Orchis elegans symbiotische Aussaat

Begonnen von Berthold, 24.Sep.08 um 19:56 Uhr

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Berthold

Die Orchis elegans, eine grosse Verwandte der Orchis palustris aus der Türkei, lässt sich mit dem B1-Mykorrhizapilz sehr gut keimen. Es scheint eine aktive symbiotische Keimung vorzuliegen.
Bereits 4 Wochen nach der Aussaat haben sich grosse Protokorme gebildet:


Wenn man Pech hat, mischen sich andere Pilze mit ins Glas, insbesondere wenn man zu faul ist, den Samen vor der Aussaat zu desinfizieren:

dann ist leider nichts mehr zu retten.
Aber oft klappt es auch ganz gut. Nach 9 Wochen sehen die Protokorme so aus, höchste Zeit, sie in Neudohum zu setzen. Sie sind jetzt noch in einer Wachstumsphase und haben schon Blattgrün gemacht, um sich über den Photosyntheseapparat selbständig weiter ernähren zu können:


Nach insgesamt 5,5 Monaten haben sie sich in Neudohum (mit Klarsichtfolie drüber) prächtig entwickelt:


nach 10,5 Monaten:
siehe letztes Foto

einige Sämlinge haben nach dieser Zeit Knollen mit 1 cm Durchmesser gebildet.
Es tritt dann eine Ruhephase ein und die Blätter ziehen ein. Jetzt nach insgesamt 13 Monaten treiben die ersten Pflanzen wieder mit einer kleinen Spitze aus. Sie werden allerdings kühl gestellt, sodass das Wachstum im Winter zur Ruhe kommt und erst im Frühling wieder richtig loslegt.
Wenn die dicksten Knollen im Frühjahr blühen wurden wäre das bereits 18 Monate nach der Aussaat.
Ich vermute, in der Natur dauert die Entwicklung bis zur blühenden Pflanze deutlich länger. Bei der Topfkultur kann man durch kräftige Nährstoffzufuhr und Wärme erheblich an Zeit gewinnen.

So sieht übrigens die Mutter aus:
 
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Man kann Orchis elegans allerdings auch ganz elegant asymbiotisch aussäen. Sie kümmert dann zunächst längere Zeit vor sich hin, ehe sie dann Anlauf nimmt und Knollen bildet. Ich habe den Eindruck, ohne dass ich dazu statistische Daten habe, dass die asymbiotische Aussaat ertragreicher ist. Man kann die Protokorme dann auch bequem auf B1 umlegen, wo sie sich rascher entwickeln.

Die gebildeten Knollen kann man natürlich in ein Substrat auspikieren, es geht aber auch recht gut, nach dem Einziehen der Blätter den anhaftenden Nährboden sorgfältig abzuwaschen und sie auf angefeuchtetem Küchenpapier z.B. in eine Kunststoffdose zu legen, diese zu verschließen und in den Kühlschrank zu stellen. Nach einigen Wochen bildet sich eine Triebknospe, und falls dann gerade das Frühjahr ausgebrochen ist, kann man sie bequem in ein geeignetes Substrat, z.B. Neudohum, auspflanzen.

Dieses Verfahren, auf das mich Rudolf brachte, hat den großen Vorteil, dass man praktisch kein Risiko eingeht, dass die Sämlinge vorzeitig den saprophytischen Bodenpilzen zum Opfer fallen. Im Gegenteil, auf dem feuchten Küchenpapier war nach einigen Wochen ein leichter Schimmelbefall, was aber den Knollen mit ihren Trieben überhaupt nichts ausmachte.

Das Verfahren ist natürlich nicht auf O. elegans beschränkt. Man kann sogar blühfähige Knollen auf diese Weise sicherer durch den Winter bringen. Aber auch sehr kleine Knollen überstehen die Zeit durch die hohe Luftfeuchte gut.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich im vergangenen Jahr ca. 50 Exemplare O. spitzelii in Neudohum auspikiert hatte, von denen ich nach dem Sommer nur ca. 10 wiederfand, ist diese Lagerung im Kühlschrank eine sehr elegante Methode. Dies scheint auch für solche Knollen zu gelten, die nach der Herausnahme aus den Gläsern noch gar keinen Knospenansatz haben. Der bildet sich dann erst im Kühlschrank. Dagegen neigen Knollen ohne diesen Ansatz dazu, im unsterilen Substrat bei zu hoher Feuchtigleit einfach zu vergammenln.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 24.Sep.08 um 22:40 Uhr
Ich habe den Eindruck, ohne dass ich dazu statistische Daten habe, dass die asymbiotische Aussaat ertragreicher ist.
Viele Grüße
Claus

