Das Tübinger Modell zur Corona -Bekämpfung

Begonnen von Berthold, 27.Mär.21 um 11:32 Uhr

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Berthold

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ruediger

,, Fallzahlen in Tübingen schnellen weiter in die Höhe
19.23 Uhr: In der Modellkommune Tübingen mit Lockerungen und massenhaften Tests sind die Corona-Fallzahlen auch am Mittwoch stark gestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt legte nach Angaben des baden-württembergischen Gesundheitsministeriums auf 89,6 Fälle je 100.000 Einwohner und binnen einer Woche zu. Am Vortag hatte der Wert noch bei 78,7 gelegen.
Seit vergangenen Freitag hat sich die Inzidenz in der Stadt Tübingen damit mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: am 18. März betrug sie noch 19,7."

https://www.focus.de/gesundheit/news/aktuelle-news-zur-corona-pandemie-im-ticker-biontech-gruender-befuerchtet-harten-sommer-lockdown_id_13005536.html

:star

Warum überrascht mich das nicht?

Beste Grüße

Rüdiger

Berthold

Weil Du das Modell ebensowenig verstehst wie Karlchen und Merkel, aber ich werde es Dir erklären.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Wie funktioniert das Tübinger Modell?

In Tübingen wurden viele Beschränkungen für die Bürger aufgehoben, sodass sie trotz Infektionsgefahr in der Gesellschaft weitgehend wieder ihr normales Leben führen können.
Die Bürger müssen sich als Voraussetzung für die Teilnahme am normalen Leben einem kostenfreien Corona-Schnelltest unterziehen. Bei negativem Test erhalten sie dafür eine "Greencard" in Form eines Armbandes mit eienm QR-Code, die 24 Stunden gültig ist.
Mit dieser Armband können sie Lokale, Restaurants, Kulturveranstaltungen und andres besuchen.

Mit dieser wieder gewonnen Freiheit werden die Bürger quasi angelockt, sich einem Corona-Test zu unterziehen.
Dadurch kommt es in der Stadt Tübingen zu extrem hohen Testzahlen der Bürger und insbesondere auch der Bürger ohne Symptome.
Durch die hohen Testzahlen wurden bereits zu beginn des Modellversuches ca. 30 Personen in Tübingen mit positivem Test abgefangen, was zum schlagartigen Anstieg der Tübinger Stadt-Inzidenz von ca. 35 auf ca. 70 geführt hat.
Dieser schnelle Anstieg ist also als Erfolg für das Tübinger Modell zu werten, nicht als Misserfolg, wie Ruediger, Lauterbach und Merkel vermuten.

Man vermutet, dass das schnelle Einfangen und Isolieren der Infizierten für die Reduzierung der Pandemie von Vorteil ist gegenüber dem in geringem Maß immer noch vorhandenen Infektionsrisiko in den geöffneten Lebensbereichen für Getestete.
Da diese Schnelltests nicht zu 100% infizierte Personen erkennen können, besteht ein gewisses Restrisiko, dass in den geöffneten Bereichen auch Infektionen stattfinden können.

Sinn und Zweck des Modells ist es also herauszufinden, ob es in der Lage ist, die Infektionszahlen mittelfristig schneller zu senken als in Gebieten, in denen alle Restaurants, Hotels und Sportstätten durch Lockdown komplett gesperrt sind.


Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

#4
Schnelltests treiben nicht die Inzidenz hoch, behauptet das RKI

Die Aussage des RKI ist irreführend und aus politischen Gründen vom RKI bewusst so veröffentlicht.
Das RKI bezieht sich mit seinen Daten auf einen Zeitraum, in dem es noch keine wesentliche Anzahl von Schnelltest gab.
Ich gehe davon aus, dass der Inzidenzanstieg in Tübingen fast ausschließlich auf den sehr vielen Selbsttests nach dem Tübinger Modell basiert.
Die Selbsttests testen nur Personen ohne Symptome, die PCR-Tests fast nur symtomatische Leute. Das ist ein wesentlicher Fortschritt zur Ermittelung der Dunkelziffern durch die Selbsttests.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Aber der Großteil der Ansteckungen passiert nicht in Restaurants oder Kulturveranstaltungen sondern im privaten Bereich. Die Problemgruppen sind außerdem keine Kreise die ins Restaurant oder Theater gehen, die feiern in großen Gruppen daheim oder im Freien. Diese Leute machen keine Tests und treffen sich trotzdem. Und hier findet das Infektionsgeschehen statt.

Damit das System funktioniert müsste man das Armband für "essenzielle" Einkäufe wie Supermärkte  sowie den öffentlichen Verkehr, quasi überall, vorschreiben und laufend kontrollieren. Das geht aber auch nicht weil man nicht weite Teile der Bevölkrung alle 24h testen kann.

Im Wesentlichen ist die Pandemie nur mit Mithilfe der Bevölkerung zu bchen. Solange dies nicht geschieht ist die Sache aussichtslos.

Ruediger

,, Führende Ärzte der Hauptstadtregion fordern Berlins Senat auf, sich auf Bundesebene für einen landesweiten Lockdown einzusetzen. Geschäfte, Schulen, Verkehr müssten heruntergefahren, Kontakte drastisch reduziert werden. Zügig müsste an einer tragfähigen Impfkampagne gearbeitet werden.

Dafür plädierten Jörg Weimann, Chefarzt und Experte für Intensivmedizin der Berliner Ärztekammer, Rüdiger Heicappell, Impfarzt und Direktor der Asklepios-Klinik im märkischen Schwedt, sowie Patrick Larscheid, Amtsarzt in Berlin-Reinickendorf.

"Wird kein harter Lockdown verhängt, werden sich die Krankenhausbetten rasant mit Covid-19-Patienten füllen", sagte Jörg Weimann, der 2020 für Berlins Senat das Konzept für den Umgang mit Corona-Intensivpatienten mitentworfen hat. Demnach werden die schwersten Covid-19-Fälle in der Charité behandelt, die dafür die nötige Spitzentechnik bekommen hat. In weiteren 16 Großkliniken werden ebenfalls Covid-19-Patienten versorgt, die meist künstlich beatmet werden. Nur wer nach der Infektion behandelt werden und nicht auf eine Intensivstation muss, kommt in ein kleineres Krankenhaus.


Rüdiger Heicappell, der mehr als 1000 Berliner und Brandenburger gegen das Coronavirus geimpft hat, sagte: "Wir befinden uns in einem biologischen Kriegszustand. Es kann nicht sein, dass jeder Dorfschulze entscheiden kann, ob Atomwaffen oder Pfeil und Bogen eingesetzt werden. Drei Wochen alles herunterfahren, am besten bundesweit. Und in dieser Zeit gewissenhaft das Massenimpfen vorbereiten. Dazu zählt auch, sich um den russischen Sputnik-Impfstoff zu bemühen."

https://www.tagesspiegel.de/berlin/biologischer-kriegszustand-fuehrende-berliner-aerzte-fordern-drei-wochen-harten-lockdown/27056126.html

Der Dorfschulze von Tübingen und dem Saarland kann das gar nicht verstehen.
Beste Grüße

Rüdiger

Berthold

Zitat von: Ruediger am 01.Apr.21 um 17:33 Uhr
,, Führende Ärzte der Hauptstadtregion fordern Berlins Senat auf, sich auf Bundesebene für einen landesweiten Lockdown einzusetzen. Geschäfte, Schulen, Verkehr müssten heruntergefahren, Kontakte drastisch reduziert werden. Zügig müsste an einer tragfähigen Impfkampagne gearbeitet werden.

