CCS Carbon Capture and Storage

Begonnen von Berthold, 25.Dez.20 um 21:48 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Berthold

Ist diese Technologie zur CO2-Reduzierung in der Luft sinnvoll?

Ich bin skeptisch, der technische Aufwand ist zu gross.

CCS-Technologie : Das Klima schützen – und CO2 versenken

Auf dem Sleipner-Feld vor Stavanger in Norwegen wird nicht nur Gas gefördert, sondern auch in Gesteinsschichten unter dem Meer verpresst.

CO2 in den Boden pressen, statt zu emittieren? Die CCS-Technologie hatte es hierzulande schwer. Durch den Green Deal wittern Wissenschaftler und Unternehmen eine neue Chance.

    Von Niklas Záboji
    -Aktualisiert am 25.12.2020-21:30 FAZ

Kohlendioxid in die Erde pressen und dort dauerhaft der Atmosphäre entziehen – was futuristisch klingt, ist in Norwegen gelebte Praxis. Und das nicht erst seit vorgestern. Der Startschuss reicht zurück in das Jahr 1996. Damals entschied der norwegische Staatskonzern Equinor, dessen damaliger Namen Statoil noch mehr über sein Geschäft mit fossilen Energien verriet, bei der Gasförderung im Sleipner-Feld anfallendes CO2 zu verflüssigen und in eine Gesteinsformation zu pumpen.

Das kostete umgerechnet einige Millionen Euro, zeigte aber Erfolg: Die seither unterirdisch gespeicherte Menge an CO2 beträgt fast eine Million Tonnen – im Jahr. Rund 20 Millionen Tonnen kommen so mittlerweile zusammen. Nimmt man die beiden später hinzugekommenen Projekte im Gudrun-Gasfeld und auf der Insel Melkøya hinzu, sind es fast 30 Millionen Tonnen – zwei Drittel dessen, was das öl- und gasverwöhnte 5,5-Millionen-Einwohner-Land jährlich emittiert. Die Verpressungsbilanz ist also stattlich, die Technologie erprobt. Zweifel, dass das CO2 wirklich unter der Erde bleibt, konnte Equinor bislang ausräumen. Und zugleich demonstrieren, dass das einträgliche Geschäft mit Öl und Gas nicht nur schmutzig ist.

Neue Chancen durch den Green Deal – auch in Deutschland
In Deutschland dagegen hat das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) einen schweren Stand. Die Technologie wurde vor einigen Jahren diskutiert und im brandenburgischen Ketzin unter Leitung des Deutschen Geoforschungszentrums erprobt. Das Urteil der Forscher war positiv: Die dauerhafte Einlagerung von CO2 in porösen Sandsteinschichten sei sinnvoll und sicher. Doch der politische Rückhalt war schwach und der Widerstand von Umweltverbänden wie Greenpeace, die in CCS-Standorten ,,tickende CO2-Zeitbomben" sahen, stark. Die Sorge grassierte, klimaschädliche Kohlekraftwerke könnten so am Leben gehalten werden. Seit Inkrafttreten des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes von 2012 wurden hierzulande keine CCS-Projekte vorangetrieben. Die Forschungsarbeiten in Ketzin stellte man daraufhin ein.

Die beteiligten Fachleute betrübt das bis heute. Doch mit der neuerlichen Diskussion um den europäischen Green Deal sehen sie neue Chancen – auch in Deutschland. Schließlich trommeln Weltklimarat und Internationale Energieagentur vehement für die Technologie, um sogenannte prozessbedingte Emissionen etwa in der Eisen- oder Zementherstellung unschädlich zu machen – Restemissionen, die durch den Wechsel von Kohle, Öl und Gas auf Erneuerbare und Atomkraft nicht vermieden werden können.

Darauf verweist Hans-Joachim Kümpel, Geophysiker und früherer Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Als Sprecher einer Arbeitsgruppe der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) trommelt auch er für die Verpressungstechnologie. ,,Die Diskussion um CCS wurde in Deutschland früher heftig geführt", sagt er. Doch habe man jetzt ,,eine neue Situation", etwa mit Blick auf neue Bewegungen wie ,,Fridays for Future". Mut machten auch Aussagen von Kanzlerin Merkel (CDU) und Umweltministerin Schulze (SPD), wonach CCS gebraucht werde.

Dass die Technik bei korrekter Anwendung sicher ist, steht für Kümpel außer Frage. ,,Die Premiumspeicher sind ausgeförderte Öl- und Gasfelder, wo zuvor für Millionen von Jahren Kohlenwasserstoffe, oft vermischt mit CO2, eingeschlossen waren", erklärt er. Die seien sicher dicht. Aber auch Salzwasserformationen eigneten sich für CCS. Wichtig sei ein großer, aufnahmefähiger Porenraum mit festen Deckschichten – und dass die Bohrung mindestens bis in einen Kilometer Tiefe reicht. Der Grund: Erst dann ist der normale Druck so hoch, dass CO2 flüssig ist.

