Definition der Arten nach ihren Bestäubern sinnvoll?

Begonnen von walter b., 27.Feb.13 um 23:35 Uhr

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Berthold

Ich gehe davon aus, dass der Bestäuber in vielen Fällen einen deutlichen Hinweis auf die Art erlaubt.
Der Zusammenhang ist aber nicht so streng, dass man aus dem Bestäuber eindeutig die Art bestimmen kann.
Das wäre auch ein Widerspruch zu den Prinzipien der Evolution, wie hier in einem anderen Thread dargelegt.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Zitat von: Berthold am 27.Mai.22 um 15:24 UhrIch gehe davon aus, dass der Bestäuber in vielen Fällen einen deutlichen Hinweis auf die Art erlaubt.
Der Zusammenhang ist aber nicht so streng, dass man aus dem Bestäuber eindeutig die Art bestimmen kann.
Das wäre auch ein Widerspruch zu den Prinzipien der Evolution, wie hier in einem anderen Thread dargelegt.

Normalerweise bekommt man den Bestäuber auch gar nicht zu Gesicht und meist dauert eine Pseudokopulation auch sehr kurz, dass der Bestäuber als Bestimmungsmerkmal zwar taugen würde, er aber eben in den meisten Fällen einfach nicht namentlich zur Verfügung steht.

Berthold

Zitat von: walter b. am 02.Jun.22 um 11:39 UhrAber scheinbar können seltene hybridogene Pflanzen auch "neue" Bestäuber finden und sich sogar "stabilisieren", wie die Arten um die "reine" Ophrys bertolonii zeigen. Diese haben aber auch wieder "fixe" Bestäuber-Arten.
Allerdings stellt das wohl eher die Ausnahme dar, da es ja sonst in der Natur keine reinen Ophrys-Bestände mehr geben dürfte.

Ich gehe davon aus, dass sich die Gattung Ophrys in einem Zustand des relativ schnellen Artenwechsels befindet, wahrscheinlich bedingt durch die nicht sehr feste Zuordnung zu einem bestimmten Bestäuber.

Sundermann aus Wuppertal sprach bei den Ophrys von Präspezies, also von Vorarten, die sich in einem dauerhaften Zustand der Artenbildung befinden.
Das gilt sicherlich nicht für alle jetzt bekannten Arten der Ophrys.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

#228
Zitat von: Berthold am 05.Jun.22 um 21:52 Uhr
Zitat von: walter b. am 02.Jun.22 um 11:39 UhrAber scheinbar können seltene hybridogene Pflanzen auch "neue" Bestäuber finden und sich sogar "stabilisieren", wie die Arten um die "reine" Ophrys bertolonii zeigen. Diese haben aber auch wieder "fixe" Bestäuber-Arten.
Allerdings stellt das wohl eher die Ausnahme dar, da es ja sonst in der Natur keine reinen Ophrys-Bestände mehr geben dürfte.

Ich gehe davon aus, dass sich die Gattung Ophrys in einem Zustand des relativ schnellen Artenwechsels befindet, wahrscheinlich bedingt durch die nicht sehr feste Zuordnung zu einem bestimmten Bestäuber.

Sundermann aus Wuppertal sprach bei den Ophrys von Präspezies, also von Vorarten, die sich in einem dauerhaften Zustand der Artenbildung befinden.
Das gilt sicherlich nicht für alle jetzt bekannten Arten der Ophrys.

Das gilt wohl für die wenigsten Arten der Gattung, haben die meisten doch genau zu definierende Bestäuber. Für andere Arten sind die Blüten meist komplett uninteressant.
Herr Sundermann lebte bis vor zwanzig Jahren, da hat er Einiges an Forschung nicht mehr mitbekommen. Diese seine Ansicht ist jedenfalls deutlich zu simpel.


