Orchideenkultur

Fachbereich => Pflanzenkrankheiten und andere Schäden => Thema gestartet von: Tobias am 05.Okt.16 um 22:12 Uhr

Titel: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 05.Okt.16 um 22:12 Uhr
Hallo zusammen,

ich habe beim inspizieren meiner Erdorchideen ein paar Krankheitsfälle entdeckt, immerhin noch kein total Ausfall.

Die Pflanzen haben keine richtigen Wurzeln gebildet, sie sind kurz und braun. Ich frage mich jetzt natürlich was die Ursache dafür ist.
Ich habe entweder die lieben Trauermücken aus dem Neudohum im verdacht oder zu starke Düngung. Letztes scheint mir aber unwahrscheinlicher, da ca. 90 andere ja normal wachsen und gesunde Wurzeln und Wurzelspitzen haben.
Die Trauermückenlarven haben mir schon genug schaden angerichtet. Ein paar Orchideen waren unterirdisch komplett leer gefressen oder ganz verschwunden und in jedem Fall von Stängelfaule fand ich im Gewebe und an den Pflanzen Trauermückenlarven. Ich habe jetzt alle Pflanzen mit Bi58 gegossen, erst mal nur 1ml auf 5l Wasser, und zusätzlich die Blätter mit Calypso von Bayer gesprüht.

Als erster Fall mir etwas rätselhafter Fall Anacamptis sancta, die Wurzeln sind nur sehr kurz und alle braun. Der Stängel ist aber in Ordnung und zeigt keine verfärbten Stellen. Ich habe sie in frisches Substrat getopft und angegossen mit 3 Tropfen auf 250ml Wasser Bi58 Lösung.
Ich frage mich was die Pflanze nun macht. Sind noch Vegetationspunkte für neue Wurzeln da? Es war auch noch ein Ansatz einer Neuknolle sichtbar.

Als nächstes Orchis quadripunctata, sie hat noch keine Wurzeln gebildet. Ich schätze hier ist eigentlich kein Schaden zu sehen, nur das sie bei der Größe noch keine Wurzeln hat finde ich verwunderlich. Zur Sicherheit wurde auch sie neugetopft und mit der selben BI58-Lösung angegossen.

Ich geben den anderen Fällen mal einen eigenen Beitrag wegen den Fotos.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 05.Okt.16 um 22:29 Uhr
Ophrys cephalonica. Hier ist der Stängel unten sehr braun. Er scheint aber noch fest zu sein. Zudem hat die Knolle zwei Löcher, das Gewebe drumherum scheint mir noch fest. Ich habe die Pflanze mit Infinito behandelt und es auch die Löcher damit gespült. Ich werde sie wenigstens bis morgen abtrocknen lassen damit sich eventuell vorhandene Wunden schließen können.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 05.Okt.16 um 22:30 Uhr
Himantoglossum caprinum. Hier sind die Wurzeln ebenfalls kurz und braun. Die Ursache ist mir schleierhaft. Da ich eh Infinito angerührt hatte, habe ich diese Pflanze auch damit behandelt. Sie darf ebenfalls bis morgen abtrocknen und wird dann frisch getopft.

Eine Orchis anatolica hatte noch ca. das selbe Schadbild wie A. sancta, aber eine weiße neue Wurzelspitze. Sie wurde gestern schon neugetopft und mit bi58-Lösung angegossen.

Ich werde über die weitere Entwicklung berichten.
Vielleicht hat ja noch jemand anders einen guten Tipp parat.

Liebe Grüße
Tobias
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 06.Okt.16 um 00:06 Uhr
Das sieht mir nach einer Pilzinfektion aus, die sich in frischem Zell-Gewebe einnistet. Die neuen Wurzeln bestehen aus jungen Gewebe.
Ich halte die Trauermücken für unschuldig.