Dafür plädierten Jörg Weimann, Chefarzt und Experte für Intensivmedizin der Berliner Ärztekammer, Rüdiger Heicappell, Impfarzt und Direktor der Asklepios-Klinik im märkischen Schwedt, sowie Patrick Larscheid, Amtsarzt in Berlin-Reinickendorf.

"Wird kein harter Lockdown verhängt, werden sich die Krankenhausbetten rasant mit Covid-19-Patienten füllen", sagte Jörg Weimann, der 2020 für Berlins Senat das Konzept für den Umgang mit Corona-Intensivpatienten mitentworfen hat. Demnach werden die schwersten Covid-19-Fälle in der Charité behandelt, die dafür die nötige Spitzentechnik bekommen hat. In weiteren 16 Großkliniken werden ebenfalls Covid-19-Patienten versorgt, die meist künstlich beatmet werden. Nur wer nach der Infektion behandelt werden und nicht auf eine Intensivstation muss, kommt in ein kleineres Krankenhaus.


Rüdiger Heicappell, der mehr als 1000 Berliner und Brandenburger gegen das Coronavirus geimpft hat, sagte: "Wir befinden uns in einem biologischen Kriegszustand. Es kann nicht sein, dass jeder Dorfschulze entscheiden kann, ob Atomwaffen oder Pfeil und Bogen eingesetzt werden. Drei Wochen alles herunterfahren, am besten bundesweit. Und in dieser Zeit gewissenhaft das Massenimpfen vorbereiten. Dazu zählt auch, sich um den russischen Sputnik-Impfstoff zu bemühen."

https://www.tagesspiegel.de/berlin/biologischer-kriegszustand-fuehrende-berliner-aerzte-fordern-drei-wochen-harten-lockdown/27056126.html

Der Dorfschulze von Tübingen und dem Saarland kann das gar nicht verstehen.

Die Dorfschulzen aus Berlin scheinen es einfach nicht zu verstehen, wie das Tübinger Modell läuft. Offensichtlich sind sie Ärzte.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Zitat von: Ahriman am 01.Apr.21 um 17:17 Uhr
Aber der Großteil der Ansteckungen passiert nicht in Restaurants oder Kulturveranstaltungen sondern im privaten Bereich. Die Problemgruppen sind außerdem keine Kreise die ins Restaurant oder Theater gehen, die feiern in großen Gruppen daheim oder im Freien. Diese Leute machen keine Tests und treffen sich trotzdem. Und hier findet das Infektionsgeschehen statt.

Damit das System funktioniert müsste man das Armband für "essenzielle" Einkäufe wie Supermärkte  sowie den öffentlichen Verkehr, quasi überall, vorschreiben und laufend kontrollieren. Das geht aber auch nicht weil man nicht weite Teile der Bevölkrung alle 24h testen kann.

Im Wesentlichen ist die Pandemie nur mit Mithilfe der Bevölkerung zu bchen. Solange dies nicht geschieht ist die Sache aussichtslos.

Ja, aber das Tübinger Modell basiert darauf, dass mehr Menschen angelockt werden, sich testen zu lassen.
Den persönlichen Bereich kann man in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen durch Gesetzt sowieso nicht regeln.
In Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln kann  man durchaus einen Test vorschreiben.
Warum sollte man jemanden nicht testen dürfen bevor er Lebensmittel einkauft?
Der Testaufwand ist sehr gross, aber für eine gewisse Zeit finanzierbar. Genügend Freiwillige, die den Test überwachen gibt es in Tübingen auch.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

In Österreich war eine Testpflicht für den Eintritt in den gesamten nichtessenziellen Handel geplant, aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings in weite Ferne verschoben worden. Den Handel freut die Idee natürlich auch nicht da mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden.

Ich frage mich bei einer reinen QR Lösung außerdem wie lange es dauert bis sich die Leute den Code einfach selber ausdrucken anstatt testen zu gehen. Wir hatten das schon mit den Attesten zum Friseurbesuch die sich die Leute einfach gefälscht haben um nicht zum testen durch die Stadt fahren und dort auch noch warten zu müssen. Im Prinzip müsste man doch immer einen Abgleich mit einem Ausweis machen.

