Orchis canariensis symbiotisch/asymbiotisch

Begonnen von Berthold, 03.Okt.10 um 16:28 Uhr

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Berthold

Wie Claus jetzt gefunden hat keimt Orchis canariensis sehr schön symbiotisch auf unserem berühmten B1-Pilz.

B1 keimt alle Arten der Gattung Orchis, die kürzlich von der Gattung Orchis in die Gattung Anacamptis umgeordnet worden sind. Arten, die in der Gattung Orchis geblieben sind können von B1 nicht gekeimt werden.

Wurde Orchis canariensis bei der Umordnung etwa übersehen? Weiss jemand, nach welchen Kriterien diese Umordnung erfolgt ist?

Da Orchis patens möglicherweise etwas mit Orchis canariensis verwandt ist, habe ich umgehend Orchis patens auf B1 ausgesät.
Wenn es klappt wäre es sicher ein Durchbruch für Art unter den Freunden seltener, frostharter Erdorchideen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Mit O. patens wird das nichts auf B1. Da ich asymbiotisch Massenkeimung hatte, habe ich einige Protokorme auch auf B1, L1 und D1 gelegt, die sterben ab. Daraus darf man umgekehrt schließen, dass die Samen auf diesen Pilzen auch nicht keimen, hatte ich aber nicht versucht.

O. canariensis hatte ich asymbiotisch ausgesät, die beginnen schon nach 5 Wochen zu keimen. Und da ich gerade dabei war, habe ich auch ein paar auf B1 ausgesät. Die keimten etwa zur gleichen Zeit. Nun muss ich mal die weitere Entwicklung abwarten. Es ist immer schön, die Entwicklung zu vergleichen, wenn eine Art sowohl auf dem Pilz als auch asymbiotisch keimt. Da gibt es ganz interessante Einblicke. Grundsätzlich kann man sagen, zu Beginn keimen die Samen symbiotisch schneller, oft auch stärker, und die Entwicklung der ersten Monate ist rasanter.

Dann aber stockt die Entwicklung auf dem Pilz, und die asymbiotischen laufen oft an den symbiotischen vorbei. Ich denke, dass der wesentliche Punkt die Temperatur ist. Wir haben nun mal warme Sommer, und das mögen die Sämlinge auf Pilz gar nicht gerne. Ich habe nur durch die Verlagerung meiner symbiotischen Gläser vom Arbeitszimmer (max. 30 Grad) in den Keller (max. 18 Grad) die meisten Sämlinge durch den Sommer gebracht.

Ich vermute mal, wenn man die symbiotische Kultivierung bei Temperaturen um 12-15 Grad durchführen könnte, dass die Erfolge noch wesentlich größer wären. Das gilt auch grundsätzlich für asymbiotische Aussaaten, nur sind die nicht ganz so empfindlich.

Svante Malmgren hat mir das bestätigt, deshalb sei die Vermehrung in Schweden viel leichter als in Deutschland.

Fazit: Klimaraum schaffen! :whistle
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 03.Okt.10 um 18:50 Uhr
Mit O. patens wird das nichts auf B1. Da ich asymbiotisch Massenkeimung hatte, habe ich einige Protokorme auch auf B1, L1 und D1 gelegt, die sterben ab. Daraus darf man umgekehrt schließen, dass die Samen auf diesen Pilzen auch nicht keimen, hatte ich aber nicht versucht.

Claus, das ist nicht zwingend so.

Ich hatte mal 4 mm Protokorme mit 15 mm Triebspitze von Orchis elegans, die sehr gut auf B1 keimt, vom Nährboden hochgelupft und wieder an der selben Stelle abgesetzt. Die Protokorme sind abgestorben.

Vermutlich können die Protokorme in einer bestimmten Grösse eine Unterbrechung der Nährstoffversorgung nicht verkraften. Eine solche tritt ein, wenn man durch Hochheben des Protokorms alle Versorgungshyphen abreist.

Eine Übertragung des Protokorms vom asymbiotischen Boden auf den nährstofffreien symbiotischen Boden könnte eine ähnliche Unterbrechung der Nährstoffversorgung bedeutet. Aus dem symbiotischen Boden müssen schliesslich die Hyphen erst in das Protokorm hinein wachsen. Bis dahin könnte es schon verhungert sein.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: Berthold am 03.Okt.10 um 22:07 Uhr
Ich hatte mal 4 mm Protokorme mit 15 mm Triebspitze von Orchis elegans, die sehr gut auf B1 keimt, vom Nährboden hochgelupft und wieder an der selben Stelle abgesetzt. Die Protokorme sind abgestorben.

Aber nicht Protokorme von erst 1 mm Größe, die kannst du noch beliebig umlegen.

Also: Waidmanns Heil!  :thumb
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Dieter


Uhu

eine neuere Aufführung kenne ich nicht:

http://www.echinomedia.de/int/titel/orchideengattungen/auszug.pdf

in dem Buch wird Orchis canariensis als Unterart von O.patens behandelt
Demnach haben beide einen Chromosomensatz von 2n = 80
Grüße Jürgen

sokol

Zitat von: Berthold am 03.Okt.10 um 16:28 Uhr
Wurde Orchis canariensis bei der Umordnung etwa übersehen? Weiss jemand, nach welchen Kriterien diese Umordnung erfolgt ist?

Die Umkombinationen erfolgten auf Basis der genetischen Untersuchungen von Bateman und zwar von ihm selbst und seinen Mitstreitern.
Kretzschmar et al. verwenden das als Basis für ihre von Uhu zitierte Monographie.

