Symbiotische Aussaat

Begonnen von Berthold, 13.Sep.08 um 12:57 Uhr

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Claus

Ich habe die pH-Werte in diesen Holzgemischen nach der Sterilisierung nie gemessen, man kann ja auch nicht alles machen. Mir fiel nur nach längerer Zeit auf, dass die Entwicklung der D. praetermissa auf Buche schlechter war als auf Eiche. Und da habe ich mal gebrauchte Gläser Eiche und Buche gemessen. Während Eiche im leicht sauren Bereich war, lag Buche im leicht alkalischen. Das erklärt sich daraus, dass die Buche gern auf kalkhaltigen Böden wächst, den Kalk aus dem Boden zieht und ihn letztlich auch den Blättern zuführt. Wenn die dann fallen und verrotten, wird der Kalk wieder freigesetzt, und der Kreislauf beginnt erneut. Deshalb nennt man die Buche auch Kalk- oder Basenpumpe.

Ich denke, wenn du das fertige Substrat im pH auf ca. 5,7 justierst, wirst du keinen Unterschied bemerken.

Berthold hat nun wiederum Eichenblätter mit Haferagar kombiniert und meint, dass damit die Wachstumszeit der Sämlinge verlängert wird.

Ich dagegen mache Versuche mit anderen - sagen wir mal - cellulosehaltigen Materialien, so z.B. per Zufall mit Farn. Und da stellt sich heraus, dass das anfängliche Wachstum von aufgelegten mit B1 infizierten Protokormen auf Farn wesentlich besser ist. Was aber noch besser ist: Während auf Eiche oder Buche immer ein Teil der aufgelegten Protokorme hopps geht, bleiben auf Farn alle erhalten.

Was könnte der Grund sein? Vielleicht enthält Farn wesentlich weniger Lignin als die holzhaltigen Substrate. Lignin mit seinen aus aromatischen Bausteinen zusammengesetzen Makromolekülen betrachte ich immer mit etwas Argwohn. Das ist der Teil des Holzes, der nur von sehr spezialisierten Mikroorganismen abgebaut werden kann, und die phenolischen Zwischenprodukte davon werden für Pflanzen wahrscheinlich nicht so zuträglich sein.

Zur Zeit läuft auch Kiefer, als nächstes steht Birke auf dem Programm, der Baum ist entrindet und gefleddert.  :yes

Eines muss ich hier noch erwähnen: Diese Holzsubstrate werden alle mit einer Lösung imprägniert, die meinem Nährboden entspricht, also alle Hauptnährstoffe, Vitamine, Spurenelemente etc., nur ohne Zucker natürlich. Im letzten Versuch habe ich allerdings eine einfachere Rezeptur angewendet, bestehend aus KH2PO4, tert. Calciumphosphat, Kaliumnitrat, Calciumnitrat, Magnesiumsulfat, Mangansulfat*H2O, Borsäure, Zinksulfat*7H2O, Ammoniumeisen-III-citrat, Na-EDTA, Aminosäuren und Leitungswasser. Ergebnisse dazu stehen aber noch aus. Die Pilze mögen das Zeug.  :thumb

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Zitat von: Charlemann am 16.Feb.09 um 15:25 Uhr
Hab ich da was verpasst?
Gibt´s jetzt einen Pilz für Ophrys?
In einer HOS-Zeitschrift wurde mal über einen solchen Pilz berichtet, danach war da tote Hose.

Gruß Claus
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Berthold

Beispiel einer Fremdinfektion nach dem Nachfüttern mit nicht sterilisierten Haferflocken:



Die Sämlinge wurden pikiert und haben gut überlebt
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

#93
Aus gutem Grund möchte ich euch heute noch einmal Farn als Substrat für symbiotische Versuche empfehlen. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass Farn besonders gut geeignet ist:

Protokorme und Sämlinge sterben bisher nach dem Auflegen auf infizierten Farn nicht ab.

Das Wachstum ist sehr gut.

Ihr findet zur Zeit noch gut erhaltenen Farn an Straßenrändern, in offenen Zonen in Wäldern, bei uns hier an vielen Stellen. Welche Farnart es ist weiß ich nicht. Am besten erntet ihr ihn an trockenen Tagen, da er dann "knusprig" ist und sich sehr gut schreddern lässt.

Die Imprägnierung habe ich schon erwähnt, das Substrat muss sterilisiert werden. Dann mit dem Pilz infizieren - Dieter, von deinem Pilz habe ich jetzt wohl eine Reinzucht, der Pilz scheint sich auf Farn offensichtlich sauwohl zu fühlen:


Rechts von der Mitte sieht man unscharf einen Klumpen von aufgelegten Protokormen - jetzt nach 8 Tagen. Der Originalpilz besteht aber aus drei Komponenten, von dem eine ein Schimmelpilz ist, der dann überwiegt. Aber auch der B1 geht wunderbar.

Wer schon viel mit Symbiosepilzen gearbeitet hat, der wird sagen: "Aber der parasitiert doch!". Nein, das sieht nur so aus, der parasitiert nicht. An der Glaswand zeigen sich auch die typischen Langhyphen, aber in dem Substrat bildet er auch Lufthyphen.

Ich werde mir jedenfalls mal einen ordentlichen Vorrat an Farn zulegen.
:thumb

Viele Grüße
Claus
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Berthold

Zitat von: Claus am 17.Feb.09 um 22:48 Uhr
Welche Farnart es ist weiß ich nicht. Am besten erntet ihr ihn an trockenen Tagen, da er dann "knusprig" ist und sich sehr gut schreddern lässt.
Viele Grüße
Claus

Claus, Du deutest an, dass der Farn jetzt "knusprig" ist, also wohl eine sommergrüne Art. Wenn sie horstig wächst könnte es ein Wurmfarn sein, das ist die häufigste Art in unseren Wäldern. Königsfarn wirst Du wohl nicht gefunden haben, oder?

