Mykorrhiza-Pilze für amerikanische Platantheras

Begonnen von Berthold, 26.Okt.09 um 20:36 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Berthold

Fred vom Terrestrial Orchid Forum hat eine Veröffentlichung von Lawrence W. Zettler ausfindig gemacht. Fred sei gedankt:

http://culturesheet.org/_media/users:nanoj:nanoj53.pdf

Zettler hat teils erfolgreich Mykorrhizapilze getestet, die amerikanische Platanthera keimen können. Ziel der Aktion ist es, bedrohte Arten symbiotisch zu vermehren, um sie anschliessend in der Natur aussetzen zu können. Er glaubt, den richtigen Mykorrhiza-Pilz für die Keimung zu kennen sei die wesentliche Vorraussetzung für die Wiederansiedelung.

Ich sehe die Dinge etwas anders.
Die Keimung des Samens allein garantiert überhaupt noch keine Überlebenschancen der adulten Pflanzen an einem bestimmten insitu-Ort. Die Pflanzen verlieren meist während des Erwachsenwerdens den Kontakt zu ihren Keimpilzen und sind dann auf sich allein gestellt und müssen mit den Infektionsrisiken ihrer Umwelt zurecht kommen. Dazu sind andere Randbedingungen notwendig, die mit den Mykorrhiza-Pilzen nichts zu tun haben. Diese Bedingungen müssen bei einer erfolgreichen Wiederansiedlung der Art ebenfalls erfüllt sein aber sie sind schwer abzuschätzen. Deshalb bleibt meist nur das Verfahren nach Versuch und Irrtum übrig.
Oft auch können dort, wo adulte Pflanzen leben können, keine Mykorrhiza-Pilze existieren und umgekehrt, ein wichtiger Grund dafür dass Erdorchideen selten sind.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

Also mit den Aussaaten habe ich irgendwie kein Händchen aber ein Freund von mir hat tatsächlich von so einer Platanthera schon Protokorme.
Wenn ihr mal Sämlinge bis zum Auspikieren habt, dann habe ich bis dahin auch die geeigneten Substrate. Für P. leucophaea hat es schon funktioniert. Anderes wird getestet.
BG
Manne

Berthold

Zitat von: Manne am 26.Okt.09 um 21:15 Uhr
ein Freund von mir hat tatsächlich von so einer Platanthera schon Protokorme.
BG
Manne

Manfred, wenn er symbiotisch aussät und wirklich ein Freund ist, dann könntest Du doch vielleicht einen passenden Mykorrhiza-Pilz besorgen.
Du kannst ja sagen, es sei für einen guten Zweck.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

Berthold, der arbeitet nur asymbiotisch. Er ist hier im Institut für Veterinärwesen irgendwie Chef vom Labor oder so ähnlich. Er macht normal nur tropische Sachen. Verraten hat er mir nur, dass er irgendwie einen Auszug aus Plazentagewebe herstellt. Den mischt er dann im Nährboden mit unter.

Claus

Zitat von: Manne am 26.Okt.09 um 21:45 Uhr
Verraten hat er mir nur, dass er irgendwie einen Auszug aus Plazentagewebe herstellt. Den mischt er dann im Nährboden mit unter.

Hört sich nach einer Quelle für Aminosäuren an, wäre auch logisch, aber noch exotischer als meine hydrolysierten ungarischen Schweinedärme, die ich dennoch sehr empfehlen kann.  O-) O-) O-)

Wir sollten aber nicht glauben, dass irgendwelche menschlichen Hormone einen Einfluss auf die Keimung von Orchideensamen haben.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 26.Okt.09 um 23:00 Uhr
Wir sollten aber nicht glauben, dass irgendwelche menschlichen Hormone einen Einfluss auf die Keimung von Orchideensamen haben.

Claus, Hormone sicherlich nicht, aber Valium kann schon Einfluss auf die Bewertung der Keimerfolge haben.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

Claus, da er im Institut für Veterinärwesen arbeitet nehme ich an, das es Plazenta von Tieren ist.
Zu dem Thema Plazenta habe ich null Ahnung. Andererseits habe ich mal gelesen, das die Pharmaindustrie sehr daran interessiert ist.
Könnten da auch Mineralstoffe und Vitamine drin sein?

Claus

Ich will das nur ungefähr umreißen, da ich da auch kein Fachmann bin. In meiner Diplomarbeit habe ich künstliche Blutgefäße aus der Substanz menschlicher Nabelschnüre hergestellt, von daher ist mir etwas über die Zusammensetzung dieser Gewebe bekannt. Im Internet habe ich keine wirklich aufschlussreiche Aufstellung der enthaltenen Komponenten gefunden.

Die Placenta besteht hauptsächlich aus weichem Bindegewebe, d.h. Kollagen - ein Eiweiß-Material - sowie sog. Proteoglykanen, das sind Eiuweiß-Zucker-Verbindungen, wir nannten die früher Mucopolysaccharide. Außerdem sind da natürlich von der Funktion her unterschiedliche Enzyme enthalten.

Wenn ich nun aus Placentagewebe einen Extrakt herstelle, dann enthält der je nach Verfahren die niedermolekularen Eiweißanteile sowie die Enzyme. Wenn ich das zunächst nicht unter Sterilbedingungen mache, dann werden die Enzyme beginnen, die Eiweißstoffe abzubauen, ggf. bis herunter zu den Aminosäuren. Außerdem werden dann Zucker freigesetzt, Glucose, Galaktose und Xylose.

So, diese Produkte können natürlich sehr gut zur Aussaat verwendet werden. Spurenelemente und Vitamine werden wie in jedem lebenden Gewebe auch enthalten sein.