Berthold

Zitat von: walter b. am 06.Jun.22 um 14:54 Uhr
Zitat von: Manne am 05.Jun.22 um 21:37 Uhrwalter, noch ein gruppenfoto

Sehr hübsch, Manne!
Mir aber dann doch etwas zu kunterbunt. In unbeeinflussten Naturbeständen findet man so etwas nicht.
Durch die Hybridisierungen entstehen eben in der Natur solche kunterbunten Standorte.
Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass die feste Zuordnung von Bestäuber zu Art nicht zutrifft.
Man kann nicht einfach die Realität verdrehen, um eine Theorie zu untermauern. Man muss dann die Theorie anpassen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 15:38 Uhr
Zitat von: walter b. am 06.Jun.22 um 14:54 Uhr
Zitat von: Manne am 05.Jun.22 um 21:37 Uhrwalter, noch ein gruppenfoto

Sehr hübsch, Manne!
Mir aber dann doch etwas zu kunterbunt. In unbeeinflussten Naturbeständen findet man so etwas nicht.
Durch die Hybridisierungen entstehen eben in der Natur solche kunterbunten Standorte.
Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass die feste Zuordnung von Bestäuber zu Art nicht zutrifft.
Man kann nicht einfach die Realität verdrehen, um eine Theorie zu untermauern. Man muss dann die Theorie anpassen.

Wie kommst Du darauf, dass irgendwer eine Realität verdreht? Ich leite meine Realität aus meinen Erfahrungen ab.
Ich habe keine Ahnung, an wie vielen mediterranen Ophrys-Standorten Du schon warst. Bei all meinen Besuchen bot sich mir jedenfalls eine andere Realität als die von Dir Benannte. Es gibt Deine "kunterbunten Standorte" definitiv nicht. Oft wachsen und blühen einige verschiedener Arten in nächster Nähe zueinander, und das ganz ohne Hybriden.
Und das ist wie schon oft geschrieben auch kein Wunder. Es müssen sich die Arten voneinander abgrenzen, da es sie sonst längst nicht mehr als Arten gäbe. Und das tun sie, indem sich jede dieser Arten einen bestimmten Bestäuber "sucht", dessen Männchen sie mittels Sexualtäuschung anlockt. Jede Pflanze die da nicht "passt", fliegt raus. Nicht umsonst haben Ophrys in der Natur extrem schütteren Kapselansatz.

Berthold

Walter, Deine persönlichen Beobachtungen haben keine wissenschaftliche Relevanz, da sie nicht statistisch abgesichert sind.

Es ist Tatsache, dass der Bestäuber eine leichte Abweichung im klassischen Hormoncocktail einer Art gegenüber der typischen Zusammensetzung bevorzugt. Das besagt nach den allgemein anerkannten Regel der Evolution, dass das Bestäuber-Verhalten zu einer Abänderung der Art und nicht zu einer Stabilisierung der Art führt.
 
Wenn Paulus sagt, der Bestäuber gibt in vielen Fällen einen guten Hinweis auf die Art, so ist das eine gute Aussage.
Wenn er sagt, man kann die Art nach seinem Bestäuber bestimmen, so ist diese Behauptung unbegründet.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

#232
Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 17:09 UhrEs ist Tatsache, dass der Bestäuber eine leichte Abweichung im klassischen Hormoncocktail einer Art gegenüber der typischen Zusammensetzung bevorzugt. Das besagt nach den allgemein anerkannten Regel der Evolution, dass das Bestäuber-Verhalten zu einer Abänderung der Art und nicht zu einer Stabilisierung der Art führt.


Das mit der Abweichung stimmt ja wohl auch, aber kennst Du die Details dazu? Welche Abweichung, in welchem Grad, welche Substanzen sind ausschlaggebend, welche nebensächlich, u.s.w..
Wie kommst Du denn auf Deinen Schluss? Wenn die Abwandlung zu groß ist, kann es doch erst recht wieder nicht funktionieren. Dann würden ja auch die Insekten miteinander hybridisieren müssen.
Das können doch nur unglaublich feine Unterschiede sein.

