Einfluss des Nährbodens

Begonnen von Claus, 31.Okt.08 um 12:56 Uhr

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Claus

Bei der Aussaat gibt es ja immer mehr oder weniger gute Erfolge. Aus meiner Erfahrung ist der wichtigste Punkt die Qualität der Samen. Das klingt vielleicht selbstverständlich, aber das heißt z.B. nicht, dass die Samen unbedingt ganz frisch sein müssen. Auch jahrealte Samen guter Qualität, die richtig gelagert wurden, keimen sehr gut.

Weiter spielt natürlich die Bleiche eine Rolle, ob NaOCl oder H2O2 oder Ca-Hypochlorit, daran entscheidet sich auch oft der Erfolg.

Aber wenn dann die Keimung ganz unterschiedlich ist, kann man meistens die Ursachen nicht ergründen.

Anders ist es bei der Grünaussaat, hier werden die Samen ja keinem chemischen Stress ausgesetzt, so dass nur die Qualität, der richtige Zeitpunkt der Samenernte und natürlich die Qualität des Nährbodens eine Rolle spielen.

Zum Thema "richtiger Zeitpunkt" ist zu sagen, dass auch Samen von Kapseln, die von einem Trieb stammen, sehr unterschiedlich keimen können. Das erklärt sich dadurch, dass die ja je nach Anordnung am Trieb unterschiedliche Reifestadien haben.

Wenn man aber eine einzige Kapsel zur Grünaussaat nimmt, dann sollte das Ergebnis (fast) nur noch vom Nährboden abhängen.

Anfang August säte ich Cyp. calceolus grün aus einer Kapsel aus. Ich verwende dann immer mehrere Nährböden, so wie sie gerade vorhanden sind. Erstaunlich ist das Ergebnis diesmal. Der Reifezustand war offenbar optimal, und der Keimerfolg scheint stark vom Nährboden abzuhängen. Hier ein Foto von 4 Gläsern, die charakteristisch für diese Aussaat sind:

Die Nährböden unterscheiden sich von oben nach unten wie folgt:

Nr. 1: mein spezieller Nährboden mit Kokos und 0,2 ppm BAP
Nr. 2: dito mit Kartoffel und Ananas
Nr. 3: dito mit Kokos und Kartoffel
Nr. 4: van Waes-Medium (Phytotech selbst gemixt) mit 0,2 ppm BAP

Die Ergebnisse sprechen für sich, noch nie hatte ich eine derart starke Keimung bei Cypripdien. Das setzt sich jetzt auch bei Cyp. tibeticum, guttatum und fasciolatum fort.

Der Trick bei den Nährböden ist zum einen der Zusatz der von Svante Malmgren empfohlenen organischen Stoffe, zum andern eine Kombination von Caseinhydrolysat, Aminosäuren und Nitraten als Stickstoffquellen. Ansonsten ist es die Basisrezeptur von van Waes.

Mit dem Nährboden Nr. 1 war es auch erstmals gelungen Calypso bulbosa erfolgreich auszusäen. Die stehen bei mir jetzt auf solchen Nährböden mit Kokos und Kartoffel bzw. je 1 ppm NAA und Kinetin und haben schöne grüne Blättchen entwickelt.

Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Berthold

#1
Zitat von: Claus am 31.Okt.08 um 12:56 Uhr
Zum Thema "richtiger Zeitpunkt" ist zu sagen, dass auch Samen von Kapseln, die von einem Trieb stammen, sehr unterschiedlich keimen können. Das erklärt sich dadurch, dass die ja je nach Anordnung am Trieb unterschiedliche Reifestadien haben.
Grüße
Claus

Ein weiterer Grund ist, dass die Kapseln an einem Stengel von unterschiedlichen Insekten zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichem Pollen bestäubt werden können.
Man sollte deshalb die Samen immer gut mischen, damit man nicht vor völlig unerwarteten Unterschieden bei den Keimerfolgen steht.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

winwen

Claus, ich ziehe meinen imaginären Hut! Alle Achtung!
Aber jetzt mal im Detail:  Du verwendest BM2 mit Kokoswasser von reifen Nüssen (wieviel?) und Kartoffel (Kartoffel-Glukose-Extrakt? Wieviel?) dazu Nitrate (Welche und welche Menge?) und Aminosären (welches Produkt, wieviel?)

Fragen über Fragen....

