, 29.Mai.21 um 11:51 Uhr

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Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

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Ist Bio wirklich besser?

    Von Svea Junge
    -Aktualisiert am 29.05.2021-11:01 FAZ

Viele Verbraucher verbinden mit einem Bio-Siegel nicht nur eine nachhaltigere Produktion, sondern auch eine höhere Qualität der Lebensmittel.
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Viele Verbraucher verbinden mit einem Bio-Siegel nicht nur eine nachhaltigere Produktion, sondern auch eine höhere Qualität der Lebensmittel. Bild: dpa

Viele Verbraucher greifen zu Bioprodukten, weil sie glauben, diese seien gesünder. Doch stimmt das auch?


Rosa, schwarze und braune Ferkel, einfarbige und gescheckte, springen im Stall quiekend durcheinander, um eine der Zitzen ihrer Mutter zu ergattern. Dass alle 14 Ferkel des Wurfs überlebt haben, ist keine Selbstverständlichkeit, erklärt Margarethe Hinterlang, Bäuerin auf dem biodynamischen Dottenfelder Hof im hessischen Bad Vilbel. ,,Die Sauen bewegen sich bei uns frei und werden nicht im Kastenstand gehalten. Da besteht immer das Risiko, dass sich die Sauen aus Versehen auf ein Ferkelchen legen."

Für die bunte Mischung der Tiere ist die Kreuzung verschiedener alter Schweinerassen wie Duroc und Bunte Bentheimer verantwortlich. ,,Wir testen, welche Rassen bei uns am besten auf den Hof passen." Die Tiere sollen ein starkes Immunsystem entwickeln, denn auf den Einsatz von Antibiotika, der immer wieder für die Verbreitung multiresistenter Keime verantwortlich gemacht wird, verzichtet man hier weitgehend.

Mehr als 100 Menschen leben und arbeiten auf dem rund 200 Hektar großen Hof, der nach den Regeln von Demeter, einer von insgesamt neun Öko-Anbauverbänden in Deutschland, wirtschaftet. Die Anbauverbände folgen meist deutlich strengeren Grundsätzen, als es die EU-Ökoverordnung vorgibt.

Die Verordnung definiert gleichwohl einen Mindeststandard, an den sich jeder halten muss, der seine Produkte mit dem grünen Biosiegel der EU in Form eines Blattes schmücken will. So dürfen alle Biolandwirte keine mineralischen Dünger auf ihren Feldern ausbringen. Um ihr Obst und Gemüse vor Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern zu schützen, verzichten Biolandwirte außerdem auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Tiere müssen artgerecht gehalten werden, inklusive Auslauf im Freien.

Diese Standards machen Bio wertvoll, und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Krise hat der Nachfrage jedoch einen kräftigen Schub verliehen. Nach Angaben des Branchenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) stieg der Umsatz mit Biolebensmitteln im Jahr 2020 um 22 Prozent auf rund 15 Milliarden Euro, der Marktanteil wuchs auf 6,4 Prozent.

Trend zu gesunder Ernährung
Auch auf dem Dottenfelder Hof nahm die Nachfrage im vergangenen Jahr stark zu. ,,Wir haben viele Stammkunden hinzugewonnen", berichtet Bäuerin Hinterlang. Der Hof ist ein beliebtes Ausflugsziel, und die Eröffnung des neuen, größeren Hofladens habe ihr Übriges getan. Viele Kunden kämen auf den Hof, weil sie wissen wollten, woher ihre Lebensmittel stammten, und um sich gesünder zu ernähren.
Auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel kommt im Gemüseanbau statt Pestiziden der Pflug zum Einsatz.
Auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel kommt im Gemüseanbau statt Pestiziden der Pflug zum Einsatz. : Bild: Lando Hass

Eine gesunde Ernährung nennen Käufer in Umfragen oft als Grund, warum sie zu Bioprodukten greifen. Ökologisch erzeugte Lebensmittel enthalten jedoch nicht automatisch mehr Vitamine und Mineralstoffe, erklärt Martin Smollich, Professor am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. ,,Über den Nährstoffgehalt von Obst und Gemüse entscheidet in erster Linie nicht, ob sie ökologisch oder konventionell angebaut werden, sondern die Sorte, der Standort, die Sonneneinstrahlung und wie stark die Produkte verarbeitet sind."

Bei den sekundären Pflanzenstoffen haben Bioobst und Biogemüse aber nachweislich die Nase vorn. Zu ihnen zählen Farb-, Duft- und Aromastoffe, aber auch solche zur Abwehr von Fressfeinden und Pilzen. ,,Wenn Pflanzen nicht mit Pestiziden behandelt werden, müssen sie sich stärker selbst schützen, und das tun sie mit sekundären Pflanzenstoffen", sagt Smollich. Diese sollen entzündungs- und krebshemmend wirken und die Zellalterung bremsen. Studien, die einen gesundheitlichen Vorteil nachweisen, gibt es allerdings nicht. ,,Ich halte das zwar für plausibel, aber es lässt sich bisher nicht belegen", sagt der Wissenschaftler.

