Hochschwab-Gebiet, Nordsteiermark

Begonnen von Herbert, 02.Jul.16 um 06:44 Uhr

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Berthold

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Niko

Darf ich folgende Bilder einfach hier anhängen? Gar nicht weit weg vom Hochschwab im Toten Gebirge und in vergleichbarer Höhenlage um 1600 Höhenmeter waren die Nigritellen noch längst nicht so weit, ich habe nur mit Mühe überhaupt welche gefunden. Dafür haben viele Frühblüher geblüht, die ich sonst bei meinem Besuch dort (meistens Anfang August) nie sehe  :-D

Gruß Niko

Muralis

Am Hochplateau des Toten Gebirges ist der viele Schnee des heurigen Winters sicher sehr lange liegen geblieben, darum das späte Erscheinen der dortigen "Frühblüher".

Es wäre sicher heuer ein sehr lohnendes Ziel gewesen, den Orchis spitzelii-Platz am Steinernen Meer aufzusuchen, da die Rahmenbedingungen heuer unvergleichlich gut gewesen sein müssten. Doch die schlechte Einschätzbarkeit des Blühzeitpunkts und meine anhaltenden Knieprobleme haben mich letztlich dazu bewogen, das Fixvorhaben schweren Herzens abzusagen.

Muralis

Gestern war ich noch einmal am Hochplateau der Aflenzer Staritzen, dem östlichen Teil des Hochschwabmassivs unterwegs, um wieder Hummeln zu kartieren.

Auf der Hochfläche war bis auf die Herbstenziane schon nahezu alles verblüht, relativ trostlos also da oben. Trotzdem ein Vielfaches an Besuchern unterwegs. Man fragt sich, was die da jetzt eigentlich so suchen, wo es doch Ende Juni viel, viel schöner ist dort oben?

Im Juni habe ich verbissen nach Chamorchis alpina gesucht, ohne jeden Erfolg. Dieses Mal hat es nicht lange gedauert, bis ich die erste verblühte Pflanze fand. Somit hatte ich das Suchschema gewonnen und es ging nun Schlag auf Schlag. Überall konnte ich nach kurzem Suchaufwand Pflanzen finden. Die Art muss am Hochschwab häufig sein.

Warum habe ich sie letztes Mal nicht gefunden?
* Die Pflanzen waren damals so grün wie ihre Umgebung, jetzt sind sie gelblich
* Vielleicht waren sie noch nicht voll entwickelt
* Ich habe immer die unmittelbaren Grate abgesucht, ich fand sie diesmal aber immer so 2-3 Meter davon entfernt.

Ansonsten gab es noch spätblühende Exemplare von "Schwarzhaarigem Alpen-Schuppenleuenzahn" (Scorzoneroides montana subsp. melanotricha), soweit die korrekten botanischen Namen  :yes

Das Highlight bei den Hummeln waren 2 Drohnen der Trughummel Bombus mendax. Die Drohnen besetzen so wie diejenigen der Samthummel Reviere, wo sie auf Warten sitzen und jedem Flugobjekt nachfliegen in der Meinung, es könne sich um ein Weibchen handeln. Meist erfolglos, und so kehren sie immer wieder auf die Ausgangswarte zurück. Dieses Verhalten erinnert ein wenig an Schwebfliegen. Die Drohnen dieser beiden Arten besitzen daher besonders große "Klupschaugen", um alle Flugobjekte von weitem zu bemerken. Bombus mendax war für mich eine neue Art, somit die 35. österreichische Hummelart  :classic

Ein Steinadler wurde von einem Trupp Kolkraben recht nahe an mich herangetrieben, leider hatte ich nur das 100er Makro mit...


wölfchen

Hallo Muralis,
danke für die tollen Bilder :wink

Herbert

Liebe Grüße aus Linz!
Herbert

Machu Picchu

Allesamt ganz tolle Aufnahmen und sehr lehrreiche Erklärungen!! :classic
_________________________________________________
Liebe Grüße
Hans

Muralis

Inzwischen konnte ich einen Fehler finden, einen erfreulichen  ;-)

Die Trughummel B. mendax war doch nicht die 35. Hummelart in Österreich für mich, sondern die 36. Schon kurz nach dem Abmarsch beim Parkplatz nach nur etwa 100 Höhenmetern habe ich die beigefügte Hummel fotografiert. Sieht mehr oder weniger nichtssagend aus, so wie die vielen anderen schwarz-roten Hummeln, die im Tiefland meistens Steinhummeln sind und dort oben entweder Distel- oder Bergwaldhummeln.