BTW: Unterliege ich einer Täuschung, oder ist das 3. Röhrchen tatsächlich noch "perfekter" vom Inhalt her als Nummer 1 und 2?

Claus

Hallo,
die Rezeptur ist recht komplex, ich habe sie als Excel-Datei und kann sie dir schicken, wenn du mir per PN deine Email-Adresse sendest. Soweit ich weiß kann man keine Excel-Anhänge an PN senden.

Ich habe die Datei jetzt mal in Word eingebettet und versuche sie hier als Anhang zu bringen, zweifele aber etwas am Erfolg; denn in der Vorschau funktionierte das nicht.

Kokos scheint immer gut zu sein für Aussaat und Umlegen von Erdorchideen. Kartoffel bewährt sich auch sehr oft, bei Nr. 3 waren beide kombiniert, vielleicht ein Hinweis wie man weiter vorgehen sollte. Bei vielen Arten empfiehlt sich die Kombination Kartoffel und Ananas, vor allem für Dactylorhiza.

Ich bin ja noch nicht so lange dabei, es mit diesen Zusätzen zu versuchen. Svante Malmgren, mit dem ich mich immer wieder einmal austausche und der von den synthetischen Hormonen nichts hält, hatte mir den Vergleich empfohlen, weil er meinte, dass diese Pflanzensäfte noch andere unbekannte Komponenten enthalten, welche das Wachstum fördern. Und das stimmt wohl auch. Er empfahl mir auch, es mit Kombinationen von mehreren Zusätzen zu versuchen, und das stimmt auch. Die zugesetzten Mengen sind nach der in wissenschaftlichen Kreisen noch weitgehend unbekannten Formel

Menge = π x Daumen
genauestens entwickelt worden.  grins

Ich habe mich bei den Zusätzen auf Ananas, Kokos (reife Nüsse, grüne funktionieren nicht oder wegen der Konservierung des Saftes ganz schlecht), Kartoffel und Svantes berüchtigte Turnip konzentriert. Die Turnip, wobei die Diskussion ja immer noch nicht abgeschlossen ist, scheint eine Art Steckrübe zu sein, die aber nicht die rettichartige Schärfe und den unangenehmen Geruch der Steckrübe hat. Sie sieht aber genauso aus. Ich habe von Svante eine solche Rübe bekommen, sie in kleine Teile zerschnitten und eingefroren. Samen aus Schweden, den ich bekommen hatte, habe ich in diesem Jahr zu spät ausgesät, so dass sich zwar die Pflanzen voll entwickelt aber keine Rüben gebildet haben. Die Turnip scheint günstig für alle Arten Ophrys und auch für Serapias zu sein.

Ob diese Zusätze auch bei einfacheren Rezepturen so günstig sind, z.B. bei P-6668 oder dem einfachen Malmgrenrezept, weiß ich nicht. Vielleicht probiert das ja mal jemand aus, ich komme so schnell nicht dazu.

Eine weitere Möglichkeit für Umlegeböden ist das Arbeiten mit einer Kombination von Auxinen und Kinetinen, z.B. 0,2 ppm IAA oder 1 ppm NAA mit 0,5-1 ppm Kinetin. Wenn man zuviel Kinetin zugibt, dann entsteht zwar Riesenwuchs, aber die Pflanzen machen keinen gesunden Eindruck.

Ich denke, dass man auf dem Gebiet der Nährböden noch viel erreichen kann.

Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

Claus

Na, hat ja mit dem Anhang doch funktioniert!

Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Super, Danke!
Habe aber noch Fragen:
Was meinst Du mit Kartoffel? Kartoffelextrakt? Wie stellst Du das her (oder kaufst Du das?)?

Irgendwie glaube ich, dass da ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: Anorganischer Stickstoff (besonders Nitrate) wurde doch immer als keimungshemmend angesehen - kommt das hier nicht zur Geltung oder stimmt das etwa gar nicht? Oder verwendest Du immer noch Malmgren mod. nach Claus für Keimung und den Nitratboden zur Umlage?

Claus

Die Nährböden nach dem diskutierten Rezept benutze ich für Aussaat und Umlegen, allerdings mit 15 g/l Zucker für Aussaat und 20 g/l zum Umlegen. Und dann sind einige Zusätze anders oder anders kombiniert bei Umlegeböden. Da experimentiere ich ja auch noch.

