Gleichgewicht in einem Ökosystem

Begonnen von Claus, 17.Apr.16 um 10:20 Uhr

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Claus

Wenn der Symbiosepilz sich einmal so richtig eingenistet hat, gibt es für Erdorchideen kein Halten mehr. Das kann aber nach ein paar Jahren auch wieder vorbei sein.

Ca. 500 m von hier ist ein solches Biotop in zwei Gärten, die hatten so eine Explosion bis zu 2 x 250 Dactys, jetzt ist es wieder rückläufig.
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Das ist doch sehr interessant, Claus.

Der geeignete Mykorrhiza-Pilz kann sich spontan ansiedeln, wird dann aber auch plötzlich wieder verdrängt.

Dieser Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass die einzelnen Teilnehmer in einem Ökosystem in einem sehr sensiblen Gleichgewicht leben, das meist nicht sehr lange stabil bleibt.
Deshalb verändern sich das Ökosystem auch häufig, weil plötzlich neue Mitspieler auf der Bühne stehen. 
In diesem Beispiel hat der Pilz die Dactylorhiza im Schlepptau.

Beyrle hatte mal in einem wissenschaftlichen Projekt versucht, ein Dactylorhiza Art in einem Biotop anzusiedeln.
Dazu hatte er zunächst einen geeigneten Keimpilz für die Art auf den Wurzeln isoliert und stark vermehrt. Diesen Pilz hatte er dann in der Natur ausgebracht bevor er die Pflanzen eingesetzt hatte.
Die Pflanzen sind auch anfänglich gut gewachsen, dann aber wohl wieder verschwunden, weil die angesiedelten Pilze verschwunden sind und keine Neukeimung mehr stattfinden konnte.

Man sieht an diesen Beispielen, dass es eine völlig unüberschaubare Aufgabe ist, in der Natur langfristig Orchideen anzusiedeln, wo sie vorher nicht existiert haben.

Die Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen den einzelnen Teilnehmern hängt von sehr vielen Faktoren ab, deren Wirkung kaum überschaubar ist. Der menschliche Einfluss ist auch ein Faktor, aber längst nicht der einzige.
Ich sehe als wesentliche Faktoren das Klima (Temperatur- und Regenverlauf im Jahr, Wind und Strahlung), das auch auf die Bestäuber Einfluss hat. Es könne aber auch zufällig  eingewehte Teilnehmer aus anderen Teilen der Welt sein.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Tyr

In einem naturnahen Lebensraum gibt es immer wieder Schwankungen z.B. bei Mäusen und ihren Feinden, nimmt die Zahl der Mäuse zu gibt es bei den Beutegreifern mehr Nachwuchs der durchkommt worauf der Mäusebestand wieder abnimmt. Auch konnte man hier in einem Ophrysbiotop in den 1990er Jahren sogut wie keine mehr finden und Mitte der 2000er Jahre explodierte der Bestand. Das hatte vermuhtlich auch mit dem Klima zu tun.
in Siedlungsräume kommt dann warscheinlich noch direkte Einflüsse des Menschen hinzu wie z.B. Eintrag von Stoffen aus der Luft was zur Veränderungen im Boden führt.
Good manners don't cost nothing.
Ian Fraser ,,Lemmy" Kilmister

Claus

Ich muss das noch ergänzen. Vor etwa 35 Jahren hat einer der Grundstückseigentümer 3 Dactys von einer Gärtnerei in den Garten gepflanzt, wahrscheinlich fuchsii oder Hybride. Hinter den Grundstücken gab es eine Apfelplantage, die regelmäßig gedüngt und gekalkt wurde. Zunächst hat es keine starke Vernehrung gegeben. Der Nachbar legte sich dann einen kleinen Folienteich an und ließ sich dazu Flussand anliefern. Nach zwei Jahren stand da eine Orchidee, er glaubt bis heute, dass er Samen mit dem Flussand angeliefert bekam.

Inzwischen war die Vermehrung auf dem Nachbargrundstück voran geschritten. Dann wurde die Apfelplantage aufgegeben, parzelliert und an die vorderen Eigentümer verkauft. Dieses Gelände entspricht einem gekalkten Trockenrasen, und dort breiteten sich die Dactys dann aus. Andererseits gibt es in geringer Tiefe Schichtenwasser, diese Kombination scheint mir besonders günstig zu sein.

Ich muss mir das gelegentlich wieder einmal ansehen. Bei mir hat es eine solche Selbstvermehrung bislang nicht gegeben. Hier vermehren sich die Orchideen bislang ausschließlich in Gläsern.  grins

Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Tyr am 17.Apr.16 um 12:32 Uhr
In einem naturnahen Lebensraum gibt es immer wieder Schwankungen ..

Ja, ich hatte hier im Löschteich auch die Erscheinung, dass Krebsscheren sich sehr stark vermehrt hatten und in 3 Jahren eine Fläche von ca 800 m² eingenommen haben. 2 Jahre später waren alle wieder verschwunden.
Ein ähnlicher Effekt ist mit der kanadischen Wasserpest im Teich aufgetreten.

