Orchideenkultur

Fachbereich => Allgemeines => Thema gestartet von: Eerika am 19.Mär.19 um 13:02 Uhr

Titel: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 19.Mär.19 um 13:02 Uhr
Ich arbeite gerade an einem kleinen Projekt und stelle gerade fest, dass KEW die Gattung Neofinetia gecancelt hat, die sind jetzt Vanda.

Das ist aber jetzt nicht die erste Überraschung gewesen, es ist alles durcheinander, wie Kraut und Rüben. :devil
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 19.Mär.19 um 13:49 Uhr
Hallo Eerika,

das ist doch Ansichtssache!

Meiner Meinung nach hat sich in der Nomenklatur in den letzten Jahren Vieles geklärt und entwirrt. Erste Ideen in diese Richtung gab es übrigens schon Mitte des letzten Jahrhunderts (z.B. bei Dressler, Die Orchideen).

Es wird unter Anderem versucht, monotypische und Kleinst-Gattungen (ob die jetzt Sedirea, Ascocentrum, Euanthe, Trudelia, Cattleyella, Sophronitis oder wie sonst auch immer heißen) zu vermeiden. Würde man diese beibehalten müsste man aufgrund der neueren Erkenntnisse aus den Genenalysen nämlich "alte" Gattungen wie Phalaenopsis, Vanda oder Cattleya weiter zerlegen, um die Untersuchungsergebnisse logisch umzusetzen.

Erkenntnis à la carte gibt es halt nicht...

Viele Grüße
Walter
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 19.Mär.19 um 14:44 Uhr
Das ist mir alles klar, aber wenn alles auf einmal kommt, ist man durcheinander.

Habe gerade die Odontoglossum sortiert, denn ich muss die neuen Namen eingeben, das Programm ist mit KEW gekoppelt. Dass Odontoglossum nicht mehr gibt, das wusste ich, aber dass die so Einiges zu den Oncidien geschmissen haben. Zum Beispiel das bekannte crispum, der ist jetzt Oncidium alexandrae (Oncidium crispum gab es ja schon....)
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 19.Mär.19 um 15:48 Uhr
Genauso ist es. Und in diesem Fall muss man eben den prioritär folgenden Namen nachrücken lassen oder einen neuen vergeben. Im genannten Fall eben Oncidium alexandrae. Als Odontoglossum crispum 1845 von Lindley beschrieben, 1864 noch einmal als Odontoglossum alexandrae.

In anderen Fällen lehnt man "neue" Namen an die alten an. So heißt die frühere Sophronitis bicolor jetzt Cattleya dichroma (was statt Latein Griechisch ist, übersetzt aber genau das gleiche heißt), und Laelia kautskyi wird jetzt Cattleya neokautskyi gerufen.

Da Laelia dayana nur einmal beschrieben wurde, Cattleya Dayana aber die Hybride zwischen guttata und forbesii ist, wurde sie von Van den Berg 2008 in Cattleya bicalhoi (nach Herrn Bicalho aus Brasilien, der zum Beispiel Mitbeschreiber von Cattleya alaorii ist) umbenannt.

Und so weiter und so fort...
Ist aber auch interessant!

Warum Laelia kautskyi jetzt Cattleya neokautskyi heißt, erschließt sich mir im Moment nicht. Habe ich nämlich gerade zu recherchieren versucht.  Cattleya kautskyi ist zwar die Naturhybride zwischen warneri und harrisoniana und wurde 1975 beschrieben, Laelia kautskyis Beschreibung stammt allerdings schon aus 1970. Die einzige mir logisch scheinende Erklärung wäre dass die Hybride in Kultur (als Cattleya Kautskyi) schon vor 1970 registriert wurde. Selbst Withner wirft in seinem Buch die Namen kautskyi und kautskyana durcheinander, obwohl diese nach meinem Verständnis heute zwei deutlich unterschiedliche Arten benennen...