Und da es meistens unerfahrene Männchen sind, die auf den Trick hereinfallen, würde ich das mit den Abweichungen sowieso nicht überbewerten.

Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 17:09 UhrWenn Paulus sagt, der Bestäuber gibt in vielen Fällen einen guten Hinweis auf die Art, so ist das eine gute Aussage.
Wenn er sagt, man kann die Art nach seinem Bestäuber bestimmen, so ist diese Behauptung unbegründet.

Paulus sucht und findet (unter Anderem) zu den verschiedenen Ophrys-Arten die (inzwischen nicht mehr gar so oft) unbekannten Bestäuber. Viel Arbeit ist ja da schon erledigt und ist in entsprechenden Werken nachzulesen.
Interessanterweise funktioniert das in weit vom Ophrys-Vorkommen entfernten Gegenden auch, und das sogar besser, weil die Männchen vom Standort den Trick schon kennen. Damit ist quasi im Umkehrschluss darüber hinaus die Theorie zu beweisen.
So hatte Paulus beispielsweise den Bestäuber einer Balkan-Art herausgefunden. Im Umkehrschluss ging er mit einer Infloreszenz dieser Art auf den Eichkogel bei Wien (ein Hot-Spot der Pflanzen- und Insektenvielfalt hier im Osten Österreichs), wo auch der einzige in Österreich bekannte Lebensraum der bestäubenden Bienenart ist, die Orchidee aber klarerweise nicht vorkommt. Die Blüten wurden auch gleich von den Männchen genau dieser Art angeflogen, pseudokopuliert und auch Pollinien entnommen, und von sonst keiner der vielen anderen hier vorkommenden Spezies.

Berthold

#233
Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 17:09 UhrWenn Paulus sagt, der Bestäuber gibt in vielen Fällen einen guten Hinweis auf die Art, so ist das eine gute Aussage.
Wenn er sagt, man kann die Art nach seinem Bestäuber bestimmen, so ist diese Behauptung unbegründet.

Dabei bleibt es. Völlig egal, ob ich Paulus oder wen auch immer gelesen habe.

Mein Hinweis auf die Bevorzugung eines abweichenden Pheromoncocktails ist hier verlinkt. Wahrscheinlich kennt Paulus ihn überhaupt nicht.
Er untersucht da irgendwelche Zusammenhänge, die auch neu und gut sind, aber verallgemeinert seine Erkenntnisse unzulässig.
Auch scheint Paulus die Verhältnisse in den neuen Bundesländern (Thüringen) in den letzten 50 Jahren nicht zu kennen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.

Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 19:17 Uhr
Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 17:09 UhrWenn Paulus sagt, der Bestäuber gibt in vielen Fällen einen guten Hinweis auf die Art, so ist das eine gute Aussage.
Wenn er sagt, man kann die Art nach seinem Bestäuber bestimmen, so ist diese Behauptung unbegründet.

Dabei bleibt es. Völlig egal, ob ich Paulus oder wen auch immer gelesen habe.

Mein Hinweis auf die Bevorzugung eines abweichenden Pheromoncocktails ist hier verlinkt. Wahrscheinlich kennt Paulus ihn überhaupt nicht.
Er untersucht da irgendwelche Zusammenhänge, die auch neu und gut sind, aber verallgemeinert seine Erkenntnisse unzulässig.
Auch scheint Paulus die Verhältnisse in den neuen Bundesländern (Thüringen) in den letzten 50 Jahren nicht zu kennen.

Dann lies einmal bei Paulus oder sonstigen aktuelleren wissenschafts-autorisch tätigen Menschen nach, dann wirst Du sehen, dass da nichts verallgemeinert wird, was nicht zu verallgemeinern wäre.