Es gibt sicher noch viel mehr Möglichkeiten aminosäurehaltige Stoffe zu erhalten als tierische Placentren oder ungarische Schweinedärme.  grins grins grins 
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Charlemann

Plazentaextrakte, Schweinedarm ... entgleiten Euch Eure Nährböden nicht ein wenig?
Das klingt fast so wie das damalige Märchen mit den Schokopudding und Dact. maculata (hat übrigens nicht funktioniert!)

Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, das tierische Aminosäuren und Nährstoffe wirklich solche Vorteile bringen können.

Berthold

Zitat von: Charlemann am 28.Okt.09 um 23:34 Uhr
Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, das tierische Aminosäuren und Nährstoffe wirklich solche Vorteile bringen können.

Aminosäuren sind Aminosäuren, egal wo sie herkommen. Sie sollen ja nur den Stickstoff in organisch gebundener Form zur Verfügung stellen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Manne

#10
Ach Michael, wichtig ist doch nur ob es funktioniert. Bei dem Plazentagewebe macht es mich nur stutzig, das die Pharmaindustrie viel Geld dafür bezahlt.
Mal unabhängig von den Orchideen, hat mein Freund alle Zimmerpflanzen in Glaskolben, ohne jede Erde oder anderes stehen, welche nur mit einer Flüssigkeit gefüllt sind. Da hat er auch so Plazentaauszüge reingepanscht. Die Pflanzen sehen sehr gut aus.
Also, ich denke, was funktioniert ist legitim.

Timm Willem

Zitat von: Charlemann am 28.Okt.09 um 23:34 Uhr
Plazentaextrakte, Schweinedarm ... entgleiten Euch Eure Nährböden nicht ein wenig?
Das klingt fast so wie das damalige Märchen mit den Schokopudding und Dact. maculata (hat übrigens nicht funktioniert!)

Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, das tierische Aminosäuren und Nährstoffe wirklich solche Vorteile bringen können.
Hallo Michael,
das ist ja auch nur so eine Notlösung. Diese ganzen Komplexinhaltstoffe beinhalten nur wenige wirklich wichtige Einzelstoffe, aber welche das sind, ist auch nicht bekannt. Bei Erdorchideen funktionieren die gängigen Basismedien aus Einzelinhaltsstoffen leider nicht befriedigend. Das liegt nicht daran, dass Erdorchideen ganz andere Medien bräuchten, sie sind nur empfindlicher als die Ackerkulturen, für die solche Medien mal entwickelt wurden. Das gilt aber für alle Wildpflanzen, auch die Vorfahren, der heutigen Kulturpflanzen(Beispielsweise Wildkartoffeln).
Der einfache Weg ist also, alles rein was nicht schadet, wird schon passen.

Claus

Die Zugabe von Aminosäuren - das war übrigens nicht die Idee von Svante Malmgren, der hat nur in sein Regal mit den Infusionslösungen gegriffen, die gab es schon in früheren Rezepten - hat für einen Großteil der Erdorchideen den Vorteil, dass ihnen der Stickstoff in einer Form gegeben wird, den sie sehr gut verarbeiten können. Dactys kannst du den Stickstoff auch in anorganischer Form als Nitrat oder sogar Ammonium anbieten. Aber schon die meisten Orchis machen da nicht mit, sie können vor allem mit Ammonium nichts anfangen, es ist sozusagen Gift für sie.

Und wo die Amniosäuren herkommen, als chemisch reine Stoffe, als hydrolysiertes Casein, Pepton, Schweinedarm, aus der Muckibude oder Placenta, ist völlig egal.

Der Trick meines Mediums, das Aminosäuren mit Nitraten kombiniert, ist einfach. Sobald der Samen gekeimt hat und das Protokorm zu wachsen beginnt, kann die werdende Pflanze auch Nitrat verarbeiten. Mir war aufgefallen, dass die Malmgren-oder auch van Waes-Rezeptur, die als Stickstoffquelle nur Aminosäuren verwenden, zur Keimung sehr gut sind, nicht aber für viele Arten zum Umlegen. Erst nach Zugabe von Nitrat legen die Sämlinge dann richtig los.

Das Nitrat stört im Gegensatz zum Ammonium (Sigma-Böden !!!) aber auch bei der Aussaat nicht, so dass Aussaat- und Umlegeböden identisch sein können, mal abgesehen von unterschiedlichen Zugaben wie Hormone oder Pflanzensäfte oder vielleicht auch unterschiedliche Zuckerkonzentrationen. 
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Charlemann

Zitat von: Manne am 29.Okt.09 um 08:33 Uhr
Also, ich denke, was funktioniert ist legitim.

Von mir aus könnt ihr da reinmischen was Euch gefällt. :-D

ich meinte ja nur.
Im Prinzip kann man ja auch einen Schweinebraten im Nährboden verarbeiten.
Ist ja auch günstiger als die Präparate aus den Muckiebuden.

Claus

Zitat von: Charlemann am 30.Okt.09 um 15:40 Uhr
Zitat von: Manne am 29.Okt.09 um 08:33 Uhr
Also, ich denke, was funktioniert ist legitim.

Von mir aus könnt ihr da reinmischen was Euch gefällt. :-D

ich meinte ja nur.
Im Prinzip kann man ja auch einen Schweinebraten im Nährboden verarbeiten.
Ist ja auch günstiger als die Präparate aus den Muckiebuden.

Schweinebraten ist gut, er sollte nur mager sein; denn mit Fett können die Sämlinge nichts anfangen.  :-D :-D Und du solltest ihn auch hydrolysieren, damit er in seine Aminosäuren zerfällt.  :thumb :thumb
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)