Viele Grüße
Walter
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Rüdi am 19.Mär.19 um 16:02 Uhr
Das schaffen meist nur Nomenklaturbegeisterte, sich immer die neuesten Benennungen zu merken.
vor 30 Jahren hat man ein(e) "........"  "......." gekauft. Dazu ergibt sich ein festes Bild im Kopf. Nach der 6. oder 7. Umkombinierung fällt es außerordentlich schwer, alles Vorherige zu verbannen und bis in 2 Jahren (nächste Änderung der Gattung) den jetzt korrekten Namen zu behalten.   :swoon

und: Beim Orchideengärtner wird man sie in 10 Jahren noch unter dem ursprünglichen Namen kaufen können.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 19.Mär.19 um 16:15 Uhr
So ist es.
Die Händler müssen auch nach alten Namen Bestellen, denn Brasilien, Mexico usw pfeiffen auf KEW und unser Zoll kann mit den neuen Namen wohl auch nichts anfangen.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 20.Mär.19 um 10:19 Uhr
Zitat
ZitatDas schaffen meist nur Nomenklaturbegeisterte, sich immer die neuesten Benennungen zu merken.
Ich sage einmal, das hält jung!

Namensänderungen hat es immer gegeben.
Und die Untersuchungen der Genetik haben eben revolutionäre Ergebnisse gebracht...
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Berthold am 20.Mär.19 um 10:31 Uhr
Zitat von: walter b. am 20.Mär.19 um 10:19 Uhr
Zitat
ZitatDas schaffen meist nur Nomenklaturbegeisterte, sich immer die neuesten Benennungen zu merken.
Ich sage einmal, das hält jung!

Namensänderungen hat es immer gegeben.
Und die Untersuchungen der Genetik haben eben revolutionäre Ergebnisse gebracht...

Aber der primäre Sinn der Namensgebung ist die eindeutige Identifizierung einer Art weltweit über lange Zeit.
Da macht es keinen Sinn, die Namen nach irgendwelchen Erkenntnissen permanent umzuändern.
Man kann die gesamten genetischen Eigenschaften einer Pflanze eh nicht alle im Namen der Pflanze unterbringen.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 20.Mär.19 um 11:05 Uhr
Aber man kann doch auch nicht grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse negieren bloß weil sie die Nomenklatur betreffen und sich ein paar Leute neue Namen nicht merken wollen!

Bei der aktuell gebräuchlichen Nomenklatur geht es übrigens nicht um die Unterbringung aller genetischen Eigenschaften im Namen. Das war davor...
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Berthold am 20.Mär.19 um 11:36 Uhr
Zitat von: walter b. am 20.Mär.19 um 11:05 Uhr
Aber man kann doch auch nicht grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse negieren bloß weil sie die Nomenklatur betreffen und sich ein paar Leute neue Namen nicht merken wollen!

Bei der aktuell gebräuchlichen Nomenklatur geht es übrigens nicht um die Unterbringung aller genetischen Eigenschaften im Namen. Das war davor...

Natürlich darf man sie nicht ignorieren, z. B. bei Züchtungen.  Aber man muss sie nicht auf die Namensgebung übertragen
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 20.Mär.19 um 12:32 Uhr
Wieso soll man das nicht dürfen. Ich meine das muss man sogar.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 20.Mär.19 um 12:42 Uhr
Zitat von: walter b. am 20.Mär.19 um 11:05 Uhr
Aber man kann doch auch nicht grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse negieren bloß weil sie die Nomenklatur betreffen und sich ein paar Leute neue Namen nicht merken wollen

Du hast übersehen, was ich geschrieben habe.

Kein Händler kann Pflanzen z.B. aus Brasilien nach KEW-s Liste bestellen, denn die Brasiliana orientieren sich nicht nach KEW und unsere Zöllner haben auch nicht die KEW - Listen, sondern die alten Listen mit Laelia und Sophronitis drauf.

Das sind keine paar Leute, die sich die Namen merken wollen.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 20.Mär.19 um 13:11 Uhr
Zitat von: walter b. am 19.Mär.19 um 15:48 Uhr
Warum Laelia kautskyi jetzt Cattleya neokautskyi heißt, erschließt sich mir im Moment nicht. Habe ich nämlich gerade zu recherchieren versucht.  Cattleya kautskyi ist zwar die Naturhybride zwischen warneri und harrisoniana und wurde 1975 beschrieben, Laelia kautskyis Beschreibung stammt allerdings schon aus 1970.

Walter, aktuell gibt es bei KEW Kautskyana und x kautskyi und kautskyi.