Ja, Nitrate. Also Ammoniumverbindungen gelten als relativ pflanzenschädlich, sind aber in gängigen Rezepturen doch enthalten. Mir sagte mal ein Forscher dazu: Alle Pflanzen, die sie bisher untersucht haben (dazu gehören Erdorchideen nicht)haben Enzyme, um aus den unterschiedlichsten Stickstoffverbindungen ihren Bedarf zu decken. Malmgen nimmt ja auch keine Nitrate mit dem Unterschied, dass er für manche Arten dann doch Ammoniumnitrat statt Aminosäuren nimmt. Der Umlegeboden nach Malmgren ohne Nitrate ist nicht besonders gut für viele Arten, man erkennt das an den etwas hellgrünen glasigen Blättern oder dem Steckenbleiben in der Entwicklung.

Ich habe es einfach mal mit Zusätzen von Nitrat versucht, zunächst KNO3, dann zusätzlich Ca-Nitrat, und die Wirkung war enorm. Die optimalen Mengen sind bisher nicht ausgetestet worden. Insbesondere die schwierigeren Arten profitieren davon.

Hier noch das Rezept für Kartoffelextrakt. Es ist eigentlich das Rezept für den in der Biologie viel verwendeten Kartoffel-Glucose-Agar. Aber da wir Agar ohnehin in die Rezeptur tun, müssen wir es ja nicht hier gleich machen. So ist der Extrakt auch flüssig und besser zu dosieren. Ich friere ihn ein.

Kleine Kartoffelstückchen 200 g
Glucose 10 g (Traubenzucker aus dem Supermarkt)
Aqua dest. 1000 ml
pH 5,6 einstellen

Kartoffelstückchen und Glucose in Aqua dest. weich kochen, filtrieren,
Filtrat auf 1000 ml wieder auffüllen.
Autoklavieren 15 Min. bei ca. 120°C oder gleich einfrieren. Für bessere Haltbarkeit ist Autoklavieren vorzuziehen, da in den Auftauzeiten Infektion erfolgen kann.

Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)

winwen

Interessant!

Nur für mein Verständnis: Filtrat ist das, was durch den Filter durchgeht, nicht das, was darin zurückbleibt - richtig?

Zusatzfrage: Als Umlageboden behebt Dein Medium offenbar bestimmte Probleme, die es mit Malmgren gibt. Du schreibst aber, dass Du diesen Deinen Boden auch für Aussaat verwendest. Die Cypis scheinen darauf sehr positiv auch in der Aussaat anzusprechen, aber das könnte eine (Arten-spezifische) Ausnahme sein betreffend die positive Wirkung der Nitrate im Aussaatmedium (oder präziser: betreffend die Tatsache, dass sich die Nitrate zumindest nicht nachweislich negativ in der Wirkung niederschlagen).
Hast Du auch Vergleiche zwischen Malmgren mod. nach Claus und Deinem Nitrat-enthaltendem Medium (BM1/2-basiert), wie sich diese und andere Arten bei der Aussaat darauf verhalten?


Berthold

Zitat von: winwen am 06.Nov.08 um 09:46 Uhr
Filtrat ist das, was durch den Filter durchgeht, nicht das, was darin zurückbleibt - richtig?

richtig. Das was drin bleibt kann man als Haferflockenergänzungsstoff für die symbiotische Aussaat benutzen oder mit Öl, Speck, Zwiebeln und Salz zu Reibekuchen verbacken.
Weniger gelobt ist genug kritisiert (frei nach Peter Altmaier)

Claus

Zitat von: winwen am 06.Nov.08 um 09:46 Uhr
Zusatzfrage: Als Umlageboden behebt Dein Medium offenbar bestimmte Probleme, die es mit Malmgren gibt. Du schreibst aber, dass Du diesen Deinen Boden auch für Aussaat verwendest. Die Cypis scheinen darauf sehr positiv auch in der Aussaat anzusprechen, aber das könnte eine (Arten-spezifische) Ausnahme sein betreffend die positive Wirkung der Nitrate im Aussaatmedium (oder präziser: betreffend die Tatsache, dass sich die Nitrate zumindest nicht nachweislich negativ in der Wirkung niederschlagen).
Hast Du auch Vergleiche zwischen Malmgren mod. nach Claus und Deinem Nitrat-enthaltendem Medium (BM1/2-basiert), wie sich diese und andere Arten bei der Aussaat darauf verhalten?

