Cephalanthera longifolia , ein Waldvöglein für Anfänger

Begonnen von Berthold, 16.Sep.08 um 20:26 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Berthold

      Ein Waldvöglein für Anfänger
       
      Kennt Ihr das schwertblättrige oder langblättrige Waldvöglein,
      Cephalanthera longifolia? Es ist die robusteste und langlebigste Orchidee,
      die ich kenne. Diese hier habe ich 1987 von einem Freund aus der Eifel
      bekommen. Sie ist 4 mal umgepflanzt worden und strahlt in immer schönerem
      Glanz, in diesem Jahr erstmalig mit 2 Trieben:


      Sie darf nicht verwechselt werden mit dem weissen Waldvöglein,
      Cephalanthera damasonium. Die ist die schwierigste Orchidee.
      Wahrscheinlich kann sie nur mit einer ordentlichen Dröhnung eines
      Breitbandfungizides kultiviert werden

      Ausgesät habe ich nicht (nur ein Versuch mit einer völlig unreifen
      Samenkapsel, der natürlich gescheitert ist). Claus startet einen neuen Versuch.
      Man könnte den Verdacht haben, dass sie sich genetisch gegen eine
      generative Vermehrung sträubt, weil die adulte Pflanze sehr robust ist und
      fast nicht abstirbt. Warum dann so viele Junge?

      Allerdings habe ich beobachtet, dass ein neu aufgeschütteter Waldwegabhang
      in den Alpen dicht besiedelt war von C. longifolia, sozusagen als
      Rudelpflanze.

      Sehr attraktiv ist auch Cephalanthera kurdica (ähnlich rubra, wirkt aber stolzer) und
      einige japanische gelbe wie z.B. falcata. Sie haben alle das gleiche
      Problem wie damasonium. Sie sind kaum zu halten, da sie sofort abfaulen.
      Deshalb wird die künstliche Vermehrung nicht viel bringen. Wahrscheinlich
      brauchen sie zu ihrem Schutz einen Pilz, der seinerseits auf lebende
      Baumwurzeln (oder andere Pflanzenwurzeln) angewiesen ist.
      Vielleicht tut es auch schon der Glomus in bestimmter Konzentration. Ich
      versuche das herauszufinden.
     



      Absolut nichts für Anfänger
       
So sieht das andere, das weisse Waldvöglein, Cephalanthera damasonium aus (absolut nichts für Anfänger).
Die Blüten sind manchmal etwas gelblich und nie ganz richtig geöffnet.  Die Blätter sind nicht lang und rinnig sondern ovaler, flach und kürzer. Es hat völlig andere Mykorrhiza-Partner als das Ceph. longifolia aber das erkennt man nicht auf den ersten Blick.

         
      Meine Vermutung zum Unterschied in der Schwierigkeit der Kultur beider Arten:

      Longifolia benötigt einen Pilzpartner nur zum keimen, später nicht mehr,
      weil sie eine eingebaute hohe Resistenz gegen patogene Pilze und
      Mikroorganismen besitzt. Sie lässt sich deshalb auf Standorte mit fast
      beliebiger Struktur und Zusammensetzung pflanzen und ist sehr langlebig.
      Dass sie in der Natur nur auf bestimmten Böden vorkommt liegt daran, dass
      ihr Keimpilz das so will.

      Damasonium benötigt nicht nur zum keimen sondern auch zum später Schutz
      der adulten Pflanze vor patogen Umweltteilnehmer einen Pilzpartner. Dieser
      Pilzpartner der erwachsenen Pflanze ist (möglicherweise ein anderer als
      der Keimpartner) seinerseits an lebende Pflanzenwurzeln anderer Pflanzen
      gebunden (meist Buchen) so ähnlich wie z.B. auch Trüffel.

      Ich habe gerade eine kleine damasonium Pflanze von einem Bekannten aus der
      Eifel bekommen. Sie wurde sorgfältig mit Wasser gereinigt, mit allen
      Fungiziden, die ich habe, besprüht, in reines Neudohum gesetzt und gut
      angegossen, damit keine grossen Luftkanäle zur Wurzel bestehen.
      Es kann natürlich sein, dass auch der Glomus Pilz im Neudohum schon zu
      viel ist für die Pflanze.

      Die Fungizid-Behandlung der Orchideen wurde auch von Holger Perner (der
      Cypripedien-Perner aus China) für die Gartenkultur von Erdorchideen in
      Süd-Japan vorgeschlagen. Dort muss der der Boden unheimlich mit Pilzen
      versifft sein und die Wahrscheinlichkeit, dass eine Orchidee auf den
      falschen Pilz trifft ist dann gross.
     