Laelia kautskyana und L. kautskyi = Cattleya neokautskyi

Laelia x kautskyi = Cattleya x espirito - santensis. und das ist die Hybride zwischen pumila x xanthina.
(Pabst) J.M.H.Shaw, Orchid Rev. 125(1319, Suppl.): 57 (2017).

Eine Hybride mit warneri x harrisoniana finde ich bei Cattleyas, nämlich Cattleya x kautskyi = C. harrisoniana x C. warneri. Pabst, Bradea 2: 50 (1975)

Das soll sich nun jemand merken grins
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: FlorianO am 20.Mär.19 um 13:18 Uhr
Geht es in der Namensänderung darum die Verwandtschaftsverhältnisse korrekt aufzuzeigen und nicht wie gut sich eine bestimmte Person ein Name merken kann oder einen neuen lernen möchte?
Längerfristig werden sich auch die aktuellen korrekten Gattungsnamen durchsetzten, auch in Brasilien.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Rüdi am 20.Mär.19 um 13:41 Uhr
Florian, das stimmt ja. Wenn die Verwandtschaft so geklärt werden kann, OK - auch wenn der Habitus extrem different erscheint und auch die Vorkommen weit auseinander liegen.
z. B. mal Anacheilium cochleatum:
Aulizeum cochleatum [L.] Lindley 1892;  Encyclia cochleata [L.] Lemee 1955;  Encyclia lancifolia (Pav. Von Lindl.) Dressler & GE Pollard 1971 * Epidendrum cochleatum L. 1763;  Epidendrum cochleatum Var.  Costaricense Schltr.  1923;  Epidendrum cochleatum Var.  grandiflorum Mutel 1838;  Epidendrum cochleatum Var.  Pallidum Lindl .;  Epidendrum lancifolium Pav.  ex Lindl.  1853;  Hormidium cochleatum [L.] Breiger 1977;  Phaedrosanthus cochleatus O. Ktze.  1904;  Prosthechea cochleata (L.) WE Higgins 1997
Wie ist der aktuelle Stand?
Und unter welchem Namen würdest Du eine solche Pflanze verkaufen wollen? Wo sucht ein Käufer in der Liste? Es gibt noch einige Händler die die Pflanze unter Epidendrum cochleatum führen.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 20.Mär.19 um 14:03 Uhr
Zitat von: Rüdi am 20.Mär.19 um 13:41 Uhr

Wie ist der aktuelle Stand?

Laut KEW gibt es Anacheilium nicht mehr.

Anacheilium cochleatum wäre jetzt: Prosthechea cochleata (L.) W.E.Higgins, Phytologia 82: 377 (1997 publ. 1998).
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: FlorianO am 20.Mär.19 um 14:25 Uhr
Die alten Namen sind ja nicht falsch, sie sind ja nur veraltet und können weiterhin als Synonym in dem Katalog stehen damit die Suche weiterhin greift.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 20.Mär.19 um 14:39 Uhr
ZitatWenn die Verwandtschaft so geklärt werden kann, OK

Geklärt werden kann die Verwandtschaft durch den Namen oder deren Änderung nicht, aber dargestellt! Geklärt wird sie momentan hauptsächlich durch genetische Untersuchungen.

Eerika, als Laelia kautskyana wird ein oranges Steinchen mit cinnabarina-Ähnlichkeit gehandelt (auch bei O&M). Ist nochmal etwas komplett Anderes als Laelia kautskyi/Cattleya neokautskyi.
Vielleicht wurde die Art auch nie korrekt beschrieben und ist deswegen nicht bei Kew gelandet. Möglicherweise wurde der Name aber inzwischen eingezogen und ist mit irgendeiner der ähnlichen Arten synonym. Oder aber es musste durch die Namensgleichheit (Withner schreibt in seinem Buch "The Cattleyas and their relatives" von kautskyi/neokautskyi als kautskyana) überhaupt ein anderer gefunden werden...
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: orchis pallens am 21.Jul.20 um 18:15 Uhr
Manche Sachen sind meines Erachtens auch völliger Humbug. Nigritella und Gymnadenien in eine Gattung zu schmeißen, trotz erheblicher Unterschiede. Oder Barlia und Himantoglossum, beides völlig verschiedene Pflanzen, Coeloglossum und Dactylorhiza, ich könnte da noch viele Sachen aufzählen.