Den entscheidenden Vorteil von Lebensmitteln aus ökologischer Produktion sieht er darin, dass sie weniger mit Schadstoffen belastet seien. Das gelte für Schwermetalle, die in der konventionellen Landwirtschaft mit der Klärschlamm-Düngung auf die Felder gelangen können, ebenso wie für Pestizid-Rückstände.

,,Der Mensch ist häufig einem Pestizid-Cocktail ausgesetzt"
Das zeigen auch die Ergebnisse des Ökomonitorings des Landes Baden-Württemberg. Im Jahr 2019 wurden bei 120 untersuchten Proben von Ökofrischgemüse in 18 Prozent Pestizidrückstände gefunden. Die meisten Nachweise lagen jedoch im Spurenbereich, nur bei 3 Prozent gab es Hinweise auf eine verbotene Anwendung oder ein Vermischen mit konventioneller Ware.

Bei einer Gemüseprobe war die Konzentration so hoch, dass die Prüfer die Bezeichnung ,,Öko" als irreführend beurteilten. Der gesetzlich zulässige Höchstgehalt wurde aber bei keiner Probe überschritten. Bei konventionell angebautem Gemüse wurden hingegen in 93 Prozent der Proben Rückstände von Pestiziden nachgewiesen, 18 Prozent lagen über dem Höchstgehalt.

,,In der Realität ist der Mensch häufig einem Cocktail unterschiedlicher Pestizide ausgesetzt", sagt Smollich. Welche Wechselwirkungen dadurch entstünden und wie sich dies auf den Körper auswirke, sei aber leider nicht in Langzeitstudien erforscht.

Auf dem Dottenfelder Hof setzt man deshalb auf abwechslungsreiche Fruchtfolgen, robuste Sorten und biologische Pflanzenschutzmittel, um Unkraut, Krankheiten und Schädlingen vorzubeugen – wenngleich die Bauern auch dort nicht ohne das Spritzen von Kupfer im Obstbau auskommen. Der Hof betreibt sogar eine eigene Saatgutforschung für Gemüse und Getreide. ,,Wir versuchen, Pflanzen zu züchten, die standortangepasst sind, ohne künstlichen Dünger gute Erträge bringen und widerstandsfähig sind", sagt Hinterlang.

Mehr Omega-3-Fettsäuren in Biomilch
Gedüngt wird auf den Feldern nur mit Jauche und Mist. Die rund 80 Milchkühe des Hofs drehen gerade ihre Runde auf den Weideflächen rund um den Hof. Die Weiden sind nicht ertragreich genug, um alle Kühe zu ernähren, sodass im Stall noch einmal Futter auf die Tiere wartet. ,,Als Ackerbaustandort füttern wir Luzerne frisch vom Acker grün im Sommer und als Heu im Winter", erklärt Hinterlang und zieht das Heu in ihren Händen knisternd auseinander.

Dieser Speiseplan wirkt sich auf die Zusammensetzung der Milch aus. Die Milch von Kühen aus ökologischer Haltung enthält nachweisbar mehr Omega-3-Fettsäuren als die von Kühen aus konventioneller Zucht, die häufig Kraftfutter mit einem hohen Anteil Maissilage bekommen. Omega-3, die zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören, wirken Blutdruck senkend und entzündungshemmend. Der Unterschied zu konventioneller Milch bewege sich allerdings lediglich im niedrigen einstelligen Prozentbereich, warnt Mediziner Smollich. ,,Zu tierischen Produkten aus ökologischer Haltung greift man eher aus ethischen und ökologischen als aus gesundheitlichen Gründen."
Die rund 80 Milchkühe auf dem Dottenfelder Hof bekommen im Sommer Gras und Luzerne frisch vom Acker zu fressen.

Für Hinterlang macht aber auch der Geschmack einen Unterschied. ,,Die Tiere – insbesondere die Schweine – wachsen bei uns sehr viel langsamer. Sie bekommen eine andere Fütterung und kommen mit Wind und Wetter in Berührung." Während ein Schwein in der konventionellen Mast nach rund 100 Tagen geschlachtet werde, dauere es auf dem Dottenfelder Hof etwa 250 Tage. Dass die Tiere mehr in Bewegung seien, sorge für eine andere Fleischqualität. ,,In der Pfanne bleibt das Kotelett groß", sagt Hinterlang mit einem Zwinkern.

Mehr Zeit zum Reifen bekommen auch Obst und Gemüse, weshalb diese weniger Wasser enthielten. ,,Das verbessert nicht nur den Geschmack, die Früchte lassen sich auch über einen längeren Zeitraum gut lagern", sagt Hinterlang. Zwar glaube sie auch, dass die Ernährung mit Biolebensmitteln gesünder für den Körper sei, belegen lasse sich das jedoch nicht. In der Tat fehlt es an aussagekräftigen Langzeitstudien, die die Auswirkungen einer Ernährung mit ausschließlich ökologischen Produkten mit denen einer rein konventionellen Ernährung vergleichen.