      Man kann die C. longifolia auch vegetativ vermehren. Man braucht nur die
      Triebspitze etwas zu verletzten, dann macht die Pflanze mehrere Neutriebe.
      Man sieht auch in der Natur machmal solche Pflanzencluster der longifolia.
      Aber was Böhm mit rubra schafft (Aussaat), ist doch sicherlich mit longifolia auch
      denkbar.


- Ceph. longifolia

- Ceph damasonium
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Hallo Berthold,

ja, Böhm hat heftig experimentiert mit Samenkapseln unterschiedlicher Reife und fand letztlich, dass das Medium eine untergeordnete Rolle spielt. Es kommt auf die Reife der Samenkapseln an und da ist das richtige Zeitfenster recht eng gesteckt (+/- eine Woche).
Experimente mit C. falcata, die ein Japaner gemacht hat, legen auch dort das gleiche nahe.
Zumal C. longifolia bereits von zumindest 2 Händlern in unterschiedlichen Größen (Altern) angeboten wird, würde ich annehmen dass irgendwer da draußen schon mit Erfolg generativ vermehrt. Auch der alte Schwede (Malmgren) schreibt auf seiner Website, dass er es schon versucht hätte und trotz Verwendung reifer Samen immerhin keinen totalen Fehlschlag erlebt hätte.
Das lässt doch hoffen!

Frage an Dich: Du schreibst, Du hättest schon 4x verpflanzt. Wie extensiv ist denn das Wurzelsystem von C. longifolia? Mich wundert's irgendwie, dass die das zulässt. Sogar C. rubra wurde zumindest in Töpfen schon erfolgreich unsteril kultiviert (C. rubra), auf Wurzelbeschädigungen reagierte es jedoch offenbar "allergisch".

BTW: Es scheint da eine sehr seltene rosa Varietät der C. longifolia zu geben (Cephalanthera longifolia var. rosea). Eine Reise wert?

Berthold

#2
Zitat von: winwen am 17.Sep.08 um 13:10 Uhr
Du schreibst, Du hättest schon 4x verpflanzt. Wie extensiv ist denn das Wurzelsystem von C. longifolia? Mich wundert's irgendwie, dass die das zulässt.

BTW: Es scheint da eine sehr seltene rosa Varietät der C. longifolia zu geben (Cephalanthera longifolia var. rosea). Eine Reise wert?


Die längsten Wurzeln sind bis zu 20 cm lang. Einige werden immer beim Umpflanzen beschädigt. Auch bei der Teilung werden viele Wurzeln zerschnitten. Aber das macht der Pflanze überhaupt nichts. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie sehr robust gegenüber Infektionen ist.
Wer will schon beurteilen, ob die Schwierigkeiten beim Umpflanzen anderer Cephalanthera-Arten an beschädigten Wurzeln oder an einer allgemeinen Empfindlichkeit gegenüber Infektionen liegt. Ich vermute sehr stark letzteres.

Eine Cephalanthera damasonium, die ich aus dem Garten eines Freundes in der Eifel bekam, verhält sich nach sorgfältiger Wurzelreinigung und Fungizidbesprühung im Topf mit Neudohum/Seramis-Mischung bisher hervorragend.

Wahrscheinlich wachsen diese "schwierigen" Arten in der Natur in einem sehr labilen Gleichgewicht zwischen pathogenen und schützenden Pilzen. Bei leichter Änderung der Randbedingungen setzen sich die fatalen Pilze durch.

Die Rosa-Form sieht ja elegant aus. Vielleicht steck aber auch etwas C. rubra-Blut drin. Das müsste man erst mal genau untersuchen.


Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Jürgen a.d.E.

Longifolia benötigt einen Pilzpartner nur zum keimen, später nicht mehr,
      weil sie eine eingebaute hohe Resistenz gegen patogene Pilze und
      Mikroorganismen besitzt. Sie lässt sich deshalb auf Standorte mit fast
      beliebiger Struktur und Zusammensetzung pflanzen und ist sehr langlebig.
      Dass sie in der Natur nur auf bestimmten Böden vorkommt liegt daran, dass
      ihr Keimpilz das so will.

Schief gelaufen, eben. Ich muß hier erst reinfinden.
Also, das heist, ich kann die auch bei den Cyp.s reinsetzen. Mein Substrat besteht zu 50% aus Sand. Auch der Stand, Sonne im Sommer bis gegen 10 Uhr, müßte hinkommen.

Jürgen a.d.E.