Aber in dieser Hinsicht sind die Lager sehr gespalten, wie sonst auch, ich bin da sehr konservativ und wenig begeistert für Veränderungen.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Stanislav am 26.Jul.20 um 10:04 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 21.Jul.20 um 18:15 Uhr
Manche Sachen sind meines Erachtens auch völliger Humbug. Nigritella und Gymnadenien in eine Gattung zu schmeißen, trotz erheblicher Unterschiede. Oder Barlia und Himantoglossum, beides völlig verschiedene Pflanzen, Coeloglossum und Dactylorhiza, ich könnte da noch viele Sachen aufzählen.

Aber in dieser Hinsicht sind die Lager sehr gespalten, wie sonst auch, ich bin da sehr konservativ und wenig begeistert für Veränderungen.
To rename plants, I want to say that in some cases it is not necessary, but possible, ie debatable (Nigritella - Gymnadenia, Coeloglossum - Dactylorhiza). In other cases, however, it is justified because it eliminates polyphilecity - see the case of Orchis, Anacamptis, Neotinea. Polyphyletic taxon (polyfylum): A group of species that do not have an ancestor that would be common just to them. It is therefore not a matter of arbitrariness of botanical authorities, but of scientific knowledge based on DNA analysis.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Muralis am 28.Jul.20 um 12:36 Uhr
Ich zweifle die Erkenntnisse von DNA-Studien in keinster Weise an, denn davon verstehe ich nichts. Aber es war nie der Sinn von Namensgebung, verschieden aussehende Sachen gleich zu benennen. Menschen haben seit jeher verschieden aussehenden Dingen verschiedene Namen gegeben, und zwar aus Gründen der Zweckmäßigkeit, eben, um die Dinge zu unterscheiden.
Seit Einzug dieser DNA-Untersuchungen werden nun völlig verschieden aussehenden Pflanzen und Tieren gleiche Namen gegeben und andererseits homogen aussehende Gattungen aufgespalten bis hinunter zu monotypischen Gattungen.

Und das halte ich für eine Pest! Es ist nicht im Sinne des Erfinders und auch nicht zweckmäßig, denn Menschen sollen mit Namen etwas anfangen können. Das Diktat von Genetikern interessiert mich nicht.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Berthold am 28.Jul.20 um 13:05 Uhr
Wolfgang, es gibt in der Natur aber auch Konvergenz. Die Pflanzen gleichen sich durch äussere Einflüsse optisch sehr stark an, obwohl sie zu völlig anderen Gattungen und sogar Familien gehören.
Sollte man ihnen den selben Namen geben?

Man muss da einen Kompromiss finden.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Eerika am 28.Jul.20 um 16:04 Uhr
Zitat von: Muralis am 28.Jul.20 um 12:36 Uhr
Menschen haben seit jeher verschieden aussehenden Dingen verschiedene Namen gegeben, und zwar aus Gründen der Zweckmäßigkeit, eben, um die Dinge zu unterscheiden.


:thumb

Ich habe mehrere Standortfotos von Odontoglossum sp. aus Ecuador.

Ich poste die Bilder gerade bei iNaturalist, aber die Odontoglossumbilder kann ich nicht posten!
Odontoglossum gibt es nicht mehr, die Arten, die ich hatte, waren specs. Ich weiss ja nicht, was aus denen geworden ist, als was ich sie posten soll.
Möglichkeiten gibt es viel: Oncidium, Rhynchostele, Cyrtochilum, Otoglossum, Aspasia, Rossioglossum, Miltonia, Cuitlauzina... :sad:
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: FlorianO am 29.Jul.20 um 08:31 Uhr
In der Taxonomie geht es nicht darum ähnlich aussehendes einzuteilen, es geht um die Einordnung der Lebewesen in systematische Kategorie, dabei ist die Gentechnik ein ein Werkzeug was in vielen Fällen gut Aufschluss geben kann und zum Beispiel auch nicht gleich offensichtliche Verwandtschaftsverhältnisse aufzeigen kann.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 30.Jul.20 um 13:55 Uhr
Das sehe ich auch so. Sonst könnten wir die Pflanzen in Bäume, Sträucher, rote, gelbe, weiße und gelbe Blumen einteilen...
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Muralis am 30.Jul.20 um 23:08 Uhr
Das mag ja alles recht schön und gut sein für die Taxonomen und vor allem für die Genetiker, die sich hier ihre eigenen Denkmäler setzen können. Aber ich denke doch, dass letztlich die Wissenschaft für die Allgemeinheit arbeitet, von der sie auch bezahlt wird. Und die sollte am Ende auch irgendwo verstehen, was da herauskommt, nicht ausschließlich die wissenschaftliche Elite ( da wundert es mich gerade bei dir Walter, dass du dieses Elitendenken so unterstützt  ;-) ).