Ich empfehle sehr luftiges Substrat (z. B. reines Seramis) mit Bügelfeuchte. 
Die Knollen besitzen jetzt noch genügend Reservestoffe, um neue Wurzeln bilden zu können, wenn noch Vegetationspunkte für Wurzeln aktiv sind.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 06.Okt.16 um 09:57 Uhr
Danke Berthold.
Ich werde dann wohl die Pflanzen die noch nicht mit Infinito behandelt wurden auch noch heute damit spritzen. Hoffentlich wird noch was draus.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 08.Dez.16 um 23:27 Uhr
Wie sehen denn die Pflanzen jetzt aus?

Kann es sein, dass die Pflanzen während des Austriebes mal zu trocken waren? Da sterben die neuen Wurzeln schnell ab. Wenn sich die Blätter voll entwickelt haben, würde ich regelmäßig eine schwache Blattdüngung geben, dann entwickelt sich die neue Knolle trotzdem gut. Falls es einen Blütenansatz gibt-auf jeden Fall kappen.

Und jetzt im Winter gegen Stengelfäule abwechselnd mit Präparaten wie Rovral und Teldor spritzen.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 09.Dez.16 um 17:33 Uhr
Hallo Jan,

ich habe mal eben Fotos gemacht.
Zwei Pflanzen sind leider nicht mehr. Bei Ophrys cefalonica ist die gesamte Knolle verfault. Anacamptis sancta hat die Stengelfäule dahingerafft, schade ich wollte sie eigentlich haben um bessere Samen zu produzieren.

Die anderen drei sehen gut aus. Sie sind auch deutlich oberirdisch weitergewachsen.

Die Pflanzen wurden während des Austriebs immer feucht gehalten, ich vermute mittlerweile das es zu feucht war. Die Erfahrung, dass die neuen Wurzeln schnell vertrocknen habe ich auch schon gemacht und es deshalb vielleicht etwas zu gut gemeint.
Ich habe auch während des Austriebs schon mit Seramis Orchideendünger in voller Konzentration gedüngt, vielleicht war auch das zu viel. Die schwarzen Wurzelspitzen bekommen tropische Orchideen ja oft bei zu starker Düngung. Allerdings haben ja aber auch genug Pflanzen positiv darauf reagiert und haben schöne Winterblätter gebildet.

Die Blattdünung ist eine super Idee! Danke. Kannst du etwas dazu schreiben? Welchen Dünger nimmst du und wie trägst du ihn auf?
Blütenansätze werde ich auf jeden fall entfernen.

Beim Fungizid-Einsatz bin ich mir in Kombination mit meinem Substrat nicht sicher. Ich nutze ja eine Beimischung von Neudohum damit die Symbiosepilze am Leben bleiben und die Pflanze unterstützen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Substrat eventuell zu faulen anfängt wenn ich den Glomus-Pilz aus dem Neudohum abtöte.
Ich werde auch definitiv noch mal deine Methode mit rein mineralischen Substrat und regelmäßiger Fungizidbehandlng probieren. Deine Pflanzen sehen wirklich spitze aus! ich hatte nur dieses Jahr keinen Testkandidaten übrig.

Liebe Grüße
Tobias

Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 09.Dez.16 um 17:57 Uhr
Hallo Tobias, ich denke, dass die Pflanzen bei Dir einen Düngerschaden haben könnten. Ein Substrat mit Neudohum, welches sehr nährstoffreich ist und dazu noch Düngergaben, wenn die Wurzeln gerade austreiben, das wird wohl Zuviel gewesen sein...

Ich dünge immer erst, wenn sich 2-3 Blätter entwickelt haben. Und anfangs auch nur mäßig, denn bei zu hohen Nährstoffgaben sind die Pflanzen im Winter sehr anfällig für Fäulniserkrankungen, da die Blätter zu mastig sind. Ich erhöhe die Düngerkonzentration erst ab Endd Februar.

Blattdüngung gebe ich mit Seramisdünger in der angegebenen Konzentration für Blühpflanzen. Teste im nächsten Jahr mal mein mineralisches Substrat, es hat sich sehr bewährt in den letzten 20 Jahren bei meinen Knollenorchideen.

Liebe Grüße

Jan
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 09.Dez.16 um 18:08 Uhr
Hallo Jan,

danke für deine Einschätzung und Tipps. Ich habe schon aufgehört so viel zu Düngen, nur noch jedes zweite Mal mit halber Konzentration. Ich werde dann auch erst ab Ende Februar mehr düngen.