,,Auch von Biosüßigkeiten bekommt man Übergewicht"
Die Frage nach der Gesundheit des Einzelnen greift jedoch ohnehin nicht weit genug, meint Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). ,,Viel wichtiger als der individuelle Nutzen ist die Leistung der ökologischen Produktionsweise für die Gesellschaft und die Gesundheit des Planeten", sagt sie. Die Vorteile gegenüber der konventionellen Landwirtschaft für den Gewässerschutz, die Bodenfruchtbarkeit, die Artenvielfalt und den Klimaschutz seien unbestritten. Das belegt auch eine Auswertung der wissenschaftlichen Literatur durch das bundeseigene Thünen-Institut.

Der Griff ins Bioregal bedeute daher weit mehr als eine gesunde Ernährung, sagt Klein, weshalb es den Wandel zu mehr ökologischem Landbau voranzutreiben gelte. In den letzten fünf Jahren stellten nach Angaben des BÖLW 8000 Höfe in Deutschland auf Bio um, sodass inzwischen etwa jeder achte Betrieb in Deutschland ökologisch wirtschaftet.

Der Vorwurf, ökologischer Landbau allein könne die Welt wegen seines geringeren Ertrags nicht ernähren, ist aus Sicht von BZfE-Fachfrau Klein zu kurz gesprungen. Er treffe nämlich nur dann zu, solange die Menschheit an ihrem aktuellen Speiseplan festhalte. ,,Würden wir weniger Fleisch essen, was die Wissenschaft seit bald 20 Jahren anmahnt, müssten weniger pflanzliche Produkte an Tiere verfüttert werden."

Zu weniger Fleisch und hochverarbeiteten Lebensmitteln, aber dafür mehr zu frischem Gemüse und Obst rät auch Mediziner Smollich jedem, der sich gesundheitsbewusst ernähren will – egal ob aus konventionellem oder ökologischem Anbau. ,,Auch von Biosüßigkeiten und Biofastfood bekommt man Übergewicht und Diabetes."
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Sehr interessant, vielen Dank!
Steht aber wenig Neues oder Überraschendes drin. Doch bestätigt meine Haltung.

Berthold

Zitat von: walter b. am 04.Jun.21 um 19:48 Uhr
Steht aber wenig Neues oder Überraschendes drin. Doch bestätigt meine Haltung.

Das war zu befürchten :classic
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Ralf

Wir kaufen bei den Discountern normalerweise kein Fleisch, bei diesem Produkt bin ich allerdings schwach geworden. Das Duroc ist durchweg fein marmoriert und sehr schmackhaft. Auch schrumpft es beim Erhitzen nicht, auch wenn es kein "Bio" ist. Preiswert ist es auch noch. :drool
Es gibt Leute, die in jeder Suppe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davor sitzen, so lange den Kopf schütteln, bis eins hineinfällt.

Manne

da will ich euch mal eine wahre begebenheit schildern.
in einer region in china lag die krebsquote um 8 fach erhöht.
nahrung voll ökologisch. kein kunstdünger keine pestizide.
das ging jahrhunderte so.
ein spezialist für integrierten landbau hat dann herausgefunden,
das der boden quasi borfrei war und viele prozesse bis in den
tieren deshalb nicht funktionierten.
eine ordentliche menge kunstdünger mit hohem boranteil
und die sache hat sich normalisiert.
übrigens, vegetarier hätte es hier auch erwischt.

Berthold

Die Geschichte glaube ich nicht.
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Manne

mußt du auch nicht, hast du eh keine fachkenntnisse von.
frag mal einen lebensmittelchemiker.

Berthold

Zitat von: Manne am 12.Okt.21 um 11:09 Uhr
mußt du auch nicht, hast du eh keine fachkenntnisse von.

Das stimmt, deshalb habe ich mehrere Fachleute gefragt. Welche Fachleute hast Du denn gefragt?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne


Berthold

Zitat von: Manne am 12.Okt.21 um 11:24 Uhr
tja, und ich war dabei.

Ich verstehe, Du hast Dich also selber gefragt, warum Du keinen Krebs bekommst und hast Dir geantwortet, weil Du nicht in China lebst und regelmässig Borisst, oder?
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Manne

berthold, nicht jeder hat sein leben lang seinen hintern in deutschland gepflegt.
manche haben auch im job in der ganzen welt gearbeitet und naturgemäß einiges erlebt.

Berthold

#12
Zitat von: Manne am 12.Okt.21 um 12:09 Uhr
berthold, nicht jeder hat sein leben lang seinen hintern in deutschland gepflegt.
manche haben auch im job in der ganzen welt gearbeitet und naturgemäß einiges erlebt.

ja, aber erleben reicht nicht, man muss auch dazu lernen und die Erlebnisse kritisch auswerten und nicht alles glauben, was man hört.
Manne, Du musst immer sauber zwischen statistischer Korrelation und kausaler Korrelation unterscheiden.
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