Es gibt einen weiteren, noch aktuelleren Ansatz von Tyteca & Klein, der die beiden Gattungen Anacamptis und Neotinea unverändert lässt und die Gattung Orchis aufteilt in
Orchis (militaris, ...)
Herorchis (morio, ...), was bei Bateman zu Anacamptis gestellt wird
Androrchis (mascula, ...)
Odontorchis (tridentata, ...), was bei Bateman zu Neotinea gestellt wird

Dieser hat sich bis jetzt meines Wissens noch nirgends durchgesetzt.
LG Stefan

Claus

So, wie ist nun der weitere Stand bei der O. canariensis?

Asymbiotisch gab es mit BAP bzw. Kinetin "starke" Keimung, ohne diese Zusätze, d.h. nur mit Cokos, Ananas und Kartoffel "Massen"keimung. Ich unterscheide das schon.

Die asymbiotisch ausgesäten Protokorme haben sich gut entwickelt, zum Umlegen sind sie aber noch zu klein. D.h. man könnte sie schon umlegen, aber noch drängeln sie sich ja nicht, also sollen sie den guten Boden erstmal weiter auslutschen.

Symbiotisch kann man jetzt die winzigen Protokorme erkennen, zumal ja jedes mindestens eine lange Rhizoid-Fahnenstange trägt. Aber die Enwicklung ist schlecht, sie müssten eigentlich schon deutlich größer sein. Ganz klar, zur Zeit sind die asymbiotischen Protokorme den symbiotischen weit voraus.

Ich habe das schon mal gesehen, diesen Unterschied zwischen asymbiotisch und symbiotisch mit winzigen Protokormen, die sich schlecht entwickelten, ich weiß nur nicht mehr bei welcher Gattung bzw. Art.
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Claus

Jetzt, gut einen Monat später, kann man sagen, die Keimung von O. canariensis auf B1 funktioniert gut, aber der Pilz fördert das Wachstum überhaupt nicht. Die  winzigen Protokorme bleiben in der Entwicklung stecken, anhand der relativ langen Rhizoide kann man aber die Keimung nachweisen.

Jetzt brauchte man einen anderen Pilz, der die Entwicklung auch fördert, den haben wir aber nicht. Das ist mir nicht unbekannt, dass habe ich auch bei anderen Arten schon gesehen, ist in der Literatur auch beschrieben. Es gibt bei Orchideensamen sogar die Keimung auf Wasseragar, d.h. einem nährstofffreien Boden. Die Sämlinge warten dann nach der Keimung auf Nahrung, und das etliche Tage lang. Wenn dann nichts kommt sterben sie wieder ab.

Die asymbiotisch gekeimten Sämlinge entwickeln sich weiter gut.
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Charlemann

Zitat von: Claus am 29.Nov.10 um 09:42 Uhr
Jetzt brauchte man einen anderen Pilz, der die Entwicklung auch fördert, den haben wir aber nicht. Das ist mir nicht unbekannt, dass habe ich auch bei anderen Arten schon gesehen, ist in der Literatur auch beschrieben. Es gibt bei Orchideensamen sogar die Keimung auf Wasseragar, d.h. einem nährstofffreien Boden. Die Sämlinge warten dann nach der Keimung auf Nahrung, und das etliche Tage lang. Wenn dann nichts kommt sterben sie wieder ab.

Lege mal ein paar Protokorme auf sterilisiertes Neudohum um (in Gläsern steril halten).
Versuch macht kluch. Schaden kann´s nicht.

Claus

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Charlemann

Lege einen Batzen Haferagar inkl. der Miniprotokorme um. Die Hyphen wachsen dann auf das Substrat über und werden die Protokorme mit anderen Nährstoffen versorgen.
Soweit meine Theorie.

Claus

So, die Aussaat von O. canariensis war im September 2010, umgelegt wurden die Protokorme im Januar 2011. Die weitere Entwicklung war sehr mühselig, ich schiebe das aber auch etwas auf die Methode "Filter im Deckel" statt "Loch + Wattestäbchen". Die Belüftung mit Loch im Deckel ist besser.

Andererseits zicken auch andere Arten in den ersten 1-2 Jahren und legen dann erst richtig los, so z.B. O. scopulorum. Die Sämlinge haben jetzt Durchmesser von vielleicht 2-5 mm. Das ist nach einem Jahr deutlich zu wenig. Vielleicht brauchen sie auch zwischendurch mal einen Temperatur-Absenkung.

Ich lege die Sämlinge heute erneut um, wobei einige Pflanzen einen dünnen Trieb entwickelt haben, die pikiere ich aus.
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Claus

Die Arbeit ist erledigt, und ich auch. Es sind 13 Gläser mit insgesamt ca. 200 Stück. Ich hoffe nur, dass sie nicht vergebens war!  O-) O-) O-)

Könnte es sein, dass diese sehr schlecht wachsenden Arten doch Ammonium benötigen? Meine Medien enthalten ja im Normalfall Aminosäuren, Caseinhydrolysat - was ziemlich dasselbe ist - und Nitrat, aber kein Ammonium.

Ich habe daher den Inhalt von je zwei Aussaatröhrchen mit ammoniumhaltigem Medium in zwei Umlegegläser gegeben und beide Medien etwas vermischt. Falls es am Ammonium liegen sollte, müssten die Sämlinge ja wie die Semmeln aufgehen.
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Berthold

Zitat von: Claus am 03.Jan.12 um 15:01 Uhr
Könnte es sein, dass diese sehr schlecht wachsenden Arten doch Ammonium benötigen? Meine Medien enthalten ja im Normalfall Aminosäuren, Caseinhydrolysat - was ziemlich dasselbe ist - und Nitrat, aber kein Ammonium.

Orchis canariensis ist eng verwandt mit Orchis patens, O. spitzelii und O. prisca
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