Ich werde dein Substrat auf jeden Fall austesten und dann hier berichten.

Liebe Grüße
Tobias
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 09.Dez.16 um 18:56 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 09.Dez.16 um 17:57 Uhr
Hallo Tobias, ich denke, dass die Pflanzen bei Dir einen Düngerschaden haben könnten. Ein Substrat mit Neudohum, welches sehr nährstoffreich ist und dazu noch Düngergaben, wenn die Wurzeln gerade austreiben, das wird wohl Zuviel gewesen sein...

Jan, ich habe den Schaden auch manchmal an Knollen in reinem Seramis ohne Düngung, deshalb schliesse ich eine  Überdüngung aus.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 00:44 Uhr
Ich habe diese Probleme nicht, Berthold. Nur als Amseln mir mal ein paar Anacamptis pyramidalis in der Austriebsphsse aus dem Substrat gezogen haben und ich das erst nach einigen Tagen bemerkt habe, waren die Wurzeln ebenso kurz und eingetrocknet wie bei Tobias, deshalb habe ich ja zuerst auch auf Trockenschaden getippt. Ich hatte damals die Pflanzen wieder eingesetzt und sie sind normal weitergewachsen, habe sie auch gedüngt aber die Knollen für das Folgejahr waren kleiner,da die fehlenden Wurzeln keine Nährstoffe aufnehmen konnten.

Was sollte das denn für eine Pilzerkrankung sein, die das Wurzelwachstum so abrupt stoppt zu Beginn der Wachstumsphase?
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 00:54 Uhr
Tobias, eine Frage: Du hast ein Foto von Orchis anatolica, die Blätter sind schmal und ungefleckt. Auf den Abbildungen, die ich kenne und bei dem Exemplar das ich früher mal hatte, sind bzw. waren die Blätter gefleckt und auch breiter.

Hat die Pflanze bei Dir schon einmal geblüht und bist Du sicher, dass es eine anatolica ist?

Ich habe im Herbst auch eine solche Pflanze von einem Ebay-Anbieter aus Ungarn bekommen und wüsste gerne, ob es sich wirklich um eine Orchis anatolica handelt. Stammt Deine Pflanze vielleicht aus der gleichen Quelle?

Liebe Grüße

Jan
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 10.Dez.16 um 10:31 Uhr
Anatolica ist meist merklich gefleckt, aber es gibt auch ungefleckte Pfalnzen, also ähnlich wie bei Orchis mascula.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 10.Dez.16 um 10:35 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 00:44 Uhr

Was sollte das denn für eine Pilzerkrankung sein, die das Wurzelwachstum so abrupt stoppt zu Beginn der Wachstumsphase?

Die ganz jungen Wurzel sind infiziert und sterben dann ab. Manchmal wird auch der obere Teil der Knolle mit geschädigt. Dann kann sich auch keine neue Knolle mehr bilden.
Den Erreger kenne ich nicht.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 10:38 Uhr
Und haben die ungefleckten anatolica so schmale Blätter, dass man sie mit Orchis morio bzw. papilionacea verwechseln könnte? Auf dem Foto von Tobias sehen sie zumindest genauso aus. Meine ebenso
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 10.Dez.16 um 11:15 Uhr
Meist sind die Blätter breiter und etwas dünner als bei morio.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 10.Dez.16 um 11:57 Uhr
Hallo Jan,

in der Tat stammen die Pflanzen auch von einem Ebayanbieter aus Ungarn. Ich habe sie auch erst diesen Herbst erworben und kann über die Echtheit nichts sagen. Allerdings waren in dieser Lieferung auch noch eine Anacamptis sancta dabei und die war mit der O. anatolica in einer Verpackung. Eventuell ist dies also A. sancta. Da würde der Habitus auch besser passen. Meine andere echte A. sancta hat ebenfalls lange schmale Blätter, ebenso A. fragrans. Ich habe noch eine zweite O. anatolica aus der Quelle, ich hänge mal ein Foto an. Und dann habe ich die Pflanze von Herrn Beyrle. Sie hat letztes Jahr ja wie gezeigt geblüht und ist echt, ihr Laub ist aber ganz anders. Silbriger und mit braunen Punkten. Ich habe mich auch schon gewundert, aber im Internet sind wenig gute Bilder vom Laub.