Das mit dem leicht abweichenden Pheromoncocktail habe ich übrigens zum ersten Mal aus dem Mund von Paulus persönlich erfahren. Er ist ein bestens vernetzter Mensch, Du kannst davon ausgehen, dass er mit Allen anderen auf dem Gebiet wissenschaftlich Tätigen in Kontakt ist und ihm sämtliche Arbeiten zu dem Thema vertraut sind. Genauso wie er auch immer noch wissenschaftlich Arbeitende bei ihren Dissertationen und Habilitationen begleitet.
Es ist eben so, dass die Aufrechterhaltung der Ophrys-Arten nur durch die Spezialisierung der Ophrys-Art auf einen oder selten ganz wenige Bestäuber möglich ist. Dabei passen die Arten ihre Blüten an den Bestäuber maximal an, oder zumindest so weit wie nötig, bedeutet ja Alles Aufwand. Aber die Täuschung muss für eine erfolgreiche Bestäubung ja zwei Mal funktionieren, und das stellt die Ophrys-Arten vor eine ganz schöne Aufgabe. Da geht es aber nicht nur um den Duft, da geht es auch um die Form, die Nachahmung der Flügel mit dem Mal, selbst die Seitenlappen der Lippe bzw. die Höcker auf Derselben an der richtigen Stalle zum Anhalten stellen eine Anpassung an genau die eine Bienenart (nur bei "ursprünglichen" Arten Wespen) dar. Und selbst das Perigon hat eine Funktion, es stellt in vielen Fällen nämlich die Blüte dar, auf der normalerweise die Weibchen sitzen. Doch es ist nur bunt, wo das auch notwendig ist, weil die Bienenmännchen ihre Weibchen wirklich oft auf Blüten antreffen.
Dabei wäre es ja interessant, ob eine Hummelragwurz mit grünem Perigon (was ja bezeichnenderweise höchst selten ist), messbar seltener angeflogen wird als eine mit weißem oder rosa- bis pinkfarbenem Perigon. Doch sind erfolgreiche (doppelte) Pseudokopulationen (der zweite "Irrtum" ist wahrscheinlich das Problem, auch Insekten sind nicht ganz dumm und vermeiden unnötige Energieverschwendung) bei Ophrys selbst innerartlich höchst selten, das kann man an den verhaltenen Kapselansätzen an den Standorten überprüfen. Doch reicht ja bekanntlich eine Kapsel für Tausende Nachkommen, und das gleicht es dann wieder aus.
Und bei besonders "schlauen" Bienen (manche Arten bzw. Gattungen sind wirklich schlauer als andere) muss dann zusätzlich besonders Viel in die Zeichnung der Lippe bzw. das Mal investiert werden, um die Männchen zweimal zu täuschen. Bei denen sind dann die Lippen der Blüten an einer Pflanze schon fast so verschieden wie bei anderen Arten zwischen unterschiedlichen Pflanzen.
Es wurde verschiedentlich und intensiv geforscht, teils im Labor, teils in der Natur, es wurde vermessen, gezählt und beobachtet, so wurden beispielsweise die fünf oder sechs auf Kreta vorkommenden Arten aus dem tendhredinifera-Formenkreis zu definieren gewagt. Das krasseste waren im 3D-Drucker nachgebauten Blüten, denen ein Pheromon aufgetragen wurde und die von den Forschenden für Versuche im Freiland verwendet wurden. Da wurde mit verschieden veränderten (Form, Farbe, Größe, Dimensionsverhältnis der Blütenteile und selbst der Lippenkomponenten, Struktur, Duft,...) Blütenteilen nachgesehen, was wirklich wesentlich ist für den erfolgreichen Täuschungsakt, da wurde wirklich mehr Arsenal aufgefahren als Herr Sundermann aus Wuppertal sich jemals erträumen hätte können.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe Arbeiten dazu, ist echt interessant. Auch ist es interessant, sich mit solchen wirklichen Fachleuten zu unterhalten und von ihnen lernen zu dürfen.

