Erdorchiden im Topf: Anfängerfragen

Begonnen von Vox, 22.Feb.20 um 16:24 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Vox

Moin!

Nach einigem Überlegen bin ich zum Entschluss gekommen, es mit europäischen Erdorchideen zu versuchen. Ich bin da annähernd ohne Vorerfahrung. Da ich von der Kultur keine Ahnung habe, bitte ich hier in aller Form um verbindliche Hilfe. Ich schildere kurz meine Bedingungen:

Schon aufgrund der Schneckensituation möchte ich auf dem Balkon in Gefäßen kultivieren. Der Balkon ist so: Viel Platz, Süd-Ost-Exposition, stets windig (und damit luftrocken) und im Sommer sehr heiß. Ich wohne im Nordwesten, da ist es eigentlich kalt und nass, aber nicht so auf diesem Balkon...  Die Pflanzen könnten mitten auf dem Balkon stehen, in voller Sonne und dem Regen ausgesetzt. Oder vor Regen geschützt unter einem Dachvorsprung, da dann im Sommer im Schatten von Tomatenpflanzen.

Nun kommen meine Fragen: Welches Substrat benutzt man? Beim Beyerle auf der Seite ist z. B. von überwiegend mineralischem Substrat zu lesen, genannt wird u. a. Seramis. Manche Bilder von getopften Orchideen hier im Forum sehen auch nach Verwendung von Seramis aus. Haltet ihr das für anfängergeeignet? Was ist mit Akadama? Was schlägt man so einer Substratbasis am besten zu? Wie ist's mit Kalk? Gibt es Erfahrungen mit Neudohum als alleiniges Substrat oder als Zuschlagsstoff? Perlite? Blähton? Sind vorgefertigte Substrate, geimpft mit Mykorrhiza-Pilzen sinnvoll?

Dann: Welches Kulturgefäß ist gut geeignet? Der gute alte Plastiktopf? Eher groß, eher klein? Oder flache Schalen, die man dann mit zwei bis vier Exemplaren bepflanzen würde? Macht es Sinn, kleine bodendeckende Pflanzen beizusetzen, um das sommerliche Austrocknen zu verringern?

Überwinterung: Ich könnte mir vorstellen, dass selbst heimische Arten Frostschäden erleiden, wenn sie im Topf durchfrieren (obwohl es hier inzwischen selten friert). Und selbst schlichtere Pflanzengemüter haben Probleme mit dem winterlichen Dasein auf dem Balkon, da sich aufgrund der atlantisch warmen und feuchten Winter schnell Fäulnisprobleme einstellen (wie gesagt, man kann die Pflanzen aber vor Regen schützen). Es gibt einen Keller, da ist aber irgendwo die Heizungsanlage, und selbst möglichst fern von diesem Gerät ist es nicht sehr kalt (ich bin noch nie auf die Idee gekommen, im Keller die Temperatur zu messen). Geht das trotzdem? Die Kühlschrank-Lösung ist für mich aus familiären Gründen nicht (oder nur für eine Einzelpflanze) geeignet.

Gießen: Das ist jetzt wahrscheinlich eine sehr dumme Frage, aber wässert man stark an Klimazyklen gebundene Pflanzen nur während des Wachstums, oder kriegen die auch Wasser, wenn sie gerade nichts machen? Müssen Pflanzen, die auf hiesigen Trockenrasen wachsen, tatsächlich trocken gehalten werden, oder können die im Topf täglich (oder zwei- oder dreitägig) gewässert werden?

Und schließlich: Welche Pflanzen wären denn anfängergeeignet? Aufgrund der zu erwartenden Fehlschläge muss es nicht unbedingt Orchis spitzelii von einem auf Gotland wohnenden Ebay-Händler sein... Ich denke in Richtung Ophrys und (die alte Gattung) Orchis, kann mir aber auch was anderes zum Üben vorstellen. Keine rechte Lust habe ich auf Dactylorhiza (außer sambucina). Sind Primärhybriden einfacher in der Kultur als Arten? Und: Nachdem ich die Wohnung mit Orchideen, Aquarien und Schallplatten weitgehend vollgestellt habe, greife ich nun auf das letzte Familienrefugium über. Die Pflanzen sollten also einen gewissen WAF (= Wife Acceptance Factor) haben. Offenkundige Schönheit ist nicht der entscheidende Aspekt, aber vielleicht müssen es nicht gerade Herminium monorchis oder Hammarbya paludosa sein... Ich nenne mal aus dem Bauch heraus von den heimischen Orchis militaris, Himantoglossum oder Ophrys spec. Von den Nicht-Heimischen Ophrys bertolonii, Orchis italica, Orchis longicornu. Oder auch ganz Anderes.   

Sorry für die vielen Worte und schon jetzt allerbesten Dank – ich wäre für jeden Tipp dankbar.
Grüße, Volker  :wink

orchis pallens

Bei dem auf Gotland wohnenden Händler, der bei EBay Orchis spitzelii anbietet, würde ich sehr gerne welche erwerben.
In den letzten 5 Jahren habe ich, trotz intensiver Suche, nur eine einzige Orchis spitzelii bei EBay gefunden. Und das war ein deutscher Anbieter.

Auf Deine Fragen findest Du hier im Forum genügend Antworten. Die Themen Substrate, ob Seramis, Neudohum o.ä. Topfkultur, Vor-und Nachteile von Plastik- oder Tontöpfen haben wir hier ausreichend besprochen.

Für Anfänger geeignet sind meiner Erfahrung nach Orchis morio, coriophora ssp. fragrans, simia, militaris, tridentata,  italica, Ophrys sphegodes, Spiranthes spiralis, Serapias-Arten, Aceras anthropophorum, um nur einige zu nennen.

Viele Grüße

Jan
Blumen sind das Lächeln der Erde

Berthold

Ich benutze jetzt für die meisten Orchideen (die Kalk holden) im Topf eine Mischung aus Bimskies (2 -5 mm), Dolomitsplitt 0-5 mm (10%) und humose Blumenerde (10%).
In Akadama ist mir alles abgefault.
Seramis ist eine teure Alternative zu Bims. Bims enthält noch viele Mikrokomponenten, die bei Seramis fehlen
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Vox

Euch schon mal vielen Dank für die Antworten. Diese Substrat-Mischung werde ich einfach mal übernehmen. Jetzt noch konkret die Frage zur Überwinterung: Wie warm darf es für Arten wie Orchis italica oder für mediterrane Ophrys maximal sein, so dass die mir nicht im Dezember zu wachsen beginnen?
Nochmals Dank und Gruß, Vox

Berthold

Die mediterranen und manche mitteleuropäischen Orchideen bilden Winterrosetten.
Opitimal überwintern sie damit bei knapp über 0°. Ab ca. 5° beginnen sie ab Januar zu wachen. Wenn man sie nicht kälter stellen kann, sollten sie volles Tageslicht bekommen.
Auf dem Balkon sollten sich nicht im Regen stehen, da wechselnde positive Temperaturen leicht zur Fäulnis führen, deshalb auch Tontöpfe mit gut drainierendem Substrat.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)