Cloning von Dactylorhiza (maculata)

Begonnen von winwen, 02.Sep.10 um 09:35 Uhr

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winwen

Zumal ich mich auf die generative Vermehrung dieser Pflanze konzentriert habe, ist mir die vegetative geistig völlig entglitten. Deshalb meine Frage an das Forum: Ist jemandem bekannt, ob es da Fortschritte gegeben hat (ich meine Meristemvermehrung, Calluskultur, etc - nicht einfach frühzeitige Abnahme der neuen Knollen).
Wenn ja: welche Medien, Hormone (zur undifferenzierten Zellvermehrung und zum Ausdifferenzieren) und Explantate verwendet man da aktuell?

Timm Willem

Hallo Erwin,
von welchem Ausgangsmaterial möchtest Du ausgehen, Samen oder unsterile Pflanzen?

Vorweg, es ist nicht sehr kompliziert aber auch nicht so effektiv, lässt sich als Meristemkultur nicht wie bei Phal verwirklichen, oder ist sehr einfach über Kallus je nach Klon.

winwen

#2
Hallo Timm,

Zweiteres ist er Fall. Also ausgehend von unsterilen Pflanzen.
Dass es über Kallus sehr einfach sein soll ist für mich erstaunlich bis erfreulich und macht mich neugierig auf mehr. Also wenn Du da etwas hättest, ein Paper oder andere konkrete Anweisungen, wäre das schon toll! Irgendwas muss es ja geben, denn in Holland vermehren sie Dactylorhiza maculata-Clone ja auch massenhaft. Dass es einfach werden würde habe ich nicht zu hoffen gewagt  grins

Irgendwie habe ich auch noch ein Verständnisproblem mit den Begriffen Meristem und Kallus. Wird nicht von meristemischem Gewebe unter Einsatz entsprechender Hormone Kallusgewebe gebildet? Heißt das dann Kalluskultur oder Meristemkultur?

Timm Willem

Zitat von: winwen am 07.Sep.10 um 00:55 Uhr
Irgendwas muss es ja geben, denn in Holland vermehren sie Dactylorhiza maculata-Clone ja auch massenhaft.
Hallo Erwin,
ich glaube, die starten mit sterilen Sämlingen.

Ich versuche das mal aus eigener Erfahrung als allgemeingültige Methode zu beschreiben, werde aber auf sehr spezielle Fragen, nach Konz. und Zeiten nur per PM antworten.

Das wird jetzt länger, deshalb mehrere Teile:

Etablierung unsteriler Sprosse:

Es ist nicht so schwierig wie allgemein angenommen, habe aber keine aktuellen Bilder von Dactylorhiza, deshalb nur Beschreibung:


1. Problem der Oberflächensterilisation von unterirdischen Überwinterungssprossen

Wenn man mit solchen Kulturen beginnt hat man vermutlich zunächst das Pech, dass alles entweder kontaminiert oder zu Tode gebleicht ist. Nur als Beispiel, ich habe bis zum ersten erfolgreichen Versuch bei einem Cypri-Klon etwa 50 blühfähige Sprosse verbraten, bei einem anderen Cypri-Klon war der erste Versuch erfolgreich.

Grundsätzlich muss der Spross von anhaftendem Schmutz gesäubert werden, gewaschen in normalem Wasser, mehrfach, es dürfen absolut keine Partikel mehr anhaften. Das Explantat wird mit einem Skalpell freigelegt, Keine einzige Zell, die zuvor mit dem Boden in Berührung kam, darf danach noch am Explantat sein, die Knolle wird abgeschnitten, die Sprossspitze von den äußeren Blattschichten befreit.

Zur Oberflächensterilisation selber kann ich nur sagen, man sollte eine mittlere NaHCl-Konzentration wählen, die Zeiten kann ich nicht angeben, ich kontrolliere permanent die Wirkung auf das Explantat. Das ist sinnvoller, da die Wirkgeschwindigkeit bei verschiedenen Arten sehr unterschiedlich sein kann. Man muss einen deutlichen Effekt an den Schnittstellen erkennen können.

Wichtig ist das Nachspülen, ich verwende dafür sterilisiertes Leitungswasser, es gibt Gründe kein dest. Wasser zu verwenden, optimal ist es so aber auch nicht. Meine Methode weicht von der allgemein anerkannten Technik ab, ich schmeiße jedes Explantat in ein Glas mit etwa 200 ml Wasser, verschließe es und lasse es mehrere Stunden stehen.