Claus, da gibt es bei der symbiotischen Aussaat noch einige für mich unverständliche Effekte. Der Aussaaterfolg ist sehr unterschiedlich.
Bei Aussaaten im August 2007 entstanden etwa 50 Protokormen im Glas. Diese Anzahl nahm in den folgenden Monaten stetig ab, sodass im November nur noch 5 bis 10 Protokorme keimten. Es wurde jeweils auf eine Woche vor der Aussaat geimpften Boden ausgesät. Ob die Keimfreudigkeit des Samens abnahm oder ob der Pilz schlapp gemacht hat, kann ich leider nicht beurteilen. Es wäre sehr wichtig etwas über einen möglichen jahreszeitlichen Lebensrythmus des Mykorrhiza-Pilzes zu wissen.
Die Aussaat von ganz frischem Samen aus einer grünen Kapsel klappte gar nicht. Möglicherweise tötet der Pilz ganz frischen Samen ab.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Der Sämling im Alter von 16 Monaten:



Der Austrieb in der 2. Neudohum-Saison ist bereits wieder 12 cm hoch. Von Beginn des Austriebes an wurde die Pflanze bei Zimmertemperatur gehalten (die Geschwister im Kalthaus haben erst etwa 3 cm erreicht). Sie steht am sonnigsten Fenster ohne Abdeckung bei ca. 50% Luftfeuchtigkeit. Von Vorteil wäre eine Zusatzbeleuchtung oder eine Temperaturabsenkung auf ca. 17°, um den richtigen Habitus zu erzielen.

Das Substrat wurde in der 2. Vegeationsperiode mit 40% Seramis verdünnt.

Nach bisheriger Erfahrung scheint die Pflanzenentwicklung nach diesem Aussaat- und Kulturverfahren deutlich schneller als in der Natur abzulaufen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Ein Vergleich zwischen symbiotischer und asymbiotischer Aussaat, Topfkantenlänge 9 cm:



Beide Sämlinge würden im Herbst 2007 ausgesät.
Links asymbiotisch von Claus, einmal umgelegt und am 21. Okt.2008 in Neudohum gesetzt.
Rechts symbiotisch auf B1, im Herbst 2007 in Neudohum gesetzt.

Frage an Claus: Welche Sämlinge sehen besser aus? Aber ein Trost, Claus, beide Sämlinge sind gesund.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Uhu

Hallo Berthold,

wirklich ein respektabler Erfolg. Wenn sie dieses Jahr zur Blüte kommen sollte setzt Du die Geschichte hoffentlich bebildert fort. Außerdem hast Du dann immer mehr Samen übrig :-D

Erfolge hatte ich mit dem B1 auch. Es waren aber nicht soviele von der Menge her. Habe 3 Töpfe mit Dactys und einen mit Gymnadenia, sowie 2 Spiranthes in pikiergröße herangezogen. Leider hab ich´s mit dem Pilz zu locker genommen und mir anscheinend viele Fremdinfektionen eingefangen - vielleicht muss ich mich selbst auch mal wieder 2 Tg in Fungizid legen :rot. Dadurch hab ich aus literweise Haferagar doch nur bescheidene Stückzahlen erreicht.

Die asymbiontische Aussaat ist  bei mir wesentlich effektiver. Dabei belege ich 6-8 kleine (5ml) Gläschen mit Samen. Von der letzten morio-aussaat hab ich Ende November mit dem Auspikieren begonnen und noch gut 20 Gläser die darauf warten bzw. längst hätten raus gemusst. Da ich bei den Aussaaten für den Naturschutz 25-30% der Sämlinge behalten darf, ist die erzeugte Menge für mich durchaus von Bedeutung.

Für Tips zur Optimierung der B1-Nachzuchten wäre ich dankbar.

Gruß Jürgen
Grüße Jürgen

Berthold

#6
Zitat von: Uhu am 17.Jan.09 um 14:21 Uhr
Für Tips zur Optimierung der B1-Nachzuchten wäre ich dankbar.
Gruß Jürgen

Jürgen, durch Aussaat nicht desinfizierter Samen auf die Pilzkultur versaut man sich die Kulturen leicht und erzeugt Pilz-Misch-Gerichte. Da nützt es dann auch nicht mehr, wenn Du Dich selber in Fungizid legst.
Diese Pilzverunreinigungen merkt man nicht immer, weil die Samen oft in der Pilzmischung ebenfalls noch einigermassen keimen. Wenn man diese Kulturen dann vermehrt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man Pilze erwischt, die keine Orchideen mehr keimen können.

Man muss aus den Pilzkulturen kontinuierlich die Pilze selektieren, die die besten Keimerfolge bringen. Auch Impfen durch Umsetzung der besten Sämlinge ist gut.