Und die Thüringer Fundorte sind der klassische Fall von "Dactylogamie". Den Ausdruck will ich nicht für mich beanspruchen, der stammt originär von Paulus. Es handelt sich in diesem Fall wohl um weithin bekannte Fundorte (zumindest waren sie sogar in DDR-Büchern genannt, liegen mir vor) die von interessierten Menschen wohl schon seit Langem aufgesucht werden. Und da hat sich wohl immer wieder einmal der Eine oder die Andere gefunden, um der Natur auf die Sprünge zu helfen.

Dass sich dann sekundär vielleicht vereinzelt Bienen fanden, die den Duftcocktail der Einen oder Anderen dieser hybridogenen Pflanzen interessant gefunden haben mögen, ist ja auch gar nicht ausgeschlossen. Doch selbst dann ist höchst unwahrscheinlich, dass sich dann noch eine zweite Blüte findet, die dasselbe Insektenmännchen wieder genauso erregt, dass es zu einer erfolgreichen Pseudokopulation mit Pollinienübertragung nach dem 'Schlüssel-Schloss-Prinzip" kommt. Denn es ist auch wichtig, dass die Biene zur Blüte passt, sonst kann sie sich gar nicht so festhalten, dass der Kopf wieder genau in die Narbengrube ragt. Und selbst dann reicht ja wieder eine Kapsel für Tausende Pflanzen. Aber aussagen tut das nicht besonders Viel, es reicht wenn alle paar Jahre eine "kreative" Person vorbei kommt und ihr Werk versieht.
So wie ich eben den Fundort mit der Fliege-Hummel-Hybriden hatte, aber eben auch wusste wer dafür verantwortlich war. Oder es gibt bzw. gab Hummel-Bienen-Ragwurz-Hybriden auf einem Standort hier, der aber eben auch weithin bekannt und noch dazu toll erreichbar ist. Oh Wunder!

Genau das Gleiche gilt für die "Ophrys-Hybriden-Sammler" (es wurde keckerweise sogar einmal ein ganzes Buch darüber herausgebracht) der vergangenen 50 Jahre, die Fotos von den abstrusesten Kreuzungen, selbst  zwischen kopfseitig- und abdomenseitig-, sowie von bienen- und wespenbestäubten Arten, "gefunden" haben. Das klingt wunderbar und nach neuerer Theorie schwer verständlich, ist aber einfach zu erklären: Bei Besuchen an gemischten Standorten führe ich ein paar Kreuzungen mit der Hand und einem Grashalm oder einem Wattestäbchen durch und - oh Wunder - ein paar Jahre später "entdecke" ich die eine oder andere  Hybride direkt am selben Platz, der noch dazu möglichst rasch erreichbar ist. Wenn ich das an jedem besuchten Standort mache, kann ich in Folge sicher die eine oder andere "neue" Kreuzung "finden" und bei Erst"fund" sogar benennen.

Wie gesagt, an natürlichen Fundorten, die unbekannt sind bzw. weitab von Parkplätzen oder Zufahrtsmöglichkeiten liegen, gibt es so gut wie keine Hybriden zwischen Ophrys-Arten, selbst wenn diese dicht an dicht wachsen. Zumindest habe ich an solchen Stellen erst ein- oder zweimal (!) eine Hybride gefunden und diese Funde nenne ich die Ausnahme von der Regel, interessanterweise aber dieselbe Kreuzung (heldreichii x eine der Kreta-tendhris [ich kenne sie selbst nicht ausreichend auseinander, aber die Bienen riechen sie auseinander, und das ist zur Arterhaltung wichtig!]). Zudem war es zumindest ein Mal an einer archäologisch sehr interessanten Stelle, was den Zufall vielleicht auch wieder reduzieren mag, da sich die verschiedenen Interessen an Orchideen und an Überresten alter Kulturen in urlaubenden Menschengruppen oder auch in einzelnen Menschen immer wieder mischen. Andere Hybridfunde (lassen sich auch an einer Hand, höchstens zwei Händen abzählen) waren immer an mehr oder weniger bekannten und überlaufenen Stellen oder an Stellen, wo man Orchideen-Pflanzen schon aus dem Auto sehen konnte. Dr. Paulus teilt diese Beobachtung. In diesem Fall kann man sich nur nach Zählungen richten, aber was gegen Null geht bzw. nicht vorhanden ist, braucht bzw. kann man gar nicht zählen bzw. statistisch erfassen, würde ich meinen.