Inzwischen haben sich führende Experten nach längerem Studium meiner (nicht sehr scharfen) Bilder drauf geeinigt, dass es sich tatsächlich um einen Drohn der Schmarotzerhummel Bombus quadricolor handelt. Diese Art hat keine Arbeiterinnen und lässt ihre Nachkommen in den Nestern der häufigen Distelhummel aufziehen. Sie selbst ist so selten, dass auch ausgewiesene Experten diese Art nur alle paar Jahre finden.

Festmachen lässt sich die Bestimmung im wesentlichen an 3 Merkmalen: 1. es ist ein Drohn (kenntlich an den langen Fühlern und an den schlanken Hinterbeinen ohne Pollensammelvorrichtung), 2. schwarze Gesichtsbehaarung, 3. keinerlei Gelb an Bauch, Brustseiten oder Nacken

Da hab ich mal Glück gehabt, das war mir vor Ort noch nicht bewusst. Ich hatte eigentlich auch nicht unbedingt das Ziel gehabt, bei dieser Exkursion neue Arten zu finden, denn es fehlen mir nur mehr sehr wenige. Aber 2 an einem Tag, das wird in Zukunft gar nicht mehr möglich sein wegen der unterschiedlichen Habitate der wenigen, z.T. sehr seltenen verbliebenen Arten.

wölfchen

Hi Muralis,
sehr schönes Bild und sehr interessante, lehrreiche Erläuterungen :thumb :thumb

Wie bringst du nur die Hummeln dazu, still zu halten ?
Ich hab festgestellt, daß die extrem schwer zu fotografieren sind ... :heul


LG wölfchen

Muralis

Zitat von: wölfchen am 10.Sep.19 um 07:30 Uhr
Ich hab festgestellt, daß die extrem schwer zu fotografieren sind ... :heul

Da bist du nicht der erste....

Diese Tiere sind extrem beschissen zu fotografieren, da sie erstens sehr dick und 3-dimensional sind und zweitens kaum einmal 1 Sekunde stillhalten. Irgendwie hab ich es in der Zwischenzeit verlernt, mit der 5dIII ordentliche Bilder zu schießen und daher ist die Bemerkung, dass das Bild schön sei, eine wirklich gewagte Aussage! Es ist leider ordentlich unscharf; von den 4 Bildern, die ich gemacht habe, bevor sie abgebraust ist, vermittelt dieses aber am ehesten einen brauchbaren Eindruck von dieser selten zu findenden Hummel. Die hat nicht einmal einen deutschen Namen. Der lateinische Name bedeutet übersetzt 4-farbig, das trifft aber nur auf die im Norden ab etwa N-Deutschland/Dänemark vorkommende buntere Unterart, die tatsächlich 4 Farben hat, zu.

Aja, wie kann man Hummeln ordentlich fotografieren? Dazu 3 Faktoren: möglichst viele Aufnahmen machen (eine wird schon passen), highspeedblitzen, Glück  grins

Muralis

Schönen Abend,

hab gerade den Beitrag zufällig gelesen. Ich war ja selber letztes Jahr genau um die Zeit im Hochschwabgebiet unterwegs und da ist es besonders schön.

Aber beim Durchlesen und Anschauen der Bilder hab ich mich an eine einsame Bergtour durch die Lang-Eibl-Schlucht auf den Griesstein, nördlich vom Ebenstein erinnert. Es ist jetzt einige Jahrzehnte her. Ich hab dort in einer subalpinen Latschenflur mit eingestreuten alpinen Matten so auf 1800-1900m insgesamt 4 Exemplare von sehr kleinwüchsigen, hellroten Nigritellen gefunden. Ich habe 2 Dias geschossen, weil mir die merkwürdig und nicht zuordenbar vorkamen. Einige Zeit später, 1991, war ich im Herbst in Graz bei dem damaligen Botanikertreffen. Ich habe die Gelegenheit genutzt und die Dias dem Prof. Teppner gezeigt. Er hat die Bilder angesehen, konnte vor Ort nicht wirklich was sagen dazu und hat sie mitgenommen. Das war´s - ich habe nie wieder davon gehört.

Aber wenn ich mir die Bilder von Herbert jetzt anschaue, dann habe ich keine Zweifel: Ich habe N. minor lange vor seiner Erstbeschreibung damals am Hochschwab fotografiert. Größe und Habitus schließen N. miniata aus und die anderen können es sowieso nicht gewesen sein. Die Fundstelle liegt genau nördlich von dem Edelweißboden, Luftlinie sind es nur 10 Kilometer.

Kann ich abhaken! Cooles Gefühl, eine Art vor ihrer Erstbeschreibung gesehen zu haben  grins

walter b.