Durch die Nachspülmethode erreiche ich, dass kein weiterer Anschnitt vor dem Auflegen auf das Medium nötig ist. Es eignet sich grundsätzlich jedes zur Dac-Aussaat verwendbare Basismedium auch für die Sprosskultur. Mehr zum Medium weiter unten.

Das ist alles eine Übungssache, man darf halt nicht aufgeben, auch wenn der Garten fast leer ist. Vielleicht ist auch etwas Instinkt für die eigenen Fehler notwendig, dass kann ich aber nicht beurteilen.

2. Problem, terminierter Spross in der Winterknospe

Nach der erfolgreichen Oberflächensterilisation, wächst der Spross auf dem Medium, es entwickelt sich eine wunderschöne Blüte im Glas, alles stirbt danach ab. (Wenn der Klon nicht zufällig wenig phenolische Substanz bildet und aus dem Blütensprossgewebe Kallus gebildet werden kann.)

Man kann dies umgehen indem man den Spross einige Tage nach der Oberflächensterilisation kühl lagert, dabei mehrfach im Medium umsetzt um die Akkumulation von phenolische Substanzen zu verhindern.

Nachdem offensichtlich Wachstum eingesetzt hat, sollte der Sprosskegel der Länge nach in zwei oder vier Teile durch das Zentrum geschnitten werden, diese werden auf neues Medium umgesetzt. Nach wenigen Tagen zeigt sich ob man sauber gearbeitet hat, oder ob sich "Endophyten" freiwachsen(eventuell einen Abstrich auf LB machen, da Endophyten die blöde Eigenschaft haben sehr sehr schwachwüchsig zu sein).

Dann bei kühlen Temperaturen abwarten.

Nach einiger Zeit wird Wachstum einsetzen, dies kann charakterlich unterschiedlich sein, ab hier muss eine individuelle Lösung gefunden werden(weiter unten).


Weitere Teile folgen.

winwen

Bin schon gespannt wie es weitergeht!
Wird jetzt immer weiter geviertelt/umgelegt/geviertelt/umgelegt und irgendwann nicht mehr geviertelt sondern gewartet bis sich was ausdifferenziert oder wird jetzt umgelegt auf hormonhaltige Medien um die Bildung von PLBs (protocorm like bodies) zu induzieren?

Charlemann

Hallo Timm,

das hört sich ja alles echt interessant an, aber so einen richtigen Schimmer vondem was Du da machst habe ich immer noch nicht.

Ich verstehe nur das Du einen Trieb der für nächstes Jahr bestimmt ist abnimmst und den maltretierst und später auf ein Medium auflegst.

Gibt es da schon Literatur zu?

Timm Willem

Hallo Zusammen,
leider ist das bei Dac. nicht so einfach, es gibt je nach Klon verschiedene Vorgehensweisen. Ich muss mich da noch ans Schema machen.
Andere Gattungen sind deutlich einfacher. Da kommt man mit einer Methode aus. Bei Dac. gibt es sehr unterschiedliche Wuchsverhalten, da kommt man mit einer Methoden nicht aus.

Es gibt dazu keine Literatur, die eine konsequente Kultur von unsterilen Sprossen bis zur sterilen Jungpflanze beschreiben würde, ist alles selber ausgedacht.

Charlemann

Zitat von: Timm Willem am 14.Sep.10 um 20:32 Uhr
Es gibt dazu keine Literatur, die eine konsequente Kultur von unsterilen Sprossen bis zur sterilen Jungpflanze beschreiben würde, ist alles selber ausgedacht.

Schade.
Aber als Medium benutzt Du schon die gängigen Medien.
Oder mischst Du da etwas besonderes?

winwen

Interessant wäre auch zu wissen, inwiefern durch Hormoneinsatz eine Dedifferenzierung von Gewebe erreichbar wäre, damit keine ganze Pflanze geopfert werden muss zum Einstieg in ein derartiges Protokoll zur vegetativen Massenvermehrung.
Bei Lilien z.B. gibt es die Möglichkeit (anstatt Zwiebelschuppen zu nehmen) eine derartige Kultur bei jungen Ovarien bzw. Blütenknospen zu beginnen, soferne selbige eine bestimmte Größe nicht überschritten haben.