Alwin

Zitat von: walter b. am 06.Jun.22 um 21:37 Uhr
Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 19:17 Uhr
Zitat von: Berthold am 06.Jun.22 um 17:09 UhrWenn Paulus sagt, der Bestäuber gibt in vielen Fällen einen guten Hinweis auf die Art, so ist das eine gute Aussage.
Wenn er sagt, man kann die Art nach seinem Bestäuber bestimmen, so ist diese Behauptung unbegründet.

Dabei bleibt es. Völlig egal, ob ich Paulus oder wen auch immer gelesen habe.

Mein Hinweis auf die Bevorzugung eines abweichenden Pheromoncocktails ist hier verlinkt. Wahrscheinlich kennt Paulus ihn überhaupt nicht.
Er untersucht da irgendwelche Zusammenhänge, die auch neu und gut sind, aber verallgemeinert seine Erkenntnisse unzulässig.
Auch scheint Paulus die Verhältnisse in den neuen Bundesländern (Thüringen) in den letzten 50 Jahren nicht zu kennen.

Dann lies einmal bei Paulus oder sonstigen aktuelleren wissenschafts-autorisch tätigen Menschen nach, dann wirst Du sehen, dass da nichts verallgemeinert wird, was nicht zu verallgemeinern wäre.

Das mit dem leicht abweichenden Pheromoncocktail habe ich übrigens zum ersten Mal aus dem Mund von Paulus persönlich erfahren. Er ist ein bestens vernetzter Mensch, Du kannst davon ausgehen, dass er mit Allen anderen auf dem Gebiet wissenschaftlich Tätigen in Kontakt ist und ihm sämtliche Arbeiten zu dem Thema vertraut sind. Genauso wie er auch immer noch wissenschaftlich Arbeitende bei ihren Dissertationen und Habilitationen begleitet.
Es ist eben so, dass die Aufrechterhaltung der Ophrys-Arten nur durch die Spezialisierung der Ophrys-Art auf einen oder selten ganz wenige Bestäuber möglich ist. Dabei passen die Arten ihre Blüten an den Bestäuber maximal an, oder zumindest so weit wie nötig, bedeutet ja Alles Aufwand. Aber die Täuschung muss für eine erfolgreiche Bestäubung ja zwei Mal funktionieren, und das stellt die Ophrys-Arten vor eine ganz schöne Aufgabe. Da geht es aber nicht nur um den Duft, da geht es auch um die Form, die Nachahmung der Flügel mit dem Mal, selbst die Seitenlappen der Lippe bzw. die Höcker auf Derselben an der richtigen Stalle zum Anhalten stellen eine Anpassung an genau die eine Bienenart (nur bei "ursprünglichen" Arten Wespen) dar. Und selbst das Perigon hat eine Funktion, es stellt in vielen Fällen nämlich die Blüte dar, auf der normalerweise die Weibchen sitzen. Doch es ist nur bunt, wo das auch notwendig ist, weil die Bienenmännchen ihre Weibchen wirklich oft auf Blüten antreffen.
Dabei wäre es ja interessant, ob eine Hummelragwurz mit grünem Perigon (was ja bezeichnenderweise höchst selten ist), messbar seltener angeflogen wird als eine mit weißem oder rosa- bis pinkfarbenem Perigon. Doch sind erfolgreiche (doppelte) Pseudokopulationen (der zweite "Irrtum" ist wahrscheinlich das Problem, auch Insekten sind nicht ganz dumm und vermeiden unnötige Energieverschwendung) bei Ophrys selbst innerartlich höchst selten, das kann man an den verhaltenen Kapselansätzen an den Standorten überprüfen. Doch reicht ja bekanntlich eine Kapsel für Tausende Nachkommen, und das gleicht es dann wieder aus.
Und bei besonders "schlauen" Bienen (manche Arten bzw. Gattungen sind wirklich schlauer als andere) muss dann zusätzlich besonders Viel in die Zeichnung der Lippe bzw. das Mal investiert werden, um die Männchen zweimal zu täuschen. Bei denen sind dann die Lippen der Blüten an einer Pflanze schon fast so verschieden wie bei anderen Arten zwischen unterschiedlichen Pflanzen.
Es wurde verschiedentlich und intensiv geforscht, teils im Labor, teils in der Natur, es wurde vermessen, gezählt und beobachtet, so wurden beispielsweise die fünf oder sechs auf Kreta vorkommenden Arten aus dem tendhredinifera-Formenkreis zu definieren gewagt. Das krasseste waren im 3D-Drucker nachgebauten Blüten, denen ein Pheromon aufgetragen wurde und die von den Forschenden für Versuche im Freiland verwendet wurden. Da wurde mit verschieden veränderten (Form, Farbe, Größe, Dimensionsverhältnis der Blütenteile und selbst der Lippenkomponenten, Struktur, Duft,...) Blütenteilen nachgesehen, was wirklich wesentlich ist für den erfolgreichen Täuschungsakt, da wurde wirklich mehr Arsenal aufgefahren als Herr Sundermann aus Wuppertal sich jemals erträumen hätte können.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe Arbeiten dazu, ist echt interessant. Auch ist es interessant, sich mit solchen wirklichen Fachleuten zu unterhalten und von ihnen lernen zu dürfen.