Ich würde diese Änderungen ja geistig auch noch irgendwie "derpacken" und hab ja auch eine gewisse Expertise. Aber ich bin schon sehr froh, dass ich meine Bezirksflora schon 2001 geschrieben habe, noch vor diesen genetischen Ergüssen. Ich musste das Vorkommen von über 1400 Pflanzenarten in unzähligen Familien und Gattungen verarbeiten, und da tat ich mir schon leichter, weil die Familien und Gattungen in sich eben homogen waren, da kann man auch als Einzelkämpfer diese Datenfülle ordnen und bewältigen.
Und vor allem - auch meine Leser sollten damit etwas anfangen können. Damals waren Blütenmerkmale entscheidend, nicht Gene. Aber das Niveau, wonach die Pflanzen in Bäume, Sträucher, rote und gelbe eingeteilt werden, das hatte ich doch auch damals deutlich überschritten. Immerhin habe ich eine Menge respektabler Rezensionen einsacken können  :yes (z.B.: https://www.zobodat.at/pdf/NEIL_2-3_0299-0338.pdf#page=13   Seite 311)
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Muralis am 31.Jul.20 um 11:40 Uhr
Ergänzend wäre noch anzumerken: Die Sache mit den brasilianischen Ex-Lälien betrifft das z.B. nicht. Denn da sieht man ja auch, dass sie den mexikanischen Lälien, die eine abgegrenzte, eigenständige Gruppe darstellen, nicht wirklich sehr ähnlich sind, vielmehr den brasilianischen Cattleyen (abgesehen von den Pollinien). Da hat mich Walter definitiv überzeugt  :yes

Überhaupt habe ich bei meinem ursprünglichen Post ein bisschen auf den Putz gehauen, damit die Diskussion ein wenig in Gang bleibt  ;-) In Wahrheit ist das, was ich oder andere hier glauben, ohne Relevanz. Man kann höchstens seine Meinung äußern und die anderer erfahren, aber man kann kaum jemanden überzeugen und schon gar nicht den Lauf der Dinge ändern. Und mich kann grundsätzlich auch keiner überzeugen. Ich hab mich in der Prä-Genetiker-Ära wohler gefühlt und eine Orchis wird bei mir keine Neotinea. Und eine Anacamptis auch nicht. Aber extrem ernst nehmen muss man das alles nicht  grins
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: FlorianO am 31.Jul.20 um 13:47 Uhr
Die alten Namen sind ja auch nicht falsch, sie sind nur veraltet  :thumb
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Stanislav am 31.Jul.20 um 16:33 Uhr
Zitat von: Muralis am 31.Jul.20 um 11:40 Uhr
Ich hab mich in der Prä-Genetiker-Ära wohler gefühlt und eine Orchis wird bei mir keine Neotinea. Und eine Anacamptis auch nicht.
The renaming also took place in the so-called "Prä-Genetiker-Ära". E.g. the current Himantoglossum caprinum changed its names as follows:
Orchis caprina 1819
Aceras caprinum 1835
Loroglossum caprinum 1890
Current taxonomy tries to put plants into kinship (monophyletic) groups, which is a more exact approach than subjective evaluation by appearance. It is definitely not a question of taxonomists to build their own monuments.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 31.Jul.20 um 18:34 Uhr
ZitatAber ich denke doch, dass letztlich die Wissenschaft für die Allgemeinheit arbeitet, von der sie auch bezahlt wird.

Aber Wolfgang, das heißt dass die Wissenschaftler empirische Erkenntnisse nach "angenehm oder unangenehm für die Allgemeinheit (wer auch immer das sein soll; ich scheinbar nicht, denn ich lerne gerne dazu)" reihen sollen und letztere ignorieren? Und was macht man dann bloß mit dem (mehr oder weniger breiten, je nach Ansicht, Interesse und Toleranz) Graubereich?
Ich glaube, da könntest Du an Deinem Bild von Grundlagenforschung noch etwas arbeiten.