Kleinste genetische Unterschiede der Pilze innerhalb der selben Pilzart können schon deutliche Keimerfolgunterschiede bedeuten. Mit blossem Auge kann man das an der Pilzkultur natürlich nicht erkennen.

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

 jetzt 19 Monate nach der Aussaat zu Beginn der 2. Wachstumsperiode:



aus dem alten Knöllchen hat sich ein üppiger Trieb gebildet. Unten seitlich heraus wächst die neue Knolle an einem ca. 3 cm langen Wurzelstiel um die richtige Tiefe zu erreichen. Ich hoffe, dass sie in dieser Saison noch 1 cm Durchmesser erreicht. Der Sämling stand die letzten 2 Monate bei Zimmertemperatur, deshalb ist er jetzt schon so gross gewachsen.

Das Austopfen ist jetzt ungünstig. Aber wenn man keine Wurzeln abreisst und vorsichtig wieder einschlemmt, treten keine Störungen auf.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Dieter

woher nimmst du die gewissheit,
dass die "stiellänge" abhängig ist
von der "suche nach der geeigneten substratfeuchtigkeit" ?   :ka

ich habe im gleichen 20 cm topf verschiedene Ophrys,
beim austopfen habe ich kürzlich festgestellt,
dass einige arten einen "stiel" machen, andere jedoch nicht.

dabei haben sich jeweils gleiche arten gleich verhalten ! ? ! 
in einem derartigen topf sollte man wohl
eine eher gleichmässige feuchtigkeit vermuten.
deshalb sollte auch immer (oder nie)
ein stiel zu finden sein...........

Berthold

Zitat von: dieter am 10.Feb.09 um 15:30 Uhr
woher nimmst du die gewissheit,
dass die "stiellänge" abhängig ist
von der "suche nach der geeigneten substratfeuchtigkeit" ?   :ka

ich habe im gleichen 20 cm topf verschiedene Ophrys,
beim austopfen habe ich kürzlich festgestellt,
dass einige arten einen "stiel" machen, andere jedoch nicht.

dabei haben sich jeweils gleiche arten gleich verhalten ! ? ! 
in einem derartigen topf sollte man wohl
eine eher gleichmässige feuchtigkeit vermuten.
deshalb sollte auch immer (oder nie)
ein stiel zu finden sein...........

Dieter, einige Ophrys machen immer einen Stiel, andere nur wenn sie glauben nicht tief genug zu sitzen. Letzeres gilt auch wohl für fast alle anderen Gattungen. Für die richtige Tiefe spielt wahrscheinlich das Licht und die Luft um die Knolle neben der Feuchtigkeit auch noch eine Rolle. Ich habe festgestellt, wenn die Knollen in ganz luftigem lockeren Substrat sitzen wachsen sie meist nach unten.
Steck doch mal eine Ophrys, die keinen Stiel macht in ganz lockeres Substrat (z.B. 70 % Seramis) nur mit etwa 1,5 cm Substratüberdeckung und halte alles gleichmässig feucht. Ich vermute, sie macht eine neue Knolle mit Stiel dran. 

Die Ophrys, die immer einen Stiel bauen sind welche, die sich gern vegetativ durch mehrere Knollen vermehren möchten (z.B Ophrys bombiliflora). Da soll der Stiel eigentlich zur Seite wachsen, damit sich die neuen Rosetten später nicht zu sehr bedrängen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Volzotan

Noch als Zusatz,
im Glas machen die Ophrys immer einen Stiel, bevor sie eine Knolle machen. In Gläsern ohne Aktivkohle im Agar machen die überhaupt keine Knolle, möglicherweise liegt das am Licht im Wurzelbereich, sehr komisch das ganze, bei den großen Sämlingen von O. apifera sieht man ganz genau den Ansatz für einen Knollenstiel, der aber meist nicht weiterwächst. Ich schreibe dazu noch was in Ophrys in-vitro

Gruß Volzotan

Dieter

#11
danke für die erläuterungen.
ich werde das wohlwollend überprüfen :-)

Berthold

Sämlinge in der 2. Saison in Substrat:



Neudohum Pflanzerde verlängert mit Kleintierstreu und geimpft mit Myzel eines Ständerpilzes.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

#13
23 Monate nach der Aussaat. Da kann man wirklich nicht meckern!


Man könnte sie schon als "blühfähig" verkaufen, aber nicht unter Goldpreis.



Zitat von: Claus am 24.Sep.08 um 22:40 Uhr
Man kann Orchis elegans allerdings auch ganz elegant asymbiotisch aussäen.
Viele Grüße
Claus
:rofl
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Claus

Berthold,

wieviel Stück von den 50 ?
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)