Und die Thüringer Fundorte sind der klassische Fall von "Dactylogamie". Den Ausdruck will ich nicht für mich beanspruchen, der stammt originär von Paulus. Es handelt sich in diesem Fall wohl um weithin bekannte Fundorte (zumindest waren sie sogar in DDR-Büchern genannt, liegen mir vor) die von interessierten Menschen wohl schon seit Langem aufgesucht werden. Und da hat sich wohl immer wieder einmal der Eine oder die Andere gefunden, um der Natur auf die Sprünge zu helfen.

Dass sich dann sekundär vielleicht vereinzelt Bienen fanden, die den Duftcocktail der Einen oder Anderen dieser hybridogenen Pflanzen interessant gefunden haben mögen, ist ja auch gar nicht ausgeschlossen. Doch selbst dann ist höchst unwahrscheinlich, dass sich dann noch eine zweite Blüte findet, die dasselbe Insektenmännchen wieder genauso erregt, dass es zu einer erfolgreichen Pseudokopulation mit Pollinienübertragung nach dem 'Schlüssel-Schloss-Prinzip" kommt. Denn es ist auch wichtig, dass die Biene zur Blüte passt, sonst kann sie sich gar nicht so festhalten, dass der Kopf wieder genau in die Narbengrube ragt. Und selbst dann reicht ja wieder eine Kapsel für Tausende Pflanzen. Aber aussagen tut das nicht besonders Viel, es reicht wenn alle paar Jahre eine "kreative" Person vorbei kommt und ihr Werk versieht.
So wie ich eben den Fundort mit der Fliege-Hummel-Hybriden hatte, aber eben auch wusste wer dafür verantwortlich war. Oder es gibt bzw. gab Hummel-Bienen-Ragwurz-Hybriden auf einem Standort hier, der aber eben auch weithin bekannt und noch dazu toll erreichbar ist. Oh Wunder!