Berthold

Ich denke, dass die Kriminalität kein allzu grosses Problem ist. Man könnte die Fälschungssicherheit auch mit relativ geringem Aufwand verbessern. Eine 100%ige Sicherheit ist eh nicht zu erreichen.

Warum die Tests in Österreich ein verfassungsrechtliches Problem ist, verstehe  ich nicht. Ich würde da die Verfassung anpassen.
Der Handel würde den zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermutlich gern akzeptieren, wenn die Alternative der Lockdown wäre.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Ahriman

Der Bundesrat hat das Epidemie-Gesetzespaket welches neben dem Freitesten im Handel auch Privilegien für Geimpfte vorgesehen hätte blockiert und zurück an den Nationalrat verwiesen. Damit kann das Gesetz erst mit 2monatiger Verspätung in kraft treten Das ist vor Weihnachten schon einmal mit Corona-Regeln passiert. Aber das hat nichts mit Tübingen zu tun.
https://orf.at/stories/3207328/

Man wird ja sehen wie sich das tübinger Modell auf das Infektionsgeschehen auswirkt aber ich erwarte mir aus den genannten Gründen nicht zu viel. Bei uns wurden die Massentests sowie die Eintrittstests für Friseur und co eher schlecht als recht angenommen und zeigten keine messbare Wirkung. Sobald der Voll.Lockdown bendt wurde gingen die Zahlen wieder stetig nach oben.

Berthold

Zitat von: Ahriman am 01.Apr.21 um 21:05 Uhr
Man wird ja sehen wie sich das tübinger Modell auf das Infektionsgeschehen auswirkt aber ich erwarte mir aus den genannten Gründen nicht zu viel. Bei uns wurden die Massentests sowie die Eintrittstests für Friseur und co eher schlecht als recht angenommen und zeigten keine messbare Wirkung. Sobald der Voll.Lockdown bendt wurde gingen die Zahlen wieder stetig nach oben.

Ja, der Erfolg dieses Modells hängt stark von der Disziplin der Bürger ab, die sich nicht voraus berechnen lässt und auch eine Mentalitätsfrage der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppe ist. Deshalb ist es auch ein Modellversuch, keine Garantie auf ein besseres Leben.

Die Alternativen sind allerdings gering, da Deutschland mit einem täglichen Grenzverkehr von ca. 500000 Menschen keinen strengen Lockdown Zeit machen kann, denn anschliessend würde der Grenzverkehr alles wieder zunichte machen, aber der gesellschaftliche Schaden durch den Lockdown wäre irreversibel.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Phil

Tübingen ist wie erwartet krachend gescheitert. Vielleicht früher als gedacht. Eigenverantwortung funktioniert nicht, wenn man den Leuten Normalität vorgaukelt.
Der größte Schaden entsteht aber nicht in Tübingen selbst, sondern dadurch, dass hunderte Städte folgen wollen.
Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen sind zwei verschiedene Gaben.
Franz Grillparzer

Berthold

Zitat von: Phil am 01.Apr.21 um 21:53 Uhr

Der größte Schaden entsteht aber nicht in Tübingen selbst, sondern dadurch, dass hunderte Städte folgen wollen.
Wenn in alles Städten, die dem Tübinger Modell folgen wollen, der Inzidenzwert 20 unterhalb der Umgebungsinzidez liegt, ist dass Tübinger Modell doch ein grosser Erfolg.
Phil, ich verstehe nicht, warum Du das "scheitern" nennst.

Wieviele Schnelltest wurden denn in Tübingen Stadt mehr durchgeführt als im übrigen Landkreis Tübingen? Die Zahlen muss man kennen, bevor man sich ein solches Urteil erlaubt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)