Hier sind zwei, da sind auch ungefleckte Pflanzen zu sehen.

http://symifloraandfauna.jigsy.com/files/images/IMG_3532.jpg (http://symifloraandfauna.jigsy.com/files/images/IMG_3532.jpg)
http://orchids.nature4stock.com/wp-content/uploads/2012/11/IMG_2362_Orchis_anatolica.jpg (http://orchids.nature4stock.com/wp-content/uploads/2012/11/IMG_2362_Orchis_anatolica.jpg)

Die Blätter können bei meiner Pflanze auch durch zu wenig Licht etwas zu lang geraten sein. Die andere Pflanze ist deutlich breiter.

Liebe Grüße
Tobias
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 12:17 Uhr
Dann lassen wir uns mal überraschen, was dann wirklich rauskommt... Das letzteBild von Dir geht ja fast schon in Richtung Ophrys
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 10.Dez.16 um 12:33 Uhr
Ja genau das dachte ich mir auch schon. Mal sehen was draus wird.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 10.Dez.16 um 15:05 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 10.Dez.16 um 12:17 Uhr
Dann lassen wir uns mal überraschen, was dann wirklich rauskommt... Das letzteBild von Dir geht ja fast schon in Richtung Ophrys

ja, sehe ich auch so.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 15.Jan.17 um 15:41 Uhr
Hallo,

eben beim gießen habe ich mit bedauern festgestellt, dass die Himantoglossum und Orchis anatolica leider an Stengelfäule zugrunde gegangen sind.
Wenn ich noch mal feststellen sollte, dass ich Pflanzen ohne Wurzeln habe werde ich sie in rein mineralisches Substrat setzen und regelmäßig mit Fungiziden behandeln um so etwas zu vermeiden.

Gruß
Tobias
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: orchis pallens am 29.Jan.17 um 23:23 Uhr
Das sage ich ja schon lange, Tobias, probiere es aus und Du wirst es nicht bereuen
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 30.Jan.17 um 14:37 Uhr
Ich werde es auf jeden Fall probieren Jan! Im Herbst werde ich mal ein paar Pflanzen umstellen.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 10.Jun.17 um 15:26 Uhr
Ich habe mich in letzter Zeit mal etwas mehr mit Dünger beschäftigt. Ich habe etwas rumgerechnet und festgestellt, dass ich meine Erdorchideen in der letzten Saison mit ungefähr 1,3 Gramm Salzen pro Liter (Kalk aus unserem Leitungswasser 0,4g und 0,9g Dünger) gegossen habe. Das ist im Vergleich zu dem was Herr Beyrle empfieht und auch, wenn ich mich nicht irre, ungefähr Jans Konzentration (0,2g/L) entsprechen sollte, wohl etwas zu hoch gewesen. Ups!  :rot

Immerhin weiß ich jetzt wohl woran es höchstwahrscheinlich lag.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Berthold am 10.Jun.17 um 16:18 Uhr
Stängelfäule tritt hier auch auf bei Orchideen, die nie gedüngt wurden.
Man kann sie vermutlich nur vermeiden durch hohes einsetzen der Knolle im Topf in rein mineralisches sauberes Substrat oder durch symbiotische Kultur.
Titel: Re: Erdorchideen ohne Wurzeln
Beitrag von: Tobias am 10.Jun.17 um 17:17 Uhr
Das kann gut sein. Ich denke aber der hohe Salzgehalt hat die Wurzeln verbrannt, deshalb das Schadbild. Und ich denke höhe gaben an organischem Stickstoff könnten durchaus die Mikroorganismen im Substrat durcheinander bringen. Und die hohen Stickstoffgaben haben die Pflanzen bestimmt auch anfälliger für Stengelfäule gemacht. Aber das sind eher Vermutungen.