,,Wir müssen jede Option nutzen und ungerechtfertigte Bedenken hinter uns lassen", meint Kümpel. ,,Das absehbare Überschießen noch vertretbarer Emissionsmengen kriegen wir wohl nur in den Griff, wenn wir CO2 der Atmosphäre entziehen und verpressen. Wir können nicht weiter zuschauen."

,,CCS kann massiven Beitrag leisten"
Nicht zuschauen, handeln – auch in der um strengere Klimaziele bemühten deutschen Industrie ist CCS längst kein Fremdwort mehr. Als vehementer Fürsprecher positioniert sich Wintershall Dea, Öl- und Gasproduzent aus Kassel. Er wirbt damit, eine 125-jährige Kompetenz im Bereich Rohstoffförderung vorzuweisen – und damit auch das Verpressen von CO2 beherrschen zu können. An einem Projekt in Dänemark ist das Unternehmen schon beteiligt. Selbiges gilt für eine Machbarkeitsstudie für eine neue Anlage in Norwegen und eine Forschungspartnerschaft mit dem Karlsruher Institut für Technologie.

,,CCS kann aus unserer Sicht einen massiven Beitrag leisten, um Europa zu dekarbonisieren", sagt Klaus Langemann, der dem Ressort für Technologie und Innovation bei Wintershall Dea vorsteht. ,,Wir reden ja wirklich über riesige Energiemengen, und allein mit erneuerbaren Energien wird es in den nächsten 20 Jahren nicht funktionieren, aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch aus Platzgründen."

Der Kasseler Konzern verweist auf den vielbeschworenen Energieträger Wasserstoff – der, da grün erzeugt zunächst nur in geringen Mengen verfügbar, auch in türkiser und blauer Variante gebraucht werde. Der Wasserstoff basiert dann statt auf Ökostrom auf Erdgas, ist aber ähnlich klimaneutral, wenn der in der Elektrolyse anfallende Kohlenstoff verwertet – und eben verpresst wird. Nur: Ohne Technologieoffenheit werde das in Deutschland nicht gehen, so Langemann, von Haus aus Chemiker. ,,In der Politik mag die Erkenntnis wachsen, dass es CCS braucht und dass wir die Sache nur mit grünem Wasserstoff und Sonne und Wind allein nicht rund bekommen", sagt er. ,,Aber keiner traut sich so recht. Dabei müsste der Industriestandort Deutschland mehr machen."

Das sieht auch Wilfried Rickels so, Umweltökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft. ,,Bisherige Schätzungen gehen von 10 bis 15 Millionen Tonnen CO2-Abscheidung und Speicherung bei Punktquellen in der Industrie in Deutschland im Jahr 2050 aus", sagt er mit Verweis auf eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewende. Und das sei eine konservative Schätzung, denn negative Emissionstechnologien wie die Entnahme von CO2 aus der Luft und die Verwertung von Biomasse mit anschließender CO2-Verpressung kämen mit rund 50 bis 60 Millionen Tonnen noch hinzu. Zum Vergleich: 2020 werden die deutschen Emissionen wohl um die 750 Millionen Tonnen CO2 betragen. ,,Es ist klar, dass es CCS zur Dekarbonisierung brauchen wird", sagt Rickels. Das sähen alle seriösen Studien vor. Deutschland isoliere sich aber leider, hier werde noch sehr grundsätzlich und ein bisschen irrational darüber diskutiert – wohingegen die Niederlande, Großbritannien und Norwegen rational und pragmatisch damit umgingen.

Betrag von 125 Euro je Tonne
Tatsächlich tut sich im Ausland mehr, nicht nur in Europa. Dem Global CCS Institute zufolge sind derzeit 38 Anlagen in Betrieb, mit denen jährlich 30 Millionen Tonnen CO2 unter die Erde gebracht werden. Die meisten davon stehen in den Vereinigten Staaten und Kanada, doch auch in den arabischen Ländern, Brasilien, China und Australien laufen erste Anlagen. Die Liste an Ankündigungen ist lang. Vor der niederländischen Küste und im schottischen Grangemouth soll es in vier Jahren so weit sein – als erste europäische Projekte außerhalb von Norwegen.