ZitatUnd die sollte am Ende auch irgendwo verstehen, was da herauskommt, nicht ausschließlich die wissenschaftliche Elite ( da wundert es mich gerade bei dir Walter, dass du dieses Elitendenken so unterstützt  ;-) ).

Also, eine wissenschaftliche Elite ist ja wohl etwas Anderes als irgend eine andere...
Die "die" darf aber durchaus auch ihren Kopf benutzen, wenn es da etwas zu verstehen gibt. Bei gewissen Erkenntnissen gibt es vielleicht auch gar nicht so viel zu verstehen, oft reicht es wenn man näher hinschaut. Zum Beispiel um zu verstehen dass purpurata eine Cattleya ist und sicher keine Laelia. Oder eben auch bei den europäischen Orchideen.

ZitatIch hab mich in der Prä-Genetiker-Ära wohler gefühlt und eine Orchis wird bei mir keine Neotinea. Und eine Anacamptis auch nicht. 

Wie gesagt, in der Grundlagenforschung kann es nicht vordergründig darum gehen dass sich jemand wohl oder nicht wohl fühlt, es geht schlicht und ergreifend um Erkenntnisgewinn.
Wenn Du Dir aber gewisse Zusammenhänge ansiehst, wie zum Beispiel die natürliche Hybridisierung, wird auch das deutlich nachvollziehbarer. Natürlich kann man die Gattung Orchis noch größer machen, aber da sprechen wohl auch einige Aspekte dagegen. Wo sich doch "Orchis" auch sehr wiederspruchsfrei aufteilen lässt. Sinnvoll ist es dabei jedenfalls über die Grenzen Österreich bzw. Mitteleuropas zu schauen und Arten aus dem restlichen Europa und dem Mittelmeergebiet einzubeziehen.

Gewisse Artengruppen der früheren "Orchis" hybridisieren regelmäßig miteinander und mit ehemals anderen früheren (oft monotypischen) Genera, mit anderen "Orchis" hingegen so gut wie nie.
Als Erstes denke ich da an Kreuzungen von Orchis anthropophora mit anderen Arten ihrer Verwandtschaft wie militaris, simia, usw., die ganze Hybridschwärme bilden können.
Oder ist für mich die optische Ähnlichkeit von Neotinea maculata mit N. ustulata ein offensichtlicher Hinweis auf eine Verwandtschaft dieser Arten. Die Häufigkeit von N x dietrichiana bei gemeinsamem Vorkommen der Elternarten erklärt den Rest...
Bei Anacamptis läuft es ähnlich. Hier stellt allerdings die unterschiedliche Blütezeit von A. pyramidalis eine recht effektive Kreuzungsschranke dar (doch kommt auch das vor), vor allem die Arten der morio-Gruppe kreuzen munter miteinander, wo immer sie sich treffen. Seltener mit "Anteriorchis" und "Paludorchis" (wenn man die weiter abtrennt), wobei auch das regelmäßig vorkommt. Interessanterweise aber mit keiner "echten" Orchis oder einer Neotinea, selbst am gemeinsamen Standort.

ZitatAber extrem ernst nehmen muss man das alles nicht

Das bleibt Jedem und Jeder selbst überlassen. Doch ist das doch alles sehr interessant und erweitert den Horizont.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Stanislav am 01.Aug.20 um 06:58 Uhr
I agree with Walter's views. From the beginning, I also looked with displeasure at the division of the genus Orchis, but when I understood its essence, I had to agree. The ability to cross is also a good indicator for non-geneticists to assess species relatedness. An example is Anacamptis collina, which has long been a puzzle for taxonomists. It is more similar to some Orchis than Anacamptis, but it easily crosses, for example, with Anacamptis papilionacea. Genetic analysis confirmed its relationship with the genus Anacamptis.
However, there are also efforts by some botanical authorities to further divide the already monophyletic genera Orchis and Anacamptis into other smaller monophyletic genera, such as Androrchis, Herorchis, Paludorchis, Vermeulenia. It is possible from a taxonomic point of view, I no longer like it and I hope that it will not take hold.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Muralis am 01.Aug.20 um 10:09 Uhr
Zitat von: walter b. am 31.Jul.20 um 18:34 Uhr
ZitatAber extrem ernst nehmen muss man das alles nicht
Das bleibt Jedem und Jeder selbst überlassen. Doch ist das doch alles sehr interessant und erweitert den Horizont.