Timm Willem

3. Welcher Regenerationsweg ist bei verschiedenen Klonen möglich?

Regeneration aus einzelnen Zellen oder somatische Embryogenese: (Die erforderlichen Änderungen am Medium werden weiter unten beschrieben.) Sollten auf dem entsprechenden Medium an der Oberfläche der Explantate nach kurzer Zeit direkt PLBs entstehen, können diese abgenommen und auf hormonfreiem Medium weiter kultiviert werden. Problematisch ist dabei, dass bestimmte Klone nicht mehr damit aufhören PLBs zu produzieren, diese stören, wenn man pikierfähige Sprosse haben möchte.

Achsilarmeristemvermehrung: einige Klone bilden regelmäßig, durch Hormone angeregt zwei oder mehrere aus den Blattachselmeristemen auswachsende Seitensprosse. Die fortlaufende Vermehrung sollte dabei durch die frühe Trennung der neuen Sprosse unterstützt werden.

Es bleibt noch die Vermehrung durch fortgesetzte Längsteilung nach der Initiationsphase.
Nachdem der erste Vermehrungszyklus abgeschlossen ist, werden die neu entstandenen Sprosse weitere male der Länge nach geteilt. Bei der Verwendung von hormonhaltigen Medien kann die Anzahl entstehender Sprosse deutlich gesteigert werden.


4. Ein glücklicher Umweg: Oberirdische Pflanzenteile

Es ist durchaus möglich während des Frühsommers auch oberirdische Sprossstücke bei Dactylorhiza in die sterile Kultur zu etablieren. Wenn man zufällig einen Klon erwischt der wenig phenolische Substanzen bildet und zur Regeneration aus Kallus fähig ist. Die Wahrscheinlichkeit ist aber nicht sehr hoch. Wenn man viele Klone zur Verfügung hat und diese vermehren möchte, ist dies einen Versuch wert.
Nach der Oberflächensterilisation sollte man die Exlantate frisch anschneiden und auf ein normales Basismedium mit deutlich erhöhter Hormonkonzentration, ohne Aktivkohle  legen.
Wenn die Explantate steril geblieben sind, sollte das Medium nach kurzer Zeit durch phenoleische Verbindungen rot-schwarz gefärbt werden.  Zu Beginn der Kultur ist es notwendig, häufiger auf frisches Medium umzulegen, um ein Absterben durch Vergiftung zu verhindern.
Es wird zu einer Entwicklung von neuem Gewebe an den Schnittstellen kommen, welcher Art dies Gewebe ist, oder ob überhaupt, viele oder wenig Sprosse entstehen kann man nicht sagen, hängt von der individuellen Pflanze ab.

5. Wachstumsregulatoren für die Vermehrung über eine Kallusphase

Als Basismedium gehe ich immer von einem Dac.-Aussaatmedium aus, z.B. 1/2MS.
Dazu müssen für die Vermehrungs- und Etablierungsphasen Phytohormone ergänzt werden, ist aber zunächst egal ob mit Auxin oder Cytokinin, da die genotypischen Eigenschaften alleine entscheiden was mit dem entstandenen Kallusgewebe weiter passiert. Die Hormone haben zunächst nur die Aufgabe, das Gewebe zur Zellteilung anzuregen.
Ich kann hier nur den allgemeinen Charakter der Kallusentwicklung beeinflusst durch die beiden verschiedenen Wachstumshormon-Gruppen darstellen.

In neueren Arbeiten wird Auxin neben der wuchsfördernden Eigenschaft in der Hauptsache als gestaltgebendes Hormon beschrieben.
Mit Auxin wird eine ausgeprägte Kallusphase erzwungen, bis zur Bildung von Sprossen vergeht mehr Zeit, Sprosse bleiben allgemein kleiner, es werden viele gebildet. Kallus bleibt bei hoher Konzentration stabil.

Cytokinine sind etwas gegen die historische Einordnung die Wachstumshormone schlechthin.
Mit Cytokinin werden die entstehenden Gewebe schneller zur Regeneration von Sprossen gezwungen, die entstehenden Strukturen bleiben ,,organisierter", es werden weniger und größere Sprosse gebildet. Cytokinin fördert in hoher Konzentration auch die Bildung von Kallus, ist aber oft für den entsprechenden Klon bei dieser Konzentration schon giftig.

Als Synergie wird hin und wieder in der Literatur das Zusammenwirken beider Gruppen der Wachstumshormone bezeichnet.(Begriff ist umstritten, da er aus anderen Zusammenhängen abgeleitet wurde) Das Zusammenwirken der beiden Hormongruppen geht oft über die Wirkung der Einzelhormone hinaus.