Für Vertreter der deutschen Energiebranche agieren vor allem die holländischen Nachbarn vorbildlich in puncto Regulierung und Logistik. Verpresst werden soll das CO2 dort in ausgeförderten Lagerstätten in der Nordsee, schließlich ist die Gasförderung schon seit Jahren rückläufig und ihr Ende politisch besiegelt. Zugute kommt den Niederlanden dabei, große Industriecluster unweit der Küste zu haben. Vor dem Abtransport aufs Meer kann das CO2 dort gesammelt werden. Dass sich Investitionen in die CCS-Technologie lohnen, liegt in den Niederlanden aber nicht nur am wohlwollenden politischen Umfeld. Die Kosten spielen eine wesentliche Rolle. So wird zum Jahreswechsel eine neue Industrieabgabe auf CO2 eingeführt. Im Jahr 2030 soll diese 125 Euro je Tonne betragen und damit rund das Vierfache jener 30 Euro, die die Tonne derzeit im Emissionshandel kostet.

Zwar gibt es nicht den einen Punkt, an dem sich das Verpressen schlagartig lohnt. Dazu sind die Vermeidungskosten von Branche zu Branche zu verschieden. Doch Fachleute sind überzeugt: Steigt der Preis im Emissionshandel weiter an und gibt es zusätzliche nationale Maßnahmen wie in den Niederlanden, ändert sich die Rechnung schnell. ,,Mit 30 Euro die Tonne sind wir noch nicht im wirtschaftlichen Bereich, aber mit 40 bis 80 Euro kann man schon sehr viel CO2 einsammeln und wegsperren", meint Geophysiker Kümpel. Die niedrig hängenden Früchte gebe es schon um die 50 Euro die Tonne, und neben der Zementindustrie sei CCS sodann auch für die Bereiche Eisen und Stahl oder Müllverbrennungsanlagen denkbar. Bei der Ammoniaksynthese seien es gar nur etwa 3 bis 5 Euro je Tonne CO2, weil das Klimagas da das einzige Nebenprodukt bei der Herstellung ist, ergänzt Klaus Langemann von Wintershall Dea. Klar müsse aber sein, dass für Transport und Einlagerung noch einige Euro hinzukommen – und Privatunternehmen natürlich nicht margenfrei operieren können.

,,Anders als Wasserstoff, wo wir noch ganz am Anfang stehen, ist CCS erprobt"
In Norwegen übernimmt die Kosten bisweilen der Staat. Erst Mitte Dezember gab er grünes Licht zur Förderung des CCS-Projekts ,,Northern Lights", das, von den Energiekonzernen Equinor, Shell und Total gemeinsam entwickelt, 2024 in Betrieb gehen soll. Schon ist von Norwegen als dem neuen ,,Mülleimer Europas" die Rede. Das hat auch damit zu tun, dass ein Teil der rund 1,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse in ein Zementwerk in Brevik fließt. Das deutsche Unternehmen Heidelberg-Cement investiert dort 300 Millionen Euro. 85 Prozent davon übernehme der norwegische Staat, sagt ein Konzernsprecher. Man sei stolz, dort die mit weitem Abstand erste CO2-Abscheideanlage im industriellen Maßstab in einem Zementwerk zu errichten.

Und in Deutschland? ,,Anders als Wasserstoff, wo wir noch ganz am Anfang stehen, ist CCS erprobt", sagt der Kieler Ökonom Rickels. Natürlich gebe es in Deutschland Speichermöglichkeiten, selbst an Land. Da aber Anwohnerproteste zu befürchten seien, glaubt Rickels eher an eine Verpressung im Meer, ähnlich wie in den Nachbarländern.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe habe zusammen mit den norddeutschen Bundesländern ,,sehr sorgfältige Abschätzungen" gemacht zum CCS-Potential in der deutschen Nordsee, betont Acatech-Vertreter Hans-Joachim Kümpel. Demnach könnten dort etwa 3 Milliarden Tonnen CO2 gespeichert werden, also etwa das Vierfache der momentanen Jahresemissionen. Als Sammelstelle sei etwa das Ruhrgebiet geeignet. Aber: Gelingen könne all das nur, wenn der gesellschaftliche Rückhalt da sei.

,,Wir brauchen in Deutschland eine breite Diskussion über CCS und andere Optionen zur CO2-Neutralität im Jahr 2050, ähnlich der nationalen Plattform zur Zukunft der Mobilität", fordert Kümpel. Man erlebe, wie Länder ringsum in der Nordsee die Infrastruktur aufbauen – und Deutschland Zuschauer sei.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Ich sehe einen Sinn in CCS, nur wenn man das CO2 aus Luft mit sehr hoher CO2-Konzentration abtrennt wie z. B. in den Abgasen eines Kohle-/Braunkohlekraftwerkes.

Die aktuelle CO2-Konzentartion 0.04 % der Luft ist viel zu gering für eine sinnvollen Abscheidung.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

walter b.


Berthold

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Berthold

Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)