Hallo,
im Laufe der 4 Jahre, in denen ich mich mit den Nährböden beschäftige, habe ich alles mögliche ausprobiert: P-6668, P-0931, Steele, Malmgren einfach, Malmgren mod., Murashige&Skoog, van Waes und ich weiß nicht was noch alles.

Ich hatte mir im Frühjahr 2006 von Aaron Hicks, USA eine ganze Menge an Samen kommen lassen und war sehr enttäuscht, dass nur ein kleiner Teil davon auf den Sigmamedien keimte.

2006 hatten wir an unserem Aussaattag mit Malmgren mod. plus Ananas bzw. Kokos die ersten sehr guten Erfolge bei einer Vielzahl an Arten. Es zeigte sich dann nach dem Umlegen auf diesem Boden, dass die weitere Entwicklung bei den meisten Arten unbefriedigend war, die Sämlinge hatten oft hellgrüne, fast glasige Blätter und blieben nach einiger Zeit in der Entwicklung trotz weiterem Umlegen stecken. Knollenbildung war die Ausnahme. Svante Malmgren hat mir dann später geschrieben, dass dies wohl an den synthetischen Hormonen lag und ich damals noch nicht die Zusätze Ananas, Kokos und Kartoffel in die Umlegeböden mixte.

Die ersten Erfahrungen mit dem Steele-Medium machte ich mit Cypripedien. Da ich dann auch immer andere Arten auf solche Böden lege, fand ich eine recht gute Entwicklung auch bei diesen. Steele-Medium enthält hohe Mengen an Nitraten, P-6668 und die anderen Sigma-Medien auch. Aber zur Aussaat war es nicht so gut. Zum Umlegen ist es besser, aber nicht Spitze.

Dann kam der Versuch, dem Malmgren mod. noch zusätzlich kleinere Mengern an Nitraten zuzufügen, das war gut, aber kein Durchbruch.

Auch der Boden L88 aus dem Buch von Kohls/Kähler "Orchideen im Garten" Seite 30, der speziell für Cypripedien geeignet sein soll, ist mit gewissen Anpassungen an die heute verfügbaren Chemikalien gut.

Dann kam ich zu den van Waes-Böden mit ihrem Gehalt an Caseinhydrolysat. Darauf keimte dann in Kombination mit Kokos und BAP erstmals auch Calypso bulbosa. Diese Böden waren noch besser als Malmgren mod. und Steele, und so kombinierte ich van Waes mit den Aminosäurelösungen von Malmgren.

Der Versuch, dann noch zusätzlich kleinere Mengen an K- und Ca-Nitraten zuzugeben, war einfach ein Vorstoß ins Blaue und, wie gesagt, die Rezeptur ist sicherlich noch nicht optimiert. Der Vorteil dieser Rezeptur ist vor allem, dass eine zügige Entwicklung stattfindet, dass man die Sämlinge relativ lange auf dem Medium lassen kann, ggf. nach weiterem Umlegen und vor allem, dass sich mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit Knollen bilden, mit denen man dann gut ins unsterile Substrat oder erst einmal in den Kühlschrank gehen kann.

Ich mische diese Böden mit Zusätzen von Kokos, Kartoffel, Ananas und ggf. Turnip, das bringt wirklich Spitzenergebnisse, wobei es besser zu sein scheint, wenn man 2 oder 3 dieser Zusätze noch kombiniert. Man kann dann noch zusätzlich mit Auxinen und Kinetinen arbeiten, das treibt das Wachstum noch kräftig in die Höhe. Aber beim Zusatz von Kinetin muss man vorsichtig sein, 1 ppm scheint in den meisten Fällen zuviel zu sein, zur Zeit nehme ich nur noch 0,5 ppm, wenn überhaupt.

Diese Medien bringen so manche auf anderen Böden dahinkümmernde Sämlinge wie in einer Jungmühle zu neuem Leben. Ich habe es erlebt, dass winzige Sämlinge, denen die Blätter bereits abgestorben waren, wieder neu austrieben und dann ein richtig starkes Wachstum zeigten. Der relativ große Aufwand, diese Rezweptur zu mischen, lohnt sich.

Viele Grüße
Claus
Wer Chemiker werden will, muss Chemie studieren; wer Jurist oder Arzt werden will, muss Jura oder Medizin studieren. Aber um Politiker zu werden, ist lediglich das Studium der eigenen Interessen notwendig. (Max O'Rell)