Puh, jetzt wird´s kompliziert. Man könnte Seiten drüber schreiben, nur dafür ist es mir zu wenig wichtig. Kurz zusammengefasst: Natürlich haben alle, insbesondere Stanislav und Walter, ganz bestimmt weitestgehend recht und ich bin da sowieso sehr tolerant, auch wenn ich an meinem Bild von Grundlagenforschung noch arbeiten soll. Was aber nichts dran ändert, dass ich bei meinen bereits beschriebenen Standpunkten bleibe, denn die sind ja über die Jahre gereift.

Das Geld an die Wissenschafter verteile ja nicht ich, sondern die Entscheidungsträger (Politiker). Und die lassen Wissenschaften wie Botanik gerade am Existenzminimum zappeln wie etwa auch das Bundesheer, weil es für sie nicht wichtig ist. Noch dazu, wenn die dann noch ständig die Namen ihrer Forschungsgegenstände ändern und da ihre Energie reinstecken.

Das Problem ist ja nicht eins, das nur die "Orchideenkunde" betriffft. Es ist mit den Namen überall dasselbe. Als ich vor einigen Jahren mich einmal eine Zeitlang mit Nachtfaltern beschäftigte, lernte ich einen der profiliertesten niederösterreichischen autodidaktischen Amateur-Lepidopterologen kennen. Bei dem Thema geht es etwa um 4000 Arten. Er teilte mir mit, dass er es mit den ständig wechselnden Gattungsnamen längst aufgegeben habe, er würde am Leuchtturm nur Artnamen notieren. Aber auch hier gibt es Leute, die ständig den aktuell gültigen Namen nachjagen.

Über die Jahrzehnte habe ich mich mit den verschiedensten faunistischen Artengruppen beschäftigt, es kommen tausende Namen zusammen, die ständig gewechselt werden sollen. Irgendwann hat man mit zunehmendem Alter genug davon. Wobei hier die Orchideen nur ein Nebengeräusch sind. Nimmt man aber die Arten weltweit her, dann steht man hier auch bei zigtausenden Arten. Wenn Florian meint, es passt schon, die Namen seien ja nur veraltet, dann sage ich: Auch die jetzigen Namen werden über kurz oder lang wieder veraltet sein und die Halbwertszeit wird immer kürzer. Die babylonische Sprachverwirrung ist immer und überall, und so wie überall lernen wir aus der Geschichte nichts.

Nein, die Namenjagd ist absolut nicht mein Schwerpunkt, da halte ich den Naturschutz für weitaus wichtiger. Was nützt es mir, wenn ich nomenklatorisch auf dem neuesten Stand bin und die Arten sterben mir inzwischen weg? Um bei den Beispielen zu bleiben: Anacamptis pyramidalis ist inzwischen im Bezirk Melk ausgestorben (wie übrigens auch Arten wie Herminium monorchis, Ophrys insectifera, Epipactis microphylla und noch einige andere). Die vor 20, 30 Jahren noch rel. häufige Orchis morio hat noch weit verstreute reliktäre Inselvorkommen. Orchis tridentata und ustulata haben auch massive Standortsverluste hinnehmen müssen, und da ist es mir dann auch egal, wie die heute heißen.
Wissenschaftler, die sich dazu aber prominent in den Medien äußern, die fallen kaum einmal auf. Das niederösterreichische Straßenbau-Budget ist astronomisch im Vergleich zu dem lächerlich winzigen Budget der nö. Naturschutzabteilung. Dort ist aber auch kein größeres notwendig, denn wie mir Insider berichten, ist der jeweilige Chef dieser Abteilung kein Naturschutzfachmann, sondern ein Jurist, der den politischen Auftrag hat, echten Naturschutz mit allen Mitteln zu verhindern.
Die bekannten NGO´s bleiben ebenfalls stumm - weil sie von den Politikern finanziell abhängig sind. Sie müssen von den Fördergeldern die Jobs ihrer Mitarbeiter finanzieren, da kann man nicht lästig sein. Die Bevölkerung weiß von allen diesen Dingen nichts und wird obendrein medial manipuliert. Ein bekannter österreichischer Wildbienenexperte bezeichnete mir gegenüber die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Bienenkampagne der nö. Landesregierung als "fake news", die so in Deutschland absolut undenkbar wäre.