Genau das Gleiche gilt für die "Ophrys-Hybriden-Sammler" (es wurde keckerweise sogar einmal ein ganzes Buch darüber herausgebracht) der vergangenen 50 Jahre, die Fotos von den abstrusesten Kreuzungen, selbst  zwischen kopfseitig- und abdomenseitig-, sowie von bienen- und wespenbestäubten Arten, "gefunden" haben. Das klingt wunderbar und nach neuerer Theorie schwer verständlich, ist aber einfach zu erklären: Bei Besuchen an gemischten Standorten führe ich ein paar Kreuzungen mit der Hand und einem Grashalm oder einem Wattestäbchen durch und - oh Wunder - ein paar Jahre später "entdecke" ich die eine oder andere  Hybride direkt am selben Platz, der noch dazu möglichst rasch erreichbar ist. Wenn ich das an jedem besuchten Standort mache, kann ich in Folge sicher die eine oder andere "neue" Kreuzung "finden" und bei Erst"fund" sogar benennen.

Wie gesagt, an natürlichen Fundorten, die unbekannt sind bzw. weitab von Parkplätzen oder Zufahrtsmöglichkeiten liegen, gibt es so gut wie keine Hybriden zwischen Ophrys-Arten, selbst wenn diese dicht an dicht wachsen. Zumindest habe ich an solchen Stellen erst ein- oder zweimal (!) eine Hybride gefunden und diese Funde nenne ich die Ausnahme von der Regel, interessanterweise aber dieselbe Kreuzung (heldreichii x eine der Kreta-tendhris [ich kenne sie selbst nicht ausreichend auseinander, aber die Bienen riechen sie auseinander, und das ist zur Arterhaltung wichtig!]). Zudem war es zumindest ein Mal an einer archäologisch sehr interessanten Stelle, was den Zufall vielleicht auch wieder reduzieren mag, da sich die verschiedenen Interessen an Orchideen und an Überresten alter Kulturen in urlaubenden Menschengruppen oder auch in einzelnen Menschen immer wieder mischen. Andere Hybridfunde (lassen sich auch an einer Hand, höchstens zwei Händen abzählen) waren immer an mehr oder weniger bekannten und überlaufenen Stellen oder an Stellen, wo man Orchideen-Pflanzen schon aus dem Auto sehen konnte. Dr. Paulus teilt diese Beobachtung. In diesem Fall kann man sich nur nach Zählungen richten, aber was gegen Null geht bzw. nicht vorhanden ist, braucht bzw. kann man gar nicht zählen bzw. statistisch erfassen, würde ich meinen.
:thumb
Ich denke es könnte in einer Doktorarbeit nicht besser und verständlicher formuliert werden
Gruß Alwin

Berthold

Alwin, in einer Doktorarbeit dürfen keine logischen Fehler enthalten sein.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Alwin

Zitat von: Berthold am 07.Jun.22 um 08:10 UhrAlwin, in einer Doktorarbeit dürfen keine logischen Fehler enthalten sein.
Dann bin ich durchgefallen  :ka
Konnte aber die Erläuterungen gut
nachvollziehen
Besser geht Meinungsbildung und Veränderung nicht ... oder?
Gruß Alwin

walter b.

Zitat von: Alwin am 07.Jun.22 um 09:27 UhrKonnte aber die Erläuterungen gut
nachvollziehen
 

Vielen Dank, Alwin!
Ich empfinde das als sehr schönes Kompliment.
Ich hatte mir für den Kommentar auch sehr viel Mühe gegeben und Zeit genommen, um die Thematik nach dem aktuellen Wissens- und meinem Kenntnisstand schlüssig und umfassend zu erörtern.

walter b.

Zitat von: Berthold am 07.Jun.22 um 08:10 UhrAlwin, in einer Doktorarbeit dürfen keine logischen Fehler enthalten sein.

Berthold, Forschungsarbeiten zur Erreichung des Doktortitels sind aber genau mit diesen Inhalten verfasst und erfolgreich abgenommen worden.
Du kannst aber gerne erläutern, worin Du den logischen Fehler siehst.
Aber bitte nicht mit der Aussage des Herrn aus Wuppertal untermauern, das ist Schnee von vorgestern.