Hallo Wolfgang,

das klingt interessant, ich habe noch nicht davon gehört dass N. minor noch woanders vorkommt. Es gehörte eigentlich überprüft, ob die dort (noch) wächst.

Ich war letztes Wochenende am Hochschwab und konnte dort nur an einer Stelle (hinter der Bürgeralm) N. widderi finden. Am Edelweißboden waren noch keine zu sehen, es scheint heuer alles etwas später dran zu sein.
Dadurch konnte ich oberhalb Aflenz heuer Fliegenragwurz in schöner Blüte finden. Als ich die Stelle entdeckt habe, waren zwar die dort ebenfalls vorkommenden Anacamptis pyramidalis offen, die Fliegen dafür verblüht...

Viele Grüße
Walter

walter b.

#27
Erstmals konnte ich neben unzähligen normalfärbigen Exemplaren die gelbe Farbvariante der Nestwurz finden. Auch daran will ich Euch teihaben lassen!

Muralis

Originalbilder von Walter - das ist ja für sich gesehen schon mal eine Rarität  :-D
Die gelbe Nestwurz ist erstaunlich, wusste nicht, dass es da auch was Spezielles gibt. Andererseits hätte ich sowas in Unkenntnis gar nicht besonders beachtet bzw. es mir auf keinen Fall gemerkt.

Im Gegensatz zu dieser Nigritella, da kann ich mich heute noch erinnern, als wenn es vor 3, 4 Jahren gewesen wäre, obwohl es gut 30 Jahre her ist. Mir ging es genauso wie diesem Herrn Foelsche, dessen Erstbeschreibung aus 2007 ja im Internet nicht zu übersehen ist.
Du siehst dieses Pflänzchen und denkst dir: Von der Farbe her kann´s nur eine rubra/miniata sein. Nächster Gedanke: Aber eine so mickrige rubra habe ich noch nie gesehen (und damals war ich noch in der Phase des "heimischen Orchideenjägers"!). Okay, ein einzelnes verhungertes Exemplar kann ja möglich sein. Nur habe ich dann gleich, um das abzusichern, den ganzen Boden östlich vom Gipfel nach weiteren Exemplaren abgesucht. Es kamen aber nur 3 zusätzliche Pflanzen zutage, die weit verteilt einzeln auf den Rasenflächen zwischen den Latschenbeständen standen. Sie waren aber erst mehr am Aufblühen (nur die äußeren Blüten schon voll geöffnet) und allesamt ebensolche Mickerlinge wie das 1. Exemplar, so im Bereich von 5-6 cm. Eher flachköpfig, während die größere Verwandte ja mehr zylindrische Blütenstände hat. Sonst keine Nigritellen. N. widderi konnte ich damals definitiv ausschließen, die kannte ich ja von verschiedenen Fundpunkten sehr gut.
Das 1. Exemplar von Herbert neben den austriacas kommt da am ehesten hin, auch von der Größe, während seine weiteren Exemplare wohl eher besonders schöne, kräftige Pflanzen sind, die man gern abbildet.

Dass diesen Platz niemand seither entdeckt hat, verwundert nicht. Dort geht kaum jemand hinauf, ist was für Leute, die die Einsamkeit suchen. 1000 Höhenmeter durch die Lang-Eibel-Schlucht auf einem unmarkierten, kaum erkennbaren Jagdsteig permanent steil bergauf auch nicht jedermanns Sache. Oben dann weglos weiter in Richtung Griesstein (nördlich). Ich war gestern in Google Earth "oben", am isolierten Latschenbestand ist die Verebnung östlich des Gipfels leicht zu erkennen.

Die Frage ist, ob von den damals 4 Exemplaren heute noch was übrig ist nach den vielen Klimasommern. Man muss auch den Blühzeitpunkt exakt erwischen, um überhaupt was finden zu können. Ich wollte schon seit Längerem mir das wieder mal ansehen und Digitalfotos machen, hatte aber die Schinderei noch sehr schlecht in Erinnerung! Heute steht fest, dass ich mit meinem Bewegungsapparat da nicht mehr rauf komme. Vielleicht, dass ich den Edelweißboden noch schaffen würde, frühestens nächstes Jahr.

walter b.

ZitatDie gelbe Nestwurz ist erstaunlich, wusste nicht, dass es da auch was Spezielles gibt. Andererseits hätte ich sowas in Unkenntnis gar nicht besonders beachtet bzw. es mir auf keinen Fall gemerkt.

Sie war schon auffällig, hat im Gegensatz zu den Anderen richtig geleuchtet! Der Unterschied ist wirklich irre, die "Normalen" gab's ja genug. Zum Vergleich (noch) ein Bild, zugegeben wohl die schönste Gruppe die ich gesehen habe.