Ich komme jetzt vom Thema ab, aber man kann sich vorstellen, vor welchem Hintergrund ich da diskutiere. Ich engagiere mich vor allem im Naturschutz in einer kleineren regionalen NGO, die die heutigen Möglichkeiten versucht auszunutzen (Stichwort Aarhus-Konvention) und habe leider kaum Zeit, mein Bild von Grundlagenforschung zu entwickeln  ;-)
Die ständig wechselnden Namen behindern mich aber eher dabei.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Ruediger am 01.Aug.20 um 15:03 Uhr
Zitat von: orchis pallens am 21.Jul.20 um 18:15 Uhr


Aber in dieser Hinsicht sind die Lager sehr gespalten, wie sonst auch, ich bin da sehr konservativ und wenig begeistert für Veränderungen.

Das häufige hin und her dient nicht der Sache, Übersichtlichkeit und Struktur in die Pflanzenwelt zu bringen, da wollen sich lieber ein paar Taxonomen profilieren bzw. verewigen.
So ist es zumindest mein Eindruck.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 01.Aug.20 um 19:39 Uhr
Aber natürlich geht es um Übersichtlichkeit und die Umsetzung neuer Erkenntnisse in die Nomenklatur. Es steht Jedem und Jeder frei Botanik zu studieren, dann Systematik zu machen, die Genetik von Pflanzenfamilien aufzudröseln und dann Erkenntnisse daraus abzuleiten.
Das mit dem Profilieren möchte ich einmal in Frage stellen, das wird bei allen Tier- und Pflanzenfamilien gemacht. Auch bei denen wo nicht viel Ruhm einzufahren ist. Es geht um Erkenntnisgewinn, wie es die Wissenschaft eben zum Ziel hat.
Und soll man die Erkenntnisse verstecken, weil sie irgendjemandem nicht gefallen könnten?
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Ruediger am 01.Aug.20 um 21:25 Uhr
Das denke ich bei fast innerhalb kürzerer Zeit geschehen Umsortierungen leider nicht, wenn man mit dem Umschreiben der Schilder bald nicht mehr nachkommt, stimmt was nicht.

Solche Albernheiten beobachtet man in der Wissenschaft ansonsten nicht, zumindest nicht in den Bereichen in denen ich unterwegs war und bin.
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: walter b. am 01.Aug.20 um 22:12 Uhr
Rüdiger, es ist mit der Sequenzierung der Gene eine neue Methode dazu gekommen, die revolutionäre Erkenntnisse erlaubt hat. Leider wurde in zumindest einem Fall zu früh geschossen, nämlich als man die brasilianischen "Laelien" zu "Sophronitis" umkombiniert hat. Erst erweiterte Untersuchungen haben gezeigt, dass die ganze Gruppe monophyletisch ist und unter "Cattleya" vereint werden kann. Die Alternative wären mehrere Gattungen, darunter einige Klein- bis Kleinstgattungen. Das hätte dann mit unserer bisherigen Systematik auch nicht mehr viel gemein. Da wären die bifoliaten Arten als Erstes abzutrennen, denn außer (relativ) großen Blüten haben die mit dem Rest nicht viel gemein (da braucht man bloß den Habitus und die Blattzahl vergleichen). Auch die bisherige Cattleya maxima müsste ihre eigene monotypische Gattung bekommen, so isoliert steht sie da (was man ja eigentlich auch sehen kann). Cattleya dürfte sie nicht mehr heißen, denn der Name ist für labiata (die Typusart der Gattung) und ihre direkten Verwandten reserviert. Und wer will denn das?

Viele Grüße
Walter
Titel: Re: Umbenennung der Pflanzen
Beitrag von: Ruediger am 02.Aug.20 um 17:51 Uhr
Auch bei der Phylogenetik muß man aufpassen, wann man welche Arten zusammen fügt.
Je nachdem welche Sequenzen man vergleicht.......

Und ob man die Genetik alleine als Merkmal nimmt, das kann man diskutieren.
Ich fürchte nur, das die Konfusion noch größer wird, wenn man nicht behutsam vorgeht.