Berthold

Zitat von: Jürgen a.d.E. am 15.Nov.09 um 19:48 Uhr
Schief gelaufen, eben. Ich muß hier erst reinfinden.
Jürgen, Du kannst hier Deine Beiträge selber löschen oder beliebig lange ohne Zeitbegrenzung ändern



Zitat
Also, das heist, ich kann die auch bei den Cyp.s reinsetzen. Mein Substrat besteht zu 50% aus Sand. Auch der Stand, Sonne im Sommer bis gegen 10 Uhr, müßte hinkommen.

Jürgen a.d.E.
das wird klappen. Die Ceph. long. wächst meist in etwas schwererem Boden, der die Feuchtigkeit im Wurzelbereich lange hält. Du kannst dem Cypripedium-Substrat im Wurzelbereich der Cepf. long. etwas Kalklehm zumischen, dann sollte es keine Probleme geben. Weg kriechen tut die Pflanze nicht.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

purpurea †

#5
Hallo
Ich habe festgestellt das beide Arten ,rubra und longifolia an beschädigten Stellen die Wurzel verzweigen lässt.Bildet also an beschädigten Stellen weiter Wurzelwerk.Ähnlich wie verschiedene Epipactis.
Jürgen, ein Tip:Kultiviere die Pflanze erst einmal im ausreichend grossen Topf in Neudohum(nein bitte nicht schlagen!!!!duck und weg) :rot :rot)
Der Wurzel und Triebzuwachs ist ernorm. :thumb :thumb
:-D Berthold, ich hatte Dir ja letztes Jahr  in Stukenbrok die 5 triebige rubra gezeigt die in Neudohum gewachsen ist. :wink grins
Anschliesend dann in den Garten mit geeignetem Substrat.
Gruss Rudolf.V
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
Du darfst nicht alles glauben was Du weisst!
Lieber zuviel essen als zu wenig trinken!

Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du es hinter Dir.

Berthold

Rudolf, rubra ist aber deutlich empfindlicher als longifolia.
In Neudohum (ca.30%) wächsen die Pflanzen zwar sehr gut aber man muss auch besser aufpassen als in mineralischem Substrat, dass die Feuchtigkeit nicht zu lange zu hoch ist. Deshalb lohnt es eigentlich kaum, lngifolia in Neudohum zu halten.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

purpurea †

Hallo Berthold
Was heisst "lohnt sich nicht" :ka :ka
Zumal der 45 Liter Sack "nur" 8,50 kostet.
Es lohnt sich doch jede Pflanze wenn man einen optimalen Zuwachs erwarten kann. :wink
Ausser, man hat zu viele und betrachtet sie vieleicht als Unkraut. :ka :ka
Wie ich Dich allerdings nicht einschätze. :nee :nee :nee
Gruss Rudolf:V
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
Du darfst nicht alles glauben was Du weisst!
Lieber zuviel essen als zu wenig trinken!

Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du es hinter Dir.

Berthold

Diese Pflanze habe ich im Oktober 1987 bekommen. Sie ist als bereits fast 26 Jahre unter Aufsicht.
Sie ist mehrmals mit umgezogen und hat immer brav an einem oder zwei Trieben geblüht.

Mehrtriebigkeit entsteht bei dieser Art wie bei den meisten anderen Cypripedium-Arten auch nur durch mechanische oder biochemische Störung des Wurzelsystems.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

purpurea †

Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
Du darfst nicht alles glauben was Du weisst!
Lieber zuviel essen als zu wenig trinken!

Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du es hinter Dir.

Berthold

Zitat von: purpurea am 13.Mai.13 um 18:22 Uhr
ist halt ein Allerweltskraut das jeder hat. :thumb :wink

ja, es ist wirklich eine Anfängerorchideen mit hohen Gartenwert.
Leider ist sie so schlecht vermehrbar. Eine Aussaat hat bisher nicht funktioniert. Ein Verletzen des Rhizoms müsste zu Mehrtriebigkeit führen. Dann könnte man Triebe abschneiden.

Rudolf, doch ein Projekt für Dich, oder?
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

purpurea †

 :whistle :thumb :thumb
Es geht aber nicht immer. Warum habe ich noch nicht rausgefunden. :ka
Liebe Grüsse an die meisten.
Rudolf.V
Du darfst nicht alles glauben was Du weisst!
Lieber zuviel essen als zu wenig trinken!

Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast Du es hinter Dir.

Berthold

Diese Pflanze habe ich 2004 in eine dünne Efeuschicht gesetzt und dann nicht wieder gesehen. Plötzlich ist sie in alter Frische wieder da. Die Efeuschicht ist jetzt etwa 20 cm hoch.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Eveline†


Alexa

Hier findet man Ceph. damasonium überall, auch in Vorgärten, an der Straße...
Ceph. longifolia habe ich noch nicht gefunden.