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

johan

habe in toscana ein ehemaliger weingarten umpflügen lassen um wurzelstock und zementposten zu entfernen.
danach 2 jahr hohes gras und frisch gepflanzten mittelmeersträucher.gras wurde gemäht und abtransportiert.
weil sträucher immer größer, wurde grasertrag immer kleiner und vorallem weniger masse.
jetzt nach fast 20 jahr,26 arten orchideen in zunehmender anzahl,davon ca 6-8 arten angesalbt.
weiters habe ich eine hohe wiese gemäht und erschien himantoglossum  nach paar jahr,vorher keine.
habe das gefühl das orchideen eine belassene konkurenzschwache vegetation brauchen,die bei künstliche besiedelung fehlt.
daher könnte pilzbewuchs etwas überbewertet sein,ist in entsprechende vegetationen sowieso vorhanden.
lg
johan

Berthold

Zitat von: johan am 01.Mai.16 um 09:03 Uhr
habe das gefühl das orchideen eine belassene konkurenzschwache vegetation brauchen,die bei künstliche besiedelung fehlt.
daher könnte pilzbewuchs etwas überbewertet sein,ist in entsprechende vegetationen sowieso vorhanden.
lg
johan

Johan, wenn Orchideen auftreten, müssen die Pilze vorhanden sein, denn ohne Pilze können die Orchideen nicht keimen.
Deshalb müssen primär die Bedingungen für die Pilze gut sein. Die Bedingungen für das Überleben adulter Orchideen ist eine andere Angelegenheit.
Bei einem dauerhaften Orchideenbestand müssen beide Bedingungen stimmen.

Es gibt Standorte, wo nur eine der beiden Bedingungen stimmt. Hier keimen Orchideen und verschwinden schnell wieder oder adulte Pflanzen überleben, wenn man sie auspflanzt, aber sie säen sich nicht aus.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

johan

o.k berthold
es gibt in europa 100.000`de km2 kulturland(acker,fettwiesen und fichtenacker),quasi 70% der landfläche.
dies soll alles orchideenpilzfrei sein?jedenfalls orchideenfrei.
daher vegetation und bodenbeschaffenheit wichtiger als pilz.

lg
johan

Tyr

Die Pilze können schon verhanden sein, nur hat ja die symbiotische Aussaat gezeigt das wenn die zu viel zu futtern haben die gleich den Samen mit verspeisen.
Es ist sicher auch so das in einer stickstoffreichen Umgebung andere Pilze die Oberhand gewinnen können.
Good manners don't cost nothing.
Ian Fraser ,,Lemmy" Kilmister

Berthold

Zitat von: Tyr am 03.Mai.16 um 18:31 Uhr
Es ist sicher auch so das in einer stickstoffreichen Umgebung andere Pilze die Oberhand gewinnen können.

Ja, es ist auf jeden Fall so, dass die Keimpilze in den meisten Fällen von anderen Pilzen verdrängt werden. Die Pilze sind auf ähnliche spezifische Bedingungen angewiesen wie die Pflanzen.
Wenn viel organisches Material im Boden vorhanden ist, wachsen dort völlig andere Pilze als in fast rein mineralischem Boden.
Dazu kommt noch, dass eine Reihe von Pilzen auf anderen Pflanzen leben (Trüffel, die meisten Röhrlinge).
Man kennt das selber vom Pilze suchen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

johan

da ist der bösewicht:stickstoff.landwirtschaftlicher düngung ist bester orchideenbekämpfer.daher so selten geworden.der orchideenpilz braucht anscheinend derselbe boden wie orchideen,hand in hand sozusagen

lg
johan

Berthold

#11
Ich kannte feuchte Wiesen in der DDR, die voller Dactylorhiza standen. Nach der Düngung der Wiesen sind alle Orchideen verschwunden.
Aber die Ursache ist mir unklar. Ich habe den Eindruck, der Dünger fördert die anderen Pflanzen stärker als die Orchideen, sodass die Orchideen überwachsen werden und deshalb verschwinden.
Der Dünger schädigt die Orchideen also nicht direkt, sondern indirekt, indem er den Konkurrenzdruckt für die Orchideen oder die Keimpilze erhöht.
Ich habe hier im Garten Rasen, der auf den Wegen regelmässig geschnitten wird. Neben den Wegen wird nur 2mal pro Jahr geschnitten. Die Orchideen (Dactylorhiza) keimen nur auf den Wegen.

Ob der Orchideenpilz den selben Bodenn braucht, wie die adulte Orchidee, weiss ich nicht, glaube ich auch nicht, aber wenn Orichideen wachsen sollen, müssen die Bedingungen für den Pilz und für die adulten Orchideen stimmen
Aber es gibt durchaus Böden, wo die Bedingungen nur für den Pilz oder nur für die adulte Orchidee stimmen. Aber dort findet man keine Orchideen, wenn man sie nicht auspflanzt oder sie keimen dort nur aber verschwinden schnell wieder.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

FlorianO

Zitat von: Berthold am 04.Mai.16 um 09:59 Uhr
der Dünger fördert die anderen Pflanzen stärker als die Orchideen, sodass die Orchideen überwachsen werden und deshalb verschwinden.

Das ist richtig. Landwirtschft ist der Grund für das Verschwinden von vielen Arten bei uns. Damit verschwinden natürlich auch ein großer Teil der Insekten.

Claus

Die Jauche enthält viel Ammoniak, und Ammonium mögen fast alle Orchideen gar nicht. Am ehesten überleben wüchsige Dactylorhiza einen solchen Angriff, aber auch nicht mehrmals.

An Handelsdüngern mit Ammonium wäre Kalkammonsalper zu erwähnen, und ob Harnstoff nicht auch in Ammonium zerfällt???
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Machu Picchu

Harnstoff hat die Formel 2HN-CO-NH2. Bei Hydrolyse (+ 2 H2O) wird Harnstoff in Kohlensäure H2CO3 und 2 NH3 zerlegt. Für Brennnesseln optimal, nicht für Orchideen. :ka
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Liebe Grüße
Hans