Du meinst also statt Eichenblätter Farnwedel? Das werde ich sofort mal testen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Dieter

Zitat von: Claus am 17.Feb.09 um 22:48 Uhr
- Dieter, von deinem Pilz habe ich jetzt wohl eine Reinzucht, der Pilz scheint sich auf Farn offensichtlich sauwohl zu fühlen:


Claus, du darfst ihn ungestraft weitervermehren,
CITES wird ja nicht benötigt..........


Claus

Hallo Berthold,

ich vermute auch Wurmfarn, jedenfalls ist der sommergrün und stirbt dann beim ersten Frost ab. Die Farnwedel aber mit den holzigen Stengeln verwenden, ich vermute, dass es dieser holzige Teil ist, den der Pilz besonders mag, es ist ja auch die Hauptmasse eines Stengels.

@Dieter: Ja, zum Glück gibt es da noch kein Cites oder ähnlichen Profilierungs-Schwachsinn. Das kann ja auch erst passieren, wenn man wüsste, welcher Pilz das eigentlich ist, den man der Natur in frevelhafter Absicht entnomen hat. So kann man immer behaupten, dass sei ein Ableger des eigenen Fußpilzes.  :whistle :whistle :whistle

Gruß Claus
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Dieter

Zitat von: Claus am 18.Feb.09 um 11:12 Uhr
.............So kann man immer behaupten, dass sei ein Ableger des eigenen Fußpilzes.  :whistle :whistle :whistle

Gruß Claus

ich sehe, Claus, du hast die richtige "spur".

deshalb will ichs jetzt offenlegen:
DU HAST RECHT.
war aber auch leicht,
ist doch am duft zu erkennen.     :-D

winwen

Sagt einmal, dieser B1-Pilz: Was ist das eigentlich für einer und weiß irgendwer woher er stammt (wovon wurde er isoliert?)
Dr. Beyerle schreibt auf seiner Website, dass nicht nur Ektomykorrhizapilze mit Orchideen in Symbiose leben, sondern auch saprophytisch lebende Pilze bzw. Pilze die auch saprophytisch leben können (also sich von zersetzender Rinde, Holz und Laub ernährend im Boden leben kann). Nach all den gemachten Versuchen jetzt: würdet ihr den B1 zu dieser Gruppe zählen?
Ich bin sicher, dass es Pilze gibt, die saprophytisch lebend Orchideen keimen können. Ich könnte mir einfach nicht anders erklären, wie sonst bestimmte Orchideen so unglaublich zahlreich weitab jeglicher anderer Pflanzen (mitten auf Wiesen und >50m vom nächsten Straúch oder Baum entfernt) so zahlreich -oft zu 100en- sprießen könnten  :ka.
Was haltet Ihr davon?

Berthold

Zitat von: winwen am 18.Feb.09 um 20:25 Uhr
Ich bin sicher, dass es Pilze gibt, die saprophytisch lebend Orchideen keimen können.

ja klar, der B1 lebt ja auch auf (toten) Haferflocken und auf toten Baum- und Farnteilen.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Hallo Erwin,
der B1 soll aus England stammen und aus einer Dactylorhiza fuchsii isoliert worden sein (ohne Gewähr). Er ist sicher in seiner anamorphen Form vom Typ Rhizoctonia, aber welche teleomorphe Form dazu gehört wissen wir nicht. Soll ja irgendwann mal über eine DNA-Analyse geklärt werden, es fehlen dazu nur die 1€-Leute.  :yes

Rhizoctonia-Pilze sind holzabbauend und wirken bei Orchideen und einigen anderen Pflanzen als Endomykorrhiza, es sind also auch Saprophyten.

Im Gegensatz dazu ist es wohl so, dass einige Orchideen, z.B. Cephalantheren, über Ektomykorrhiza Kontakt zu Bäumen haben. Wenn du also z.B. eine C. rubra ausgraben möchtest, wirst du nur Erfolg haben, wenn du auch den zugehörigen Baum mitnimmst.  :whistle

Viele Grüße
Claus
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Berthold

Zitat von: Claus am 18.Feb.09 um 22:53 Uhr
Wenn du also z.B. eine C. rubra ausgraben möchtest, wirst du nur Erfolg haben, wenn du auch den zugehörigen Baum mitnimmst.  :whistle

Viele Grüße
Claus

Ceph.rubra kann man noch einigermassen so kultivieren aber beim Dingel geht das nicht mehr, der verfault und verhungert nämlich.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Den Dingel habe ich auf Rhodos immer in Zusammenhang mit Kiefern gesehen.

Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

Zitat von: Claus am 18.Feb.09 um 23:32 Uhr
Den Dingel habe ich auf Rhodos immer in Zusammenhang mit Kiefern gesehen.

Claus

Claus, wolltest Du damit andeuten, dass Kiefern meist ausgeprägte Pfahlwurzeln haben?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Zitat von: Berthold am 18.Feb.09 um 20:41 Uhr
Zitat von: winwen am 18.Feb.09 um 20:25 Uhr
Ich bin sicher, dass es Pilze gibt, die saprophytisch lebend Orchideen keimen können.

ja klar, der B1 lebt ja auch auf (toten) Haferflocken und auf toten Baum- und Farnteilen.
Berthold,
ich bin nicht davon überzeugt, dass diese Prämissen hinreichend für den Schluss sind, dass der Pilz saprophytisch leben und Orchideen keimen kann. Kann man nicht jeden Pilz auf Basis des geeigneten Gemisches aus "toten" Nährstoffen kultivieren und zum Keimen von Orchideen bringen - oder unterliege ich da jetzt einem Irrtum?